Die E-Books des Reclam Verlags verwenden entsprechend der jeweiligen Buchausgabe Sperrungen zur Hervorhebung von Textpassagen. Diese Textauszeichnung wird nicht von allen Readern unterstützt.
Enthält das E-Book in eckigen Klammern beigefügte Seitenzählungen, so verweisen diese auf die Printausgabe des Werkes.
Der vorliegende Band ist die durchgesehene und schonend ergänzte Neuauflage des Lexikons Philosophie. Hundert Grundbegriffe, das vor zehn Jahren zum ersten Mal im Reclam Verlag erschien. Neben dem Titel wurde auch die Ausstattung leicht geändert: Der gelbe Papiereinband der Taschenbuchausgabe hat nun einen robusteren Umschlag, der den Erhalt dieses Arbeitsbandes auch bei intensiverer Lektüre gewährleistet. Die vergangene Zeit ist am Verzeichnis unserer Autorinnen und Autoren ablesbar: Die meisten der damals jüngeren Autorinnen und Autoren gehören mittlerweile zum akademischen Establishment; viele der damals älteren Autoren sind inzwischen emeritiert, einige mittlerweile verstorben.
Wichtigstes Argument des Verlags und der Herausgeber für die Neuauflage ist der Umstand, dass sich der Band in der philosophischen Lehr- und Lernpraxis bewährt hat, sei es als Einstiegsbuch für den philosophisch Interessierten, als Lektüre für fachphilosophische Veranstaltungen oder als allgemeiner Studienbegleiter. Um der Entwicklung in der philosophischen Debatte der letzten Jahre Rechnung zu tragen, wurde den Autorinnen und Autoren die Möglichkeit gegeben, die Auswahlliteratur zu ihren jeweiligen Artikeln zu ergänzen und zu aktualisieren. Auch in die kommentierte Bibliographie mit weiterführender Literatur am Ende des Bandes haben wir ausgewählte neuere Publikationen eingearbeitet. Die Liste der Stichworte wurde gegenüber dem Vorgängerband nicht verändert. Sie basiert weiterhin auf der Auswertung der Stichwortlisten anderer wichtiger Nachschlagewerke und einschlägiger Fachdiskussionen sowie auf
den Debatten, die wir seinerzeit mit unseren Autorinnen und Autoren sowie anderen uns mit Rat zur Seite stehenden Philosophinnen und Philosophen geführt haben.Bei alledem ist die dreifache Zielsetzung der Grundbegriffe Philosophie gleich geblieben. Viele der in der philosophischen Fachdebatte zentralen Begriffe kommen im Gewand alltäglicher Ausdrücke daher, denen man ihre theoretisch aufgeladene, fachphilosophische Bedeutung nicht ohne weiteres ansieht. Hier soll unser Band als kompaktes Nachschlagewerk Abhilfe schaffen und die interessierte Leserin verlässlich, klar und prägnant über 101 debattenprägende philosophische Begriffe informieren – und dies umfassender als ein reines Wörterbuch.
Nun kann man philosophische Grundbegriffe nicht überzeugend erläutern, ohne auf die philosophischen Debatten einzugehen, deren Dreh- und Angelpunkte die Begriffe markieren. Es lässt sich beispielsweise nicht sagen, was unter ›Willensfreiheit‹ zu verstehen ist, ohne dass man philosophische Theorien des freien Willens erörtert. Wer wirklich Aufschluss über den philosophischen Begriff des ›Naturrechts‹ gewinnen will, der muss sich auf den Austausch von Gründen und Argumenten einlassen; ein bloßes Verzeichnen berühmter Meinungen greift in jedem Fall zu kurz. Entsprechend bietet Grundbegriffe der Philosophie einen – auf die Bedürfnisse des Einsteigers oder der fortgeschrittenen Anfängerin zugeschnittenen – Überblick über zentrale Debatten der Philosophie, ihre Protagonisten, die wichtigsten Positionen und die wirkungsmächtigsten Argumente.
Die vorgestellten Grundbegriffe können auf eine illustre Geschichte zurückblicken. Zugleich spielen sie nach wie 73 Autorinnen und Autoren aus ganz unterschiedlichen Arbeitsgebieten der Philosophie und anderen Disziplinen, alle mit je eigenem akademischen Hintergrund und unterschiedlichen philosophischen Überzeugungen. Man kann Grundbegriffe der Philosophie in die Hand nehmen, an einer beliebigen Stelle in die aktuelle Debatte hineinspringen und – je nachdem, welchen Verweisen man folgt – auf unterschiedlichem Kurs durch die philosophische Gegenwartsdiskussion navigieren.
vor eine wichtige Rolle in der gegenwärtigen Fachphilosophie. So erfüllt Grundbegriffe der Philosophie noch eine dritte Funktion: Es ist ein kompaktes und verständliches Einführungsbuch in das aktuelle philosophische Geschehen, gleichsam kollektiv verfasst vonDamit die Grundbegriffe Philosophie ihren Aufgaben als Nachschlagewerk, Debattenüberblick und Einführungsbuch möglichst gut nachkommen können, haben sich die Autorinnen und Autoren bemüht, einem vorgegebenen Artikelschema zu folgen: Die Artikel beginnen mit einer hinführenden Erläuterung des Grundbegriffs. Diese geht nur dann auf die Herkunft des Ausdrucks ein, wenn diese für dessen fachphilosophische Bedeutung hilfreich ist. (In vielen Fällen würde die Etymologie sachlich in die Irre führen.) An die hinführende Erläuterung schließt sich ein zumeist sowohl historischer als auch systematischer Darstellungsteil an. Die Artikel enden mit einer kurzen Liste möglichst aktueller Überblicksliteratur, welche die im Text genannten Titel ergänzt. Angeführt werden also nicht die benutzten Quellen, sondern von unseren Autoren zusammengetragene Empfehlungen für die weiterführende Lektüre. Um die weiterführende Lektüre zu erleichtern, haben
wir dazu im Anhang eine kommentierte Auswahl an philosophischen Nachschlagewerken und Einführungsbüchern zusammengestellt.Querverweise auf andere Stichworte sind in den Artikeln mit einem Pfeil (→) gekennzeichnet. Die Abkürzung der Stichworte kann sich auf Singular oder Plural beziehen; so kann ›B.‹ im betreffenden Artikel sowohl ›Begriff‹ als auch ›Begriffe‹ bedeuten. Genus, Numerus und Kasus bleiben in der Abkürzung ebenfalls unberücksichtigt. Weitere Abkürzungen folgen der Standardisierung des Grammatik-DUDEN. Wichtig ist uns der Hinweis, dass mit Blick auf den knapp bemessenen Raum die Nennung beider Geschlechter nicht möglich war, aber immer mitgedacht werden sollte.
Bielefeld/München, im Sommer 2019
Christian Nimtz und Stefan Jordan
EMIL ANGEHRN, Jg. 1946, Dr. phil., Professor (em.) für Philosophie an der Universität Basel.
ANSGAR BECKERMANN, Jg. 1945, Dr. phil., Professor für Philosophie an der Universität Bielefeld.
EIKE BOHLKEN, Jg. 1967, Dr. phil., Professor für Ethik an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung NRW, Abteilung Köln.
ELKE BRENDEL, Jg. 1962, Dr. phil., Professorin für Philosophie an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn.
MARTIN CARRIER, Jg. 1955, Dr. phil., Professor für Philosophie an der Universität Bielefeld.
ALBERT CASULLO, Jg. 1949, Ph. D., Professor für Philosophie an der University of Nebraska, Lincoln, USA.
JONATHAN DANCY, Jg. 1946, B. Phil., Professor für Philosophie an der University of Texas, Austin, USA, und Forschungsprofessor der University of Reading.
SABINE A. DÖRING, Dr. phil., Professorin für Praktische Philosophie an der Eberhard Karls Universität Tübingen.
GERHARD ERNST, Jg. 1971, Dr. phil., Professor für Philosophie an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg.
VOLKER GERHARDT, Jg. 1944, Dr. phil., Dr. h. c., Professor für Philosphie an der Humboldt-Universität zu Berlin.
BERNWARD GESANG, Jg. 1968, Dr. phil., Professor für Philosophie an der Universität Mannheim.
HANS-JOHANN GLOCK, Jg. 1960, Dr. phil., Professor für Philosophie an der Universität Zürich.
FRIEDRICH WILHELM GRAF, Jg. 1948, Dr. theol., Professor für Systematische Theologie und Ethik an der Ludwig-Maximilians-Universität München.
VOLKER HALBACH, Jg. 1965, Dr. phil., Reader in Philosophy an der Oxford University, Fellow von New College, Oxford.
MICHAEL HEIDELBERGER, Jg. 1947, Dr. phil., Professor (em.) für Philosophie mit Schwerpunkt Logik und Philosophie der Naturwissenschaften an der Eberhard Karls Universität Tübingen.
NORBERT HOERSTER, Jg. 1937, Dr. iur., Dr. phil., Professor (em.) für Rechts- und Sozialphilosophie am Fachbereich Rechts- und Wirtschaftswissenschaften der Johannes Gutenberg-Universität Mainz.
HANS HEINZ HOLZ, 1927–2011, Dr. phil., Dr. h. c., Professor (em.) für Philosophie an der Rijksuniversiteit Groningen.
DETLEF HORSTER, Jg. 1942, Dr. phil., Professor für Sozialphilosophie an der Leibniz Universität Hannover.
JOHANNES HÜBNER, Jg. 1968, Dr. phil., Professor für Theoretische Philosophie an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg.
ANDREAS HÜTTEMANN, Jg. 1964, Dr. phil., Professor für Philosophie an der Universität zu Köln.
FRIEDRICH JAEGER, Jg. 1956, Prof. Dr. phil., Permanent Fellow am Kulturwissenschaftlichen Institut Essen.
LUDGER JANSEN, Jg. 1969, Dr. phil., Privatdozent am Institut für Philosophie der Universität Rostock.
STEFAN JORDAN, Jg. 1967, Dr. phil., Wiss. Angestellter der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, München.
GEERT KEIL, Jg. 1963, Dr. phil., Professor für Philosophische Anthropologie an der Humboldt-Universität zu Berlin.
ANDREAS KEMMERLING, Jg. 1950, Dr. phil., Professor für Philosophie am Philosophischen Seminar der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg.
HARTMUT KLIEMT, Jg. 1949, Dr. phil., Professor für Philosophie und Ökonomik an der »Frankfurt School of Finance and Management«, Frankfurt am Main.
NIKOLA KOMPA, Jg. 1970, Dr. phil., Professorin für Theoretische Philosophie an der Universität Osnabrück.
ULRICH KROHS, Jg. 1961, Dr. rer. nat., Professor für Philosophie an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster.
CHRISTOPH LUMER, Jg. 1956, Dr. phil., Professor für Philosophie an der Universität Siena.
HOLGER LYRE, Jg. 1965, Dr. phil., Dipl.-Physiker, Professor für Theoretische Philosophie an der Universität Magdeburg.
THOMAS MACHO, Jg. 1952, Dr. phil., Direktor des Internationalen Forschungszentrums Kulturwissenschaften in Wien.
GEORG MEGGLE, Jg. 1944, Dr. phil., Professor (em.) für Philosophie an der Universität Leipzig. Ehrenpräsident der Gesellschaft für Analytische Philosophie (GAP).
UWE MEIXNER, Jg. 1956, Dr. phil., Professor für Philosophie an der Universität Augsburg.
CATRIN MISSELHORN, Dr. phil., Professorin für Philosophie mit einem Schwerpunkt in der Theoretischen Philosophie an der Georg-August-Universität Göttingen.
BURKHARD MOJSISCH, 1944–2015, Dr. phil., Professor (em.) für Philosophie an der Ruhr-Universität Bochum.
CHRISTIAN NIMTZ, Jg. 1968, Dr. phil., Professor für Theoretische Philosophie an der Universität Bielefeld.
ULRICH NORTMANN, Jg. 1956, Dr. phil., Professor für Theoretische Philosophie und Wissenschaftstheorie an der Universität des Saarlandes in Saarbrücken.
DAVID PAPINEAU, Jg. 1947, Ph. D., Professor für Philosophie am King’s College, London, und am City University New York Graduate Center.
MICHAEL PAUEN, Jg. 1956, Dr. phil., Professor für Philosophie an der Humboldt-Universität zu Berlin und Sprecher der »Berlin School of Mind and Brain«.
MICHAEL QUANTE, Jg. 1962, Dr. phil., Professor für Philosophie am Philosophischen Seminar der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster.
GEORGES REY, Jg. 1945, Ph. D., Professor für Philosophie an der University of Maryland at College Park, USA.
ROBERT C. RICHARDSON, Jg. 1949, Ph. D., Charles Phelps Taft Professor für Philosophy an der University of Cincinnati, Ohio, USA.
FRIEDO RICKEN, Jg. 1934, Dr. phil., Dr. theol., Professor (em.) für Geschichte der Philosophie und Ethik an der Hochschule für Philosophie S. J. München.
WOLFGANG RÖD, 1926–2014, Dr. phil., Dr. phil. h. c., Professor (em.) für Philosophie an der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck.
TOBIAS ROSEFELDT, Jg. 1970, Dr. phil., Professor für Klassische Deutsche Philosophie an der Humboldt-Universität zu Berlin.
SVEN ROSENKRANZ, Jg. 1969, Dr. phil., Forschungsprofessor am »Catalan Institute for Research and Advanced Studies« (ICREA), Barcelona (Spanien).
JÖRN RÜSEN, Jg. 1938, Dr. phil., Professor für Allgemeine Geschichte und Geschichtskultur an der Universität Witten/Herdecke und Senior Fellow am Kulturwissenschaftlichen Institut in Essen.
KATIA SAPORITI, Jg. 1964, Dr. phil., Professorin für Philosophie an der Universität Zürich.
RICHARD SCHANTZ, Jg. 1950, Dr. phil., Professor für Philosophie an der Universität Siegen.
REINOLD SCHMÜCKER, Jg. 1964, Dr. phil., Professor für Philosophie an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster.
HERBERT SCHNÄDELBACH, Jg. 1936, Dr. phil., Professor (em.) für Theoretische Philosophie an der Humboldt-Universität zu Berlin.
BENJAMIN SCHNIEDER, Jg. 1974, Dr. phil., Professor für Theoretische Philosophie an der Universität Hamburg.
OLIVER R. SCHOLZ, Jg. 1960, Dr. phil., Professor für Philosophie an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster.
MICHAEL SCHÜTTE, Jg. 1970, Dr. phil., Nürnberg.
PETER SCHULTHESS, Jg. 1953, Dr. phil., Professor (em.) für Theoretische Philosophie an der Universität Zürich.
WOLFGANG SCHWARZ, Jg. 1975, Dr. phil., Visiting Research Fellow der »Research School for Social Science« an der Australian National University in Canberra (Australien).
GERHARD SCHWEPPENHÄUSER, Jg. 1960, Dr. phil., Professor für Design- und Medientheorie an der Fakultät Gestaltung der Hochschule für angewandte Wissenschaften in Würzburg und Privatdozent für Philosophie an der Universität Kassel.
PETER SIMONS, Jg. 1950, Dr. phil., F. B. A., M. Acad. Eur., Professor für Philosophie am Trinity College Dublin (Irland).
THOMAS SPITZLEY, Jg. 1957, Dr. phil., Professor für Philosophie an der Universität Duisburg-Essen.
WOLFGANG SPOHN, Jg. 1950, Dr. phil., Professor (em.) für Philosophie und Wissenschaftstheorie an der Universität Konstanz.
JAKOB STEINBRENNER, Jg. 1959, Dr. phil., Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Philosophie an der Universität Stuttgart.
MARKUS STEPANIANS, Jg. 1959, Dr. phil., Professor für Philosophie der Universität Bern.
ACHIM STEPHAN, Jg. 1955, Dr. phil., Professor für Philosophie der Kognition am Institut für Kognitionswissenschaft der Universität Osnabrück.
RALF STOECKER, Jg. 1956, Dr. phil., Professor für Praktische Philosophie an der Universität Bielefeld.
JÜRGEN STOLZENBERG, Jg. 1948, Dr. phil., Professor (em.) für Philosophie an der Universität Halle-Wittenberg.
NIKO STROBACH, Jg. 1969, Dr. phil., Professor für Philosophie an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster.
HOLM TETENS, Jg. 1948, Dr. phil., Professor für Philosophie an der Freien Universität Berlin.
CHRISTIAN THIES, Jg. 1959, Dr. phil., Professor für Philosophie an der Universität Passau.
WILHELM VOSSENKUHL, Jg. 1945, Dr. phil., Professor (em.) für Philosophie an der Ludwig-Maximilians-Universität München.
BERNHARD WALDENFELS, Jg. 1934, Dr. phil., Dr. h. c., Professor (em.) für Philosophie an der Ruhr-Universität Bochum.
HEINRICH WANSING, Jg. 1963, Dr. phil., Professor für Logik und Erkenntnistheorie an der Ruhr-Universität Bochum.
TORSTEN WILHOLT, Jg. 1973, Dr. phil., Professor für Philosophie und Geschichte der Naturwissenschaften an der Leibniz Universität Hannover.
MARCUS WILLASCHEK, Jg. 1962, Dr. phil., Professor für Philosophie an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main.
Ein Ziel einer Person ist altruistisch, wenn es darin besteht, das Wohl eines anderen Lebewesens zu befördern. Jemand handelt (u. a.) aus einem altruistischen Motiv, (a) wenn er annimmt, wenigstens eine der Folgen seiner Handlung sei die Beförderung des Wohls anderer Lebewesen, und (b) wenn er diese Beförderung des Wohls in entscheidungsbeeinflussender Weise als an sich gut bewertet. Man kann ein altruistisches Ziel verfolgen, ohne altruistische Motive zu haben – ein Verkäufer mag z. B. einem Kunden durch Beratung helfen wollen und dabei nur an der Kundenbindung, seinem Einkommen und letztlich den Genüssen, die er sich damit leisten kann, interessiertAltruismus seinEgoismus.
›Egoistisches Ziel‹ bzw. ›egoistisches Motiv‹ lassen sich nicht analog als Beförderung des eigenen Wohls definieren, da nach gängiger Nutzentheorie gilt: Wenn eine PersonPerson eine HandelnHandlungsfolge p der Folge q vorzieht (und kohärent ist), dann hat p für diese PersonPerson einen höheren Nutzen als q – völlig unabhängig vom Inhalt von p oder q, also selbst dann, wenn es bei p um das Wohl anderer (›Mein Kind ist zufrieden‹) und bei q um das eigene Wohl (›Ich genieße meine Ruhe‹) geht. Demnach wäre jedes kohärente Entscheiden egoistisch (Christoph LumerLumer, Christopher, Rationaler Altruismus, 2000). Ein Ziel einer PersonPerson ist vielmehr egoistisch, wenn es subjektzentrisch ist, d. h. die GefühleEmotionen des Subjekts selbst oder sein Ansehen bei anderen oder seine Macht usw. betrifft; jemand handelt aus einem egoistischen Motiv, wenn der in diesem Motiv als an sich gut oder schlecht bewertete SachverhaltAltruismus subjektzentrisch istEgoismus.
HandelnHandelns überwiegend (nach der Stärke, nicht nach der Anzahl) altruistisch sind; und er handelt im schwachen Sinn altruistisch, wenn die Ziele seines HandelnHandelns überwiegend altruistisch sind. Man sagt in diesem Fall auch, der Betreffende handele ›aus A.‹, also aus einer altruistischen Einstellung. ›Egoistisches HandelnHandeln‹, ›egoistische Einstellung‹ und ›HandelnHandeln aus E.‹ sind in der Philosophie analog definiert. Alltagssprachlich wird ›E.‹ allerdings enger verstanden, nämlich als rücksichtsloses Verfolgen egoistischerAltruismus ZieleEgoismus.
Die Ausdrücke ›E.‹ und ›A.‹ bezeichnen einerseits Einstellungen, andererseits bestimmte Theorien. Jemand handelt im starken Sinn altruistisch, wenn die Motive seinesDer psychologische A. ist die empirischeEmpirie Theorie, dass normal entwickelte erwachsene Menschen altruistische Motive haben und gelegentlich aus diesen handeln. Einen psychologischen A., der neben egoistischen Motiven ein genuin altruistisches Wohlwollen oder in altruistischem HandelnHandeln mündendes Mitgefühl annimmt, vertraten Francis HutchesonHutcheson, Francis, ShaftesburyShaftesbury, Anthony Ashley Cooper, 3. Earl of, Samuel ButlerButler, Samuel, David HumeHume, David, Adam SmithSmith, Adam und Arthur SchopenhauerSchopenhauer, Arthur. Der Psychologe Daniel BatsonBatson, Daniel hat in einer Serie von ingeniösen Versuchen gezeigt, dass viele Menschen vermittelt über Empathie mit anderen, die der Hilfe bedürfen oder für die Hilfe vorteilhaft ist, aus altruistischen Motiven handeln, und er hat für viele solcher Handlungen egoistische Erklärungen widerlegt. Dem u. a. von Niccolò MachiavelliMachiavelli, Niccolò, Thomas HobbesHobbes, Thomas, Bernard MandevilleMandeville, Bernard und Sigmund FreudFreud, Sigmund vertretenen psychologischen E. zufolge handeln Menschen dagegen immer aus egoistischen Motiven. Der psychologische E. nimmt insbesondere an, dass durch Mitgefühl induziertes Wohlwollen ein egoistisch begründetes Motiv ist: Da das unangenehme Gefühl des Mitleids durch die Verbesserung der Lage des anderen verschwindet, wird dem Mitfühlenden unterstellt, dieser wolle letztlich nur seinen eigenen GefühlEmotionenszustand verbessern. Was wir für A. halten, ist demnach immer versteckter E. Diese Unterstellung wird aber durch den sozialpsychologischen Befund widerlegt, dass PersonPersonen auch dann aus Mitleid helfen, wenn sie nicht hoffen können, aus der Hilfe hedonischen Nutzen zu ziehen (Heinz Heckhausen, Motivation und Handeln, 21989, Kap. 9). Evolutionsbiologen haben eine Reihe von Erklärungen entwickelt, warum – trotz des für das Überleben scheinbar zwingend erforderlichen E. – altruistische MotiveAltruismus und weit Egoismusverbreitetes altruistisches HandelnHandeln evolutionär selektiert werden konnten (biologischer A.; →EvolutionEvolution).
Ethischer A. (→EthikEthik) ist jede normativ-ethische Theorie, nach der in bestimmten Situationen das Verfolgen altruistischer Ziele geboten ist oder es zum moralMoralischen Ideal gehört, altruistische Motive oder Ziele zu haben. Der ethische E. hingegen fordert, immer nur egoistische Ziele und Motive zu haben. Die meisten EthikEthiker sind ethische Altruisten; Friedrich NietzscheNietzsche, Friedrich hingegen war ethischer Egoist. Eine rein rational begründete VertragstheorieVertragstheorie der gegenseitigen Kooperation (HobbesHobbes, Thomas, David GauthierGauthier, David) steht dem ethischenAltruismus E. zumindest naheEgoismus.
Rationaler oder prudentieller A. ist eine Theorie, nach der es rational oder klug ist, altruistische Ziele zu verfolgen (→VernunftVernunft). Der rationale oder prudentielle E. hingegen hält allein die Verfolgung egoistischer Ziele für rational oder klug. Der rationale A. ist eine starke und verbreitete Form der MoralMoralbegründung, zu der es mehrere Ansätze gibt: (1) Wohlwollens- oder MitgefühlsethikEthiken setzen auf die vom psychologischen A. festgestellten altruistischen Motive (SchopenhauerSchopenhauer, Arthur, Richard BrandtBrandt, Richard). Da diese relativ schwach sind, bleiben zur Durchsetzung einer stärkeren MoralMoral normative Ergänzungen erforderlich (Christoph LumerLumer, Christopher). (2) Humanistische Psychologen betonen, dass Altruisten glücklicher sind als Egoisten (hedonisches Paradox) und dass echte Selbstakzeptanz sowie tiefe zwischenmenschliche Beziehungen automatisch ein erhebliches Maß an A. einschließen (Erich FrommFromm, Erich). (3) Einigen Theorien praktischer Gründe zufolge stehen uns die eigenen künftigen Präferenzen nicht näher als die Präferenzen anderer. Wenn es rational ist, ErstereEgoismus zu berücksichtigen, dannAltruismus gilt dies auch für Letztere (Henry SidgwickSidgwick, Henry, Thomas NagelNagel, Thomas, Derek ParfitParfit, Derek, John BroomeBroome, John).
Christoph Lumer
C. Daniel Batson: Altruism in Humans. Oxford 2011.
Alasdair MacIntyre: [Art.] Egoism and Altruism. In: Paul Edwards (Hrsg.): The Encyclopedia of Philosophy. New York / London 1967. Nachdr. 1972. Bd. 2. S. 462–466.
Georg Mohr: [Art.] Altruismus/Egoismus. In: Hans Jörg Sandkühler (Hrsg.): Enzyklopädie Philosophie. Hamburg 1999. Nachdr. 2001. Bd. 1. S. 41–47.
Samir Okasha: [Art.] Biological Altruism. In: Edward N. Zalta (Hrsg.): The Stanford Encyclopedia of Philosophy (Fall 2013 Edition). Online: https://plato.stanford.edu/archives/fall2013/entries/altruism-biological/
Niall Scott / Jonathan Seglow: Altruism. Milton Keynes 2007.
Ein Satz ist a.analytisch, wenn seine →WahrheitWahrheit oder Falschheit durch die Bedeutungen der in ihm enthaltenen Ausdrücke festgelegt ist. Um den WahrheitWahrheitswert eines a. Satzes wie z. B. ›Alle Junggesellen sind unverheiratet‹ einzusehen, genügt es, ihn zu verstehen. Ein Satz ist s.synthetisch, wenn seine WahrheitWahrheit oder Falschheit davon abhängt, was in der WeltWelt der Fall ist. S. Sätze wie z. B. ›Alle Menschen sind sterblich‹ müssen wir wohl stets empirischEmpirie überprüfen. Wenige zeitgenössische Philosophensynthetisch folgen Immanuel KantKant, Immanuel in der Annahmeanalytisch, es gäbe s. WahrheitenWahrheit →a priori (→TranszendentalphilosophieTranszendentalphilosophie).
In seinem Treatise of Human Nature (1739) unterschied David HumeHume, David Bedeutungs- von Tatsachenwahrheiten. Ähnlich grenzte KantKant, Immanuel in der Kritik der reinen Vernunft (1781, 21787) Sätze, bei denen das PrädikatPrädikat schon im Subjekt enthalten ist, von Sätzen ab, bei denen dies nicht der Fall ist. Erste nannte er »analytisch«, Letztere »synthetisch«. Da diese ErklärungErklärung auf Subjekt-PrädikatPrädikat-Sätze eingeschränkt ist, war seit KantKant, Immanuel umstritten, wie eine allgemeine Definition lauten muss. Gottlob FregesFrege, Gottlob (Grundlagen der Arithmetik, 1884) einflussreichem Vorschlag zufolge ist ein Satz genau dann a., wenn er sich durch Austausch synonymer Ausdrücke in eine logische WahrheitWahrheit (→LogikLogik) umwandeln lässt. So lässt sich der Satz ›Alle Junggesellen sind Männer‹ durch Austausch von ›Junggeselle‹ durch ›unverheirateter Mann‹ in die logische WahrheitWahrheit ›Alle unverheirateten Männer sind Männer‹ überführen.analytischsynthetisch
Für den logischen EmpirismusEmpirismus (→Empirismus, PositivismusPositivismus) war die Unterscheidung zwischen a. und s. Sätzen fundamental. Die logischen Empiristen führten die →NotwendigkeitNotwendigkeit und den →A-prioria priori-Charakter der Sätze der LogikLogik, MathematikMathematik und PhilosophiePhilosophie auf deren Analytizität zurück (Alfred AyerAyer, Alfred, Language, Truth and Logic, 1936, dt. 1970). Sie hielten →MetaphysikMetaphysik für sinnlos, da metaphysische Sätze weder s. noch a. seien (Rudolf Carnap, »Überwindung der Metaphysik durch logische Analyse der Sprache«, in: Erkenntnis 2, 1931). Dazu erklärten sie die besondere Stellung der PhilosophiePhilosophie dadurch, dass Philosophen anders als Naturwissenschaftler durch BegriffBegriffsanalyse a. WahrheitWahrheiten ermitteln. Verwandte Ansichten finden sich bei Ludwig WittgensteinWittgenstein, Ludwig (Friedrich Waismann, The Principles of Linguistic Philosophy, 1965; →Analytische Philosophie).analytischsynthetisch
Willard V. O. QuineQuine, Willard V. O.s »Two Dogmas of Empiricism« (in: The Philosophical Review 60, 1951) stellte diese Ideen radikal und einflussreich in Frage. Quine argumentierte, dass sich der Begriff der Analytizität nicht empirisch informativ erklärenErklärung lasse und kein Satz gegen empirischeEmpirie Widerlegung gefeit sei. Er folgerte, dass die Unterscheidung zwischen a. und s. Sätzen unhaltbar und das logisch-empiristische Bild von Bedeutung, WissenWissen und ErfahrungErfahrung falsch sei. In der Folge QuineQuine, Willard V. O.s lehnen viele Philosophen die Unterscheidung ab, weisen jede Form der BegriffBegriffsanalyse als philosophische Methode zurück und verstehen PhilosophiePhilosophie als analog zu den NaturwissenschaftenNaturwissenschaften (→NaturalismusNaturalismus).analytischsynthetisch
Zeitgenössische Philosophen betrachten Quines Argumente vermehrt als wenig überzeugend, und a. Sätze werden, ebenso wie philosophische BegriffBegriffsanalyse, wieder breiter akzeptiert (Paul BoghossianBoghossian, Paul, David LewisLewis, David, Frank JacksonJackson, Frank). Anders als die logischen EmpiristenEmpirismus denken wenige der heutigen Anhänger a. Sätze, dass NotwendigkeitNotwendigkeit und Aprioritäta priori generell auf Analytizität beruhen oder dass die Sätze der MathematikMathematik a. sind.analytischsynthetisch
Christian Nimtz
Joachim Horvarth: [Art.] Analytizität. In: Nikola Kompa (Hrsg.): Handbuch Sprachphilosophie. Stuttgart 2015. S. 309–317.
Cory Juhl / Eric Loomis: [Art.] Analytic Truth. In: Gillian Russell / Delia Graff Fara (Hrsg.): Routledge Companion to Philosophy of Language. New York 2012. S. 241 f.
Albert Newen / Joachim Horvarth: Apriorität und Analytizität. Eine Textsammlung von John Locke bis zur Gegenwart. Münster 2007.
Die A. P.Analytische Philosophie ist eine der einflussreichsten Richtungen der Gegenwartsphilosophie. Entgegen verbreiteter Annahmen ist sie keine durch thematische, doktrinäre oder methodologische Ideen zusammengehaltene Schule, sondern eine lose und weitverzweigte philosophische Strömung, welche die zeitgenössische philosophische Diskussion insbesondere im angelsächs. Sprachraum prägt. Analytische Philosophie
Die A. P. hat zwei Wurzeln, die in das 19. Jh. zurückreichen: (1) Bei der logischen Analyse im Anschluss an Gottlob FregeFrege, Gottlob und Bertrand RussellRussell, Bertrand werden Sätze mittels formaler Kunstsprachen (→LogikLogik) so paraphrasiert, dass ihre logischen Beziehungen deutlich zutage treten. Die logische Analyse zielt darauf, die von der grammatischen Oberflächenstruktur verdeckte ›logische Form‹ der zu analysierenden Sätze aufzudecken und durch ›Weganalysieren‹ problematischer Ausdrücke im Satzkontext – paradigmatisch ausgeführt in RussellRussell, Bertrands Theorie der Kennzeichnungen (»On Denoting«, in: Mind 14, 1905) – unnötige ExistenzExistenzannahmen zu vermeiden (→OntologieOntologie). (2) Die Begriffsanalyse, wie sie beispielhaft George Edward MooreMoore, George Edward (Principia Ethica, 1903) betrieb, beruht auf der Annahme, philosophische Fragen ließen sich nicht unmittelbar beantworten, sondern müssten zunächst dadurch hinterfragt und geklärt werden, dass man die in ihnen auftauchenden →BegriffBegriffe in ihre Bestandteile zerlegt und analysiert und so definiert. Sowohl logische als auch begriffliche Analyse dienen nicht nur propädeutischen Zwecken, sondern sollen zur Lösung traditioneller philosophischer Probleme beitragen. Analytische Philosophie
Mit Ludwig WittgensteinWittgenstein, Ludwigs Tractatus logico-philosophicus (1921) begann die oft mit der A. P. assoziierte Wende zur →SpracheSprache (linguistic turn). Künstliche ZeichenZeichensysteme decken, so Wittgenstein, Strukturen auf, die jede SpracheSprache besitzen muss, um die WirklichkeitWirklichkeit abbilden zu können. Legitime Philosophie ist laut WittgensteinWittgenstein, Ludwig »Sprachkritik«. Im Gegensatz zu den NaturwissenschaftenNaturwissenschaften stellt sie selbst keine Sätze über die WirklichkeitWirklichkeit auf, sondern klärt durch logische und begriffliche Analyse den Sinn nichtphilosophischer Sätze. Dabei soll sich zugleich herausstellen, dass die →MetaphysikMetaphysik nur Pseudo-Fragen durch ›Scheinsätze‹ beantwortet. Analytische Philosophie
Diese Idee beeinflusste die logischen EmpiristenEmpirismus (→Positivismus). Für sie sind metaphysische Sätze unsinnig, da diese im Gegensatz zu LogikLogik und MathematikMathematik nicht analytischanalytisch sind und sich im Gegensatz zu naturwissenschaftlichen Sätzen durch ErfahrungErfahrung nicht überprüfen lassen. Die Philosophie wird zur ›LogikLogik der WissenschaftWissenschaften‹ (Rudolf CarnapCarnap, Rudolf, Logische Syntax der Sprache, 1934); sie reduziert alle sinnvollen Sätze auf solche, die sich ausschließlich auf private Sinnesdaten bzw. physikalische Phänomene beziehen. Analytische Philosophie
Die logischen EmpiristenEmpirismus prägten Stil und Interessen der A. P. entscheidend mit, gaben aber ihre MetaphysikMetaphysikkritik schrittweise auf. Das Projekt der reduktiven Analyse wurde zudem vom späten Wittgenstein (Philosophische Untersuchungen, 1953) und der von ihm beeinflussten ›Philosophie der Normalen SpracheSprache‹ (Gilbert RyleRyle, Gilbert, John L. AustinAustin, John L., Peter StrawsonStrawson, Peter) in Frage gestellt. Gemäß dieser begriffsanalytischanalytischen Strömung gibt es weder eine philosophisch ›ideale SpracheSprache‹ noch logischeLogik Strukturen, die sich durch Analyse natürlicher SpracheSprachen entdecken lassen. Stattdessen werden philosophische Probleme durch die Beschreibung des Gebrauchs und der begrifflichen Zusammenhänge der in natürlichen Sprachen auftretenden Ausdrücke geklärt. Analytische Philosophie
Im Gegensatz sowohl zum logischen EmpirismusEmpirismus als auch zur BegriffBegriffsanalyse bezweifelte Willard V. O. QuineQuine, Willard V. O., dass man überhaupt zwischen analytischanalytischen Sätzen der Philosophie und synthetischen Sätzen der Naturwissenschaften unterscheiden kann (→analytisch/synthetisch). Im Gefolge QuineQuine, Willard V. O.s hängen viele zeitgenössische Analytiker einem →NaturalismusNaturalismus an und vertreten die Auffassung, die PhilosophiePhilosophie sei lediglich ein Teil bzw. Anhängsel der empirischenEmpirie WissenschaftWissenschaften. Andere glauben, auf der Grundlage von Saul KripkesKripke, Saul (Naming and Necessity, 1980) essenzialistischer MetaphysikMetaphysik könne die A. P. autonome Einsichten in das →WesenWesen der WeltWelt liefern. Die Wende zur SpracheSprache ist durch zwei jüngere Entwicklungen noch weiter rückgängig gemacht worden: Vertreter der ›kognitiven Revolution‹, wie z. B. Jerry FodorFodor, Jerry (Psychosemantics, 1987), suchen den Schlüssel zum Verständnis von SpracheSprache und →GeistGeist nicht mehr in intersubjektiv zugänglichem Verhalten, sondern im Geist bzw. Gehirn von IndividuenIndividuum. Schließlich wurde die Beschränkung der MoralMoralphilosophie (→Moral) auf die ›meta-ethische‹ Analyse moralischer Begriffe und Aussagen aufgehoben, so dass normative und angewandte EthikEthik sowie politischePolitik Theorie blühende Zweige der A. P. sind. Analytische Philosophie
Angesichts dieser thematischen, doktrinären und selbst methodologischen Vielfalt ziehen sich manche zeitgenössischen Analytiker auf ein stilistisches Selbstverständnis zurück. Im Gegensatz besonders zur ›kontinentalen‹ Philosophie soll die A. P. drei Bedingungen erfüllen: Sie strebt (1) die Lösung oder Auflösung inhaltlicher Probleme an, statt sich auf Philosophiegeschichte bzw. die Interpretation philosophischer Texte zu beschränken; sie verfährt (2) rationalVernunft, d. h., weist ihre Fragen und Antworten argumentativ aus, anstatt sich auf Autoritäten oder Eingebungen zu berufen; und sie drückt sich (3) auf klare und eindeutige Weise aus. Diese weite, unhistorische Auffassung impliziert allerdings, dass die Mehrheit aller Philosophen analytisch ist, zeichnet doch der Anspruch, fundamentale Probleme auf rational nachvollziehbare Weise zu lösen, das Fach seit SokratesSokrates aus. Es ist angemessener, die A. P. als historisch gewachsene Tradition zu verstehen, deren Vertreter durch wechselseitige Beeinflussung und überlappende ›Familienähnlichkeiten‹ zusammengehalten werden. Analytische Philosophie
Hans-Johann Glock
2009.
Mike Beaney (Hrsg.): The Oxford Handbook of the History of Analytic Philosophy. OxfordHans-Johann Glock: What is Analytic Philosophy? Cambridge 2008.
Edward Kanterian: Analytische Philosophie. Frankfurt a. M. / New York 2004.
Albert Newen: Analytische Philosophie zur Einführung. Hamburg 2005. 22007.
Peter Prechtl (Hrsg.): Grundbegriffe der Analytischen Philosophie. Stuttgart/Weimar 2004.
In der ErkenntnistheorieErkenntnistheorie grenzt man erfahrungsunabhängiges WissenWissen als A-priori-Wissen von empirischemEmpirie WissenWissen als A-posteriori-Wissen ab. Nach traditioneller Auffassung liefern die NaturwissenschaftenNaturwissenschaften (→Wissenschaft) A-posteriori-WissenWissen, während →LogikLogik und MathematikMathematik (→ZahlZahl) A-priori-WissenWissen erzeugen. →RationalistenRationalismus und →EmpiristenEmpirismus sind uneins über die Natur und den Umfang des A-priori-WissenWissens.a prioria posteriori
Die traditionelle Definition von A-priori-WissenWissen geht auf Immanuel KantKant, Immanuel (Kritik der reinen Vernunft, 1781, 21787) zurück. Kant bestimmte A-priori-WissenWissen als »absolut unabhängig von aller Erfahrung« und kontrastierte es mit Wissen, das seine »Quellen« in der Erfahrung hat und das er als »a posteriori« (oder »empirisch«) beschrieb. Aber Kants Definition ist problematisch. Einerseits lässt sie zu, dass A-priori-WissenWissen doch von ErfahrungErfahrung abhängt. So räumte KantKant, Immanuel z. B. ein, zum Erwerb der →BegriffBegriffe, die in einer a priori gewussten PropositionProposition (d. i. der Inhalt, der ausgesagt oder gewusst wird) vorkommen, benötige man oftmals ErfahrungErfahrung. Andererseits arbeitete Kant nicht heraus, in welcher Hinsicht A-priori-WissenWissen unabhängig von ErfahrungErfahrung sein soll. Man kann Kants Definition von A-priori-WissenWissen und A-priori-RechtfertigungRechtfertigung daher präziser so fassen: Eine Person S weiß genau dann a priori, dass p, (wobei p eine PropositionProposition ist), wenn S Überzeugung, dass p, a priori gerechtfertigt ist und die anderen Anforderungen an WissenWissen erfüllt sind; und S Überzeugung, dass p, ist genau dann gerechtfertigt, wenn S Rechtfertigung für die Überzeugung, dass p, nicht von Erfahrung abhängt. a prioria posteriori
Zeitgenössische Philosophen bringen zwei Einwände gegen KantKant, Immanuels Definition vor. Einige Kritiker betrachten diese als nicht hinreichend informativ, da sie rein negativ ist: Kants Definition verrät uns nur, dass die Quelle von A-priori-RechtfertigungRechtfertigung nicht ErfahrungErfahrung ist, aber sie sagt uns nicht, was hier als Quelle in Frage kommt. Anhänger dieses Einwands ziehen eine positive Charakterisierung von A-priori-Rechtfertigung vor: S Überzeugung, dass p, ist genau dann a priori gerechtfertigt, wenn S Überzeugung, dass p, durch eine Quelle Φ gerechtfertigt ist, wobei Φ auf eine spezifische Quelle erfahrungsunabhängiger Rechtfertigung Bezug nimmt. Verschiedene Theoretiker geben verschiedene Beschreibungen der betreffenden Quelle; diese enthalten typischerweise den Begriff der notwendigenNotwendigkeit WahrheitWahrheit. So behauptet Laurence BonJourBonJour, Laurence, eine A-priori-RechtfertigungRechtfertigung der Überzeugung, dass p, schließe ein intuitives Erfassen davon ein, dass p notwendig wahr ist (→IntuitionenIntuition, Notwendigkeit). a prioria posteriori
Den zweiten Einwand formulieren Philosophen, die KantKant, Immanuels negative Charakterisierung von A-priori- RechtfertigungRechtfertigung akzeptieren. Unter ihnen ist umstritten, in welcher Hinsicht A-priori-RechtfertigungRechtfertigung von ErfahrungErfahrung »unabhängig« sein muss. Albert CasulloCasullo, Albert hält sich an Kant, dem allein an der Quelle der Rechtfertigung gelegen ist, und verlangt deren ErfahrungErfahrungsunabhängigkeit. Demnach ist S RechtfertigungRechtfertigung für die Überzeugung, dass p, genau dann unabhängig von ErfahrungErfahrung, wenn S Überzeugung durch eine erfahrungsunabhängige Quelle gerechtfertigt ist. Philip KitcherKitcher, Philip (The Nature of Mathematical Knowledge, 1983) und Hilary PutnamPutnam, Hilary (»›Two Dogmas‹ Revisited«, in: Contemporary Aspects of Philosophy, hrsg. von Gilbert Ryle, 1976) formulieren stärkere Ansprüche an eine erfahrungsunabhängige RechtfertigungRechtfertigung. Ihnen zufolge muss eine A-priori-Quelle von RechtfertigungRechtfertigung nicht nur unabhängig von ErfahrungErfahrung sein; sie muss zusätzlich auch gegen jede Widerlegung durch Erfahrung gefeit sein: S RechtfertigungRechtfertigung für die Überzeugung, dass p, ist genau dann unabhängig von ErfahrungErfahrung, wenn S Überzeugung, dass p, durch eine erfahrungsunabhängige Quelle gerechtfertigt und durch Erfahrung nicht zu widerlegen ist. a prioria posteriori
Albert Casullo
Paul Boghossian / Christopher Peacocke (Hrsg.): New Essays on the A priori. Oxford [u. a.] 2000.
Laurence BonJour: In Defense of Pure Reason. Cambridge [u. a.] 1998. Nachdr. 2002.
Albert Casullo: A Priori Justification. Oxford / New York 2003.
– Essays on A Priori Knowledge and Justification. New York [u. a.] 2012.
– / Joshua C. Thurow (Hrsg.): The A Priori in Philosophy. Oxford 2013.
In einem A.Argument soll eine →AussageAussage sachlich angemessen und rational begründet werden. Wir argumentieren, weil wir die →WahrheitWahrheit deskriptiver AussageAussagen wie ›Die Zunahme von Wirbelstürmen ist eine Folge des Klimawandels‹ oder die Richtigkeit normativer AussageAussagen wie ›Die Bürger der Industrieländer sollten mehr für den Klimaschutz tun als bisher‹ oft nicht direkt, z. B. durch →WahrnehmungWahrnehmung entscheiden können. In einem solchen Fall führen wir die problematische WahrheitWahrheit oder Richtigkeit einer Aussage auf die unproblematische oder zumindest unproblematischere WahrheitWahrheit oder Richtigkeit anderer AussageAussagen zurück. Einer solchen Zurückführung dient ein A. Die als wahr oder richtig zu erweisende AussageAussage ist die Konklusion des A.; die Aussagen, auf deren WahrheitWahrheit oder Richtigkeit die der Konklusion zurückgeführt wird, sind seine Prämissen. So ließe sich für die AussageAussage (Konklusion) ›Die Zunahme von Wirbelstürmen ist eine Folge des Klimawandels‹ mit den beiden Prämissen argumentieren, dass der Klimawandel u. a. in einer Erhöhung der Durchschnittstemperaturen besteht und dass, legt man die einschlägigen physikalischen Gesetze zugrunde, unter sonst gleichen Bedingungen Wirbelstürme umso häufiger auftreten, je höher die Durchschnittstemperaturen sind. Auch wenn A. für kontroverse Debatten unverzichtbar sind, sollte man das Argumentieren nicht mit solchen Debatten gleichsetzen. A. richten sich nicht stets nur an andere PersonPersonen, um sie von der WahrheitWahrheit oder Richtigkeit einer AussageAussage zu überzeugen. Auch wer allein über ein Problem nachdenkt, argumentiert. Argument
RationalitätVernunft befasst, wurde früh über das Argumentieren nachgedacht, weil die Vernünftigkeit einer PersonPerson die Fähigkeit einschließt, für ihre eigenen Überzeugungen gut zu argumentieren (→VernunftVernunft). Seit der Ersten Analytik, der Topik und den Sophistischen Widerlegungen des AristotelesAristoteles ist die Theorie des Argumentierens eng verknüpft mit der →LogikLogik. Das liegt von der Zielsetzung eines A. her nahe, weil im günstigsten Fall die WahrheitWahrheit oder Richtigkeit der Prämissen die seiner Konklusion garantieren sollte. Dies ist bei einem A. der Fall, dessen Konklusion deduktiv aus den Prämissen folgt. Doch in vielen A. stützen die Prämissen die Konklusion nur mehr oder weniger stark. Daher unterscheidet man zwischen deduktiven und nichtdeduktiven A. (→Induktion). Grundsätzlich zu vermeiden sind beim Argumentieren Fehlschlüsse, die auf Regeln basieren, welche nachweislich immer wieder von wahren Prämissen zu falschen Konklusionen führen, etwa in dem A. ›Herr X aus einem Dorf in Brandenburg ist sicher ein Rechtsradikaler, denn davon gibt es in brandenburg. Dörfern mehr als anderswo‹.Argument
In der Philosophie, die sich mit derNotwendig für ein gutes A. ist, dass seine Konklusion logischLogik deduktivDeduktion oder zumindest induktivInduktion aus den Prämissen folgt. Gewisse logisch korrekte Schlüsse – etwa ›Da Hans nicht anwesend ist, wird er als Erster die Gödelschen Theoreme beweisen, falls er anwesend ist‹ – stellen gleichwohl keine guten A. dar. Für ein gutes A. müssen weitere Eigenschaften hinzukommen. Sie stehen im Mittelpunkt jeder A.-Theorie. So darf ein A. z. B. nicht zirkulär die Konklusion schon in versteckter Form als Prämisse benutzen. Jenseits der Frage, ob die Konklusion logisch aus den Prämissen folgt, untersucht die RhetorikRhetorik jene Eigenschaften, die die Überzeugungskraft der A. erhöhen oder schwächen (Chaim PerelmanPerelman, Chaim, L’Empire rhétorique. Rhétorique et argumentation, 1977, dt. 1980). Zudem würde niemand z. B. vor Gericht ein A. akzeptieren, das das Strafmaß statt mit dem geltenden Gesetz mit allgemeinen philosophischen oder mathematischen Erwägungen begründet. In verschiedenen Kontexten (an verschiedenen ›Orten‹, griech. topoi = ›Orte‹) sind unterschiedliche Muster und Formen des Argumentierens einschlägig und zulässig; davon handelt die TopikArgument.
Unter Argumentationstheoretikern herrscht keine Einigkeit darüber, was ein A. zu einem guten A. macht. Strittig ist sogar die Rolle der formalen LogikLogik. Stephen ToulminToulmin, Stephen (The Uses of Argument, 1958, dt. 1975) und Vertreter der ›informellen Logik‹ (Douglas N. Walton, Informal Logic, 1989) glauben, dass A. nicht aus Prämissen mit einer logisch aus ihnen folgenden Konklusion aufgebaut sein müssen. Für ihre These spricht, dass eine Äußerung wie ›Ich komme heute Abend nicht mit ins Kino, da ich mich noch auf meine Klausur vorbereiten muss‹ von vielen als vollständiges A. akzeptiert wird, ohne dass die erste AussageAussage deduktivDeduktion oder induktivInduktion aus der zweiten folgt. Doch vielleicht akzeptieren wir solche A. nur deshalb, weil hinter ihnen ein nicht vollständig artikuliertes A. steht; in diesem Beispiel das A.: (1) Im Konfliktfall ist es wichtiger, sich auf eine Klausur vorzubereiten, als ins Kino zu gehen. (2) Heute Abend steht ein Kinobesuch mit der Klausurvorbereitung in Konflikt. (3) Steht ein wichtigeres Ziel A mit einem unwichtigeren Ziel B in Konflikt, so soll man statt B A realisieren. (4) Also sollte ich mich heute auf meine Klausur vorbereiten. Argument
Holm Tetens
2002.
Lothar Kolmer / Carmen Rob-Santer: Studienbuch Rhetorik. Paderborn [u. a.]Geert-Lueke Lueken (Hrsg.): Formen der Argumentation. Leipzig 2000.
Christoph Lumer: Praktische Argumentationstheorie. Theoretische Grundlagen, praktische Begründung und Regeln wichtiger Argumentationsarten. Braunschweig/Wiesbaden 1990.
Holm Tetens: Philosophisches Argumentieren. Eine Einführung. München 2004. 22006.
Nigel Warburton: Thinking from A to Z. London 1996. 32007.
Der A.Aristotelismus im engen Sinn ist die Gesamtheit der Lehren des antiken Philosophen AristotelesAristoteles. Aristotelismus