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Die Autorin

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Elke Urban, Krankenschwester mit Palliativ-Fachausbildung, RN (Louisiana/USA), arbeitet als Krankenschwester in einem stationären Hospiz in Nordrhein-Westfalen.

Elke Urban

Transkulturelle Pflege am Lebensende

Umgang mit Sterbenden und Verstorbenen unterschiedlicher Religionen und Kulturen

3., erweiterte und überarbeitete Auflage

Verlag W. Kohlhammer

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3., erweiterte und überarbeitete Auflage 2019

Alle Rechte vorbehalten

© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:

ISBN 978-3-17-035936-9

E-Book-Formate:

pdf:    ISBN 978-3-17-035937-6

epub: ISBN 978-3-17-035938-3

mobi: ISBN 978-3-17-035939-0

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Inhalt

 

 

 

  1. Einleitung
  2. 1 Die Betreuung Sterbender verschiedener Religionen und Kulturen
  3. 1.1 Bahá‘í
  4. 1.2 Buddhismus
  5. 1.3 Chinesische Kulturen
  6. 1.4 Christentum
  7. 1.5 Hinduismus
  8. 1.6 Islam
  9. 1.7 Jesiden
  10. 1.8 Judentum
  11. 1.9 Mormonen
  12. 1.10 Neuapostolische Kirche
  13. 1.11 Quäker
  14. 1.12 Rastafari
  15. 1.13 Russlanddeutsche/Spätaussiedler
  16. 1.14 Siebenten-Tags-Adventisten
  17. 1.15 Sikhs
  18. 1.16 Sinti und Roma
  19. 1.17 Jehovas Zeugen
  20. 1.18 Umgang mit nicht-religiösen Sterbenden
  21. 2 Umgang mit Verstorbenen unterschiedlicher Religionen und Kulturen
  22. 2.1 Informationen über verschiedene Bestattungsarten
  23. 2.2 Farben- und Blumensymbolik
  24. 2.3 Überführung eines Leichnams ins Ausland
  25. 2.4 Thanatologie
  26. 3 Nützliche Übersetzungen für den Pflegealltag
  27. Literatur
  28. Anhang

Einleitung

 

 

 

Dieses Buch soll denjenigen eine Hilfestellung sein, die mit der Betreuung Sterbender und dem Umgang mit Verstorbenen verschiedener Religionen und Kulturen betraut sind, wie zum Beispiel Pflegekräfte, ehrenamtliche Betreuer, Seelsorger, Hospizgruppen, Sozialarbeiter, Ärzte und Bestatter. Ziel dieses Buchs ist es, verschiedene Glaubensrichtungen und Kulturen vorzustellen und den Umgang mit Sterbenden und Verstorbenen des jeweiligen Glaubens zu beschreiben. Damit soll ein Beitrag zur Verständigung und zur Erlangung von mehr Sicherheit in der transkulturellen Pflege geleistet werden.

Ein gemeinsamer Aspekt aller Religionen ist, dass der Tod nicht als das Ende der Existenz, sondern als Übergang in eine andere Daseinsform betrachtet wird. Im Allgemeinen schöpfen Menschen daher gerade am Lebensende Kraft aus ihrem Glauben. Dies hilft vielen, ihre Sterblichkeit zu akzeptieren sowie mit einer eventuellen Angst vor ihrem Tod umzugehen. Daher ist es besonders in der Sterbe- und Trauerbegleitung wichtig, die religiösen Bedürfnisse der Betroffenen ernst zu nehmen. Es kommt dabei durchaus vor, dass Betreuende für bestimmte Denkweisen, Rituale oder Handlungen kein Verständnis aufbringen können. Es ist jedoch nicht vorrangig, diese Dinge selbst nachvollziehen zu können, sondern sie zu respektieren und die Betreffenden zu unterstützen. Die sinnvolle Betreuung eines Sterbenden beinhaltet vor allem, dafür Sorge zu tragen, dass dieser auf seine persönliche Weise in Würde sterben kann. Betreuende können dazu entscheidend beitragen, indem sie ihm den Raum und die Möglichkeiten dazu bieten. Dies kann die Lebensqualität in der letzten Lebensphase positiv beeinflussen. Natürlich sind hierbei auch immer die eigenen Möglichkeiten bzw. die der Einrichtung, in der sich ein Sterbender eventuell befindet, zu berücksichtigen.

Für Sterbende und deren Angehörige kann es also ein bedeutender Beistand sein, wenn die sie betreuenden Personen ihre religiösen Bedürfnisse erkennen und darauf angemessen eingehen. Das ist heutzutage jedoch nicht immer einfach, da in unserer Gesellschaft zunehmend Menschen verschiedenster Glaubensrichtungen leben. Viele Menschen sehen sich daher mit Problemen konfrontiert, wenn sie Sterbende betreuen, mit deren Religion, Kultur, Traditionen und Gebräuchen sie nicht vertraut sind. Nicht nur Kranke und Sterbende, sondern auch deren Angehörige brauchen Unterstützung in einer für sie wahrscheinlich sehr schwierigen Situation. Wie mögen sich Menschen fühlen, die gerade einen Trauerfall in ihrer Familie erleben und mit ihren andersartigen Sitten und Gebräuchen hilflos, wenn nicht gar verständnislos behandelt werden?

Kenntnisse über den Umgang mit Menschen verschiedener Glaubensrichtungen und Kulturen zu besitzen, ist daher wichtig und notwendig. Rituale geben sowohl den Betroffenen als auch den Betreuenden Sicherheit. Wichtig ist vor allem, dass die betreuenden Personen möglichst einfühlsam mit Sterbenden fremder Religionen und Kulturen sowie deren Angehörigen umgehen. Kleine Gesten, wie zum Beispiel für einen Menschen jüdischen Glaubens am Sabbat eine Kerze anzuzünden oder einem Menschen muslimischen Glaubens bei der Ermittlung der Gebetsrichtung behilflich zu sein, können dieses Einfühlungsvermögen zum Ausdruck bringen.

Die Vermittlung von transkultureller Kompetenz in Aus- und Weiterbildung ist in der heutigen Zeit von großer Bedeutung. Es ist dabei hilfreich, verschiedene Religionen nicht nur in der Theorie kennen zu lernen, sondern auch praktisch zu erleben. Dies kann durch Besuche von Synagogen, Moscheen, Hindutempeln und Kirchen ebenso geschehen wie durch Gespräche mit Angehörigen verschiedener Religionen und Kulturen, die einen Einblick in ihren Glauben sowie ihre Denk- und Lebensweise geben. Partnerschaften mit Pflegeschulen in Ländern mit anderen Religionen und Kulturen sind darüber hinaus eine gute Möglichkeit für gegenseitigen persönlichen Erfahrungsaustausch.

Im theoretischen Teil der Aus- und Weiterbildung können zur Erlangung transkultureller Kompetenzen verschieden Formen der Kommunikation (z. B. Körpersprache, Mimik, Gesten, nonverbale Kommunikation) behandelt werden. Rollenspiele – besonders solche, die ausschließlich in nonverbaler Kommunikation stattfinden – können das Einfühlungsvermögen trainieren. Eine Aufgabe könnte sein, dass derjenige, der einen Menschen mit einer fremden Kultur darstellt, einer von einem anderen Teilnehmer gespielten betreuenden Person gegenüber nonverbal verständlich machen soll, dass beispielsweise die Einhaltung einer bestimmten Ernährungsform, der Besuch eines Religionsvertreters oder gleichgeschlechtliche Pflege gewünscht wird. Die betreuende Person erfährt dabei im Vorfeld nicht, was ihr vermittelt werden soll, und ist somit darauf angewiesen, es zu erkennen und dabei ebenso nonverbal zu reagieren. Im Anschluss an das Rollenspiel können die Teilnehmer ihre Gefühle reflektieren und gemeinsam nach Lösungsmöglichkeiten bei Kommunikationsbarrieren suchen.

In diesem Buch wird nicht nur auf die Betreuung von Sterbenden, sondern auch auf verschiedene Bestattungsformen und -rituale eingegangen. Es ist ein besserer Einblick in die jeweiligen Kulturen möglich, wenn vermittelt wird, wie dort mit Verstorbenen und dem Thema Tod im Allgemeinen umgegangen wird. Eine Vorstellung davon, wie Menschen verschiedener Religionen und Kulturen trauern, kann dabei helfen, sich besser in ihre Situation einzufühlen. Dies kann für die Betreuung am Lebensende und den Umgang mit Angehörigen sehr hilfreich sein. Zudem ist es, unabhängig von Religion oder Kultur, den meisten Menschen wichtig zu wissen, was nach dem Tod mit ihrem Körper geschieht. Es gibt Trauerrituale, die Sterbenden die ihnen oft sehr wichtige Sicherheit vermitteln, nach ihrem Tod nicht alleingelassen zu werden. Dies sind zwei der Gründe dafür, dass überhaupt spezielle Begräbnisrituale existieren.

Bei allen in diesem Buch enthaltenen Informationen ist jedoch zu beachten, dass es große individuelle Unterschiede in den religiösen Überzeugungen und Praktiken gibt. Nicht jeder Mensch, der offiziell einer bestimmten Glaubensrichtung angehört, ist auch tatsächlich gläubig. Manche Menschen sind allein durch ihre Abstammung Angehörige eines Glaubens, denn oft wird eine Gesellschaft über ihre Religionszugehörigkeit definiert. Nicht alle gläubigen Menschen halten sich streng an die Vorschriften ihrer Religion – manche richten sich nur nach den Verhaltensregeln, die ihnen persönlich wichtig sind. Es ist daher ausgesprochen wichtig, dass Betreuende schon ganz zu Anfang mit den ihnen anvertrauten Betroffenen besprechen, wie sie in angemessener Weise auf deren individuelle spirituelle und kulturelle Bedürfnisse eingehen können.

Sterbende lehren uns – unabhängig davon, welchem Glauben sie folgen – dadurch, wie sie ihre Situation ertragen und erleben und wie sie ihren ganz persönlichen Tod sterben, viel über unser eigenes Leben. Pflegepersonal und Begleiter sollten sich immer darüber im Klaren sein, dass Sterbende ihnen einen Schritt voraus sind. Was sie erleiden und erfahren, steht ihnen noch bevor; Sterbende sind in diesem Sinne die Experten. Wie Hilde Domin es ausdrückte: Sie geben kostbarsten Unterricht an den Krankenbetten (Domin 2006, S. 79). Kranke und Sterbende als Lehrer wahrzunehmen, verändert die Perspektive auf sie; sie sind nicht mehr nur passiv Empfangende, sondern auch aktiv Gebende. So können alle, die Sterbende begleiten, von deren spirituellen Haltungen oder nicht-spirituellen Ansichten lernen und dadurch für das eigene Leben – und vielleicht sogar für das eigene spätere Sterben – profitieren.

Die Informationen im vorliegenden Buch wurden von Vertretern der jeweiligen Glaubensrichtungen auf inhaltliche Richtigkeit überprüft. Gleichwohl erhebt dieses Buch keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern behandelt nur eine Auswahl verschiedener Religionen und Kulturen. Weitere Auskünfte und Informationen können über die im Anhang aufgeführten Fachstellen eingeholt werden.

Aufgrund der leichteren Lesbarkeit wird auf die weiblichen Formen der Personenbezeichnungen verzichtet. Es sind selbstverständlich trotzdem Menschen jeden Geschlechts gemeint.

Elke Urban, im Juni 2019

1          Die Betreuung Sterbender verschiedener Religionen und Kulturen

 

1.1       Bahá‘í

Grundwissen

Die Bahá’í-Religion ist eine nach-islamische Offenbarungsreligion. Sie entstand Mitte des 19. Jahrhunderts und ist damit die jüngste aller Weltreligionen. Derzeit zählt sie weltweit etwa 6 Millionen Anhänger, vor allem in Indien, im Iran, Afrika, Süd- und Nordamerika (Nationaler Geistiger Rat der Bahá’í 2019). Das Ursprungsland der Bahá’í ist der Iran, wo sie heute die größte religiöse Minderheit bilden. Die mit etwa 2 Millionen Mitgliedern weltweit größte Bahá’í-Gemeinde befindet sich in Indien (Nationaler Geistiger Rat der Bahá’í 2019). In Deutschland leben derzeit etwa 6.000, in Österreich etwa 1.250 und in der Schweiz um die 1.000 Bahá’í (Nationaler Geistiger Rat der Bahá’í 2019). Viele der in Deutschland lebenden Bahá’í stammen aus dem Iran, die meisten sind jedoch Deutsche. In Langenhain (Hofheim am Taunus) steht seit 1964 das erste und bisher einzige Haus der Andacht der Bahá’í in Europa.

image Geschichte image

Die Bahá’í-Religion nahm ihren Anfang im Jahr 1844, als der junge persische Kaufmann Siyyid Ali Muhammad (1819–1850) in Shíráz erklärte, er sei dazu berufen, der Menschheit eine Botschaft Gottes zu überbringen, die deren Spiritualität verändern würde. Er erhielt den Titel »Báb« (»das Tor«) und hielt seine Offenbarungen in mehreren Schriften, unter anderem dem Bayán, fest. Darin kündigte er das Erscheinen eines zweiten Botschafters Gottes sowie ein Zeitalter des Friedens und der Gerechtigkeit an. Zudem erklärte er das islamische Gesetz, die Scharia, für ungültig und räumte Frauen und einfachen Menschen mehr Rechte und religiösen Führern weniger Macht ein. Sein Ziel war die Erneuerung der Religion und der Gesellschaft. Die Menschheit sollte die politischen, rassischen und religiösen Grenzen überwinden und einem gemeinsamen Glauben angehören. All dies machte ihn in den Augen der islamischen Führer zu einem gefährlichen Rebellen. Nach mehreren Jahren unter strengen Haftbedingungen wurde der Báb am 9. Juli 1850 wegen Hochverrats in Persien hingerichtet. Sein Grab befindet sich heute an den Hängen des Berges Karmel in Haifa (Israel). Innerhalb weniger Jahre hatte der Báb zuvor viele Anhänger gewonnen. Einer davon war Mírzá Husayn-’Ali (1817–1892), der ursprünglich ein schiitischer Moslem war und zum persischen Adel gehörte. Nach der Hinrichtung des Báb wurde er in Teheran inhaftiert. In der Haftzeit hatte er 1852 die Vision, der vom Báb angekündigte nächste Bote Gottes zu sein und nahm den Namen Bahá’u’lláh (»Herrlichkeit Gottes«) an. Unter der Auflage, Persien innerhalb eines Monats zu verlassen, kam er im Jahr 1853 frei und ging zusammen mit anderen Glaubensanhängern ins Exil nach Bagdad.

Im Jahr 1863 offenbarte er seine Vision den Anhängern des Babaismus. Dies war der Beginn der Bahá’í-Religion. Bahá’u’lláh wurde später nach Edirne (Türkei) verbannt, von wo aus er den damaligen Königen und Herrschern seine Offenbarungen mitteilte und sie zu friedlicher Koexistenz und gerechtem Umgang mit ihren Untertanen aufforderte. Zu den von ihm angeschriebenen wichtigen Persönlichkeiten gehörten unter anderem Kaiser Franz-Josef, Napoleon III., Kaiser Wilhelm I. und Papst Pius IX. 1868 wurde Bahá’u’lláh nach Akka (Israel) verbannt. Dort verfasste er die wichtigsten Schriften der Bahá’í-Religion, zu denen das Heiligste Buch (Kitáb-i-Aqdas) gehört. Gläubige aus Persien, dem Irak und der Türkei pilgerten in dieser Zeit zu ihm. Bahá’u’lláh starb 1892 und wurde nahe Bahjí, am Rande von Akka, beigesetzt. Seine Nachfolge trat sein Sohn ’Abdu´l-Bahá an. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Bahá’í-Religion Anhänger in zwölf Ländern. Durch das Erscheinen Bahá’u’lláhs erfüllten sich nach dem Glauben der Bahá’í die Verheißungen der hebräischen Bibel, des Evangeliums und des Korans. Im Laufe ihrer über 170-jährigen Geschichte entwickelte sich die Bahá’í-Religion zu einer weltweiten religiösen Gemeinschaft. In ihrem Ursprungsland, dem Iran, werden die Bahá’í-Anhänger auch heute noch verfolgt. Die Grabmäler des Báb und Bahá’u’lláhs in Haifa und ’Akka sind Wallfahrtsorte gläubiger Bahá’í.

image Heilige Schriften der Bahá’í image

Der vom Báb geschriebene Bayan beschreibt die spirituelle Einheit aller Menschen, unabhängig von deren Religion. Er enthält ein für alle Religionen gültiges Gesetz, das an die Stelle der religiösen Regeln aller Weltreligionen treten sollte. Die Heiligen Schriften der Bahá’í wurden von Bahá´u´lláh verfasst und enthalten unter anderem die Glaubensgrundlagen und ethischen Regeln für das Leben der Gläubigen. Zu den heiligen Schriften gehören: das Heiligste Buch (Kitáb-i-Aqdas), das Buch der Gewissheit, Die Verborgenen Worte und Die Sieben Täler.

Neben den Schriften Bahá’u’lláhs und des Báb erkennen Bahá’í auch die heiligen Schriften anderer Religionen, wie die Bibel, den Koran und die Bhagavad Gita, als Gottes Wort an. Der Bahá’í-Glaube hat islamische Wurzeln, ähnlich wie das Christentum und das Judentum den gleichen Ursprung haben. So hat der Koran einen ähnlichen Stellenwert wie das Alte Testament in der christlichen Bibel. Er ist für das tägliche Leben der Bahá’í nicht bindend, weil das neuere Gottesgesetz Bahá’u’lláhs sehr von den Regeln des Islams abweicht.

image Glaubensgrundsätze image

Nach den Glaubensgrundsätzen der Bahá’í-Religion beruhen alle großen Weltreligionen auf einem einzigen Gott. Moses, Jesus, Bahá‘u‘lláh, Buddha, Krishna und Mohammed waren die Propheten dieses einen Gottes. Die Aufgabe des Propheten Bahá‘u‘lláh war es, die religiösen Unterschiede durch einen allen gemeinsamen Glauben zu überwinden. Die wichtigsten Werte der Bahá’í-Religion sind die Einheit der Menschheit, universeller Friede, Nächstenliebe, Dankbarkeit, Geduld, Demut und Vertrauenswürdigkeit, Toleranz, die Gleichheit von Mann und Frau und die Bekämpfung von Vorurteilen jeglicher Art. Gott hat alle Menschen, unabhängig von deren Geschlecht, ethnischer Zugehörigkeit und Religion, gleich geschaffen. Die Umsetzung dieser religiösen Ethik in das Alltagsleben ist für Bahá’í ein sehr wichtiger Bestandteil ihrer Religionslehre. Das Leben ist nach dem Glauben der Bahá’í sowohl im Diesseits wie auch im Jenseits ein ständiger, spiritueller Weg zu Gott, auf dem Krankheit und Tod unvermeidliche Begleiter sind. Die menschliche Seele ist unsterblich.

image Aufnahme in die Glaubensgemeinschaft image

Die Aufnahme in die Glaubensgemeinschaft der Bahá’í ist ab Vollendung des 15. Lebensjahres möglich. Sowohl der Eintritt als auch der Austritt aus der Glaubensgemeinschaft erfolgen durch eine schriftliche Erklärung und ohne besondere Zeremonien. In der Bahá’í-Religion existieren keine geistigen Führer wie z. B. Priester. Die Glaubensgemeinschaft wird von Geistigen Räten geleitet, die von den Gläubigen der Gemeinden als Körperschaften gewählt werden. In Deutschland gibt es derzeit etwa 100 dieser Geistigen Räte. Bahá’í dürfen in Behörden und Verwaltungen arbeiten, jedoch keiner politischen Partei angehören. Sie unterliegen der Verpflichtung, die Gesetze des Staates, in dem sie leben, zu befolgen und sich gewaltlos für dessen Einhaltung der Menschenrechte einzusetzen. Gläubigen Bahá’í ist es nicht erlaubt, Bahá‘u‘lláh bildlich darzustellen. Seine persischen bzw. arabischen Schriften dürfen sie jedoch in die jeweilige Landessprache übersetzt lesen.

image Feiertage der Bahá’í image

•  26. Februar–1. März: Ayyám-i-Há (Tage des Miteinanders, Vorbereitung der Fastenzeit)

•  2.–20. März: Fastenmonat ’Alá (ab dem Alter von 15 Jahren)

•  21.März: Neujahrsfest (Naw-Rúz) und das Ende der Fastenzeit. Falls die Tag- und Nachtgleiche erst nach Sonnenuntergang eintritt, findet das Neujahrsfest einen Tag später statt.

•  21. April–2. Mai: Ridván-Fest (Verkündigung Bahá,u’lláhs) mit drei besonderen Feiertagen: 21. April, 29. April und 2. Mai

•  23. Mai: Verkündigung des Báb

•  29. Mai: Todestag Bahá,u’lláhs

•  9. Juli: Märtyrertod des Báb

•  20. Oktober: Geburtstag des Báb

•  12. November: Geburt Bahá,u’lláhs

•  26. November: 4 Qawl-Tag des Bundes (kein Ruhetag) – wird anstelle der Geburt des ,Abdu’l-Bahâ gefeiert, die auf denselben Tag wie die Erklärung des Báb fällt)

Diese Feiertage sind – mit Ausnahme des 26. November – arbeits- und schulfreie Tage. Sie werden von den Gemeinden festlich begangen – mit Lesungen, musikalischen und künstlerischen Darbietungen und geselligem Beisammensein.

Besonderheiten

image Bahá’í Kalender image

Die Glaubensgemeinschaft der Bahá’í richtet sich nach dem Kalender, den der Báb eingeführt hat. Nach diesem Bahá’í-Kalender wird das Jahr in 19 Monate zu jeweils 19 Tagen eingeteilt. Dazu kommen vier zusätzliche Tage und, falls es laut Berechnungen erforderlich ist, ein Schalttag. Der letzte Monat des Bahá’í-Jahres ist ein Fastenmonat. Der Beginn des neuen Jahres fällt auf die Tag- und Nachtgleiche am 21. März. An jedem ersten Tag eines neuen Monats feiern Bahá’í das Neunzehntagefest. Dabei beten die Gemeindemitglieder gemeinsam, lesen aus den heiligen Schriften, beraten sich untereinander und erhalten neue Informationen über Gemeindeaktivitäten und Pläne vom Geistigen Rat, der auch Anregungen und Bitten der Gemeindemitglieder entgegennimmt. Zum Schluss gibt es ein Festmahl mit geselligem Beisammensein.

Körperpflege

Die Bahá’í-Religion betrachtet den Körper als Tempel, der die unsterbliche Seele eine Zeit lang beherbergt. Ein wertschätzender Umgang mit ihrem Körper ist den Bahá’í sehr wichtig, was sich in sorgfältiger Körperpflege und bewusster Ernährung ausdrückt.

Ernährung und Kleidung

image Fasten image

Jedes Jahr vom 2.–20. März fasten Angehörige der Bahá’í: Sie enthalten sich von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang sämtlicher Speisen und Getränke (image Kap. 1.1, Feiertage). Reisende, Schwangere und Kinder unter 15 Jahren sind ebenso vom Fasten befreit wie kranke und alte Menschen. In dieser für Bahá’í besonderen und wichtigen Zeit im Jahr möchten sich jedoch oft auch sehr kranke Gläubige am Fasten beteiligen. Falls aus medizinischer Sicht nichts dagegen spricht, sollte es ihnen ermöglicht werden.

Die Nahrung sollte möglichst wenig verarbeitet und natürlich sein. Alkoholhaltige Speisen und Getränke sind nicht erlaubt. Viele Bahá’í sind Vegetarier. Generell richten sich kranke Bahá’í bezüglich ihrer Ernährung nach den Empfehlungen ihrer behandelnden Ärzte.

In Bezug auf Bekleidung gibt es nichts Besonderes zu beachten.

Kommunikation

Die größte Gruppe der in Deutschland lebenden Bahá’í ist deutschstämmig. Viele Glaubensanhänger stammen aus vielen unterschiedlichen Ländern, vor allem aus dem Iran. Es ist gut möglich, dass bei manchen Betroffenen die Deutschkenntnisse nicht ausreichen, um eine ausreichende Kommunikation mit Deutsch sprechenden Ärzten und Pflegepersonal zu gewährleisten. In diesen Fällen ist es hilfreich, eine Person zu finden, die in der jeweiligen Landessprache übersetzen kann.

Bewegung, Beschäftigung und Schlaf

Es ist wahrscheinlich, dass ein Patient, der der Glaubensgemeinschaft der Bahá’í angehört, das Neujahrsfest (Naw-Rúz) am 21. März zu Hause oder in Anwesenheit von Familie und Freunden in der Pflegeeinrichtung feiern möchte. Wenn dem keine organisatorischen oder gesundheitlichen Einwände entgegenstehen, sollte ihm dies ermöglicht werden.

Umgang mit Arzneimitteln

Die Bahá’í-Religion schreibt keine besondere Form der Behandlung vor und kennt auch keine Einschränkungen für Behandlungsmaßnahmen. Schulmedizin, gesunde Ernährung und Gebete sollen sich ergänzen, um die Heilung zu fördern. Kranke Bahá’í sollen sich daher an die Anweisungen ihrer Ärzte halten. Im Heiligsten Buch (Kitáb-i-Aqdas) steht geschrieben, dass der Konsum von Dingen, die den Verstand beeinträchtigen, die Würde nehmen und den Körper schädigen können, nicht erlaubt ist (image Kap. 1.1, Ernährung und Kleidung). Dazu gehören Glücksspiel, Drogen und alkoholische Getränke. Bei medizinischer Notwendigkeit ist die Einnahme von Alkohol – zum Beispiel bei Medikamenten in Tropfenform – jedoch kein Problem. In Bezug auf Medikamente, die das Bewusstsein beeinträchtigen können, gibt es keine Einwände, wenn sie aus medizinischer Sicht angeraten sind.

Besondere Gebete und Gebräuche

image Gebete image

Es existieren nur sehr wenige vorgegebene Riten, da in der Bahá’í-Religion die innere Einstellung zum Glauben wichtiger ist als die Einhaltung äußerer Formen. Die Bahá’í-Religion lehnt die Etablierung von Traditionen und kultischen Handlungen ab. Die wichtigsten Gebote sind das jährliche Fasten, das tägliche Lesen in den heiligen Schriften und das individuell ausgeführte Pflichtgebet. Bahá’í verrichten dieses Gebet mindestens einmal täglich. Dafür stehen ihnen drei Gebete in verschiedenen Längen und Ausführungen zur Auswahl: ein langes Gebet (einmal in 24 Stunden), ein mittleres Gebet (morgens, mittags oder abends zu beten) und ein kurzes Gebet (zwischen 12 und 18 Uhr). Dieses Gebet wird vom Gläubigen alleine und zurückgezogen gesprochen oder gesungen. Das einzige Pflichtgebet, das in Gemeinschaft rezitiert wird, ist das Totengebet. Für andere Anlässe verwenden die Gläubigen offenbarte Gebete des Báb, Bahá’u’lláhs und ‚Abdu’l-Bahás.

Was ich von dir erbitte, o mein Gott, ist: Mache mich fähig, bevor meine Seele den Körper verlässt, Dein Wohlgefallen zu erlangen, sei es auch nur für einen Augenblick, kürzer als der kleinste Bruchteil eines Senfkorns. Denn wenn meine Seele scheidet, während Du zufrieden mit mir bist, bin ich frei von jeder Angst und Sorge; doch verließe sie mich, während Du mir zürnst, so nützte mir keine gute Tat, hätte ich auch alle vollbracht, und nichts könnte mich erhöhen, hätte ich auch alle Ehre und allen Ruhm erworben.

So flehe ich inbrünstig zu Dir, o mein Gott, gewähre mir gnädig Dein Wohlgefallen, wenn Du mich emporsteigen lässt zu Dir und mich in Deine heilige Gegenwart rufst, bist du doch seit aller Ewigkeit der Gott grenzenloser Güte für das Volk Deines Reiches, der Herr unübertroffener Gaben für alle, die im erhabensten Himmel Deiner Allmacht weilen.

(Der Báb, Eine Auswahl aus Seinen Schriften, 7:18:3,4)

Hilfreiches Verhalten in der Sterbephase

Nach dem Glauben der Bahá’í endet die menschliche Existenz nicht mit dem Tod, da die Seele unsterblich ist. Die Individualität und das Bewusstsein der Seele bleiben nach dem Tod erhalten; die Seele des Verstorbenen kann mit anderen Seelen in Verbindung treten und beginnt eine neue, umfassende Entwicklung auf einer neuen Daseinsstufe. An die Wiedergeburt glauben Bahá’í jedoch nicht. Der Zeitpunkt des Todes gilt als der Moment, in dem sich der Mensch für seine Taten verantworten muss. Da Gott jedoch barmherzig ist, brauchen gläubige Menschen den Tod nicht zu fürchten. Die Seele eines sterbenden Menschen zieht nach dem Glauben der Bahá’í die Seelen seiner verstorbenen Freunde und Familienmitglieder an. Sie nehmen die Seele ihres Angehörigen nach dessen Tod in Empfang und begleiten ihn ins Jenseits, wo er Gott begegnen wird.

image Anwesenheit von Angehörigen und anderen Mitgliedern der Glaubensgemeinschaft image

Für einen sterbenden Bahá’í ist es wahrscheinlich am hilfreichsten, wenn seine Angehörigen und andere Mitglieder der Glaubensgemeinschaft bei ihm sind, um für ihn und mit ihm zu beten. Dies sollte auf jeden Fall ermöglicht werden. Es gibt mehrere sogenannte »Heilungsgebete«, die in den Gebetsbüchern und den heiligen Schriften der Bahá’í entsprechend ausgewiesen sind und in der Sterbephase gesprochen werden können. Falls weder ein Gebetbuch oder eine Heilige Schrift vorhanden sind, kann auch aus dem Koran, der Bibel oder der Bhagavad Gita gelesen werden, denn diese Bücher werden im Bahá’í-Glauben als Heilige Schriften angesehen.

Umgang mit dem Verstorbenen

image Respektvolle Behandlung image

Bahá’í haben große Ehrfurcht vor dem Körper eines Verstorbenen. Der Leichnam sollte daher äußerst respektvoll behandelt werden. Der Verstorbene kann sowohl von den Hinterbliebenen als auch vom Pflegepersonal versorgt werden. Besondere religiöse Riten oder Vorschriften müssen dabei nicht beachtet werden. Dem Verstorbenen wird von den Hinterbliebenen ein Ring angestreift. Dieser Sterbering ist ein wichtiges Symbol und trägt folgende Gravur: »Von Gott kam ich und zu Ihm kehre ich zurück, losgelöst von allem außer Ihm, und halte mich fest an seinem Namen, der Barmherzige, der Mitleidvolle« (Nationaler Geistiger Rat der Bahá’í 2013). Das Begräbnis muss in einem Sarg erfolgen (Kitab-i Aqdas #128). Im Heiligsten Buch steht geschrieben, dass ein Verstorbener in fünf Tücher aus Seide oder Baumwolle zu hüllen sei, oder – bei begrenzten Mitteln – in ein Tuch aus einem der beiden Materialien (Kitab-i Aqdas, #130). Es liegt im Ermessen der Angehörigen, dies zu tun oder den Verstorbenen wie sonst üblich anzukleiden.

Beim Herrichten des Zimmers zur Verabschiedung sind keine Besonderheiten zu beachten. Falls keine Angehörigen erreichbar sind, sollten die Betreuenden den örtlich zuständigen Geistigen Rat der Bahá’í-Gemeinde informieren. Dieser hilft bei der Organisation des Leichentransportes (image Kap. 1.1, Bestattung) sowie bei der Bestattung und übernimmt das rituelle Totengebet.

Die Einstellung zu Obduktion und Organspende

Es gibt keine religiösen Gründe gegen eine Organspende oder die Zustimmung zu einer Obduktion. Die Entscheidung wird individuell und aus persönlichen Gründen getroffen. Bahá’í stehen Organspenden positiv gegenüber, da sie diese als Geste der Mitmenschlichkeit betrachten.

Bestattung

Das »Heiligste Buch« der Bahá’í (Kitáb-i-Aqdas) enthält einige wenige, einfache Regeln für den Umgang mit dem Verstorbenen und dessen Beisetzung. Aus Ehrfurcht vor dem Leichnam soll der Transport vom Sterbeort zum Bestattungsort nicht länger als eine Stunde dauern (Kitáb-i Aqdas #130), wobei als Sterbeort nicht vom Wohnhaus oder der Pflegeeinrichtung, sondern von der Stadt oder Gemeinde, in der der Tod eintrat, ausgegangen wird. Ebenfalls aus Ehrfurcht vor dem Körper des Verstorbenen, der lange Zeit dessen unsterbliche Seele beherbergte, werden verstorbene Bahá’í grundsätzlich erdbestattet; Einäscherungen sind nicht erlaubt. Das Begräbnis muss in einem Sarg erfolgen (Kitab-i Aqdas, #128). Für alle Verstorbenen, die mindestens das 15. Lebensjahr erreicht haben, sind nach dem Heiligsten Buch ein Totengebet und ein besonderer Ring (image Kap. 1.1, Umgang mit dem Verstorbenen) vorgeschrieben. Das Totengebet wird von einem Einzelnen entweder in die Originalsprache (arabisch) oder in der jeweiligen Landessprache gesprochen bzw. gesungen, während die restlichen Anwesenden stehen:

image Totengebet image

O mein Gott! Dies ist Dein Diener und Deines Dieners Sohn (bei einer weiblichen Verstorbenen: »Dies ist Deine Magd und die Tochter Deiner Magd…«), der an Dich und Deine Zeichen glaubt und Dir sein An gesicht zuwendet, völlig losgelöst von allem außer Dir. Du bist wahrlich der Barmherzigste aller Barmherzigen.

O Du, der Du den Menschen die Sünden vergibst und ihre Fehler verbirgst, verfahre mit ihm, wie es dem Himmel Deiner Freigebigkeit und dem Meere Deiner Gnade entspricht. Nimm ihn auf in das Reich Deines allüberragenden Erbarmens, das der Erschaffung von Erde und Himmel voranging. Es gibt keinen Gott außer Dir, dem Immervergebenden, dem Großmütigsten.

Der Betende wiederholt nun sechsmal die Anrufung »Alláh’u’Abhá« und anschließend jeden der folgenden Verse neunzehnmal:

Wahrlich, wir alle beten zu Gott.

Wahrlich, wir alle beugen uns vor Gott

Wahrlich, wir alle sind demütig vor Gott

Wahrlich, wir alle lobpreisen Gott.

Wahrlich, wir alle danken Gott.

Wahrlich, wir alle sind geduldig in Gott.

(Bahá,u’lláh, Kitáb-i-Aqdas, S. 116)

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Die Trauerfeier wird von den Hinterbliebenen, meist mit Unterstützung eines Bestattungsinstitutes vor Ort, individuell und sehr würdevoll gestaltet. Oftmals werden Zitate aus Bahá’í-Schriften vorgetragen, Reden gehalten und Lieblingslieder des Verstorbenen gespielt. Die Trauergemeinde spricht Gebete und erinnert sich an Begebenheiten aus dem Leben des Verstorbenen.

Besondere Rituale

In der Bahá’í-Religion existieren nur sehr wenige vorgeschriebene Rituale. Die wichtigsten sind das jährliche Fasten und das tägliche Gebet. Ansonsten haben gläubige Bahá’í viel individuellen Spielraum für die tägliche Gestaltung ihres Glaubens. Dabei gibt es keine länderspezifischen Besonderheiten.

1.2       Buddhismus

Grundwissen

Zum Buddhismus bekennen sich etwa 400 Millionen Gläubige weltweit, vor allem in Süd- und Südostasien, Hinterindien, Tibet, Bhutan, Nepal, China, Japan und Sri Lanka (Deutsche Buddhistische Union 2019). Zudem findet der Buddhismus zunehmend in weiten Teilen Indiens und Afrikas Verbreitung, ebenso wie in der westlichen Welt. In Deutschland leben etwa 270.000 Menschen, die sich dem Buddhismus zugehörig fühlen (Religionswissenschaftlicher Medien- und Informationsdienst e. V. 2019). Der Gründer dieser Lehre war der Buddha (560–480 v. Chr.), ein indischer Prinz namens Siddharta Gautama, der mit seinem spirituell kargen Leben unzufrieden war und daraufhin das königliche Haus, seine Ehefrau und seinen Sohn verließ, um seine vollständige Befreiung zu finden. Der Überlieferung zufolge erlangte er nach sechs Jahren fortdauernder Übung schließlich das Nirwana (die Erleuchtung), während er in einem Zustand langer, tiefer Meditation unter einem Baum saß. Von da an wurde er als der Buddha (»der Erleuchtete«) bekannt. Das Beispiel seines Lebens und seine Lehren bilden das Fundament des heutigen Buddhismus. Im buddhistischen Glauben bestehen ethische Regeln für ein »rechtschaffenes Leben«. Es wird kein Gott verehrt, sondern die Eigenverantwortung des Menschen in den Fokus gestellt. Der endgültige Zustand des reinen Seins, den alle erleuchteten Wesen (Buddhas) erreichen, wird Nirwana genannt. Die Entwicklung von Mitgefühl, Meditation und Weisheit gelten als Voraussetzung, um das Nirwana zu erreichen. Der Glaube an die Wiedergeburt prägt im Buddhismus die Vorstellung darüber, was nach dem Tod geschieht. Der Tod wird jedoch nicht als Befreiung vom Leiden erlebt, da sich das irdische Leid durch die Wiedergeburt fortsetzt. Der Mensch wird so oft wiedergeboren, bis er zu wahrhaftiger Selbstlosigkeit gefunden hat. Dies ist der einzige Weg, das Leiden der Welt zu überwinden. Nach der Lehre Buddhas ist Gier, auch Lebensgier, die Ursache allen Leidens in der Welt, und demzufolge kann Heilung nur durch Entsagung erfolgen. So gilt die Vorbereitung auf den Tod, der dem Menschen alles nimmt, was dieser festhält, als gute Übung zur Entwicklung der Wunschlosigkeit: Sie lehrt, loszulassen und dabei Gelassenheit zu erlangen. Selbsttötung wird im Buddhismus nicht als Lösung angesehen, da sie eine ungünstige Wiedergeburt zur Folge haben soll. Aus diesem Grund wird auch aktive Sterbehilfe abgelehnt.

image Glaube an die Wiedergeburt image

Buddhisten möchten in der Regel möglichst frühzeitig über ihren bevorstehenden Tod informiert werden, und sehen ihm dann relativ gelassen entgegen. Sie glauben an Wiedergeburt und damit an die Möglichkeit, in einem nächsten Leben den buddhistischen Weg fortzusetzen, um sich so mit jedem neuen Dasein dem Zustand absoluten Friedens und völliger Freiheit (Nirwana) zu nähern.

image Buddhistische Feiertage image

•  Lo Gsar (Tibetisches Neujahrsfest) über mehrere Wochen im Januar/Februar

•  Bun Phraa Wes (Erntedankfest) im Februar/März

•  Buddha Jayanti (Geburtstag Buddhas) bei Vollmond im April

•  Vesakh (Erleuchtung Buddhas) bei Vollmond im Mai

•  Chung-Yüan (Fest der Verstorbenen in China) über mehrere Tage Mitte August

•  Le Vu Lan (Gedenktag der Verstorbenen in Vietnam) im August/September

•  Kathina-Tag (Übergabe eines neuen Mönchsgewandes) bei Vollmond im Oktober

Besonderheiten

Buddhisten lehnen das Töten von Tieren ab. Daher sollten nach Möglichkeit in ihrer Gegenwart beispielsweise keine Insekten getötet, sondern falls nötig gefangen und ins Freie gesetzt werden.

Körperpflege

image Füße und Körperöffnungen image

Die Füße werden als Gegenstück des Kopfs und als unrein betrachtet. Aus diesem Grund sollte das Bett eines buddhistischen Kranken so stehen, dass seine Füße nicht auf eine eventuell im Zimmer vorhandene Buddhastatue oder ein Bildnis Buddhas zeigen. Die natürlichen Körperöffnungen gelten ebenso wie die Füße als unrein. Buddhisten aus asiatischen Ländern legen meist Wert darauf, dass buddhistische Frauen von weiblichem Pflegepersonal und männliche Buddhisten von männlichem Pflegepersonal gepflegt werden. Im westlichen Buddhismus wird das meist nicht so streng gesehen, jedoch sollte dieser Punkt rechtzeitig mit dem Kranken abgesprochen werden.

Ernährung und Kleidung

Die meisten Buddhisten sind aus Respekt vor allem Leben Vegetarier, manche auch Veganer. Zudem meiden fast alle Buddhisten Alkohol und Tabak. Die speziellen Ernährungswünsche und -gewohnheiten eines buddhistischen Kranken sollten erfragt werden. Im Buddhismus wird dazu geraten, nicht übermäßig zu essen, da geglaubt wird, dies könne der Gesundheit schaden und Trägheit hervorrufen.

Kommunikation

Zur Vorbereitung auf den Sterbeprozess wird oft der Besuch eines buddhistischen Lehrers oder Praktizierenden gewünscht. Die Deutsche Buddhistische Union kann hier Kontakte vermitteln (Adresse image Anhang).

Bewegung, Beschäftigung und Schlaf

image Meditation image

Buddhisten sollte es ermöglicht werden, ihre Religion nach ihren individuellen Bedürfnissen auszuüben und dementsprechend auch ihr Zimmer nach ihren Wünschen einzurichten. Oft wird ein kleiner »Altar« mit Buddhastatuen aufgestellt, vor dem meditiert werden kann. Für Buddhisten sind Meditationen besonders in dieser Lebensphase sehr wichtig. Daher werden sie es dankbar annehmen, wenn ihnen – unabhängig von der Tages- oder Nachtzeit – Ruhe und Privatsphäre zum Meditieren eingeräumt werden.

Umgang mit Arzneimitteln

image Wunsch nach klarem Bewusstsein image

Es gilt als sehr positiv, Leiden und Schmerzen zu lindern. Trotzdem werden Schmerzmittel, Sedativa und andere Medikamente, die das Bewusstsein in irgendeiner Form beeinträchtigen können, möglicherweise abgelehnt, weil Buddhisten ganz besonders am Lebensende ihre spirituelle Wachheit und ein positiver Geisteszustand sehr wichtig sind und sie daher ein ungetrübtes Wahrnehmungsvermögen erhalten möchten. Eine einfühlsame Absprache mit dem Betroffenen bezüglich der Medikation ist daher besonders wichtig. Eine durch Medikamentenverweigerung eventuell erfolglose Symptomkontrolle sollte respektiert werden.

Sehr viele Buddhisten sind Vegetarier, weshalb Arzneimittel, die aus tierischen Rohstoffen hergestellt werden, für sie potenziell problematisch sind. Dies hat Auswirkungen auf die Arzneimitteltherapie, weil sehr viele Medikamente tierische Rohstoffe enthalten, wie zum Beispiel Blutersatzstoffe, Wachstumshormone, Enzyme, Heparine, einige Infusionslösungen und parenterale Ernährungen, Cortison, Pankreatin, einige Insulinarten, chirurgisches Nahtmaterial (Catgut) und viele Kapseln, Tabletten und Dragees, die Gelatine enthalten (Peta 2019). Hier gilt es, in Absprache mit dem Betroffenen Alternativen zu finden oder zu besprechen, ob bestimmte Arzneimittel trotz tierischer Inhaltsstoffe akzeptiert werden können, falls es keine andere Möglichkeit gibt.

Einige Buddhisten lehnen auch Medikamente ab, die in Tierversuchen getestet wurden oder Alkohol enthalten. Sehr wenige Buddhisten lehnen Medikamente generell ab und versuchen, ihre Erkrankung und deren Symptome durch Meditation und konzentrative Geistesübungen zu heilen oder zumindest aushalten zu können.

Besondere Gebete und Gebräuche

Ein buddhistischer Sterbender könnte den Wunsch äußern, ein Mönch oder Lehrer seiner Tradition möge mit ihm meditieren oder ihm aus buddhistischen Schriften, zum Beispiel dem tibetischen Totenbuch, vorlesen. Gebete finden in Form von Meditationen statt. Diese werden so häufig wie möglich praktiziert und können viel Zeit in Anspruch nehmen.

Dies ist ein Text aus der Tsa Tsur Reinigungszeremonie, die besonders Sterbenden und soeben Verstorbenen helfen soll, den Loslösungsprozess leichter zu bewältigen:

image Tsa Tsur Reinigungszeremonie image

»Zu der Zeit, wo ich dieses Leben verlasse,

möge ich frei sein von allen Arten von Leiden und Schmerzen,

und wiedergeboren werden im reinen Land des Buddha,

und möge ich dadurch fähig sein,

alle lebenden Wesen zu fördern und ihnen Glück zu bringen.«

(Deutsche Buddhistische Union 2019)

Hilfreiches Verhalten in der Sterbephase

image Frühzeitige Information und Vorbereitung image

Im Buddhismus wird es für sehr wichtig erachtet, dass sich ein Sterbender gründlich auf seinen Tod vorbereitet, denn der Tod wird als Beginn einer neuen Existenz betrachtet. Daher ist es wichtig, dass ein Buddhist frühzeitig über seinen nahenden Tod informiert wird. Viele Buddhisten finden sich relativ leicht mit ihrem bevorstehenden Tod ab, weil der Tod nicht als das Ende der Existenz betrachtet wird. Ermutigung und tröstliche Unterstützung sind aber für Buddhisten, wie für jeden anderen Menschen auch, in dieser Phase wichtig. Der geistige Zustand eines Menschen im Augenblick seines Todes bestimmt die Richtung seiner Wiedergeburt. Daher versammeln sich am Bett eines Sterbenden dessen Familie, spirituelle Freunde, Mönche und Lehrer, um aus Schriften zu lesen und ihm beim Meditieren zu helfen. Die den Sterbenden betreuende Person sollte zu dem Sterbenden auf jeden Fall in positiver Beziehung stehen. Es ist wichtig, dass er sich in ihrer Anwesenheit wohl und entspannt fühlen kann. Es sollte unter allen Umständen vermieden werden, dass jemand in die Nähe des Sterbenden kommt, der bei ihm Ärger auslöst; dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um einen Angehörigen oder jemanden vom Pflege-, Hauswirtschafts- oder Reinigungspersonal handelt. Denn wenn bei einem Sterbenden Gefühle wie Ärger oder Hass aufkommen, führt das nach buddhistischem Glauben dazu, dass im Augenblick des Todes negative Eindrücke im Geist des Sterbenden reifen, wodurch es für ihn zu einer ungünstigeren Wiedergeburt kommen kann. Dies soll natürlich vermieden werden. Ein sterbender Buddhist wird wahrscheinlich wünschen, dass ein buddhistischer Lehrer informiert wird, um mit ihm eine besondere Zeremonie durchzuführen. Im Übrigen wird der Sterbende selber entscheiden, was ihm in dieser Phase am Wichtigsten ist. Seine Wünsche sollten so weit wie möglich berücksichtigt werden, um den Sterbeprozess für ihn so leicht wie möglich zu gestalten. Falls der Sterbende es wünscht, sollte er auf die rechte Seite gedreht werden, da angenommen wird, dass Buddha in dieser Stellung gestorben ist. In manchen buddhistischen Richtungen bevorzugen Sterbende die Meditationsstellung, zumindest eine gewisse aufrechte Körperhaltung.

Umgang mit dem Verstorbenen

image Körper nicht berühren image

Wenn die Atmung aufgehört hat, ist der Tod, d. h. die Trennung von Körper und Geist, dem buddhistischen Glauben nach noch nicht eingetreten. Es kann bis zu drei oder vier Tagen dauern, bis das Bewusstsein sich vom Körper trennt. Um den Sterbeprozess nicht zu stören, soll der Körper mindestens für mehrere Stunden nicht berührt werden. Angehörige und Mitglieder der buddhistischen Gemeinschaft bleiben in dieser Zeit bei ihm und meditieren. Der Verstorbene soll vor dem Eintreffen eines Lehrers möglichst nicht bewegt werden, damit dieser spezielle Zeremonien durchführen kann.

Einstellung zu Obduktion und Organspende

Buddhisten werden zu Organspenden ermutigt, weil sie im Buddhismus als Akt des Großmuts angesehen werden. Allerdings sind viele Buddhisten angesichts von Organdiebstählen und illegalem Organhandel in vielen asiatischen Ländern sehr besorgt hinsichtlich möglichen Missbrauchs. Eine Obduktion wird sehr wahrscheinlich verweigert, da nach dem buddhistischen Glauben das Bewusstsein noch drei Tage lang im Körper bleibt (außer bei Unfalltod, hier verlässt das Bewusstsein den Körper sofort). Daher muss in jedem Fall stets um die Erlaubnis der Familie gebeten werden.

Bestattung

image Feuerbestattung image