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Fiakerkutscher beim Kartenspiel

HIGHLIGHTS | GEHEIMTIPPS | WOHLFÜHLADRESSEN

»Vindobona, du herrliche Stadt, an dir sieht sich mein Auge nie satt.«

Titellied aus der gleichnamigen Operette von Leo Ascher

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Athene wacht vor dem Parlament.

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INHALT

Das sollten Sie sich nicht entgehen lassen

Willkommen in Wien

RUND UM DEN STEPHANSDOM

1Stephansdom und Stephansplatz

2Kärntner Straße

3Graben

4Staatsoper

5Rund um die Bäckerstraße

6Mozartwohnung und Haus der Musik

7Franziskanerplatz

8Jesuitenkirche

9Bermudadreieck

10Rund um den Judenplatz

11Donaukanal

RUND UM DIE HOFBURG

12Hofburg

13KHM und NHM

14Albertina

15Am Hof und Freyung

16Minoritenkirche

17Kaffeehäuser

18Weihnachten in Wien

19Ringstraße

20Burgtheater Wien

2. BEZIRK UND DONAU

21Karmelitermarkt

22Augarten

23Prater

24Copa Cagrana & Alte Donau

INNERHALB DES GÜRTELS

25MuseumsQuartier

26Mariahilfer Straße

27Spittelberg

28Naschmarkt

29Secession

30Karlsplatz

31Belverdere

32Margareten

33Hundertwassers Wien

34Freud-Museum und Narrenturm

35Gürtelviertel

AUSSERHALB DES GÜRTELS

36Kirche am Steinhof

37Fuchs-Villa

38Technisches Museum

39Schönbrunn

40Hermesvilla

41Amalienbad

42Zentralfriedhof

WEINBAUORTE

43Grinzing

44Neustift

45Kahlenberg und Leopoldsberg

46Klosterneuburg

47Perchtoldsdorf & Mödling

48Baden

AUSFLÜGE

49Wachau

50Semmering

REISEINFOS

Wien von A bis Z

Ballsaison in Wien

Kalender

Register

Impressum

MEHR WISSEN

Das Sacher

Resl und Sisi

MEHR ERLEBEN

Ein Wochenende in Wien

Vom Glück in Wien zu leben

Wien für Kinder und Familien

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Atlasfigur an der von J. E. Fischer von Erlach erbauten Österreichischen Nationalbibliothek

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Breites Brötchenangebot im »Schwarzen Kameel«

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Die Karl-Borromäus-Kirche am Zentralfriedhof zieren viele Jugendstilelemente.

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Wunderwerke zum Anfassen im Technischen Museum

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Plausch, in Wien »tratschen« genannt

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Die goldene Kuppel der Kirche am Steinhof glänzt in der Sonne.

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Schlosspark von Schönbrunn

DAS SOLLTEN SIE SICH NICHT ENTGEHEN LASSEN

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Debütanten beim Wiener Opernball

image Wien ist Musik

Es mag wie ein Klischee klingen, aber es stimmt: Kaum eine andere Metropole bietet pro Tag so viele musikalische Aufführungen wie Österreichs Hauptstadt. Ob in der Staats-, Volks- oder Kammeroper (S. 56, 206, 69) oder dem Theater an der Wien (S. 171), dem Musikverein (S. 175) oder dem Konzerthaus.

image Wien ist Jugendstil

Zeugnisse der Kunst der Jahrhundertwende begegnen einem auf Schritt und Tritt. Die Secession (S. 170) beim Naschmarkt und Otto Wagners Straßenbahnpavillons (S. 173) am Karlsplatz sind architektonische Highlights. Im Belvedere (S. 182) erweckt Gustav Klimts »Kuss« romantische Gefühle, im Leopold Museum (S. 154) warten Schieles Meisterwerke.

image Wien ist Tanz

Mindestens seit dem Wiener Kongress im Jahr 1814 liegt die gesamte Stadt im Walzerfieber. Wien-Besucher können die ersten Schritte auf dem Parkett in einer Privatstunde in der traditionsreichen Tanzschule Elmayer (Bräunerstr. 13) erlernen.

image Wien ist am Ball

Im Fasching tanzen Tausende Wiener auf Bällen (S. 274). Diese finden in historischen Gebäuden wie der Hofburg, dem Rathaus und dem Musikverein statt. Nur vom Besuch des Akademikerballs sei abgeraten. Da wird zu viel deutschgetümelt.

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Das dreitägige Donauinselfest Ende Juni besuchen mehr als drei Millionen Menschen.

image Wiener zieht es ins Grüne

Wien umgibt ein dichter Wald- und Wiesengürtel, der unter Naturschutz steht. Die Stadtbewohner zieht es am Wochenende hinaus. Sie wandern bis zur Burg Liechtenstein bei Mödling (S. 253) oder in den Weinbergen um Neustift und Salmannsdorf (S. 242). Auf Beethovens Spuren begeben sich Spaziergänger in und um den Weinbauort Grinzing (S. 238).

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Beim Heurigen lässt es sich stundenlang plaudern.

image Wien im Festivalrausch

Jedes Jahr finden in Wien Dutzende Festivals statt – für Wiener Musik, Jazz und afrikanische Kultur. Wenn die großen Theater im Juli und August eine Pause einlegen, starten die kleinen Sommertheater im Umkreis von Wien durch, ob in Schwechat, Perchtholdsdorf, Mödling oder Reichenau (S. 278).

image Wien ist Literatur

Thomas Bernhard mag ein Aufführungsverbot seiner Stücke nach seinem Tod in seinem Heimatland erwirkt haben – die Stadt ehrte ihn dennoch als einen der bedeutendsten Schriftsteller im 2015 eröffneten Literaturmuseum (S. 47). Dieses bietet einen Überblick über 200 Jahre österreichische Literatur.

image Wien ist Wasser

Die Hochquellleitung bringt über Aquädukte hervorragendes Trinkwasser in die Stadt. Und auch die Donau hat inzwischen wieder Trinkwasserqualität. Im Sommer heißt es also: Nichts wie hinein ins kühle Nass! Ob in Freibädern wie dem Gänsehäufel oder FKK-Stränden wie jenem in der Lobau – die Donauarme erwarten passionierte Schwimmer (S. 146).

image Wien ist Wellness

Wer sich etwas besonders Gutes tun will, sollte sich eine Schokoladenmassage im Hotel Sacher (S. 48) gönnen. Therapeuten mit flinken Fingern arbeiten eine betörend nach Kakao duftende Creme ein. So kommt man in den Genuss der »Sacher Experience«, ohne dabei eine einzige Kalorie zu sich genommen zu haben.

image Wien, wie es isst

Aus Literatur und Dichtung geht hervor, dass die Wiener einem guten »Papperl« einen vorrangigen Platz in ihrem Leben einräumen. Nur in die Oberlaaer Konditorei (S. 117) gehen sie, um sich das perfekte Himbeertörtchen im Mund zergehen zu lassen, und bei Bitzingers Würstelstand bei der Albertina schmeckt die Käsekrainer am besten. Auch die Kartoffelchips müssen von Hand gemacht sein: Sie firmieren als »Rohscheiben« im Schweizerhaus im Prater. Gourmets probieren auch gern neue Leckerbissen aus, wie z. B. Marco Simonis Pastrami (geräuchertes Rinderfleisch) im gleichnamigen Lokal auf der Dominikanerbastei 10.

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Wiener Schaumrollen vom Naschmarkt: zart im Anbiss, verführerisch im Geschmack

WILLKOMMEN in Wien

Wien steht für Lebensqualität: Nicht nur, dass sich um die Stadt ein unvergleichlicher Wald- und Wiesengürtel rankt, auch mehr als die Hälfte des urbanen Bereichs besteht aus Grünflächen. Die Wiener dürfen sich außerdem über kostbare Kulturschätze sowie ein exzellentes öffentliches Verkehrsnetz und Gesundheitssystem freuen. Darüber hinaus ist Wien eine sehr sichere Stadt. Aus diesem Grund wurde die Donaumetropole in den letzten Jahren mehrmals vom internationalen Beratungsinstitut Mercer sowie dem Forschungsinstitut des Wirtschaftsmagazins »The Economist« zur »lebenswertesten Stadt« der Welt gekürt. Reisende finden ein einzigartiges Veranstaltungs- und Freizeitangebot vor: Dutzende Museen und Kirchen warten mit einem interessanten Rahmenprogramm auf.

Den Wienern ist ihre Stadt wichtig. An jedem kleinen Detail nehmen sie Anteil. Beim Vorbeifahren prüfen sie, ob das Blumenbeet auf dem viel befahrenen Gürtel wirklich gut gejätet ist. Und wenn die Auslagenscheiben am Graben nicht richtig gut geputzt sind, fällt ihnen das auch auf. Ihre eigene Stadt lässt die Wiener Bevölkerung einfach nicht los: Zwei Damen ziehen da zum Beispiel im Schwimmbecken ihre Bahnen und unterhalten sich über eine knifflige Frage im Kreuzworträtsel: »Stadtviertel im achten Bezirk, 13 Buchstaben. Welcher wird hier gesucht?« Hin und her überlegen sie und gehen in Gedanken den ganzen Bezirk ab: vom Rathaus die Josefstädter Straße hinauf, vorbei am Biedermeier-Theater, über den Jodok-Fink-Platz, einen der schönsten Plätze von Wien mit der imposanten Maria-Treu-Kirche. Der Name für das Grätzl lässt sich jedoch nicht finden. Vielleicht fällt er ihnen erst dann ein, wenn sie das nächste Mal durch die verwinkelten Gässchen der historisch gewachsenen Vorstadt gehen.

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Elegant schwingt sich die Hofburg um den Michaelerplatz.

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Charmant serviert wird die klassische Schokotorte mit Schlag.

Wiens Grätzln, wie die Teile von Wohnbezirken genannt werden, möbeln auf. Vom Freihaus- zum Karmeliterviertel, vom Franziskaner- zum Schleifmühlviertel ziehen diese ursprünglich alten Dörfer vor den Toren der historischen Innenstadt Reisende wie auch Besucher aus anderen Bezirken an. Grätzln umfassen manchmal nur einige Häuserblöcke und haben fließende Grenzen. Sie werden deshalb populär, weil in ihren Häusern und Hinterhöfen nette Lokale, Galerien und Bars eröffnen.

Wiens Vergangenheit

»Wir Wiener blicken vertrauensvoll in die Vergangenheit«, sagte einst der österreichische Kabarettist Karl Farkas (1893–1971). Als ihm dieses Bonmot in den Sinn kam, dachte er wahrscheinlich an all jene Landsleute, die der einstigen Glorie des Habsburgerreichs wehmütig nachhingen. Was durch den Zerfall der Monarchie alles verloren gegangen ist, darüber hörte man viele Wiener noch Jahrzehnte nach Ende des Ersten Weltkriegs klagen. Etwas minderwertig kamen sie sich vor, so am Rande des Eisernen Vorhangs. Mittlerweile stehen die Bewohner der Stadt jedoch selbstsicherer da. Schließlich wurde die Generation, die sich noch an das Kaiserreich erinnern konnte, zu Grabe getragen. Viele Wiener sind stolz darauf, dass ihre Stadt wieder als wichtige Schnittstelle zwischen Ost- und Westeuropa dient. Wahrzeichen der einstigen Glorie des Habsburgerreichs werden auf Hochglanz poliert und locken jährlich mehr als 15 Millionen Besucher in die Stadt. Diese spazieren staunend an barocken Baujuwelen und eleganten Jugendstilvillen vorbei. Vertrauensvoll blicken Reisende wie Einheimische heute nicht in, sondern auf die Vergangenheit.

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Historische Urkunden finden sich in den Wiener Archiven viele.

Herkunft des Stadtnamens

Wien ist ein wortmalerischer Städtename. Ein Hauch von Wind geht von ihm aus und erinnert an den warmen Föhn, der vom Mittelmeerraum über die Alpen ins Wiener Becken fällt und auch manchmal zu einem Sturm anwachsen kann. Dann liegt auch die Verbindung zum Wort Wein nahe, was clevere Marketing-Experten gern für ihre Zwecke ausnutzen.

Tatsächlich soll das Wort sich jedoch von der keltischen Bezeichnung »Vedunia« herleiten, in der die Worte weiß und Waldbach stecken. Verschiedene Keltenstämme ließen sich auf den Anhöhen über den zahlreichen Armen des Donau- und Wienflusses 400 Jahre vor unserer Zeitrechnung nieder. Sie bauten auch als erste Weintrauben an. Vedunia wurde 200 v. Chr. Teil von Noricum, dem ersten überregionalen Reich der Festlandkelten. Als die Römer 15 v. Chr. schließlich dieses Reich eroberten, wandelte sich die Bezeichnung »Vedunia« in »Vindobona« um.

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Der Doppeladler wacht über dem Schweizertor in der Hofburg.

Stadtgeschichte und Architektur

Die Römer errichteten im Kerngebiet des heutigen ersten Bezirks ein Militärlager und setzten auch den Weinbau außerhalb der Festungsmauern fort. Am Graben, jener Prunkzeile, die heute vom Stephansdom zum Kohlmarkt führt, verlief die südwestliche Umwallung des Kastells. Reste von Wohnhäusern für die Frauen und Kinder der Soldaten wurden am Michaelerplatz gleich vor der Hofburg im Zuge von U-Bahn-Arbeiten entdeckt und freigelegt. Der römische »Philosophenkaiser« Mark Aurel starb 180 n. Chr. im Feldlager von Vindobona.

Zur Zeit der Völkerwanderung wurde Wien richtig multikulturell. Damals verschmolzen Kelten, Römer, Germanen, Slawen, Awaren und Hunnen langsam zu einer Bevölkerung. Nachdem das Markgrafen- und spätere Herzogsgeschlecht der Babenberger Ostarrîchi und in diesem Zuge auch »Wenia« 976 zu regieren begannen, stieg die Stadt zu einem wichtigen Handelszentrum auf. Mit dem Lösegeld für den vom Markgrafen Leopold 1192 gefangen genommenen englischen König Richard Löwenherz wurde eine große Stadterweiterung finanziert. Die Babenberger errichteten auch eine Residenz auf dem Standort der späteren Hofburg. Ein in einer zwei Meter dicken Mauer verstecktes romanisches Trichterfenster bestätigte im Jahr 1987 diese Vermutung.

Nachdem die männliche Babenberger Linie erlosch, erlangte das Schweizer Grafengeschlecht der Habsburger im Jahr 1278 die Herrschaft über Österreich. Graf Rudolf war 1273 zum deutschen Kaiser gewählt worden und rang das Gebiet dem böhmischen König Ottokar II. ab, der ihm seine Kaiserkrone streitig machen wollte. Seine Nachfahren regierten Österreich (und in der Folge zahlreiche angrenzende Länder) über 21 Generationen hindurch bis zur Ausrufung der Republik im Jahr 1918.

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Bei Kaisers brannte einst ein Feuer im Kamin.

Zeugnisse mittelalterlicher Architektur sind in Wien hauptsächlich in Sakralbauten erhalten. Das Riesentor des Stephansdoms ist z. B. romanischen Ursprungs. Die Gotik brachte in Wien einige filigran-imposante Kirchen hervor, darunter die später in die Hofburg integrierte Augustinerkirche Maria am Gestade, die unweit des Donaukanals gelegene Kirche der Flussschiffer sowie den Großteil des Stephansdoms. Die mittelalterliche Stadtstruktur ist noch in den kleinen Gässchen südlich des Stephansdoms erhalten. Viele dieser Gässchen sind nach den dort einst ansässigen Zünften benannt. So finden sich z. B. in der Bäckerstraße neben Gebäuden mit mittelalterlichen Fundamenten Renaissancewohnhäuser mit anmutigen Innenhöfen, die einzigen ihrer Art in Wien.

Erst im Zeitalter der Gegenreformation und nach zwei erfolglosen Türkenbelagerungen im Jahr 1529 und 1683 erblühte Wien in all seiner barocken Pracht: Zwiebeltürme, vergoldete Madonnen und pausbäckige Putti-Engel sollten darüber hinwegtäuschen, dass bis 1640 nahezu alle Wiener Protestanten brutal enteignet und aus Österreich vertrieben wurden und 1670 auch allen Juden dasselbe Schicksal widerfuhr.

Das beschwingte Barock, das schlichtelegante Biedermeier, die alle historischen Stile imitierende Gründerzeit sowie der verspielte Jugendstil prägten das Stadtbild vom späten 17. bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Wenn Besucher durch die Stadt spazieren, atmen sie auf Schritt und Tritt das historische Flair der Donau-Metropole ein.

Auch im 20. und 21. Jahrhundert drückten Architekten Wien ihren Stempel auf. Der Stephansdom spiegelt sich in der runden Glasfassade des Haas-Hauses des Architekten Hans Hollein (1934–2014) wider. Reisende, die von Umweltschutz einiges halten, pilgern zu dem kunterbunten Wohnhaus in der Löwengasse, auf dessen Dach Bäume wachsen. Der Maler Friedensreich Hundertwasser (1928–2000) und der Architekt Josef Krawina (*1928) gestalteten es von 1983 bis 1986 und kreierten damit einen Tourismus-Magneten.

Kunst und Kultur

Einen Publikumsmagneten hatte Wien zu jener Zeit auch bitter nötig. Die Stadt schlummerte bis in die frühen 1980er-Jahre nämlich im Dornröschenschlaf dahin, und das nicht nur im Bezug auf seine Architektur. Zu schwer lastete der eine Stunde vor der Stadt beginnende Eiserne Vorhang auf der Donaumetropole. Zudem war das kollektive Bewusstsein noch von postfaschistischen Denkweisen geprägt, die eine Öffnung zu progressiveren Inhalten nur schwer möglich machten. Aber dann kam die »Waldheim-Affäre« und die Stadt musste sich ihrer Vergangenheit stellen. Der Eiserne Vorhang wurde 1989 ebenfalls hochgezogen. Wien begann sich punktuell als »Event City« zu positionieren. Das »Bermudadreieck« um die Ruprechtskirche, Wiens ältestem Gotteshaus, und die Synagoge in der Seitenstettengasse verschlang jedes Wochenende Tausende von Jugendlichen, die auf der Suche nach Bier und guter Musik hier gekentert waren. Und auf einmal wurden sich die Wiener bewusst, welch großen Nachholbedarf sie hatten.

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Die Ferstel-Passage auf der Freyung entzückt mit ihrer Neorenaissance-Architektur.

Dem Wiener Bürgermeister Helmut Zilk (1927–2008) ging es ebenso. Als er den Jahreswechsel 1989/90 in Wien verbrachte, musste er mit Schrecken feststellen, was die Stadt ihren Gästen zu Silvester bot: »Nur Hunger und Glasscherben.« Alle Restaurants ließen nach Weihnachten ihre Rollläden herunter. Wenn Reisende also an Mitternacht das Neue Jahr mit dem Klang der Pummerin am Stephansplatz einläuten wollten, fanden sie erstens nichts zu essen und zu trinken, und zweitens mussten sie aufpassen, dass sie nicht auf den Scherben von Flaschen ausrutschten, die fidele Wiener ins Stadtzentrum mitgebracht und dann fallen gelassen hatten. So entstand die Idee, einen Silvesterpfad durch die Innere Stadt anzulegen. Die Punschhütten hatten schon in der Adventszeit heiße Schwipsgetränke ausgeschenkt. Und nach und nach erkannten auch viele Gastbetriebe in der Inneren Stadt, dass sich bei 700 000 Neujahrsbesuchern ein beachtlicher Umsatz machen lässt. Da Musik im urbanen Leben eine zentrale Rolle spielt, stellte man auch zehn Bühnen an den besten Plätzen der Innenstadt auf.

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Im Hof des Museumsquartiers finden oft kulturelle Veranstaltungen statt.

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Der Lebenskreisbaum im Park »Am Himmel« ordnet jedem Geburtsdatum einen Baum zu.

Im Jahr 2001 kam dann noch das MuseumsQuartier (Abk. MQ) dazu: 60 000 Quadratmeter für die Kunst in unmittelbarer Nähe vom Kunsthistorischen und Naturhistorischen Museum und der Hofburg. Institutionen wie das Leopold Museum mit der weltweit größten Egon-Schiele-Sammlung sowie das Museum Moderner Kunst Stiftung Ludwig, in dem die besten Werke österreichischer Nachkriegskunst ausgestellt sind, eröffneten hier. Besucher schätzen das MuseumsQuartier nicht nur wegen seines kulturellen Angebots. In der warmen Jahreszeit werden die Innenhöfe zum verlängerten Wohnzimmer. Dann liegen Studenten auf breiten Hofmöbeln herum und lassen sich die Sonne auf den Bauch scheinen. Auch im Winter wird das MQ-Areal für die Freizeit genutzt. Sogar Eisstockschießen können Besucher des Areals, in dem die barocke Welt auf virtuelle Welten trifft.

In Wien tut sich jeden Monat etwas: So bietet die Stadt auch etwas für fast jeden Musikgeschmack – von »wean hean«, dem Wienerliedfestival, bis hin zu den Tanzwochen, dem Jazz-Fest und den Wiener Festwochen, in dem ein wahres Feuerwerk an Theater- und Musikproduktionen über die Stadt hereinbricht.

Die grüne Lunge der Stadt

Der Wienerwald ist die grüne Lunge der Stadt. Auf 105 645 Hektar rankt er sich im Westen und Süden um die Stadt. Keine andere Metropole auf der Welt verfügt über so ein großes Naherholungsgebiet mit dichten, duftenden Wäldern, sanften Wiesen und Bergen, die sich bis auf 900 Meter recken. Wer hier jemals spazieren ging und dann zum Beispiel eine Wanderung in einem amerikanischen Nationalpark antrat, wird sich schmerzlich nach Wien zurücksehnen. Auf jedem Wanderweg stehen Schilder, die zur nächsten Hütte weisen. Und nach einer halben oder dreiviertel Stunde bergauf und bergab gibt es dann allerlei Leckerbissen, die den durch die Sauerstoffzufuhr verursachten Hunger schnell stillen: Leberknödelsuppe, Bauernschmaus, Apfelstrudel und ein Viertel »Weiß gespritzt« machen auch die müdesten Knochen wieder munter.

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Wiener Spezialitäten im Pawlatschenhof des »Schlossquadrats«

Essen und Trinken

»Eine Stadt kann man nicht essen«, sagt die Psychotherapeutin mahnend, wenn eine emigrierte Wienerin darüber nachdenkt, wieso sie beim Heimatbesuch alle traditionellen Delikatessen regelrecht verschlingt. Und wer kann es ihr auch verdenken? Schließlich sehen die barocken Kirchenkuppeln wie gewundene »Schlagobersgupfen« auf einem Windgebäck-Baiser aus, und zu Weihnachten riecht das ganze Zentrum nach heißem Rum und Gewürzen.

Auch für jene, die das ganze Jahr hier leben, ist das Papperl (die Mahlzeit) ein wichtiges Lebenselixier. Schon früh am Morgen wird daran gedacht, was zu Mittag gegessen wird, und am Nachmittag stehen noch die Einkäufe für ein ordentliches Abendessen an. Zwischendurch liegen Verlockungen immer in Reichweite. Wiens Bäckereien haben in den letzten Jahren an vielen Standorten Filialen eröffnet. Bei U-Bahn- und Straßenbahnhaltestellen haben sie Verkaufsstände aufgemacht. Ein Punschkrapfen vom »Anker« und ein Rehrücken vom »Felber« lindern den Heißhunger zwischendurch, von den diversen Würstelständen ganz zu schweigen. In den Restaurants der Stadt wird sehr genau darauf geachtet, was in den Topf kommt – und zwar nur das feinste Rindfleisch für den Tafelspitz und die aromatischste Powidl-Marmelade für die Germknödel.

Zudem beachten die Wiener auch eine bestimmte Gourmet-Etikette. In Betrieben ist das Essen so heilig, dass sich Mitarbeiter bereits ab neun Uhr morgens mit »Mahlzeit« begrüßen. Zugegeben, ein etwas übertriebener Brauch. »Mahlzeit« ist auch das magische Wort, das den Genuss von »Sturm«, jenem teilvergorenen, milchigen Jungwein bestimmt. Wiener dürfen ihren Trinkpartnern nicht »Prost« zurufen, wenn sie im Frühherbst den süßen, spritzigen und sofort berauschenden Rebensaft trinken. Er darf nur in der linken Hand gehalten werden und das Anstoßen ist ebenfalls untersagt. Erst zum Martinifest am 11. November wird er »getauft«, und dann normalisieren sich die Trinksitten wieder. Der Ursprung dieses Brauchs ist unklar. Vielleicht ein Aberglaube, damit der Wein nicht zum Sauerampfer wird?

Wiener Witz und Eigenart

Wien ist witzig und weit über die Grenzen des Landes für seinen Schmäh bekannt. Die Bewohner der Stadt veräppeln ihre Gesprächspartner gern ein wenig, aber auch sich selbst. Die Schmähvarianten reichen dabei von liebenswert zu morbid, von sarkastisch zu der sprichwörtlichen grantigen (misanthropischen) Attitüde der Wiener. Ein Wiener beschreibt zum Beispiel den Friedhofsbesuch seiner Schwiegermutter folgendermaßen: »Die Oma fährt schon zum Probeliegen.« Auf Michael Jacksons Tod reagiert er mit den Worten: »Na, g’waxen wär’ er sowieso nicht mehr.«

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Klaus Trabitsch und Erika Pluhar bringen im Theater am Spittelberg Weisen dar.

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Eine »Vermischte Warenhandlung« in der Weihburggasse

Im Wiener Dialekt kommen noch häufig die Klassenunterschiede zum Ausdruck: Bewohner der Nobelbezirke Döbling, Währing und Hietzing sprechen Hochdeutsch, und dies oft durch die Nase, sodass ihre Äußerungen einen leicht französischen Ton annehmen. Diese Gewohnheit soll auf Kaiser Joseph II. (1741–1790) zurückgehen, der an Polypen litt. Alle Hofschranzen ahmten ihn nach, weil sie glaubten, dass dies die richtige Sprechweise wäre. In Arbeiterbezirken wie Ottakring, Meidling und Favoriten lässt sich leicht erahnen, dass die vielen tschechischen und slowakischen Dienstboten, die sich zur vorletzten Jahrhundertwende in der Stadt niederließen, auch die Sprachmelodie beeinflussten und ihr eine singende, in die Länge gezogene Note verliehen. Setzt man sich in ein Prager Café und lauscht man den Gesprächen, ohne auf die einzelnen Worte zu hören, so könnte man fast meinen, man wäre in Wien. Der Wiener Dialekt soll angeblich auch noch Spuren mittelhochdeutscher Strukturen beinhalten. Auf jeden Fall nimmt er es mit dem deutschen Fallsystem nicht so ernst und verändert gerne Vokale. Ein amerikanischer Besucher namens Bill wird demnach kurzerhand auf »Büh« umgetauft. Und da die Wiener gerne den Eigennamen Artikel vorstellen, heißt er dann in Wienerischem Hochdeutsch »der Bill« oder im Dialekt »da Büh«.

Bewohner der Stadt begegnen Reisenden oft mit ausgesuchter Höflichkeit. Ist es noch ein Erbe der Kaiserzeit, dass Titel eine wichtige Rolle spielen? Der »Herr Ingenieur« hat gerade einmal sein Abitur in einer technischen Fachrichtung gemacht, runzelt aber die Stirn, wenn man seine Anrede vergisst. Frauen in einem gewissen Alter, die am Standesamt promovierten, bestehen darauf, mit »Frau Doktor« angesprochen zu werden. Aber manchen Verkäufern und Verkäuferinnen kommt es gar nicht in den Sinn, eine Kundin überhaupt zu siezen. Nur die dritte Person ist erlaubt. Bei Nachbestellungen wird deshalb die Frage gestellt: »Darf es noch etwas sein, die Dame?« Die Wiener haben eine zärtliche Beziehung zu Objekten, die sich im Laufe des Stadtlebens verdient gemacht haben. Als die Straßenbahnlinie 65 in ein neues Streckennetz überführt und als Nummer 1 wiedergeboren wurde, sagten ihre Schaffner mit einer zentralen Durchsage Lebewohl: »Der Bahnhof Favoriten verabschiedet sich von der 65er-Linie. Viel Glück im neuen Leben!«

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Im traditionsreichen »Café Hawelka« in der Dorotheergasse.

Nur auf dem Fußballplatz lassen Wiener überschüssige Energien heraus. Wer Schimpfwörter im Wiener Dialekt lernen will, sollte die Stadien der Fußballclubs Rapid und Austria besuchen. »Renn doch, du Ohrwaschelkaktus!«, ist noch eine feine Ausdrucksweise. »Hau di üba d’Heiser, du Halawachl!«, fällt schon etwas deftiger aus. Beim Fußball werden die Wiener zu Zweckpessimisten. »Rapid spielt diese Saison echt schlecht«, meint da ein eingefleischter Fan, hofft jedoch inständig, dass die Hütteldorfer bis zum Ende des Jahres wieder ein Leiberl reißen.

Auf dem Fußballplatz nähern sich auch Kulturen an. Wenn ein Spieler schon Yasin Pehlivan heißt und zum »Toto Jungstar« gekürt wurde, dann kann er doch nicht einfach als »Ausländer« abqualifiziert werden. Und auch im Gemeindebau kommen sich z. B. eine waschechte (d. h. in den 1930er-Jahren als Dienstmädchen aus Kärnten zugewanderte) Wienerin und ein türkischer Migrant näher. Sie sind beide schon in Pension und sitzen auf der Parkbank, um die Sonne zu genießen. Sie beginnen ein Gespräch und erzählen sich gegenseitig über ihre Familie – über die Tochter, die am Stadtrand lebt, über das Enkelkind, das so gern Saxofon spielt, und über die Frau, die krank zu Hause liegt. Und schon kennen sie sich besser, beim nächsten Mal steckt die Dame dem Enkelkind des Nachbarn zehn Euro für das gute Zeugnis zu.

Stadt zum Wohlfühlen

Wien ist eine Wohlfühlstadt. Wohl auch weil die Metropole schon seit Jahrzehnten »rot« und seit einigen Jahren »rot-grün« ist. Die sozialdemokratische Stadtregierung hat darauf geachtet, dass die Fahrpreise für öffentliche Verkehrsmittel moderat, das Essen auf Rädern für Senioren mit Mindestpension erschwinglich und die Extrawoche im Spital zum Auskurieren einer Krankheit selbstverständlich bleiben. Und dass die Parks, Bäder, Theater und Konzerthallen in Schuss gehalten werden. In der satirischen Fernsehsendung »Wir sind Kaiser« kam einst Heinz-Christian Strache (*1969), Bundesvorsitzender der ultrarechten FPÖ, zu Besuch bei Majestät Robert Heinrich I. alias Robert Palfrader. Er erklärte, wie er in Wien einiges ändern würde. Daraufhin schaute ihn »Kaiser Robert« nur lange an und fragte dann bei seinem Hofkanzler nach, an welcher Stelle Wien in Sachen Lebensqualität denn läge. Als man dem »Kaiser« die Pole- Position bestätigte, fragte er Strache nur ungläubig: »Und das will er ändern?«

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Auf der Copa Cagrana können sportliche Menschen auch Wasserski fahren.

Steckbrief Wien

Lage: Wien liegt im Nordosten von Österreich am Rande der Voralpen. Seit dem vierten vorchristlichen Jahrhundert schätzten Siedler die Tatsache, dass sich hier die Donauarme gut überqueren ließen.

Fläche: 414,87 Quadratkilometer. Wien ist somit das kleinste Bundesland Österreichs.

Einwohner: 1,84 Millionen

Bevölkerungsdichte: 4502 Einwohner je Quadratkilometer

Amtssprache: Deutsch

Wappen:

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Währung: EURO

Zeitzonen: MEZ und MESZ (Ende März bis Ende Oktober)

Geografie: Verschiedene Keltenstämme ließen sich 400 v. Chr. auf den Anhöhen über den Donauarmen nieder. Die Donau wurde auch von den Römern und späteren Siedlern als Verkehrsweg genutzt. Wien ist Zentrum des Wiener Beckens, einem Senkungsfeld zwischen Alpen und Karpaten mit fruchtbarem Ackerland, Wald- und Wiesenlandschaften und Weinbaugebieten.

Stadt und Verwaltung: Das von Friedrich Schmidt entworfene neugotische Wiener Rathaus befindet sich auf der Ringstraße. Wien gliedert sich in 23 Stadtbezirke, die alle einen eigenen Namen haben und mehrere historische Dörfer in sich vereinen. Der erste Bezirk, auch Innere Stadt genannt, umfasst den historischen Kern Wiens. Die Sozialistische Partei Österreichs stellt seit 1945 durchgehend den Bürgermeister und setzt auf sozialen Wohnbau und Bürgerservice. Wien erfreut sich eines sehr guten Rufs und gilt als sehr sicher und sauber.

Wirtschaft und Tourismus: Wien ist Sitz der meisten wichtigen österreichischen Konzerne (OMV, Spar, Austria Tabak) und eine wichtige Pforte zu Osteuropa. Im Durchschnitt besuchen pro Jahr mehr als 15 Millionen Reisende die Stadt.

Religion: Obwohl die Stadt vor katholischen Kirchen nur so strotzt, bekennen sich nur mehr 49,2 % zu dieser Religion. 25,6 % sind konfessionslos, 7,8 % islamisch, 6 % christlich-orthodox und 4,7 % evangelisch.

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Hermesvilla, Kaiserin Elisabeths Lustschlösschen

Geschichte im Überblick

ca. 400 v. Chr. Verschiedene Keltenstämme lassen sich auf den Anhöhen über den Donauarmen nieder.

ca. 200 v. Chr. 13 Keltenstämme schließen sich auf österreichischen Boden zum Königreich Noricum zusammen.

15 v. Chr. Noricum wird Teil des Römischen Reichs. Das Legionslager Vindobona dient Soldaten dazu, die Nordgrenze des Reichs zu schützen. Hauptstadt der römischen Provinz Pannonien ist jedoch das östlich von Vindobona gelegene Carnuntum.

17. März 180 Der römische »Philosophenkaiser« Mark Aurel stirbt während eines Feldzugs gegen die Germanen im Lager von Vindobona.

800 Nach einer Siedlungsunterbrechung nach Völkerwanderung kommt es zu ersten Kirchengründungen (St. Ruprecht).

976 Der aus einem bayrischen Adelsgeschlecht stammende Leopold von Babenberg wird als Markgraf von Ostarrîchi eingesetzt.

1146 Heinrich VI. von Babenberg verlegt die Hauptstadt von Ostarrîchi nach Wien und wird zum Herzog ernannt.

1221 Wien erhält das Stadtrecht.

1198–1230 Wien erlebt unter Leopold VI. eine kulturelle Blüte. Auch die aus gotischen Gebäuden bestehende Vorstadtzone nimmt Gestalt an.

1278 Das Schweizer Adelsgeschlecht der Habsburger erlangt die Herrschaft über Österreich. Mit der Wahl Rudolf I. zum römisch-deutschen Kaiser begründen die Habsburger ihre Macht.

13. Jh. Wein ist das einzige Exportgut Wiens. Ab 1459 darf er auch in Buschenschanken verkauft werden.

1365 Herzog Rudolf IV. gründet die Wiener Universität, die zweitälteste im deutschsprachigen Kulturraum nach Prag.

1421 Erste Vertreibung von Wiener Juden (Gesera).

1469 Wien wird zum Bischofssitz und St. Stephan zur Kathedrale erhoben.

1529 Wien wird zum ersten Mal von Truppen des Osmanischen Reichs belagert. Seuchen sowie ein früher Wintereinbruch zwingen die osmanische Armee zum Rückzug.

1548 Die Stadt wird besser befestigt und erhält eine Stadtmauer mit elf Basteien. Diese Anlagen bewähren sich bei der Zweiten Türkenbelagerung im Jahr 1683.

Mitte 16. Jh. Ferdinand I. holt die Jesuiten nach Wien, die die Gegenreformation gemeinsam mit anderen Orden forcieren.

17. Jh. und 18. Jh. Eine rege Bautätigkeit setzt ein, wonach das Stadtbild barockisiert wird. Johann Bernhard Fischer von Erlach gestaltet Schloss Schönbrunn, Lucas von Hildebrandt das Schloss Belvedere für Prinz Eugen von Savoyen.

1740 Da die Habsburger in der männlichen Linie aussterben, übernimmt Maria Theresia, Tochter von Karl VI., das Zepter. Unter ihrer Herrschaft umfasst das Habsburgerreich neben Österreich auch Ungarn, Kroatien, Galizien, Mantua, Mailand und Parma.

1762 Der sechsjährige Musikvirtuose Wolfgang Amadeus Mozart tritt vor Kaiserin Maria Theresia im Schloss Schönbrunn auf.

1814 Nach Abschluss der Napoleonischen Kriege legt der Wiener Kongress die neuen Grenzen von Europa fest. Franz I. und sein Kanzler Klemens Fürst Metternich errichten einen Polizeistaat, der bis zum Amtsantritt von Franz Joseph I. im Jahr 1848 besteht.

1848–1916 Unter der Herrschaft von Franz Joseph I. werden ab 1857 die Stadtmauern geschleift. Es entstehen Stadtpalais, Regierungsgebäude und Museen. Die aus Großbürgern, Beamten und Künstlern bestehende »Zweite Gesellschaft« dominiert das Gesellschaftsleben. Wien bringt Maler wie Gustav Klimt und Egon Schiele sowie Schriftsteller wie Stefan Zweig und Karl Kraus hervor. Walzerkomponisten wie Johann Strauß Sohn füllen die Ballsäle. Sigmund Freud begründet Ende des 19. Jh. die Psychoanalyse.

1918 Nach dem Ersten Weltkrieg ist Wien Hauptstadt eines Kleinstaats.

1918–1934 Wien wird durchgehend von sozialistischen Bürgermeistern regiert. Ihre Kommunalpolitik umfasst wegweisende Gemeindebauprojekte sowie Reformen in der Sozial-, Gesundheits- und Bildungspolitik.

15. März 1938 Adolf Hitler verkündet am Heldenplatz den Anschluss Österreichs an Deutschland.

1945–1955 Wien wird nach dem Zweiten Weltkrieg zehn Jahre lang von den vier Siegermächten regiert.

1978 Eröffnung der ersten Wiener U-Bahn-Linie (U 1).

1979 Eröffnung der UNO-City in Wien. Die Stadt wird dadurch nach New York und Genf zum dritten Sitz der Vereinten Nationen.

1989 Über Jahrzehnte an den Rand Europas gedrückt, etabliert sich Wien nach dem Fall des Eisernen Vorhangs wieder als Bindeglied zwischen West und Ost.

2001 In den ehemaligen barocken Hofstallungen der Habsburger eröffnet das MuseumsQuartier, zum Zeitpunkt der Fertigstellung das achtgrößte Kulturareal der Welt.

2018 Wien kann sich mit dem Haus der Geschichte und dem Weltmuseum neuer bedeutender Museen rühmen.

EIN WOCHENENDE IN WIEN

Die Top-Sehenswürdigkeiten der Stadt – Stephansdom, Hofburg und Schönbrunn – können Reisende innerhalb von 76 Stunden besuchen. Wer etwas vom hippen urbanen Stadtleben mitbekommen will, der sollte auch einen Abstecher ins Miznon und in den Club Vie i Pee machen. Dazwischen eingestreut: ein Heurigen- und zwei Kaffeehausbesuche, denn ganz abhold ist man der Tradition doch nicht.

1. TAG

13:00 IM HERZEN DER STADT

Ein Wienbesuch startet am besten beim Stephansdom, im Mittelpunkt der Stadt. Reisende können der fast 900 Jahre alten Kathedrale eine Stippvisite abstatten, an einer Führung teilnehmen oder auch die 343 Stufen auf den Südturm erklimmen und die Metropole von oben betrachten.

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14:00 MITTAG BEI MIZNON

Gleich hinter dem Stephansdom befindet sich einer von Wiens schmackhaftesten Schnellimbissen. Das Lokal »Miznon« (Schulerstr. 4) serviert flaumige Pitabrötchen, täglich aus Israel importiert, die mit leckerer Ratatouille, einem harten Ei und Tahini gefüllt werden. Der Knüller ist jedoch der geröstete Karfiol (Blumenkohl), der im Ofen seine ganze Süße entwickelt.

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15:00 AUDIENZ BEIM KAISER

Von der Stephanskirche wandert man über Graben und Kohlmarkt zur Hofburg, dem Winterpalast der Habsburger. Dort können Kulturinteressierte zwischen der Schatzkammer, den kaiserlichen Apartments, dem Sisi-Museum, dem Weltmuseum oder der Nationalbibliothek wählen.

18:00 EIN WIENERISCHES ABENDESSEN

It’s Schnitzel time! Gleich am ersten Tag wird diese Kalorienbombe mit Erdäpfelsalat verzehrt. »Reinthaler«, das urigste Beisl der Innenstadt, verfügt gleich über zwei Standorte: Dorotheergasse 4 und Gluckgasse 5. Im etwas feineren Lokal »Oswald & Kalb« (Bäckerstr. 14) wird die Hausmannskost in einem Gewölbe aus dem 16. Jahrhundert aufgetischt.

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20:00 BESUCH IM BURGTHEATER

Auf außergewöhnliche Theatererlebnisse können sich Kulturenthusiasten im größten Sprechtheater des deutschsprachigen Raums freuen. Karten am besten online reservieren! Johann Nestroys bissig-witzige Alt-Wiener Volksstücke aus dem 19. Jahrhundert geben Einblicke in die Wiener Seele. Das Kreativteam des Burgtheaters adaptiert sie hervorragend für die Gegenwart.

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23:00 COCKTAILS IM BOTANICAL GARDEN

In Gehweite vom Burgtheater liegt die Bar »Botanical Garden«. Hier stellen wissenskundige Mixologen ihre eigenen Sirupsorten und Bitters her. Ins »Wiener Seemannskracherl« kommen Gin Sul, Jungspund Weißwein, Kümmelbitters und Tonic. Matrosenmotive finden sich auch an den Wänden, die der Tätowierer Roberto Pulvano gestaltete.

2. TAG

9:00 FRÜHSTÜCK BEI MANN, STRÖCK, ANKER ODER FELBER

Über ganz Wien zieht sich ein dichtes Netz von erstklassigen Bäckereien, von denen viele auch ein kleines Café mit einschließen. Bei »Mann«, »Ströck«, »Anker« und »Felber« serviert man auch ein exzellentes Frühstück. Naschkatzen können natürlich auch schon am Morgen ihrem Laster frönen.

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10:00 UM DEN RING MIT DER STRASSENBAHN

Nach dem Kauf eines Fahrscheins geht es von der Station Kärntner Ring-Oper mit der Nr. 1 bis zum Schwedenplatz um den Ring. Diese Prachtstraße umschließt die Innere Stadt fast zur Gänze. Vom Schwedenplatz geht es mit der Linie 2 wieder zurück zur Station Karlsplatz-Oper. Die Straßenbahn fährt an Prachtbauten wie Staatsoper, Hofburg, Kunst- und Naturhistorischem Museum, Parlament, Rathaus, Burgtheater, Universität, Postsparkasse und Museum für Angewandte Kunst vorbei, die fast alle während der Regentschaft von Kaiser Franz Joseph aus dem Boden schossen.

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11:00 AUF ZUM NASCHMARKT UND FLOHMARKT

Von der Station Karlsplatz-Oper schlendert man in Richtung Wienzeile zum Naschmarkt, Wiens größtem Freiluftmarkt, wo Händler Kostproben ihrer Waren anbieten. Jeden Samstag findet hier auch ein riesiger Flohmarkt statt. Die größten Schnäppchen ergattert man in der Zeile, die am nächsten zur U-Bahntrasse verläuft.

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12:30 MITTAGESSEN IM CAFÉ SPERL

Der Besuch eines traditionsreichen Kaffeehauses ist in Wien ein »must«. Nicht unweit vom Naschmarkt entspannen sich Gäste im »Café Sperl« auf den Thonetstühlen oder Plüschbänken bei einer Melange oder einer Runde Billard. Es ist auch das bevorzugte Kaffeehaus von Literaten wie Robert Menasse und Michael Köhlmeier.

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14:00 BESUCH IM MUSEUMSQUARTIER

In den und anschließend an die Hofstallungen von Kaiserin Maria Theresia finden auf rund 60 000 Quadratmetern spannende Ausstellungen und Veranstaltungen statt. Besonderes Highlight: das Leopold Museum mit seinen Meisterwerken von Egon Schiele und Gustav Klimt. Das Museum Moderner Kunst Sammlung Ludwig (MOMUK) bietet Einblick in die Kunst der österreichischen Avantgarde nach dem Zweiten Weltkrieg.

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17:00 SHOPPING IN MARIAHILF

Auf einem Bummel über die neuerdings verkehrsfreie Mariahilfer Straße schlagen Shopper-Herzen höher. Desigual, H & M und Zara bieten verlockende Sonderangebote. Individualistischere Läden von jungen Designern finden sich auf der benachbarten Neubaugasse oder in der Lindengasse.

18:00 AUF ZUM HEURIGEN!

Wien ist bekannt für seine Weinberge und Weinschenken am Stadtrand. Bei Martin Sepp in Grinzing (Cobenzlgasse 34) schmecken Grüner Veltliner, Zweigelt, Stelze und Liptauerbrot besonders gut. Im Sommer sitzt es sich im Garten besonders gemütlich. Wenn man Glück hat, kommen auch die Scheazbuam vorbei und stimmen eine Wiener Weise an. Gitarrist Richard Reinberger kennt das gesamte Wienerlied-Repertoire und wartet auch mit Melodien auf, die nicht aus dem gängigen Kanon stammen.

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24:00 SEI EIN VIE I PEE!

Wer nach den Wienerliedern noch Lust auf schnellere Rhythmen hat, sollte die U 2 zur Station Messe-Prater nehmen und im »Vie i Pee« zu Hip-Hop-Klängen in den Morgen tanzen. Zuvor empfiehlt sich zu nächtlicher Stunde eine Fahrt mit dem Riesenrad, dem die Stadt wie ein Glitzerteppich zu Füßen liegt.

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3. TAG

9:00 FRÜHSTÜCK IN SCHÖNBRUNN

Im »Café Residenz« im Schloss lässt es sich auch kaiserlich frühstücken. Das Traditionsunternehmen Landtmann serviert hier köstliche Mehlspeisen wie Kardinalsschnitten und Esterhazy-Torten.

10:00 VERDAUUNGSSPAZIERGANG AUF DIE GLORIETTE

Nach einem reichhaltigen Frühstück wird der Hügel im Schönbrunner Schlossgarten bestiegen. Vom Gloriette-Pavillon auf der Anhöhe bietet sich ein wunderschöner Blick auf die Parkanlage und den Westen von Wien.

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12:00 BESUCH IM TIERGARTEN

Der älteste noch bestehende Zoo der Welt beheimatet mehrere Pandas, die hier seit 2007 das Licht der Welt erblickten. Die Anlagen mit historischem Flair sind sehr geräumig gestaltet, damit die Tiere genug Auslauf haben.

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15:00 ABSCHLUSSKAFFEE BEI DOMMAYER

Das traditionsreiche Café in der Dommayergasse 1 liegt unweit des Tiergartens. In diesem Kaffeehaus lassen Reisende ihren Wien-Besuch gern bei Walzermelodien ausklingen.

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RUND UM DEN STEPHANSDOM

1Stephansdom und Stephansplatz

2Kärntner Straße

3Graben

4Staatsoper

5Rund um die Bäckerstraße

6Mozartwohnung und Haus der Musik

7Franziskanerplatz

8Jesuitenkirche

9Bermudadreieck

10Rund um den Judenplatz

11Donaukanal

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Moderne und gotische Architektur auf dem Stephansplatz

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1 Stephansdom und Stephansplatz

Das mystische Herz der Stadt

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Viele Sagen ranken sich um den Stephansplatz und seinen Dom. Den Bau eines hohen Nordturms soll Satan selbst verhindert haben. Beelzebub hängte angeblich auch ein Schloss an den »Stock im Eisen« gegenüber der Kathedrale. Und nachdem die Türken bei ihrem vermeintlichen Versuch scheiterten, eine Halbmondfahne auf Österreichs Wahrzeichen zu hissen, ist dafür heute das Hotel mit dem schönsten Domblick fest in austro-türkischer Hand.

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Die Steine der Heidentürme stammen wahrscheinlich von altrömischen Ruinen.

Der Teufel hatte in Wien schon immer die Hand im Spiel. Der Legende nach verließ sich Steinmetzmeister Hans Puchsbaum (1390–1454) beim Bau des Nordturms auf die Hilfe Beelzebubs. Dieser Turm sollte dem im Jahr 1433 fertiggestellten, fast 137 Meter hohen Südturm in nichts nachstehen. Puchsbaum missachtete jedoch Satans Verbot, einen Heiligennamen auszurufen, als er seine geliebte Maria am Dom vorbeispazieren sah. Der arme Kerl fuhr daraufhin zur Hölle und der Nordturm erreichte niemals die gewünschte Höhe.

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Das Do & Co Hotel Vienna bietet besten Kathedralenblick.

GUT ZU WISSEN

TOURISTENNEPP

Wien kann man auch mit den Vienna Sightseeing Tours erkunden. Leider bieten sie nicht gerade den besten Service. Manche Guides sind unfreundlich, und der Audioguide verläuft manchmal nicht synchron mit den Sehenswürdigkeiten. Lange Wartezeiten bei den Hop-on-Hop-off-Stationen. Die Wien-Touren sind auch nur etwas für Menschen, die nicht viel gehen wollen, denn man verbringt die meiste Zeit im Bus.

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Detail an der Außenfassade des Stephansdoms

Mystischer Ort

Der Platz, auf dem der Stephansdom (1263–1511) majestätisch thront, war seit jeher ein mystischer Ort. Davon zeugt die unterirdische Virgilkapelle aus der Zeit um 1250, in die heute ein Fenster in der U-Bahn-Station unter dem Dom Einblick gibt. Die Römer hinterließen in ihren ehemaligen Lagerruinen steinerne Fruchtbarkeitssymbole in Form einer Vulva und eines Phallus, die die Erbauer der Kirche tatsächlich in die Säulen in der Westfassade integrierten. Besucher müssen nur ihren Blick unterhalb der beiden Uhren am Haupttor wandern lassen, um die so gar nicht christlichen Symbole zu entdecken. Die frühen Kirchenväter dachten, dass sie damit die heidnischen Götter in Stein bannen könnten.

Das Riesentor

Der heutige Haupteingang zur Kathedrale wurde in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts nach der Formgebung der Romanik gestaltet. Fest wie eine Wehrburg prangt er da. Er verweist ebenfalls auf den Kampf zwischen Gut und Böse. In der linken Reliefreihe stoßen ein Mönch mit Kapuze und ein gehörntes Teufelchen die Köpfe zusammen. Der Mönch hält einen dicken Strick in Phallusform in der Hand, mit dem er dem Teufel jederzeit eins drüberziehen kann.

Einfach gut!

DO & CO HOTEL VIENNA

Den Osmanen mag es 1683 nicht gelungen sein, die Halbmondfahne auf dem Stephansdom zu hissen, doch das Hotel mit dem schönsten Blick auf die Kathedrale hat dafür heute austro-türkisches Flair. Besitzer Attila Dogudan gründete 1981 einen Cateringservice und versorgte bald Passagiere der »Lauda Air« und die der Formel I. Das »Do & Co Hotel« und das gleichnamige Spitzenrestaurant sind »nur« eine Visitenkarte für das Gastronomieimperium. Die Hotellobby befindet sich im sechsten Stock. Schon beim Betreten des in warmen Farben gehaltenen Interieurs erinnern Details an Dogudans türkische Wurzeln. Große silberne Teetabletts montierte das niederländische Innenarchitektenteam FG Stijl auf Bartischen. In den geräumigen 41 Zimmern sorgen edle Kelims als Bettzierdecke für Farbe.

Do & Co Hotel Vienna. Stephansplatz 12, 6. Stock, Tel. 241 88, hotel@doco.com, www.doco.com

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Jesus Christus thront über dem Riesentor.

Nicht verpassen

STOCK IM EISEN

Gegenüber dem Stephansdom, an der Ecke Kärntnerstraße und Graben, ist im Belle-Époque-Equitable-Gebäude der »Stock-im-Eisen« eingemauert. Hinter Plexiglas lässt sich dieser auf 1440 datierte und mit Hunderten Nägeln beschlagene Zwieselfichtenstamm bewundern. Um dieses 2,19 Meter hohe Baumstück rankt sich eine Sage: Wieder einmal schloss ein Handwerksgeselle einen Pakt mit dem Teufel, um dem Stock ein Schloss anzulegen, das nur der Geselle öffnen konnte. Bei solchen Wünschen ist die Höllenfahrt freilich vorprogrammiert. Warum durchreisende Schmiedegesellen den Baum im Mittelalter benagelten, ist nicht bekannt. Es mag sein, dass die Nägel im Stamm Glücksbringer waren oder dass die Schmiede ein physisches Zeichen für ihren Aufenthalt in Wien hinterließen. Nagelbäume dieser Art finden sich in vielen Städten Südosteuropas. Der Wiener Stock-im-Eisen ist der älteste noch erhaltene.

Österreichischer Widerstand

Darauf, dass es im 20. Jahrhundert auch einen Kampf mit dunklen Mächten auszufechten galt, deutet eine Inschrift in der Mauer rechts neben dem Riesentor hin. »O5« steht da kryptisch. Dies war ein Kürzel des österreichischen Widerstands gegen das Naziregime. O steht für sich selbst und die Zahl für E, den fünften Buchstaben im Alphabet. Damit signalisierten die Kämpfer, dass sie sich für die Wiederauferstehung eines freien »OEsterreich« einsetzten.

Der Innenraum