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Wolf Scheiber hat Psychologie und Sport studiert und die WSD Selbstbehauptungs-Programme entwickelt, die deutschlandweit über 250 000 Kinder, Teenies und Frauen absolviert haben. Inzwischen coacht er Führungskräfte zu den Themen Führungskompetenz und Work-Life-Balance. In seinen Fachbüchern beschreibt er das Zusammenwirken von Psyche und Körper. Er ist Mitglied im SYNDIKAT e. V. Wolf Scheiber lebt im Schwarzwald.

www.wolf-scheiber.de

WOLF SCHEIBER

Tödlicher Kontrollverlust

Karlsruhe-Krimi

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Die handelnden Personen in diesem Krimi sind frei erfunden.

Sollte dieses Werk Links auf Webseiten Dritter enthalten, so machen wir uns die Inhalte nicht zu eigen und übernehmen für die Inhalte keine Haftung.

1. Auflage 2019

© 2019 by Silberburg-Verlag GmbH,

Schweickhardtstraße 5a, D-72072 Tübingen.

Alle Rechte vorbehalten.

Lektorat: Matthias Kunstmann, Karlsruhe.

Umschlaggestaltung und Satz:

César Grafik GmbH, Köln.

Coverfoto: © Matjaz Slanic – iStockphoto.

Druck: CPI Books, Leck.

Printed in Germany.

ISBN 978-3-8425-2219-0

eISBN 978-3-8425-2325-8

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Für meine Enkelin Marie Luise

Inhalt

Prolog

Tödlicher Kontrollverlust

Epilog

Anhang

Dank

Prolog

Er kam immer näher. Noch hatte er sie nicht gesehen. Der Baum, hinter den sie sich gekauert hatte, gab etwas Deckung. Leider hatte sie mit dem Pfefferspray nicht seine Augen getroffen. Im letzten Moment hatte er den Kopf zur Seite gedreht und ihr gleichzeitig den Ellbogen ins Gesicht gerammt. Sie hatte das Gefühl gehabt, ihr Kopf würde explodieren. Das Pfefferspray war in den Fußraum des Autos gefallen. Immerhin hatte sie den Türgriff schnell gefunden und in den Wald fliehen können. Schon nach wenigen Metern hatte sie sich ihrer Schuhe entledigt. Ihre Füße hatten inzwischen zahlreiche Risswunden. Aber Gott sei Dank sorgte das Adrenalin dafür, dass sie den Schmerz nur vage wahrnahm. Wenn sie jetzt doch nur ihr Handy noch hätte. Dann könnte sie die Polizei anrufen. Leider war ihr die Handtasche an einem Ast hängen geblieben. Sie hatte noch versucht die Tasche wegzureißen. Aber dann hatte sie ihn schon kommen hören und war panisch weiter in den Wald hineingerannt.

Jetzt war er stehen geblieben. Vermutlich versuchte er Geräusche zu orten. Waren seine Augen vielleicht doch in Mitleidenschaft gezogen?

»Komm raus, wir können das regeln!«

Logischerweise gab sie keine Antwort. Er ging weiter. Entfernten sich die Schritte? Sie konnte schlecht abschätzen, wie weit er noch von ihr entfernt war. Sollte sie riskieren, hinter dem Baum zu bleiben, und darauf hoffen, dass er sie nicht sah? Nein, dazu war die Stelle nicht geeignet. Hier standen die Bäume relativ weit auseinander, so dass es zu hell war. Ausgerechnet heute musste der Himmel sternenklar sein. Nein, sie hatte nur eine Chance, wenn sie tiefer in den Wald hineingelangte. Dort war der Bewuchs dichter. Oder sollte sie versuchen, Richtung Landstraße zu laufen, in der Hoffnung, dort ein Auto anzuhalten? Leider hatte sie die Orientierung komplett verloren.

Ich will noch nicht sterben! Ich hab doch noch nichts von meinem beschissenen Leben gehabt!

Nur mit Mühe konnte sie ein Schluchzen unterdrücken. Das Knacken der Äste kam jetzt deutlich näher. Sie wusste, würde er sie zu fassen bekommen, dann würde er sie töten. Da war sie sich sicher. Sie nahm allen Mut zusammen und rannte plötzlich los. Sie musste ihren Vorsprung ausbauen. Die Todesangst trieb sie voran und verlieh ihr ungeahnte Kräfte. Noch nie in ihrem Leben war sie so schnell gelaufen. Ihr Atem ging keuchend. Die Äste schlugen ihr ins Gesicht. Dort vorne war es deutlich dunkler. Dort schienen die Bäume dichter zu stehen. Dort hatte sie eine Chance. Ja, sie würde weiterleben.

Abrupt wurde ihr Lauf gestoppt. Etwas hatte sie zu Fall gebracht.

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Er schaute in drei schwarze Augenpaare. Gemeinsam mit ihnen schraubte er sich in der Thermik nach oben. In circa acht Metern Abstand flog er nunmehr seit über einer Stunde mit drei Rotmilanen in Richtung Pforzheim. Die Aussicht über das Murgtal bis in die Rheinebene und zu den Vogesen war fantastisch. Kurz nach seinem Gleitschirmstart an der Teufelsmühle, die zwischen Gernsbach und Bad Herrenalb liegt und zu den touristischen Attraktionen des Nordschwarzwaldes zählt, hatte Brenner die Greifvögel gesichtet. Da seine Pilotenausbildung noch nicht lange zurücklag, verfügte er bislang noch über wenig Thermikerfahrung. Deshalb waren es bislang nur relativ kurze Gleitflüge gewesen; meist vom Start direkt runter ins Tal. Heute war es jedoch anders! Vögel können die Thermik riechen. Zielsicher finden sie jeden Thermikschlauch. Sich den drei Rotmilanen anzuschließen war eine spontane Entscheidung gewesen. Und offensichtlich hatten die Greifvögel kein Problem mit ihm. Im Gegenteil. Mit jedem Kilometer, den er mit ihnen von Thermik zu Thermik flog, fühlte er sich ihnen mehr verbunden. Ein berauschendes Glücksgefühl hatte ihn erfasst. »Ich bin einer von euch!«, wollte er ihnen am liebsten zurufen.

Was passiert da im Moment bloß mit mir? Menschen können doch nicht fliegen.

Pit Brenner schob diese irritierenden Gedanken zur Seite und genoss den realisierten Menschheitstraum vom Fliegen.

Plötzlich ein tiefer Signalton. Brenner war beunruhigt. Das Variometer. Brenner schaute auf das Display seines Höhenmessers. Verflixt. Über fünf Meter Sinken pro Sekunde. Wo war die Thermik geblieben? Brenner schaute nach seinen neuen Freunden. Auch die Rotmilane hatten momentan keine Thermik mehr. Im Gegensatz zu Brenner konnten sie jedoch mit kräftigem Flügelschlagen auf neue Thermiksuche gehen. Brenner schaute wieder nach unten. Er suchte in dem abfallenden und durchweg bewaldeten Gelände verzweifelt nach einem geeigneten Platz für eine Notlandung. Er sank immer schneller. Der Warnton wurde lauter. Jetzt kam ein anderes Geräusch hinzu. Wo kam das her?

Brenner wachte auf. Sein Handy läutete. »Brenner.«

»Reichle. Polizeipräsidium. Entschuldigen Sie die nächtliche Störung, Herr Hauptkommissar. Aber wir haben einen Fall für Sie.«

Der Leiter der Kriminalinspektion 1 der Karlsruher Kripo, landläufig auch Mordkommission genannt, versuchte, ganz wach zu werden.

Doch der Anrufer ergänzte bereits: »Im Oberwald in der Nähe des Tierparks hat es einen Waldbrand gegeben. Die Feuerwehr hat bei den Löscharbeiten eine Leiche gefunden. Ich schicke Ihnen die Koordinaten des Waldparkplatzes auf Ihr Handy.«

Brenner ließ sich aus dem Bett fallen und machte seine obligatorischen fünfzig Liegestütze, bevor er, noch etwas schlaftrunken, ins Bad ging. Während er unter der Dusche stand und versuchte, vollends wach zu werden, fiel ihm sein Traum wieder ein.

Dieser bedeutsame Flug lag schon mehrere Jahre zurück. Dennoch war er eines der beeindruckendsten Erlebnisse seines Lebens gewesen. Monate später hatte ihm ein Fliegerarzt erklärt, dass er damals wohl eine sogenannte Depersonalisation erlebt habe. Dieses Entfremdungserleben, bei dem man das Gefühl hat, nicht mehr man selbst zu sein, kommt häufig nach der Einnahme bewusstseinserweiternder Drogen vor. Allerdings kann dieses Phänomen auch auftreten, wenn der Körper extrem viele Glückshormone produziert. Gott sei Dank war ihm damals eine perfekte Notlandung gelungen.

Brenner drehte den Wasserhahn komplett nach rechts. Das eiskalte Wasser machte ihn endlich wach.

»Mit großer Wahrscheinlichkeit wurde Brandbeschleuniger benutzt.« Der Einsatzleiter der Feuerwehr informierte Brenner, der in Hockstellung die verkohlte Leiche inspizierte. Diese hatte die für Brandleichen typische Fechterhaltung eingenommen. »Der Brandherd ist eindeutig hier, wo die Leiche liegt.«

»Dann können wir von einem Tötungsdelikt ausgehen«, konstatierte Brenner. Er ließ seinen Blick über die etwa fünfzig Quadratmeter große Fläche schweifen, die dem Feuer zum Opfer gefallen war.

»Das hat unser Schwob jetzt aber treffsicher erkannt«, frotzelte Manfred Franzen. Der etwas korpulente Leiter der Kriminaltechnischen Untersuchung war zwar mit Brenner befreundet, dennoch ließ er als patriotischer Badener wenig Gelegenheiten aus, dem vor vier Jahren von Stuttgart nach Karlsruhe gewechselten Hauptkommissar dessen württembergische Wurzeln vorzuhalten. Auch heute gab es noch viele Badener, denen der bereits 1952 stattgefundene Zusammenschluss der Länder Baden und Württemberg ein Dorn im Auge war.

Meistens konterte Brenner augenblicklich. Nach der kurzen Schlafphase fiel es ihm jedoch schwer genug, sich auf den neuen Fall zu konzentrieren. Deshalb fragte er nur: »Habt ihr spurentechnisch schon was gefunden?«

Bevor Franzen antworten konnte, hörten sie die Stimme von Marie Franke: »Das haben mir deine Leute gerade mitgegeben.« Die Oberkommissarin hielt dabei einen Spurensicherungsbeutel hoch, in dem sich eine knallrote Frauenhandtasche befand, und setzte dann noch ein »Hallo zusammen« hinzu. »Die Tasche hing an einem Gebüsch etwa achtzig Meter von hier. Gehört wahrscheinlich dem Opfer.«

Brenner schaute Richtung Waldparkplatz, an dem er sein Fahrzeug abgestellt hatte. »Bis zum Parkplatz sind es mindestens dreihundert Meter. Somit vermute ich mal, dass unsere Tote mit ihrem Mörder zunächst auf den Parkplatz gefahren ist. Dort ist sie aus dem Auto geflohen und in den Wald gerannt. Der Täter hat sie verfolgt und bei ihrer Flucht hat sie ihre Handtasche verloren.«

»Dann dürfte der Fundort der Leiche auch gleichzeitig der Tatort sein«, ergänzte Marie.

»Unser Täter war vermutlich ein Freier.« Franzen hatte inzwischen die Handtasche geöffnet. »Hier sind zahlreiche Präservative drin und …« Franzen unterbrach sich und zog ein Bündel Euroscheine aus der Tasche. »Fast vierhundert Euro trägt Otto Normalverbraucher auch nicht unbedingt bei sich.«

Brenner erhob sich. »Sind auch Ausweispapiere darin?«

Franzen zog eine Geldbörse aus der Tasche. »Hier ist ein Personalausweis. Der ist auf eine Cleo Keppler ausgestellt.« Mit Blick auf die Rückseite ergänzte er: »Wohnhaft in Karlsruhe, Nebeniusstraße.«

»Das ist nicht weit von der Fautenbruchstraße entfernt. Dort ist einer der Hotspots des Karlsruher Straßenstrichs«, sagte Marie mit Blick zu Brenner. Marie hatte, bevor sie zur Mordkommission kam, bei der Sitte gearbeitet.

»Das unterstützt meine Vermutung.« Franzen durchsuchte weiter die Tasche. »Da sind übrigens noch ein Schlüsselbund und ein Handy. Ansonsten nur die üblichen Schminkutensilien. Aber vielleicht finden wir nachher noch Spuren, die uns Aufschluss über den Tathergang geben.«

»Okay, treffen wir uns um acht im Büro«, entschied Brenner und ließ seinen Blick nochmals über die Umgebung schweifen, bevor er mit Marie Richtung Parkplatz zurückging.

»Mich wundert, dass bei der momentanen Trockenheit nicht mehr Waldfläche in Flammen aufgegangen ist«, merkte Marie an.

»Das habe ich den Einsatzleiter der Feuerwehr auch gefragt. Der hat mir dann allerdings erklärt, dass in unmittelbarer Stadtnähe der Wald sehr aufgeräumt sei, also nicht viel dürres Holz rumliege. Zudem würden hier vorwiegend Buchen und Eichen stehen, die im Gegensatz zu Fichten oder Tannen nicht so leicht brennen.«

»Damit die Kleider nach Rauch stinken, war der Brand auf jeden Fall groß genug. Vergiss nicht, deine Kleider zu wechseln, bevor du nachher wieder kommst. Ich hoffe, du hast noch ein frisches T-Shirt in deinem Schrank.«

»Bin mir da nicht sicher. Kann dir ja mein T-Shirt zum Waschen mitgeben.« Brenner grinste. Marie konnte es mal wieder nicht lassen, auf seinen anspruchslosen Kleidungsstil anzuspielen. Jeans und T-Shirt als Basis-Outfit; im Winter wurde die Lederjacke durch einen Parka ersetzt. Mehr brauchte »Mann« nicht. Marie hingegen legte deutlich mehr Wert auf ein modisches Outfit, wenngleich sie seit der Anschaffung ihres Hundes die Outdoor-Tauglichkeit etwas stärker berücksichtigte. Genauso gegensätzlich gingen sie auch ihre Fälle an. Er war mehr der Analytiker, der sich durchaus auch schon mal in Details verlor. Marie hingegen folgte vorwiegend ihrer Intuition. Sie waren ein perfektes Team und hatten inzwischen auch ein sehr inniges privates Verhältnis. Marie war für Brenner die Schwester, die er sich als Einzelkind früher immer gewünscht hatte.

Während Brenner die rund dreißig Kilometer nach Bad Herrenalb zurückfuhr, natürlich im offenen Roadster den kühlenden Fahrtwind genießend, überlegte er, welche Ermittlungsansätze im vorliegenden Fall als Erstes anzugehen wären. Auch wenn Mordfälle im Rotlicht-Milieu selten auf auskunftsfreudige Zeugen hoffen ließen, konnte er nicht annähernd erahnen, dass er sich gerade am Beginn des komplexesten Falls seiner bisherigen Laufbahn befand.

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»Ich habe schon von eurem nächtlichen Einsatz gehört«, sagte Nadine, als Brenner und Marie kurz vor acht Uhr das Büro betraten. Kommissarin Nadine Steiner war die Jüngste in Brenners Team und von ihm vor drei Jahren speziell wegen ihrer Kenntnisse im Umgang mit den neuen Medien ins Team geholt worden. Allerdings hatte sie sich auch schon einige Male bei Außeneinsätzen bewähren dürfen. Nadine war von Brenners kollegialem Führungsstil sehr begeistert und da dieser trotz seiner neunundfünfzig Jahre top durchtrainiert war, machte es ihr beim gemeinsamen Training immer großen Spaß, ihn herauszufordern. Noch heute musste sie schmunzeln, wenn sie sich an sein verblüfftes Gesicht erinnerte, als es ihr beim letzten Nahkampftraining zum ersten Mal gelungen war, ihren Chef auf die Matte zu legen. Und im Schießtraining hatte sie sowieso schon lange mit ihm gleichgezogen. »Wir sollen der Staatsanwältin Bescheid geben, wenn wir anfangen.«

»Das kannst du gleich machen«, antwortete Brenner und begann auf der Whiteboard-Tafel Stichworte zu notieren.

Als er gerade damit fertig war, betraten Staatsanwältin Cora Ekberg und Manfred Franzen das Büro. Der Leiter der KTU hielt einen Beweissicherungsbeutel hoch. »Diese High-heels haben wir nur wenige Meter nach dem Parkplatz gefunden. Vermutlich hat sie unser Opfer abgestreift, um schneller fliehen zu können. Allerdings hat es ihr nicht viel genützt.« Bei seinen letzten Worten griff er sich einen Stuhl und setzte sich neben Marie, worauf diese unmittelbar aufstand und das Fenster öffnete.

»Sorry, Manfred, aber du stinkst!«

»Oh, hat da jemand ein besonders feines Näschen?«

»Ich würde gerne anfangen«, unterbrach Brenner das Frotzeln der beiden und zeigte auf seinen Aufschrieb. »Unser Opfer ist zweiundzwanzig Jahre alt. Sie hat bereits Einträge im POLAS.« Daraufhin nickte er Nadine zu, die zuvor im »Polizeilichen Auskunftssystem« nachgesehen hatte.

»Ja.« Nadine schaute auf ihren Bildschirm. »Cleo Keppler war als Jugendliche Mitglied in einer Mädchengang und hat mehrere kleine Vorstrafen. Unter anderem wegen Diebstahl und Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz. Das war jedoch alles in Köln, wo sie bis vor zwei Jahren gelebt hat. Hier bei uns in Karlsruhe ist sie lediglich wegen Verstoß gegen die 2015 in Kraft getretene neue Sperrbezirksordnung verwarnt worden.«

»Manfred, habt ihr noch weitere Spuren gefunden? Eventuell auf dem Parkplatz?«

»Keine Chance. Der Parkplatz ist geschottert, und falls überhaupt Spuren vorhanden waren, wurden diese von den Einsatzfahrzeugen vernichtet. Am Fundort der Leiche war durch den Brand natürlich auch nicht viel zu holen. Die Tötungsart wird uns im Laufe des Tages die Gerichtsmedizin mitteilen. Genauso wie die Art des Brandbeschleunigers. Wahrscheinlich hat der Täter Benzin benutzt.«

»Können wir somit von einem Tötungsvorsatz ausgehen?«, fragte Marie. »Im Gegensatz zu früher hat heute ja keiner mehr einen Benzinkanister im Auto.«

»Bei Letzterem stimme ich dir zu. Auf einen geplanten Mord würde ich mich momentan noch nicht festlegen wollen.«

Brenner stand auf und begann, wie immer, wenn er während des Sprechens seine Gedanken erst noch sortieren musste, im Raum hin- und herzugehen. »Lasst uns mal überlegen, weshalb er die Leiche angezündet hat. Eventuell damit wir das Opfer nicht identifizieren können?« Brenner blieb stehen und schüttelte den Kopf. »Nein, denn dann hätte er vermutlich ihren Schädel zertrümmert, um einen Gebissabgleich zu vermeiden.«

»Ich weiß weshalb.« Nadine unterbrach Brenner. »Der Täter wollte seine DNA-Spuren vernichten.«

»Sehr gut. Zudem hat der Täter sicher mitbekommen, dass Cleo ihre Tasche unterwegs verloren hat. Er musste davon ausgehen, dass ein Personalausweis drin ist.«

»Um die Handtasche zu suchen, hätte er jedoch warten müssen, bis es hell wird«, warf Marie ein, »vielleicht war dazu keine Zeit?«

»Könnte sein. Apropos Handtasche. Manfred, kannst du diese auf DNA-Spuren überprüfen? Immerhin war die Handtasche ja auch im Auto.«

Franzen zögerte. »Kann ich machen. Erwarte dir davon aber nicht viel. Auf dem billigen Kunststoffmaterial dürfte nur dann DNA drauf sein, wenn der Täter sie in der Hand gehalten hat.«

»Wir haben noch das Handy«, erinnerte Nadine und zeigte auf die letzte Whiteboard-Notiz.

»Richtig.« Brenner schaute zur Staatsanwältin. »Frau Ekberg, könnten Sie bitte einen Gerichtsbeschluss beantragen, damit wir vom Provider die Funkmasten-Daten erhalten?«

»Natürlich. Wenn wir Glück haben, hat sie einen Handyvertrag bei Unitymedia und ich kann über meine dortigen Kontakte bereits vorab die Daten bekommen. Ansonsten dauert es, wie Sie ja wissen, mindestens ein bis zwei Tage.«

»Sehr gut.« Brenner war innerlich schon darauf gefasst gewesen, dass ihn die fast zwanzig Jahre jüngere Staatsanwältin bereits jetzt nach ersten Verdächtigen fragen würde, kannte er doch ihr Karrieredenken zur Genüge. Aber heute hatte sie offensichtlich ihren kooperativen Tag. »Marie und ich fahren zur Wohnung von unserem Opfer und schauen uns dort mal um. Nadine, du recherchierst bitte im Internet, ob die Keppler in den sozialen Medien aktiv war.«

Als Brenner und Marie zweieinhalb Stunden später wieder zurückkamen und den Gang entlang zum Büro gingen, sahen sie in der Teeküche die Staatsanwältin am geöffneten Fenster eine Zigarette rauchen.

»Geh schon mal voraus.« Marie zog spontan eine Zigarettenschachtel aus ihrer Tasche.

Brenner blieb kurz stehen und überlegte, ob er den beiden auf einen kleinen Smalltalk Gesellschaft leisten sollte.

»Wollen Sie auch eine?«, interpretierte die Staatsanwältin überrascht Brenners Zögern.

»Nein danke, dieses Laster habe ich mir schon lange abgewöhnt.«

»Sie wissen doch«, konterte Cora Ekberg mit einem leichten Grinsen: »In der Summe sind alle Laster gleich.«

»Mag sein. Aber die wenigen, die ich noch habe, versprechen deutlich mehr Genuss.« Mit einem »Wir sehen uns« ging Brenner weiter und konnte sich des Gedankens nicht erwehren, dass ihm die Staatsanwältin immer sympathischer wurde. Prinzipiell fand er sie schon von Anfang an attraktiv. Ihre gute, vermutlich durch regelmäßiges Training gestählte Figur, die blonde, schulterlange Mähne und ihre großen Augen, die je nach Lichteinwirkung mal mehr ins Bläuliche oder ins Grünliche gingen, hatten auf ihn eine entsprechende Wirkung. Allerdings ging ihm ihr emanzipatorisches Gehabe immer wieder auf die Nerven. Das Verhältnis war erst deutlich entspannter geworden, als sie ihn vor etwa einem Jahr zu einem Essen eingeladen hatte. Mit dieser Einladung sollte, wie die Ekberg es überzogen formuliert hatte, die beidseitige Kommunikation auf eine wertschätzende Ebene gestellt werden. Allerdings war aus der seinerzeitigen Einladung nichts geworden, weil er sich zunächst etwas Zeit mit der Terminfindung gelassen hatte. Wobei es weniger an vorhandenen Terminen lag, sondern mehr daran, dass er sich erst grundsätzlich darüber klar werden wollte, wie die Kommunikation mit ihr zukünftig ausschauen sollte. Denn zugegebenermaßen hatte er es manchmal schon sehr genossen, wenn er ihr Paroli geben konnte. Als er sich dann entschieden hatte und mit seinem Terminplaner zur Staatsanwältin gehen wollte, bekam er mit, dass diese kurzfristig zu einem Kongress in die Staaten reisen musste. Vielleicht war das ein Zeichen gewesen? Wobei eine derartige Denkweise wohl eher zu Marie und ihrem Faible für Esoterik gepasst hätte. Sei’s drum, nach Ekbergs Rückkehr hatte sich einfach keine günstige Gelegenheit mehr ergeben.

»Das sind Fotos von Cleo Keppler und die Adresse von deren Zahnarzt für die Gerichtsmedizin. Keppler wohnt seit über einem Jahr mit einer Lara Funke zusammen, die ebenfalls als Prostituierte arbeitet. Beide sind donnerstags normalerweise in der Fautenbruchstraße aktiv. Gestern war die Funke jedoch von einem Freier für die ganze Nacht gebucht, weshalb sie auch nicht wusste, zu wem Cleo ins Auto gestiegen ist.« Marie fächelte sich mit einem Prospekt Luft zu. Trotz geöffneter Fenster war die Raumluft stickig. Bereits seit mehreren Tagen war Karlsruhe im Griff einer drückenden Hitze. »Allerdings erklärte uns die Mitbewohnerin, dass die Kolleginnen sich in der Regel gegenseitig absichern, indem Fotos von den Autokennzeichen gemacht werden.«

»Dann werden wir den Täter ja schnell ausfindig machen«, sagte Nadine hoffnungsvoll.

»Damit müssen wir bis heute Abend warten. Die Funke kennt zwar die Vornamen der Kolleginnen, nicht jedoch die Nachnamen, geschweige denn deren genaue Adressen. Wenn du möchtest, kannst du mich heute Abend begleiten. Marie muss nämlich zum Elternabend.« Brenner wusste natürlich schon im Voraus, dass Nadine sein Angebot annehmen würde, nutzte sie doch jede Chance, sich in die Außenermittlungen einzuschalten. Und Chancen wollte er ihr möglichst viele geben, da Nadine mit einem Wechsel ins Mobile Einsatzkommando liebäugelte. Nur ungern würde er sie gehen lassen.

»Natürlich bin ich dabei.« Nadine strahlte. »Ich habe vorhin von unserer Staatsanwältin die Handy-Einloggdaten erhalten und die Uhrzeiten schon mal in eine Zeitleiste eingezeichnet.« Nadine stand auf und zeigte auf die Whiteboard-Tafel. »Cleos Handy war bis 22:34 Uhr in dem Sendemast eingeloggt, der die Fautenbruchstraße abdeckt. Ab 22:46 Uhr befand sich das Handy im Tatortbereich. Das entspricht auch der Fahrzeit von der Fautenbruchstraße zum Parkplatz im Oberwald. Und jetzt wird’s interessant.« Nadine zeigte auf die nächste Zahl der Zeitleiste. »Die Alarmierung bei der Berufsfeuerwehr ging erst um 0:17 Uhr ein. Das sind fast eineinhalb Stunden später.«

»Das ist aber eine große Zeitspanne.« Marie war überrascht. »Das Feuer müsste doch deutlich früher bemerkt worden sein. Die Südtangente ist ja stark befahren. Außer der Täter hat das Feuer erst relativ spät nach seiner Ankunft am Parkplatz entzündet. Aber wieso hat er sich so lange Zeit gelassen?«

»Dafür kommen verschiedene Möglichkeiten in Betracht.« Brenner stand auf und sprach im Gehen weiter. »Erstens könnte der Täter mit dem Opfer viel Zeit verbracht haben, bis dieses dann aus einem noch unbekannten Grund die Flucht ergriffen hat. Das erscheint mir jedoch eher unwahrscheinlich. Was soll der Täter so lange mit der Prostituierten gemacht haben?«

»Eventuell hat er sie gefesselt und gequält?« Nadine grauste es bei dem Gedanken, was das Opfer möglicherweise hatte durchmachen müssen.

»Das glaube ich nicht.« Brenner blieb stehen. »Denn dass sie sich selbst befreien und fliehen konnte, halte ich für unwahrscheinlich. Es wird so sein, wie ich schon heute Morgen vermutet habe. Der Täter wollte seine DNA-Spuren vernichten und dazu musste er sich erst Benzin besorgen.«

»In diesem Fall können wir also von Totschlag im Affekt ausgehen«, konstatierte Marie. »Wo hat sich der Täter das Benzin besorgt?«

»Vermutlich von zu Hause. Wahrscheinlich hat der Täter einen Benzinrasenmäher.«

Bevor Brenner weitersprechen konnte, ergänzte Nadine: »Demnach muss der Garten unseres Mörders eine relativ große Rasenfläche haben, denn ansonsten hätte er nur einen Elektrorasenmäher.« Sie war richtig stolz, dass sie inzwischen schon gelernt hatte, ähnlich analytisch zu denken wie ihr großes Vorbild. Brenners Kommentar gab ihr dann allerdings einen kleinen Dämpfer.

»Nicht zwangsläufig«, beschied dieser. »Unser Täter kann auch außerhalb ein größeres Baumgrundstück haben. Auf jeden Fall wohnt er hier in der Region. Denn ein Vertriebler, der auf Geschäftsreise ist, kann nicht auf die Schnelle nach Hause fahren.«

»Ein Vertriebler könnte sich jedoch auch an einer Tankstelle Benzin besorgt haben«, konterte Nadine.

»Prinzipiell ja. Aber würde er dieses Risiko eingehen? Heute weiß doch jeder, dass alle Tankstellen videoüberwacht sind.«

Marie sprang Nadine zur Seite. »Ganz ausschließen können wir das aber nicht.«

Brenner überlegte kurz und schaute auf die von Nadine angefertigte Zeitleiste. »Ihr habt recht. Nadine, ruf bitte alle Tankstellen an, die vom Tatort in einer halben Stunde mit dem Auto erreichbar sind, und frag, ob im Tatzeitfenster Benzin in einem Kanister verkauft wurde. Da du die Mitarbeiter, die heute Nacht Dienst hatten, jetzt sicher nicht erreichen wirst, soll deren Chef sie anrufen. Wenn du eine positive Rückmeldung bekommst, dann lass die Videoaufzeichnungen von Kollegen der Schupo gleich abholen.«

Nadine rollte mit den Augen. Wieso muss mein Chef immer Dinge ansprechen, die klar auf der Hand liegen? Aber vermutlich nahm Brenner gar nicht wahr, dass er zu Beginn eines Falles immer unter Strom stand und dabei seine Mitarbeiter durch unnötige Detailanweisungen extrem nervte.

Brenner schaute auf die Uhr. »Wir machen jetzt Schluss. Ich versuche noch etwas Schlaf nachzuholen. Nadine, wir beide treffen uns heute Abend um 21:45 Uhr und befragen zusammen mit Lara Funke deren Kolleginnen. Wenn eine davon das Kennzeichen fotografiert hat, suchen wir den Fahrzeughalter gleich anschließend auf. Vielleicht haben wir Glück und können den Abend mit einer Festnahme beenden.« Noch während er zur Tür ging, sagte er: »Marie, dir wünsche ich viel Spaß beim Elternabend.«

Dieser Fall wird keine große kriminalistische Herausforderung werden, dachte Brenner. Seinem geplanten Gleitschirm-Sicherheitstraining in Annecy würde nichts im Wege stehen. Er freute sich schon sehr darauf, in zwei Wochen die Fluggebiete rund um den malerischen See in den französischen Alpen zu erkunden.

Brenner konnte nicht ahnen, dass er bald mehrere Wochen lang nicht in der Lage sein würde, einen Gleitschirm zu steuern. Selbst beim Binden seiner Schuhe würde er größte Probleme haben.

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Das ist ja gerade noch mal gut gegangen! Dabei hätte das alles gar nicht sein müssen! Was musste sich diese Tussi auch plötzlich so blöd anstellen? Sie war doch mit der harten Tour einverstanden gewesen, bevor sie eingestiegen war. Natürlich hatte sie auch gleich das Doppelte verlangt. Ohne zu diskutieren, hat er bezahlt. Und dann bricht die Tussi mittendrin ab und will das Ganze beenden. Nicht mit mir! Immerhin hat sie das Geld schon eingesteckt. Deal ist Deal! Solche Sperenzchen kann man mit mir nicht machen. Wo kämen wir denn da hin?

Gott sei Dank hatte er die Panik, die ihn überfallen hatte, nachdem der Körper unter ihm erschlafft war, sofort in den Griff bekommen. Ihm war augenblicklich klar gewesen, dass er seine DNA auf ihrem Körper beseitigen musste. Man sollte nicht glauben, wie weitreichend früher getroffene Entscheidungen manchmal sein können. Letztes Jahr war ihm sein Elektrorasenmäher kaputtgegangen und er hatte lange überlegt, ob er ihn ersetzen oder einen Benzinmäher kaufen solle. Was hätte er nur gemacht, wenn er sich für den Elektromäher entschieden hätte? Denn bei einer Tankstelle einen Kanister kaufen und Benzin einfüllen hätte ihn logischerweise sofort überführt. Nein, er hatte alles unter Kontrolle.

Jetzt kam es nur darauf an, ob ihn jemand gesehen hatte. Vermutlich jedoch nicht. Denn sonst wäre die Polizei ja schon längst vor der Tür gestanden. Sein Auto hatte getönte Scheiben und zudem waren die meisten Nutten ja eh immer zugedröhnt und bekamen so gut wie nichts mit. Nur gut, dass er das erste Mal in der Fautenbruchstraße gewesen war. In Karlsruhe war er sowieso noch nie auf dem Straßenstrich gewesen. Hier hatte er bislang nur Frauen aufgesucht, die ihre Dienste in eigenen Etablissements angeboten hatten. Leider waren die ihm bekannten Kontakte inzwischen alle abgebrochen. Er brauchte zukünftig nicht mehr anzurufen. Lachhaft! Die sollen sich nicht so anstellen! Den meisten gefällt es doch, wenn es etwas härter zur Sache geht. Und wenn nicht, schließlich bezahlt er gutes Geld. Okay, das eine oder andere Mal ist er möglicherweise etwas zu weit gegangen. Aber was soll’s …

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Brenner war zum ersten Mal auf dem Straßenstrich. Natürlich hatte er im Rotlicht-Milieu schon des Öfteren ermitteln müssen; vor allem in seiner Stuttgarter Zeit. Aber das war immer in den einschlägigen Etablissements gewesen. Interessiert schaute er die Fautenbruchstraße entlang. Er hatte seinen Roadster in der Kurze Straße geparkt und war mit Nadine die wenigen Meter zu Fuß weitergegangen. Brenner versuchte gerade die ganze Szene mit den teilweise in Dreiergruppen zusammenstehenden Frauen aufzunehmen, als ihn Nadine mit dem Ellbogen anstupste. »Dort vorne, links. Die im roten Lackrock hat uns zugewunken.«

»Das ist sie«, antwortete Brenner. Ohne Handzeichen hätte er Lara Funke nicht wiedererkannt. Heute Morgen war sie ihm ungeschminkt und nur in Jeans und T-Shirt bekleidet gegenübergestanden. Ihre jetzige Aufmachung hingegen entsprach klar ihrer beruflichen Ausrichtung. »Hallo, Frau Funke. Das ist meine Kollegin, Kommissarin Nadine Steiner.«

»Hallo.« Lara Funke nickte beiden zu und Brenner entging nicht der taxierende Blick, den sie dabei auf Nadine warf. »Meine Kolleginnen wissen schon über Cleo Bescheid. Leider scheint nur Yvonne etwas mitbekommen zu haben.« Lara wandte sich dabei an die neben ihr stehende Frau.

»Sind Sie Yvonne?«, fragte Nadine, die absprachegemäß die Befragungen leiten sollte. »Was haben Sie gestern gesehen?«

»Nicht viel.« Yvonne unterzog die beiden Kommissare einem kritischen Blick. »Ich stand etwa zwanzig Meter von Cleo weg. Die ist in einen schwarzen Volvo-SUV eingestiegen.«

»Sind Sie da sicher?« Brenner versuchte die Zuverlässigkeit von Yvonne einzuschätzen. Eine falsche Fahrzeugangabe hätte verheerende Folgen.

»Klar, mein Alter zu Hause fährt denselben.«

»Haben Sie sich das Kfz-Kennzeichen gemerkt?« Nadine übernahm wieder die Gesprächsführung.

»Nein. Kim und Diana sind ja direkt neben Cleo gestanden. Ich bin davon ausgegangen, eine von denen macht ein Foto. Aber es war sicher ein Karlsruher Kennzeichen.«

»Weshalb?«

»Ein anderes wäre mir aufgefallen.« Yvonne hatte sich weggedreht und schaute interessiert zu den Autos, die langsam an ihnen vorbeifuhren.

Nadine ließ nicht locker. »Und den Insassen. Können Sie den beschreiben?«

»Wozu auch? Der hatte sich ja schon entschieden. Ich hab nicht mal hingeschaut.« Yvonne rollte entnervt die Augen. »Konnte ja nicht wissen, dass Kim und Diana kein Foto machen.«

»Und weshalb haben die beiden kein Foto gemacht?«

»Das fragen Sie Kim selber. Die steht dort drüben.« Mit einer Kopfbewegung wies sie auf eine recht hübsche dunkelhaarige Frau, die auf der gegenüberliegenden Straßenseite zu ihnen herschauend sich gerade eine Zigarette anzündete.

»Ich gehe mit«, bot sich Lara Funke an. »Ich habe schon mit Kim gesprochen.«

Brenner überquerte hinter Nadine und Lara Funke die Straße und dachte, dass seine Kollegin mit ihren schulterlangen dunkelblonden Haaren, die sie im Dienst immer zu einem Zopf zusammengebunden hatte, und ihrem top durchtrainierten Körper hundert Mal attraktiver wirkte. Zumindest auf ihn. Aber viele Männer favorisierten wohl einen anderen Frauentyp.

»Mein Name ist Nadine Steiner. Das ist mein Chef, Hauptkommissar Peter Brenner.« Nadine zeigte dabei ihren Ausweis und ergänzte: »Ihre Kollegin hat uns gesagt, dass Sie normalerweise Fotos von den Kfz-Kennzeichen der Freier machen. Bei Cleos Freier gestern Abend wurde das versäumt?«

»Tut mir ja selber leid. Aber das konnte ja keiner wissen.« Kim zuckte entschuldigend mit den Schultern. »Ich hab mich mit Diana gezofft. Die geht mir gerade auf den Wecker.«

Brenner beobachtete Kim, die offensichtlich sowohl europäische als auch asiatische Wurzeln hatte. Schon auffällig, dachte er, dass alle Eurasierinnen außergewöhnlich hübsch sind. Wobei, korrigierte er sich sofort, für eine derartige Verallgemeinerung kenne ich eigentlich zu wenige.

»Können Sie uns den Fahrer beschreiben? Sie waren doch nur ein paar Meter von ihm weg.« Nadine war leicht genervt, weil ihr nicht entgangen war, dass sich Kim mehr auf Brenner konzentrierte als auf ihre Fragen.

»Nein. Ich glaube, das Fahrzeug hatte getönte Scheiben. Aber bin mir da nicht sicher.« Kim holte Luft und fügte ungehalten hinzu: »Ich sagte ja schon, dass wir uns gestritten haben.«

»Worum ging denn Ihr Streit?« Nadine hatte nicht vor, sich so einfach abspeisen zu lassen.

»Ich habe Diana vor ein paar Wochen bei mir aufgenommen. Und da hat sie sich gefälligst auch an den Kosten zu beteiligen.«

»Wo ist denn diese Diana?«, hakte Brenner nach.

»Die hat Magen-Darm. Da geht man sinnvollerweise nicht zur Arbeit.«

Brenner wollte gerade weiterfragen, als er von der gegenüberliegenden Straßenseite eine keifende Stimme hörte: »Wollt ihr hier Wurzeln schlagen? Ihr vertreibt uns die Kundschaft!«