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Der exzellente Butler Parker
– 23 –

Parker und der Schatz des Keltenfürsten

Günter Dönges

Impressum:

Epub-Version © 2020 KELTER MEDIA GmbH & Co. KG, Sonninstraße 24 - 28, 20097 Hamburg. Geschäftsführer: Patrick Melchert

Originalausgabe: © KELTER MEDIA GmbH & Co.KG, Hamburg.

Internet: https://ebooks.kelter.de/

E-mail: info@keltermedia.de

Dargestellte Personen auf den Titelbildern stehen mit dem Roman in keinem Zusammenhang.

ISBN: 978-3-74095-466-6

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Die verführerisch duftende Nußtorte, die Butler Parker zum Fünfuhrtee in Lady Simpsons weitläufiger Wohnhalle aufgetragen hatte, ging allmählich zur Neige.

»Mylady wünschen noch Tee?« erkundigte sich Parker höflich.

»Ich werde lieber ein Gläschen Sherry zu mir nehmen, um meinen Kreislauf zu stärken, Mister Parker«, entschied die Hausherrin.

»Aber sicher möchten die Kinder noch Tee.«

In würdevoller Haltung kam der Butler den Wünschen der kleinen Teerunde nach, verneigte sich und trat anschließend in seiner unvergleichlichen Art einen halben Schritt zurück.

Bei den »Kindern« handelte es sich um ihren Vermögensberater, den erfolgreichen Anwalt Mike Rander, und um ihre Gesellschafterin, die attraktive Kathy Porter. Beide kannten aus langjähriger Erfahrung Agatha Simpsons große Leidenschaft: die Kriminalistik.

»Bestimmt ist das die Mafia, die es auf die Reste der Torte abgesehen hat«, flachste Rander deshalb, als die Türglocke läutete.

Die beiden Männer, die Parker gleich darauf einließ, kamen von einer Speditionsfirma. Gewicht und Format des Paketes, das sie ächzend im Flur abstellten, ließen an eine Haustür oder ein mehrflügeliges Fenster denken...

»Nach einer Bombe sieht es nicht gerade aus«, bemerkte Kathy Porter und nahm das sperrige Stückgut näher in Augenschein.

»Das kann man nie wissen, Kindchen«, erhob Agatha Simpson warnend ihre baritonal gefärbte Stimme. »Die Unterwelt läßt sich ständig neue Tricks einfallen, um mich aus dem Weg zu räumen.«

»Eine Gefahr für Myladys Leib und Leben dürfte vom Inhalt dieser Sendung wohl kaum ausgehen, falls der Hinweis erlaubt ist«, schaltete Josuah Parker sich ein. Er hatte inzwischen den Lieferschein unterschrieben und die Männer mit einem Trinkgeld entlassen.

»Hüten Sie sich vor voreiligen Schlüssen, Mister Parker!« erwiderte die passionierte Detektivin. »Woher wollen Sie denn wissen, was sich im Paket befindet?«

»Den Begleitpapieren nach dürfte es sich um den Stammbaum handeln, den Mylady bei Heraldiker Dr. Matthew Daniels in Auftrag zu geben geruhten«, gab der Butler gelassen Auskunft.

»Ein Stammbaum? Ich dachte, so etwas hätten Sie längst, Mylady«, wunderte sich Rander. Natürlich war dem Anwalt bekannt, daß Lady Agatha mit dem Blut- und Geldadel der Insel verwandt und verschwägert – eine Tatsache, die sie oft genug gebührend hervorhob.

»Natürlich, mein Junge«, klärte Mylady den Besucher auf. »Aber diese langweilige Archivblätter schaut doch niemand an. Ich wollte etwas Repräsentatives haben, das jedermann ins Auge fällt.«

Mittlerweile hatte Parker die Verpackung entfernt. Zum Vorschein kam ein monumentales Gemälde im vergoldeten Barockrahmen, das eine stolze Eiche mit Hunderten von Verästelungen zeigte. Jedes Blatt trug in zierlichen Lettern den Namen eines Vorfahren. Die Auftraggeberin selbst war in einem goldenen Blatt in der höchsten Wipfelspitze verewigt.

»Sehr eindrucksvoll, Mylady«, stellte Kathy Porter fest. »Und dieser Stammbaum soll hier in der Diele aufgehängt werden?«

»Das muß einfach sein, Kindchen«, nickte die ältere Dame. »Wenn man bedenkt, daß heutzutage jeder hergelaufene Rüpel in den Adelsstand erhoben wird ...«

»Haben Sie dabei bestimmte Leute im Auge, Mylady?« wollte Rander wissen.

»Zum Beispiel diese Pilzköpfe«, entgegnete die Hausherrin ärgerlich. »Nichts als süchtiges Gesindel, das mit seiner erbärmlichen Katzenmusik den Geschmack der britischen Jugend verdirbt.«

»Die Beatles meinen Sie, Mylady?« lachte der Anwalt. »Die haben immerhin Berge von Devisen ins Land gebracht, bevor sie von der Königin geadelt wurden.«

»Pah! Was ist das schon!« Agatha Simpson ereiferte sich. »Auf Tradition und innere Werte kommt es an, mein Junge. Wie Sie wissen, führe ich meine Abstammung immerhin auf Heinrich den Eroberer zurück.«

»Darf man vermuten, daß Mylady Wilhelm den Eroberer zu meinen belieben?« warf Parker ein.

»Sagte ich das nicht?« tat seine Herrin überrascht.

»Ja, ja, der gute, alte Wilhelm«, setzte sie mit schwärmerisch verklärtem Blick hinzu, als hätte sie den Normannenherzog, der im Jahr 1066 seinen Fuß auf britischen Boden setzte, noch persönlich gekannt.

»Was Tatkraft und Durchsetzungsvermögen angeht, dürften Mylady dem berühmten Urahn in nichts nachstehen«, ließ der Butler sich vernehmen.

»Das haben Sie richtig erkannt, Mister Parker«, nickte die ältere Dame geschmeichelt. »Ich frage mich nur manchmal, wem ich meine ebenso extraordinären Talente auf künstlerisch-kreativem Gebiet verdanke.«

»Vielleicht fließt in Ihren Adern auch keltisches Blut, Mylady«, bemerkte Mike Rander beiläufig.

»Keltisch?« erkundigte sich Agatha Simpson mißtrauisch. »Wie meinen Sie das, mein Junge?«

»Jedenfalls nicht beleidigend, Mylady«, versicherte der Anwalt schmunzelnd. »Im Gegenteil.«

»Bei den Kelten handelt es sich um ein kulturell und künstlerisch außerordentlich hochstehendes Volk, das im Verlauf des ersten Jahrtausends vor unserer Zeitrechnung in mehreren Wellen die britischen Inseln besiedelte, falls man sich nicht gründlich täuscht«, griff Parker erläuternd ein. »Noch heute werden immer wieder Überreste keltischer Siedlungen gefunden.«

»Das ist ja der Grund, weshalb ich überhaupt auf die Kelten kam«, nahm Rander wieder das Wort. »Professor Kevin Myrtle, mit dem ich manchmal Tennis spiele, erzählte mir dieser Tage von hochinteressanten Ausgrabungen, die er in der Nähe von Bodiam an der Grenze zwischen Kent und Sussex leitet.«

»Ist das nicht sehr mühsam, wochenlang in der Erde herumzukratzen, um schließlich ein paar wertlose Münzen oder Tonscherben zu finden?« wollte Agatha Simpson wissen.

»Myrtle war überzeugt, kurz vor dem Fund seines Lebens zu stehen«, erwiderte der Anwalt. »Er rechnete fest damit, in diesen Tagen auf ein Fürstengrab mit prächtigen Grabbeigaben aus Gold und Bronze zu stoßen.«

»Interessant.« Agatha Simpson zog die Stirn kraus. »Und das Gold kann er behalten, dieser Mister Turtle?«

»Nein, nein«, entgegnete Rander. »Wenn er wirklich Schätze findet, kommen die ins Britische Museum.«

»Welcher Tag ist morgen, Mister Parker?« fragte die Hausherrin unvermittelt.

»Samstag, sofern Mylady keine Einwände erheben«, teilte Parker in seiner überaus höflichen Art mit. »Möglicherweise ist der Hinweis erlaubt, daß Mylady für den morgigen Tag noch keinerlei Verpflichtungen eingegangen sind, so daß einem Ausflug nach Bodiam grundsätzlich nichts im Weg stünde.«

»Solch einen Ausflug wollte ich gerade vorschlagen«, rief die ältere Dame begeistert. »Wollt ihr nicht mitkommen, Kinder?«

»Ich kenne in der Nähe des Ausgrabungsortes ein hübsches, kleines Hotel mit ausgezeichnetem Restaurant«, verriet Mike Rander.

»Eine prächtige Weekend-Idee!« stimmte auch Kathy Porter zu.

»Mir geht es natürlich nicht um die Schätze, nach denen Mister Purple gräbt. Materielle Dinge bedeuten mir nichts«, versicherte die steinreiche Dame, während ihre Besucher vielsagende Blicke tauschten.

»Vermutlich ist es eher das wissenschaftliche Interesse, Mylady«, tippte der Anwalt.

»Das kann man in der Tat sagen«, nickte Agatha Simpson bedeutungsvoll. »Ich werde morgen eine Exkursion zu Zwecken der Familienforschung unternehmen .«

»Familienforschung?« fragten Mike Rander und Kathy Porter wie aus einem Mund.

»Im Grund habe ich keinen Zweifel, daß dieser Keltenfürst jener Stammvater ist, dem ich meine musische Begabung verdanke«, erläuterte die Detektivin. »Aber bevor ich ihm einen Platz in meiner Ahnengalerie einräume, muß ich natürlich alles genau überprüfen.«

*

Es war ein strahlender Vormittag, als Mike Randers dunkelblauer Austin und Josuah Parkers hochbeiniges Monstrum von der Landstraße in einen ungeteerten Wirtschaftsweg abbogen. Der Anwalt hatte sich bei seinem Tennisfreund Myrtle telefonisch nach der genauen Anfahrt erkundigt und fuhr mit Kathy Porter voraus.

»Sie können ruhig etwas rücksichtsvoller fahren, Mister Parker«, verlangte Lady Simpson. Das Abbiegemanöver hatte sie ausgesprochen unvorbereitet getroffen und ihre Körperfülle schwungvoll aus dem Gleichgewicht gebracht.

»Man wird künftig bemüht sein, keinesfalls mehr Myladys Unmut zu erregen«, versprach Parker, während seine Herrin sich wieder dem Picknickkorb widmete, der ihr die angeblichen Strapazen der Reise überstehen half.

Der einspurige Weg führte durch einen Waldstreifen und anschließend über eine Art Damm durch sumpfiges Gelände mit Schilf und Binsen.

Genau an dieser Stelle kam der stahlblaue Chevrolet entgegen.

An Randers Austin leuchteten die Bremslichter auf.

Auch Parker brachte sein schwarzes Gefährt zum Stehen, was Myladys erneuten Protest zur Folge hatte. Diesmal war ihr der Picknickkorb von den Knien gerutscht.

»Die Burschen werden ja wohl zurücksetzen«, meinte Rander zu seiner attraktiven Beifahrerin. »Aus unserer Richtung kommen schließlich zwei Fahrzeuge.«

So einsichtig waren die Männer im blauen Chevrolet allerdings nicht.

Durch wütende Gesten bedeuteten sie dem Anwalt, den Rückzug anzutreten. Als Rander mit gleicher Münze antwortete, machten die Männer einen entscheidenden Fehler: Sie verließen ihr Fahrzeug und kamen unter eindeutigen Drohgebärden näher...

Der Fahrer schien nicht viel älter als dreißig zu sein. Seine etwas schlaksig wirkende Gestalt steckte in einem abgeschabten Jeansanzug. Ein verbeulter Hut aus blauem Jeansstoff und eine Filterzigarette im herabhängenden Mundwinkel rundeten das Bild arroganter Lässigkeit ab.

Der zweite Mann war schätzungsweise zwanzig Jahre älter. Der Untersetzte trug einen dunklen Filzhut, den er tief ins Gesicht gezogen hatte. Dennoch war eine Nase von bemerkenswertem Format, die über einen pechschwarzen Schnurrbart in die Landschaft ragte, nicht zu übersehen. Breite Schultern, die in einem makellosen Trenchcoat steckten, und der federnde Gang ließen auf einen durchtrainierten Kraftsportler schließen.

»Los, verschwinde! Sonst machen wir dir und deiner Puppe Beine!« knurrte der Untersetzte, als Rander ein Stück das Fenster absenkte und freundlich einen guten Tag wünschen wollte.

Ehe der Anwalt dem unhöflichen Schnurrbartträger die passende Antwort erteilen konnte, hatte Parker ihm die kleine Mühe schon abgenommen.

Gleichzeitig mit den Männern aus dem Chevrolet hatte der Butler sein Fahrzeug verlassen. In dezent gestreiften Beinkleidern, mit schwarzem Covercoat und Melone war der alterslos wirkende Josuah Parker eine ausgesprochen würdevolle Erscheinung. Dieser Eindruck wurde durch seinen steifen, gemessenen Gang unterstrichen, der manchmal wirkte, als hätte er einen Ladestock verschluckt.

Sein Auftreten, das Zoll für Zoll dem Urbild eines hochherrschaftlichen englischen Butlers aus dem vergangenen Jahrhundert entsprach, hatte schon oft dazu geführt, daß man ihn unterschätzte. Das Duo aus dem stahlblauen Chevrolet bildete da keine Ausnahme. Die Männer beachteten Parker nicht mal.

Deshalb machte der Schnurrbärtige ein eindeutig verdutztes Gesicht, als er einen ausgesprochen unangenehmen Druck in der Nierengegend verspürte. Erst beim zweiten Hinsehen wurde dem Mann klar, daß es sich um die Spitze von Parkers Universal-Regenschirm handelte, die das sensible Organ eingehend massierte.

Augenblicklich zeigte das Gesicht des Unbekannten eine Blässe, die jeden Arzt in Alarmbereitschaft versetzt hätte. Ehe er sich über die Behandlung beschweren konnte, blieb ihm schon die Luft weg.

Heftig japsend verdrehte der Mann die Augen und ging vor dem Butler in die Knie.

Sein jüngerer Begleiter hatte sich inzwischen zur Beifahrertür des Austin begeben, wobei sein Interesse eindeutig den Reizen der zierlichen Kathy Porter galt. Als der Schlaksige merkte, wie schnell sich die bezaubernde junge Dame mit den mandelförmig geschnittenen Augen und dem Kastanienschimmer im dunklen Haar in eine reißende Pantherkatze verwandeln konnte, war es schon zu spät.

Grell blitzende Sterne tanzten vor den Augen des Jeansträgers, als Kathy Porter ruckartig die Tür aufstieß und ihm damit schmerzhafte Blessuren an Kinn und Knien bescherte.

Torkelnd wich der Zudringliche ein paar Schritte zurück und ließ sich stöhnend zu einer Verschnaufpause am Straßenrand nieder.

Gelassen nutzte Parker die Gelegenheit, um beide Männer diskret von den großkalibrigen Pistolen zu befreien, die in ihren Schulterhalftern steckten.

»Wollten die dreisten Lümmel mich etwa an der Weiterfahrt hindern?« war plötzlich Myladys sonores Organ zu vernehmen. Bebend vor Zorn kam die resolute Dame angestampft.

Obwohl Agatha Simpson die Sechzig mit Sicherheit überschritten hatte, war sie doch eine Erscheinung, die man nur als eindrucksvoll bezeichnen konnte. Das lag nicht nur an ihrer Körperfülle, die sie mit einem nicht gerade modischen Jagdkostüm zu bändigen versuchte.