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Haftungsausschluss:

Die im Buch veröffentlichten Ratschläge und Übungen wurden von der Verfasserin und dem Verlag mit größter Sorgfalt erarbeitet und geprüft. Eine Garantie und Haftung kann jedoch nicht übernommen werden. Die Durchführung der im Buch enthaltenen Übungen erfolgt in Selbstverantwortung.

Ebook-Auflage 2019

eISBN 978-3-947508-24-2

Katrin Jonas

nackt.

Das Körper-Versöhnbuch für Frauen

INHALT

Einleitung

Das Brennpunkt-Thema finden

1. Der Weg zur authentischen Figur – ein unerfüllbarer Traum?

. Das verdrehte Körperbild erkennen

. Warum und wie sich der Körper wehrt

. Die Figur von innen formen

. Vom Schein zum Sein durch Meditation

2. Ernährung in Balance – wie soll das bloß gehen?

. Die Ernährungsextreme erkennen

. Der Abschied von Ersatz und Kompensationen

. Bewusst, natürlich und stressfrei essen

. Ernährungsharmonie durch Bewusstheit und Innenschau

3. Eine natürliche Sexualität – ein Buch mit sieben Siegeln?

. Von Lust, Fake, Frust und anderen Missverständnissen

. Kompensationssex erkennen und lösen

. Sensibilität entwickeln, Berührungsbedarf stillen

. Energiestimulation und sexuelle Balance durch Meditation

4. Nackt leben

. Wie weiter

. Das Körper-Versöhnritual

. Literaturverzeichnis

. Über die Autorin

Einleitung

Wissen Sie, was mir beim Schreiben dieses Buches aufgefallen ist? Wann immer ich davon erzählt habe, dass sich in meinem nächsten Buch alles um die Versöhnung der Frau mit ihrem Körper drehen wird, hat nicht ein einziges Mal eine Frau daran gezweifelt, dass wir uns überhaupt mit unserem Körper versöhnen müssten. Die meisten Frauen horchten interessiert auf, nickten mir zu und freuten sich, dass es bald mehr zu diesem Thema zu lesen geben würde. Einige wurden auch nachdenklich. Mensch, wie kommt es bloß, dass besonders wir Frauen die Versöhnung mit unserem Körper so bitter nötig haben? Warum können wir einfach nicht zufrieden mit ihm sein?

Fragen waren da, aber infrage gestellt wurde die Notwendigkeit einer Versöhnung mit dem Körper nicht ein einziges Mal.

Selbstzweifel sitzen tief

Was sich in den Reaktionen der Frauen außerdem glich, war der Zweifel, ob eine vollkommene Versöhnung mit dem Körper überhaupt möglich sei. „Ach du meine Güte!“, rief Claudia, eine Klientin. „Ob das bei mir hinhaut? Alle Frauen in meiner Familie hassen ihre Cellulite. Die werde ich niemals mögen.“ Auch Elia schüttelte den Kopf. „Mit dem Körper versöhnen? In hundert Jahren nicht! Da dürfte er mich nicht dauernd mit Migräneattacken quälen!“ Ebenso wenig glaubte Petra an ein Happy End. „Ich bin eine Frau der Fakten und solange ich nicht ein Gramm abnehme, wird das mit der Versöhnung nichts.“ Katharina, die dem gegenwärtigen Schönheitsideal so ziemlich entspricht, war noch weniger optimistisch. „Ach!“, seufzte sie. „Das ist hoffnungslos bei mir. Mein Hintern ist zu dick, im letzten Jahr habe ich anderthalb Kilo zugenommen und meine Haut beginnt schon zu knittern. Außerdem …“ Sie zögerte. „Außerdem … sehen meine Brüste fürchterlich aus.“

Was mir in zwei Jahrzehnten Berufstätigkeit auf dem Gebiet der Körper-Mind-Integration hinsichtlich des verdrehten weiblichen Körperbildes begegnet ist, würde einige Bücher füllen. Leider erinnere ich mich an keine einzige Frau, die sich in ihrem Körper wohl und zu Hause gefühlt hätte.

Am Körper permanent herumzukritisieren, scheint für viele Frauen so normal zu sein wie das Atmen, das Essen oder ein Toilettengang.

91 Prozent!

Dies belegt nun sogar die aktuelle „Bodyimage“-Forschung. Wie eine Umfrage von Stern TV ergab, sind 91% der deutschen Frauen mit ihrem Körper unzufrieden. Während 70% ihr Gewicht kritisierten, gab die Hälfte der Frauen an, dass sie sich permanent mit anderen vergleichen. Allein diese nackten Zahlen zeigen, wie tief sich die Entzweiung vom Körper im Selbstbild der Frau verwurzelt hat.

Ohne Frage scheint es das beste und fortschrittlichste Selbstbild zu sein, das wir Frauen je hatten, aber es entspricht weder unseren Bedürfnissen noch unserem Bewusstheitszustand. Wie die moderne Frau ihrem Körper begegnet, welches Idealbild sie mit sich herumschleppt und wie sie sich dabei immer wieder selbst in den Rücken fällt, steht im krassen Gegensatz zu ihrer Reife, ihrer Bewusstheit und der Rolle, die sie haben kann. Es ist, als hinke sie hinter einer veralteten Idee hinterher und brächte es einfach nicht fertig, diese abzuschütteln.

Denn in unseren Köpfen ist uns allen klar: Wir Frauen sind weitaus mehr als auf Catwalks posierende Kleiderständer, ewig lächelnde Ikonen auf Werbeplakaten oder stereotype Inhalte retuschierter Instagram-Posts. Wir sind mehr als Menschen, die man nach Maßen, Kurven, Gesichtssymmetrie, Schenkelfalte, Kleidergröße, Taillenweite, Busenform und Sexappeal beurteilt. Klar ist uns das allen, doch diese Information hat sich noch nicht bis in unser Selbstbild durchgearbeitet. Und solange das nicht passiert, mäkeln wir weiterhin an unserem Körper herum.

Ist es nicht endlich an der Zeit,

dass wir Frauen aus der Perfektionsfalle

herausklettern und uns so zeigen, wie wir sind?

Aber wie?

Wie soll das gehen, fragen Sie sich jetzt bestimmt. Denn: Wie kann eine Frau, die ihrem Körper nur mit hochgezogenen Augenbrauen begegnet, diesen zu ihrem engsten Vertrauten machen? Wie funktioniert es, dass eine Frau, deren Stimmung vom Spiegel, der Waage oder von den Komplimenten anderer abhängt, ohne diese Rückmeldungen auskommt? Wie kann eine Frau ihren Selbstwert aus sich selbst ziehen anstatt aus ihrer Figur? Wie soll sich eine Frau mit ihrer Sexualität im Einklang fühlen, obwohl diese vielleicht ihr wundester Punkt ist?

Werden wir doch gleich einmal konkret. Ich stelle Ihnen einen sich an der Natur des Menschen orientierenden Weg zur Körperversöhnung vor. Er basiert darauf, wie unsere natürlichen Körperfunktionen in ihrer Ursprünglichkeit angelegt sind und wie wir uns diesen wieder bewusst nähern können. Dieser naturbezogene wie bewusstheitsorientierte Ansatz hat sich nicht nur in meiner Arbeit mit Frauen, die gesundheitliche Probleme haben, bewährt, sondern auch die Beziehung zu meinem eigenen Körper geheilt. Ich selbst bin durch ein jahrelanges Duell mit meinem Körper gegangen und erinnere mich an Phasen, in denen ich ihn am liebsten gegen einen anderen ausgetauscht hätte. Und das wollte ich, obwohl ich beim Yoga eine gute Figur abgab, weder körperliche Beschwerden kannte noch Probleme hatte, Männer auf mich aufmerksam zu machen. Dennoch war meine Liste an Verbesserungsvorschlägen für meinen Körper lang. Ich glaubte, erst dann wunschlos glücklich zu sein, wenn diese erfüllt wären.

Nackt sein

Doch bevor wir uns auf den Weg zurück zu Ihrer Natur machen, werde ich Sie zunächst bitten, Ihre Hüllen fallen zu lassen. Genau: Sie machen sich „nackt“ vor sich selbst, indem Sie Ihrer ungeschminkten Wahrheit ins Auge blicken und Ihr persönliches Brennpunkt-Thema formulieren. Und dann legen wir los.

Wir befassen uns mit dem Thementrio, das Frauen am meisten Kopfzerbrechen zu bereiten scheint: die Figur, die Ernährung und ihre Sexualität. Während Sie zahlreiche praktische Körper-Versöhnübungen erforschen, gibt es in der „Me-Time-Lounge“ wieder viel Raum zum Reflektieren Ihrer Erfahrungen. Leserinnen, die mein Buch „Der Weg des Wassers – Frauen meditieren anders“ kennen, sind damit bereits vertraut. Doch dieses Mal wird es dort ganz besondere Momente geben, nämlich wenn ich Sie bitte, auf dem „Heißen Stuhl“ Platz zu nehmen. Dort stelle ich ihnen tatsächlich heiße, weil delikate Fragen, welche Sie dazu einladen, ehrlich zu sich selbst zu sein. Sie ziehen sich gewissermaßen vor sich selbst aus und begegnen sich in Ihrer Blöße. Sie begegnen sich „nackt“.

Und dieses „Nacktmachen“ vor sich selbst ist wichtiger denn je! Die Welt der Körperobsessionen ist voll mit Täuschungen, Scheinheiligkeit und Lügen. Und dieser sollten Sie entsteigen, wenn Sie sich eine positive Beziehung zu Ihrem Körper wünschen. Das ist nicht anders als in einer zwischenmenschlichen Beziehung. Wenn diese auf Lügen basiert, kann sie nicht funktionieren.

Auf dem „Heißen Stuhl“ bereiten Sie den Absprung vom Karussell der Unwahrheiten vor.

Aufrichtigkeit sich selbst gegenüber ist die Voraussetzung für eine gesunde Beziehung zu Ihrem Körper. Erst dann haben Authentizität und Natürlichkeit eine Chance, gelebt zu werden.

Das Versöhnungsklima finden

Beim näheren Hinsehen ist die Versöhnung mit dem Körper nämlich nicht so schwer, wie sie zunächst erscheinen mag. Das ist sie nicht, weil Sie, liebe „nackt.“-Leserin, im Einvernehmen mit Ihrem Körper das Licht der Welt erblickten. In Ihrem ersten Lebensjahr vertrauten Sie Ihrem Körpergefühl blind und ließen sich von diesem ganz selbstverständlich leiten. In Ihrem Kopf war weder ein Besseraussehen-Sollen noch Selbstkritik. Und wissen Sie was? Diese Gabe, Ihrem Körper zu vertrauen, besitzen Sie immer noch! Sie mag vielleicht nicht Teil Ihres momentanen Selbstempfindens sein, doch das ändert nichts daran, dass Sie sich unter bestimmten Bedingungen an dieses nahtlose Einssein mit Ihrem Körper erinnern können. Anstatt Ihnen weitere von außen aufgesetzte Rat-Schläge zu geben, schauen wir uns an, wie die Natur es in uns ursprünglich eingerichtet hat.

Meditation als Quelle

Schließlich zapfen wir eine Quelle an, über die Sie im Zusammenhang mit dem Körper vielleicht noch nie nachgedacht haben: die Meditation. Wenn Meditation im Einklang mit dem Körper erfolgt, schafft sie genau die richtigen Bedingungen dafür, dass Sie sich mit der Innenwelt Ihres Organismus verbinden und auf sich selbst aus einer anderen Perspektive schauen. Erst mit einem wachen „inneren Auge“ wird Ihnen klar, was zu Ihrem ureigenen Naturell gehört und welche Entscheidungen für Sie und Ihren Körper richtig sind. Schließlich lösen Sie sich von falschen Identifikationen, werden empfindungssicher und immer weniger anfällig für körperliche Idealbilder im Außen.

Genau das hebt „nackt.“ von anderen Ratgebern ab:

Indem Sie sich an der puren Natur Ihres Körpers orientieren,

lernen Sie, was Ihr Körper wirklich braucht.

Ihre Versöhnung

Am Ende erwartet Sie das Körper-Versöhnritual. Verbunden mit ihrer femininen Energie, achtsam, liebevoll und wach, verabschieden Sie sich von alten Glaubenssätzen und lange gehätschelten Illusionen. Sie tauchen in eine neue Ära ein, in der Sie zu Ihrem Natürlichsein stehen und ihrem bloßen Eigengefühl vertrauen. Zur Erinnerung: Ein authentisches Körperbild zu haben, ist keine Kürübung, sondern Ihr menschliches Normalprogramm. Sie werden staunen, wie selbstverständlich es sich anfühlt, vor sich selbst „nackt“ zu sein und sich an Ihre natürlichen inneren Gaben wieder anzuschließen. Ich selbst kenne kein genussvolleres Empfinden als dieses.

Wenn Sie die Kritik an Ihrem Körper ein für alle Mal beenden möchten, sind Sie hier genau richtig.

Das große Körper-Versöhnritual am Endes des Buches ist Ihr Geschenk an sich selbst.

Das Brennpunkt-Thema finden

Nackte Tatsachen

Bevor wir uns im ersten Kapitel mit dem leidigen Kampf um die Idealfigur befassen, den manche Frauen ihr ganzes Leben lang führen, werden wir zunächst den Ausgangspunkt klären. Wir werfen nämlich einen Blick darauf, wo Sie losgehen und worin Ihr persönliches Körperthema, Ihr Brennpunkt besteht.

Dazu lade ich Sie in die Me-Time-Lounge ein. Diese ist, während Sie das Buch lesen, Ihr Ruhepol, Ihr Hafen, Ihr Ort zur Selbstreflexion. Dort werden Sie sich aufhalten, wenn ich Ihnen Fragen stelle oder Experimente vorschlage und auch, wenn Sie sich aus eigenem Ermessen etwas Ruhe gönnen und sich Zeit zur Selbstreflexion nehmen.

Machen Sie es sich jetzt in der Me-Time-Lounge bequem und lassen Sie uns, gerade weil das Körperthema für viele Frauen ein so heißes ist, gleich einmal heiß und stürmisch starten! Setzen Sie sich auf den imaginären „Heißen Stuhl“ und befassen Sie sich mit der ersten Frage, die eine Brennpunkt-Frage ist.

Willkommen in der Me-Time-Lounge:
Ihrem Brennpunkt-Thema auf den Zahn gefühlt

Nehmen Sie zuerst drei tiefe Atemzüge und lehnen Sie sich entspannt zurück. Kristallisieren Sie jetzt, ohne lange nachzugrübeln oder zu analysieren, genau dasjenige Thema heraus, das Sie von Ihrem Körper am meisten entzweit. Vielleicht gibt es aus Ihrer Sicht eine ganze Reihe körperbezogene Themen, Probleme und Baustellen, die Sie beschäftigen.

Doch erfahrungsgemäß hat jede Frau einen besonders wunden Punkt, einen, an dem sie sich immer wieder festbeißt oder reibt.

Also: Auf welches Körperthema springt Ihre Körperkritik zuerst?

Wo liegt der Brennpunkt Ihrer Aversion?

Wenn Sie jetzt Ihre Antwort aufschreiben, tun Sie es eher spontan als analytisch zerpflückt.

Die Me-Time-Lounge

Da ich Sie von nun an des Öfteren in die Me-Time-Lounge einladen werde, möchte ich Ihnen noch einige Tipps für den Start geben. Ein wichtiger Teil des Buches besteht darin, dass Sie sich immer wieder selbst reflektieren und dies schriftlich tun. Dazu besorgen Sie sich ein schönes Tagebuch, in das Sie Ihre privaten und ja, „nackten“ Notizen gern eintragen. Da es in der Me-Time-Lounge oftmals intim wird, könnte es sogar ein abschließbares sein. Falls Sie kein manueller Schreibtyp sind, sondern Ihre Aufzeichnungen lieber im Notebook, Handy oder Tablet machen, ist das auch möglich. Wichtig ist, dass Ihnen die Notizen leicht von der Hand gehen, ob handschriftlich oder digital.

Nehmen Sie sich unbedingt Zeit zum Reflektieren, wann immer Sie die Lounge aufsuchen. Ich weiß. Am liebsten möchten Sie diese überspringen, sofort weiterlesen und so schnell wie möglich erfahren, worin das Geheimnis der Körperversöhnung liegt. Aber hier ist es anders! Nutzen Sie die Aufenthalte in der Me-Time-Lounge, um innezuhalten, sich selbst besser kennenzulernen und so unter der Oberfläche Ihres Körperthemas nachzuschauen. Dabei erhalten Sie nämlich ganz andere Informationen als diejenigen, mit denen Sie möglicherweise rechnen und die den gängigen Pauschalantworten entsprechen. Insbesondere während der besinnlichen Momente in der Lounge kommen Sie Ihrer ureigenen Natur am schnellsten näher.

Und: Schreiben Sie unbedingt mit der linken Hand! Vielleicht wundern Sie sich darüber, doch das hat einen Grund: Mit der Benutzung der linken Hand aktivieren Sie die Fähigkeiten Ihrer rechten Gehirnhälfte. Das sind diejenigen, die den femininen Qualitäten der Frau, mit Kreativität, Sinnlichkeit, Gefühl und Intuition entsprechen. Gleichzeitig sind es dieselben, die in unserer maskulinisierten Welt als wenig wertvoll angesehen werden und deshalb oftmals sogar verkümmern. Also: Schreiben oder tippen Sie mit links!

Brennende Themen

Nachdem Sie sich auf dem Heißen Stuhl darüber klar geworden sind, was Ihnen am meisten unter den Nägeln brennt, werden wir jetzt ziemlich systematisch vorgehen. Wir arbeiten uns durch die drei Kapitel zu den Themen Figur, Ernährung und Sexualität und kommen währenddessen immer wieder auf Ihr Brennpunkt-Thema zurück. Es kann nämlich sein, dass sich dieses im Laufe des Buches verändert, dass Sie es zwischendurch korrigieren oder anpassen möchten. Vielleicht bemerken Sie plötzlich während einer Heißen-Stuhl-Session, worum es wirklich geht, was tatsächlich hinter der Fassade Ihres Themas steckt oder wo eigentlich die Wurzel des Ganzen liegt. Insofern müssen Sie nicht besorgt sein, falls Sie mit der Auswahl Ihres Themas noch nicht gleich den Nagel auf den Kopf getroffen haben oder dieses für Sie noch nicht einmal greifbar geworden ist. Kein Problem! Es wird sich alles nach und nach herausarbeiten.

Darüber hinaus spielt es auch keine Rolle, dass Sie sich für ein einziges Thema entscheiden müssen. Zumeist ist es so, dass andere Körperthemen mit dem Löschen des zentralen Brennpunktes parallel aufzuweichen beginnen. Und selbst für den Fall, dass das nicht geschieht, können Sie die Schritte des Buches ja auch noch einmal bezüglich eines anderen Themas durchlaufen. Also machen Sie sich keine Gedanken darüber, ob Sie mit Ihrem Brennpunkt-Thema absolut richtiggelegen haben.

Auf dem Heißen Stuhl

Vielleicht erschaffen Sie sich tatsächlich einen Heißen Stuhl für die Zeit des Buches, indem Sie für diesen die Farbe Rot wählen. Genau! Basteln Sie sich einen roten Heißen Stuhl. Da Sie möglicherweise keinen Stuhl mit einer roten Sitzfläche haben, der das „Heiße“ symbolisiert, können Sie ein rotes Tuch oder Polster auf die Sitzfläche legen. Oder Sie setzen sich auf ein rotes Kissen. Sie können auch Ihr Meditationskissen oder Ihren Yogablock in ein rotes Tuch wickeln oder sich auf einen roten Flecken Ihres Teppichs setzen.

Möglich, dass Sie dieses Miniritual als übertrieben empfinden und sie bezweifeln, dass das Rot, auf dem Sie sitzen, eine Wirkung auf Sie hat. Machen Sie in diesem Fall doch einfach einen Test, sobald Sie die nächste Frage auf dem Heißen Stuhl beantworten: Gibt es einen Unterschied, wenn Sie eine solche auf einer roten oder aber auf einer x-beliebigen, einer geblümten, gepunkteten oder gestreiften Sitzunterlage beantworten? Wetten, dass …? Und wenn es Ihnen immer noch lächerlich oder unnötig vorkommt, ist es auch okay. Zu lächeln ist ja auch schon einmal ein guter Start.

Und jetzt! Jetzt, nachdem wir das Brennpunkt-Thema freigelegt, die Me-Time-Lounge geöffnet und den Heißen Stuhl gerötet haben, legen wir los! Schauen wir uns den Nährboden an, auf dem die typisch weibliche Figurobsession wächst.

1.

Der Weg zur authentischen Figur – ein unerfüllbarer Traum?

Das verdrehte Körperbild erkennen

Die Figur verkörpert das Außen

Ich habe das erste Kapitel nicht umsonst dem Thema Figur gewidmet, denn an diesem scheiden sich ohne Zweifel die Geister am meisten. Oder sagen wir es treffender: Insbesondere diejenigen Frauen scheiden sich daran, die ein bestimmtes Figurbild in ihrem Kopf gespeichert haben. Sie scheiden sich in diejenigen, die glauben, dass eine Topfigur sie zum Ziel ihrer Wünsche führen wird, und in die anderen, denen es wurscht ist, weil sie von sich wissen, dass sie diese eh nicht erreichen werden. Und dann gibt es noch die Übrigen, die meinen, das Thema Körperideal spiele in ihrem Leben keine Rolle. Aber eines ist klar: Das Thema „Figur“ scheidet die Frauen.

Und mehr noch. Obwohl die verschiedenen Frauentypen in ihren Präferenzen ziemlich weit auseinander zu liegen scheinen, eint sie dennoch ein Punkt: Sie orientieren sich an ein und demselben Körperbild. Die einen wollen es haben oder erhalten. Die anderen haben es resigniert ad acta gelegt oder ignorieren es.

Und ja: Auch diejenigen Frauen, denen die Figur schnurzegal zu sein scheint, einschließlich derer, die eine „attraktive“ haben und sich nicht sonderlich mit dieser befassen, tragen ein Normalmaß in ihren Köpfen herum. Glauben Sie nicht, dass Sie, wenn Sie sich aus dem aktiven Figurenwahn heraushalten, automatisch unbeeinflusst von diesem sind! In Ihrem Unterbewusstsein steckt dennoch eine Vorstellung davon, was man unter einer guten, einer Super-, Normal-, Gehtnoch- oder Katastrophenfigur versteht. Ich habe beobachtet, dass auch die Frauen, die sich am Rennen um die Topfigur nicht beteiligen, beim Beurteilen anderer Frauen dennoch handfeste Urteile über Figur oder Unfigur in sich tragen.

Also lösen Sie sich erst einmal von der Vorstellung, dass irgendeine Frau unberührt von dem gegenwärtigen Körperideal bleibt. Das bleibt sie nicht, weil sie im Klima unserer Gesellschaft lebt und automatisch von deren Atmosphäre, Werten, Urteilen und allgemeinem Geschmack beeinflusst wird. Diesen kann sie sich kaum entziehen, weil sie tagtäglich durch die gesellschaftlichen Sprachrohre wie Fernseh- und Radiosendungen, Social Media, das Internet oder die Presse in ihr Unterbewusstsein kriechen. Wenn Sie wirklich glauben, dass irgendeine Frau von dem gegenwärtigen Körperbild unbeeinflusst bleibt, unterliegen Sie einem fatalen Irrtum. Keine einzige Frau kommt um das gängige Idealbild herum.

Selbstbild und Körperbild

Bevor ich Ihnen dazu mehr sage, sollten wir ein paar Begrifflichkeiten klären. Wenn ich im Folgenden von dem gegenwärtigen weiblichen Körperbild spreche, beziehe ich mich auf ein inneres Meinungsgefüge, das wir Menschen von uns selbst in uns tragen. Wir beurteilen nicht nur andere Menschen, sondern zuallererst einmal uns selbst. Und dieses Eigenbild umfasst, wie wir uns wahrnehmen, wie wir uns als Mensch sehen und ja, welchen Selbstwert und wie viel Respekt wir uns geben. Auf der Basis dieses Bildes handeln wir, orientieren wir uns in unseren Aktionen und treffen unsere großen und kleinen Entscheidungen. Es dient uns als Handlungsgrundlage und schließt unser individuelles Körperbild mit ein.

Das Körperbild wiederum macht den größten Teil des Selbstbildes aus. Denn aus unseren Gedanken über unseren Körper, wie wir ihn empfinden, beim Bewegen erleben, wie wir sein Aussehen und seine Wertigkeit beurteilen, definieren wir uns zu einem großen Teil. Und das lassen Sie sich jetzt einmal auf der Zunge zergehen: Wie wir über unseren eigenen Körper denken und urteilen, so prägt sich auch unser Selbstbild. Insofern hat das Verhältnis zu unserem Körper und seiner Gestalt einen immensen Einfluss darauf, wie wir auf Situationen und Herausforderungen antworten, wie wir in Beziehungen zu anderen Menschen reagieren, welche Prioritäten wir in unserem Leben setzen, welchen Lifestyle wir wählen und vor allem, wie wir mit uns selbst umgehen.

Das Unterbewusstsein

All das ist uns in den wenigsten Fällen bewusst. Etwa 80% unserer Handlungen, so sagen die Experten für das Unterbewusste, führen wir mechanisch und automatisiert aus, ohne dass uns die Hintergründe bewusst werden. Diese im Unterbewusstsein sitzenden Urteile und Wertmaßstäbe arbeiten sich beständig in unser Agieren ein. Ein Beispiel: Wenn Sie sich selbst für zu dick, unförmig und deshalb zu unattraktiv halten, tragen Sie höchstwahrscheinlich auch die Idee mit sich herum, dass Sie weder liebenswert noch interessant für andere Menschen sind. Ihr Verhalten wird folglich darauf ausgerichtet sein, genau das zu werden, nämlich liebenswert und interessant. Sie werden sich im Gefallenwollen und Beeindrucken trainieren, vielleicht anderen Menschen alles recht machen wollen und permanent unter Beweis zu stellen versuchen, dass Sie ein liebenswerter Mensch sind. Das kann sogar bedeuten, dass Sie die Wahl von Aktivitäten und Hobbys dementsprechend treffen oder sich auch beruflich danach ausrichten.

Wenn Sie wiederum ein natürliches Verhältnis zu Ihrem Körper haben, Sie ihn mögen und sich auf ihn verlassen können, werden Sie sich sehr anders durch Ihr Leben bewegen. Höchstwahrscheinlich werden Sie entsprechende Interessen und Prioritäten entwickeln, Ihrem Körper einen Stellenwert in Ihrem Leben geben und sich aufmerksam um ihn kümmern. Weil Sie ihn mögen, kommen Sie gar nicht auf die Idee, ihn zu verfälschen. Ihr Selbstausdruck hat eine echte Chance, authentisch zu sein.

Ob es Ihnen bewusst ist oder nicht: Das Bild, das Sie von Ihrem Körper in sich tragen, begleitet Sie auf Schritt und Tritt. Es beeinflusst nicht nur Ihr tägliches Agieren, sondern regelt auch Ihr Dasein als Mensch.

Körperbild und Figur

Und nun zur Figur. Auffällig ist, dass das Körperbild, das Frauen von sich haben, sehr stark von ihrer Figur, vom Gewicht, von der Körperform und von den Proportionen abhängig ist. „Na klar!“, nickt Melanie, eine Klientin, überzeugt. „Wenn ich mich zu fett fühle wie nach den Weihnachtstagen, tobt in mir der kalte Krieg.“ Und Emma meint, dass man die Stimmung und die Figur doch gar nicht voneinander trennen könne! Wenn die Waage am Morgen die siebzig Kilo überschreite, sei ihre Laune logischerweise im Keller. Wenn sie hingegen weniger als 68,5 Kilogramm zeige, sei ihr Tag augenblicklich hell. 68,9 Kilo gehe auch noch. Aber es müsse eine 68 sein. Mit einer 68 auf dem Display erlebe sie sich als „so ziemlich okay“. Da Letzteres aber immer seltener vorkommt, fühlt sich Emma des Öfteren mies und hat nichts anderes als das Abnehmen im Kopf. Ihrer Meinung nach sind ihr Gewicht und ihre Stimmung untrennbar miteinander verbunden. Davon ist sie felsenfest überzeugt.

Auch Manuela stellt infrage, dass man ein positives Bild von sich haben kann, wenn die Figur nicht stimmt. „Das ist doch alles eins“, sagt sie drastisch. „Figur super, alles super. Figur scheiße, alles scheiße. Stimmt doch, oder etwa nicht?“

Doch normalerweise ist das von unserer Natur aus anders gedacht. Ja, das ist es! Dazu müssen wir aber etwas ausholen, und zwar in die Zeit, als dieser Umstand definitiv noch ein anderer war. Schauen wir uns ein kleines Kind an, das weder etwas vom Figurwahn noch von den äußeren Wertmaßstäben versteht. Ihm ist es solange, bis es von außen erzogen wird, vollkommen egal, wie es aussieht und wie es auf andere wirkt. Was für ein Kind in Sachen Körperbild zählt, ist, dass es sich über den Körper ausleben und ausdrücken kann, seine Bedürfnisse erfüllt sieht und sich in seinem Entdeckerdrang befriedigt fühlt. Es genießt ein absolutes Vertrauen in seinen Leib und hat nicht die leiseste Ahnung von dessen Figur.

Insofern entkräfte ich hier schon einmal die Aussage, dass wir uns nur dann wohlfühlen können, wenn wir unsere figürlichen Ziele erfüllt sehen, der Norm oder demjenigen Bild entsprechen, das wir uns für uns ausgedacht haben. Kinder machen uns das in ihren frühen Lebensjahren ziemlich deutlich. Sie haben kein Figurbewusstsein und mäkeln deshalb auch nicht an ihrem Körper herum.

Und weil das so ist, liegt es durchaus nahe, nachzuschauen, woher die flächendeckende Figurobsession bei Frauen kommt. Denn bereits nach diesem Miniausflug in die frühen Lebensjahre ist so viel klar: Mit auf die Welt gebracht haben wir diese nicht. Sie ist entstanden. Die Obsession um die Gestalt, der Figurenwahn und die ständige Verbesserungssucht im Außen ist erlernt.

Frühe Diskrepanzen

Dabei speisen sich alle Formen dieser Körperobsession aus vielen verschiedenen Quellen, doch die Hauptquelle liegt in der Zeit, in der ein Kind reift und beginnt, sich mit seiner Umgebung und deren Normen auseinanderzusetzen. Der innere Twist entsteht, wenn es beginnt sich zu bewegen, zu krabbeln, aufzustehen, zu gehen und selbstständig zu sein. Genau hier gibt es bereits handfeste geschlechtsspezifische Unterschiede. Tatsächlich splitten sich die Bedingungen für Mädchen und Jungen sehr früh auf.

Es spielt beispielsweise eine Rolle, inwiefern sich ein Mädchen körperlich ausleben, toben und aktiv sein kann, welche Erfahrungen es mit seinem Körper sammelt, ob es beispielsweise fürs Stillsitzen und Sich-Zurückhalten gelobt wird und schon früh zu hören bekommt, wie man sich als Mädchen zu benehmen hat. Es hängt ebenso davon ab, welche Beziehung ihre Bezugspersonen, insbesondere die Frauen, zu ihrem Körper haben, was es in seinem Umfeld beobachtet und welche Werte es zu übernehmen lernt. Und ja: Besonders prägend ist, welche Botschaften es über seinen eigenen Körper erhält.

Nicht wenige Frauen, die als Erwachsene Probleme mit ihrer Körperlichkeit haben, erinnern sich gut daran, dass sie bereits sehr früh körperlich be- oder verurteilt und beispielsweise als Pummelchen, Dickerchen, Moppelchen, Trampelchen, als die Dicke, die Fette, eine dürre Ziege, Rippchen oder als Bohnenstange bezeichnet wurden. Diese Namen waren vielleicht sogar Kosenamen. Aber gerade dann, wenn sie nett gemeint waren, graben sie sich noch tiefer ins Unterbewusstsein ein. Auf lange Sicht haben sie sogar die Macht, das Körperbild einer Frau grundlegend zu prägen. Und das hat Folgen auf Dauer: Wenn ein Kind in den frühen Jahren ein Urteil anerkennt, weil es ihm andere permanent überstülpen, nimmt es sich selbst immer mehr diesem Urteil entsprechend wahr.

Da fällt mir sofort eine meiner Bekannten ein. Als Kind wurde sie „die Störchin“ genannt. Und wissen Sie was? Nicht nur sieht sie, inzwischen in ihren Vierzigern angekommen, beim Bewegen tatsächlich „staksig wie ein Storch“ aus. Sie fühlt sich auch so. Sie hasst es generell, sich zu bewegen, zu tanzen, zu laufen oder ihren Körper einzusetzen. Sie fühlt sich bei allem, das mit dem Körper zu tun hat, wie entblößt und vollkommen unwohl in ihrer Haut. Sie genießt es am meisten, wenn sie sitzt und mit dem Computer beschäftigt ist. Dann darf sie ihren Körper vergessen.

Und damit schlagen wir eine neue Seite des Körperbildes auf, denn solche und andere frühe Erfahrungen mit dem Körper bilden die Grundlage für unser Eigenempfinden, unseren Selbstwert und ja, für unser späteres Leben. Wenn sie nicht infrage gestellt werden, haben sie eine lange Haltbarkeit, sodass nicht wenige Frauen mit diesen ein Leben lang ringen.

Glaubenssätze

Die Kommentare, die ein Kind über seinen Körper erhält, können sich tatsächlich tief ins Unterbewusstsein graben. Insbesondere Mädchen lernen durch diese sehr früh, dass ihr Aussehen und der Eindruck, den sie auf andere machen, etwas besonders Wichtiges ist und dass das sehr viel mit ihrer Körperform zu tun zu haben scheint. Deshalb kann das Streben nach einer besseren Figur bereits sehr früh in die Extreme gehen.

Ich habe einige Frauen kennengelernt, die davon berichten, bereits in einem Alter von fünf, sechs Jahren ihre erste Diät gemacht zu haben, weil sie wegen ihrer Figur kritisiert, geneckt oder von Spielgefährten gemobbt wurden.

Dorothea, eine Klientin, erinnert sich an ihr erstes Fasten im Alter von fünf Jahren. Je älter sie wurde, desto öfter prüfte ihre Mutter Dorotheas Bauchfalte. Wenn zwischen dem Daumen und dem Zeigefinger nur ein Röllchen sichtbar wurde, hieß es abzunehmen. Der „Babyspeck“ müsse endlich weg. Dorotheas Essen wurde von früh an rationiert.

Oder die zwölfjährige Ariane. Sie kannte sich in allen Diätrichtungen aus und erklärte mir, welche Effekte eine Low-Carb-Diät oder das Mayr-Fasten auf ihren Körper haben. Sie zeigte mir außerdem eine Abnehm-App, in der sie ein Gewichtstagebuch führte. Dieses legte sie ihrer Mutter regelmäßig vor. Obwohl Ariane mit zwölf Jahren komplett durchschaute, dass ihre Mutter nur ihre eigene Essstörung, unter der sie als junge Frau gelitten hatte, auf ihre Töchter übertrug, konnte sie ihrer Abnehmmanie nicht ohne Weiteres den Rücken kehren. Als wir darüber sprachen, wich sie mir aus: „Meiner Schwester geht es noch viel schlimmer. Ich weiß ja zumindest, was los ist“, sagte sie überzeugt. „Aber Kati …“ Sie wurde plötzlich traurig. „Aber Kati hat wirklich die Arschkarte gezogen …“ Arianes Schwester wog mit 15 Jahren nur zweiundvierzig Kilogramm und verfällt in Panik, wenn sie nur ein Pfund zunimmt.

Oder Angela: Sie hatte sich von früh an mit ihren vier Brüdern auseinanderzusetzen, welche sie die „Fette“ nannten. Deshalb begann sie, ihre Mädchenfigur zu hassen und diese zu trainieren. Als sie zur Tür hereinkam, konnte ich auf den allersten Blick nicht erkennen, ob sie eine Frau war. Sie ging wie ein Möbelpacker und strahlte nichts aus, was man als weiblich bezeichnen könnte. Dass ihr Körper von einer Schmerzattacke in die nächste fiel, überraschte mich nicht. Sie unterdrückte alles, was zu einem weiblichen Körper dazugehörte.

Sara, eine andere Klientin, erinnert sich daran, dass sie sich als kleines Mädchen permanent mit der Figurobsession der älteren Schwester befassen musste. Vor dem Spiegel stehend fragte diese sie immerzu, ob sie sie als zu dick empfinde. „Nein“, sagte Sara jedes Mal brav. Und hier wird es interessant! Obwohl Sara dieses Ritual der Schwester hasste, übernahm sie diese Obsession und den kritischen Blick in den Spiegel. Heute versucht Sara, ihre Anorexie zu kurieren, die nicht nur jegliche Annäherung an einen Mann unmöglich macht, sondern ihr gesamtes Privatleben zerstört.

Und zuletzt Marie, die ein Beispiel für das Gegenteil ist. Ihre Eltern ließen keine Gelegenheit aus, die zuckersüße Marie mit ihren blonden Löckchen in der Öffentlichkeit zu zeigen. Marie, die bei anderen immer „Oh-wie-süß“-Kommentare auslöste, wurde bereits mit drei zum Ballett, zu Filmcastings und Gesangswettbewerben gebracht und auf alle erdenkliche Bühnen gezerrt. Mit fünf lag ihr Portfolio bei mehreren Werbeagenturen und mit acht Jahren war klar, dass eine Schauspielkarriere vor ihr lag. Obwohl Marie keine Schauspielerin wurde, definierte sie sich als Frau über ihr Aussehen und leidet unter massivsten seelischen Problemen. Diese prägten ihr Leben und eskalierten mit Anfang vierzig, als ihr Gesicht erste Falten zu zeigen begann.

Auch das Minimale zählt

Ich weiß. Das sind alles Extreme, die nicht auf jede Frau zutreffen. Doch Extreme sind oftmals gut, um das, was auch im nicht extremen Bereich liegt, ans Licht zu holen. Denn solche Botschaften müssen gar nicht ins Extrem gehen, um uns zu beeinflussen. Schon eine beständig anwesende Anti-Körper-Tendenz in der Familie, ein figurbetontes Klima zu Hause, eine das Äußere hervorhebende Atmosphäre oder ein Mehr-Schein-als-Sein-Geist einer Umgebung färbt das Verhältnis eines Mädchens zu seinem Körper. Und das passiert viel öfter, als wir annehmen. Auch wenn es keine extremen Erinnerungen an einschlägige Erfahrungen gibt, inhalieren viele Mädchen auf ihrem Weg zum Frausein prägende Informationen darüber, was zu einem perfekten, attraktiven Körper gehört.

Deshalb überrascht es nicht, wenn viele junge Frauen bereits nach zwei Jahrzehnten Leben ausschließlich Makel und Unzulänglichkeiten an sich finden. Aus den Mädchen mit den beschriebenen Geschichten werden Frauen, die sich an äußeren Normen, am Spiegel, an der Waage und an den Kommentaren von außen orientieren. Das Körperbild, mit dem ein Mädchen zur Frau wird, prägt ihr Leben. Und dieses wird von vielen Frauen einzig auf die Figur projiziert. Wenn ich mir all die Frauengeschichten, die ich in über zwanzig Jahren der Körper-Mind-Praxis zu hören bekommen habe, ins Gedächtnis zurückrufe, fällt mir tatsächlich nicht eine einzige Frau ein, die rundum zufrieden mit ihrem Körper war.

Doch natürlich. Es ginge auch anders! Wenn Ihre Geschichte eine bessere ist und Sie sich wohl und zufrieden mit Ihrem Körper fühlen, haben Sie großes Glück! Dann müssten Sie jetzt eigentlich gar nicht weiterlesen. Sie wissen ja bereits, wie wunderbar es ist, mit einem positiven, weil natürlichen Körpergefühl ausgestattet zu sein.

Erinnerungen

Werden wir jetzt wieder praktisch. Genau deshalb, weil sich solche frühen Sätze, Urteile und Normen so hartnäckig in unser Unterbewusstsein eingravieren, möchte ich Sie jetzt in die Me-Time-Lounge einladen, wo Sie sich über Ihre eigenen, ganz persönlichen Verinnerlichungen klar werden können. Lassen Sie sich für diese Sequenz ausreichend Zeit, damit sich das „Ventil der Erinnerung“ öffnen kann. Meistens erscheinen die prägenden Sätze und Urteile erst nach einiger Zeit im Bewusstsein. Oftmals werden sie sogar erst im Nachhinein, in der nächsten Nacht oder an den folgenden Tagen an die Oberfläche gespült. Vergessen Sie bitte nicht: Schreiben Sie wieder mit der linken Hand.

Willkommen in der Me-Time-Lounge: Ihre Geschichte

Erster Schritt: Memories

Erinnern Sie sich jetzt daran, welche Sätze, Urteile oder Meinungen über Ihren Körper und seine Gestalt Ihnen in der Kinderzeit entgegengebracht wurden.

Welche Informationen erhielten Sie von außen über Ihren Körper?

Gab es körperbezogene Kosenamen, Witzeleien, Neckereien, Ablehnungen oder Mobbingtendenzen?

Oder auch das Gegenteil: Erhielten Sie für körperliche Eigenschaften Anerkennung, Liebe und Lob?

Wie wurde Ihr Körper durch andere eingeschätzt, bewertet, kommentiert?

Beginnen Sie mit Ihrer frühesten Erinnerung, die bei etwa drei bis vier Jahren liegen könnte. Und fahren Sie dann Jahr für Jahr fort, bis Sie bei Ihrem achtzehnten Lebens jahr angekommen sind.

Zweiter Schritt: Ihre Glaubenssätze

Schauen Sie sich diese Informationen genau an und heben Sie diejenigen hervor, an die Sie selbst glauben, die Sie vertreten und in Ihr Beurteilungssystem übernommen haben.

Der Körper im Twist

Und hier kommen wir bereits zu einem enorm wichtigen Punkt! Es wäre ja mehr als logisch, dass eine Frau ihr frühkindlich geprägtes Körperbild, falls es denn verzerrt, unrealistisch oder selbstschädigend ist, im Erwachsenenalter korrigiert. Sobald sie erkennt, dass es gar nicht ihrer Natur entspricht, könnte sie es ja revidieren und neue und eigenständige Erfahrungen machen.

Aber genau hier wird es kritisch! Denn das geht nicht so einfach. Meinungsbilder, die wir einmal anerkannt haben und mit denen wir uns identifizieren, lösen sich nicht auf einen Fingerschnipp hin auf. Das passiert nicht, weil ein Mensch, der bestimmte Botschaften während der Hauptentwicklungsphase seines Gehirns im frühen Kindesalter über sich erhält, diese als seine Wahrheit anzunehmen lernt. Schließlich verinnerlicht, bleibt er gegenüber davon abweichenden Informationen nahezu immun. Das liegt an unserem Unterbewusstsein, das sich immer wieder auf dieselbe Weise einmischt, beispielsweise, wenn Sie bestimmten Gewohnheiten unterliegen, Sie zur Zigarette greifen, Sie ungewollt naschen oder als Antwort auf bestimmte Situationen immer wieder dasselbe sagen oder tun. Und nicht nur das.

Unbewusst sucht der Mensch nach der Bestätigung dessen, was er über sich weiß, egal wie unwahr, surreal oder aus der Luft gegriffen dies ist. Das kann sogar so weit gehen, dass eine Frau, die früher wegen ihres angeblichen Übergewichts gemobbt wurde und sich deshalb irgendwann selbst als zu dick empfindet, sogar aus positiven Bemerkungen anderer herausfiltert, dass sie zu dick ist und abnehmen muss. Das passiert wiederum unabhängig davon, ob sie eine schlanke Körperform, laut BMI ein Idealgewicht oder die Kleidergröße 36 hat.

Wenn ein Urteil einmal im Selbstbild eines Menschen festsitzt, will er sich in diesem bestätigt sehen. Es gibt ihm ein gewisses Gefühl des „Richtigseins“ und genauso ist es mit diesen vielen figurbesessenen Frauen: Einer Frau, die sich für übergewichtig, hässlich oder unattraktiv hält, brauchen Sie tatsächlich nicht zu sagen, dass sie es nicht ist. Sie wird es nicht glauben. Sie wird es überhören, augenblicklich von sich weisen oder es geschickt zu widerlegen versuchen. Ihr verinnerlichtes Meinungsgefüge ist zu ihrer Identität geworden, die sie unbewusst bestätigt sehen will.

Das verdrehte, unrealistische, bis an die Perversion grenzende Selbstbild, das viele Frauen mit sich herumtragen, scheint so massiv in die Gehirnfurchen eingekerbt zu sein, dass es die gesamte Selbstwahrnehmung vereinnahmt und eine Veränderung fast unmöglich erscheint.

Die große Körperfalle

Und dieses Selbstbild trifft dann auf die äußere Welt der Frau. Dass die Figur so sehr im Fokus der Frau steht und es vielen von ihnen erscheint, als könnte sie niemals Frieden mit dieser schließen, hängt außerdem mit drei immens großen Herausforderungen zusammen, die es ihr zusätzlich erschweren, sich mit ihrem Körper und seiner Gestalt anzufreunden. Selbst dann nämlich, wenn sich eine Frau vornimmt, ein unrealistisches Körperbild hinter sich zu lassen, wird ihr das nicht leicht gemacht.

Herausforderung Nummer eins: Das wird es nicht, weil der Körper ohne Zweifel derjenige ist, mit dem sich ein Mensch ausdrückt und sich anderen gegenüber zeigt. Er steht in der Öffentlichkeit, vermittelt Informationen, repräsentiert und „outet“ uns. Und das geschieht bei Frauen vorrangig über ihre Gestalt. Eine Frau wird viel mehr als ein Mann daran gemessen, wie ihr Körper „gebaut“ ist, welche physische Attraktivität dieser besitzt und welchen äußeren Eindruck er bei anderen hinterlässt. Frauen bekommen auf bewusstem oder unbewusstem Wege bestätigt, dass ihre Figur und ihre Proportionen maßgeblich mitbestimmen, ob ihnen von außen Anerkennung und Aufmerksamkeit entgegengebracht werden. Die Betrachtung einer Frau als Objekt ist in unserem gesellschaftlichen Leben so normal wie das Amen in der Kirche.

Dazu erschien erst kürzlich eine Studie, die an der University of Nebraska-Lincoln durchgeführt wurde. Die Experten unter Leitung von Sandra Gervais untersuchten, wie Männer und Frauen hinsichtlich ihres Körpers wahrgenommen werden. Das Ergebnis spricht Bände: Während die männlichen Probanden von Frauen umfassend, also als ganzkörperliche Wesen wahrgenommen wurden, schauten die Männer auf die Probandinnen, als beständen sie nur aus einzelnen Körperteilen. Sie betrachteten die Frauen „lokal“ und orientierten sich dabei an den Körperarealen mit den weiblichen Geschlechtsmerkmalen. Interessant war aber noch etwas ganz anderes: Als man testete, wie Frauen die anderen Frauen wahrnahmen, stellte sich heraus, dass sie eine ähnliche Perzeption wie die männlichen Testpersonen hatten. Es gab nicht nur bei den Männern eine klare Tendenz, Frauen auf bestimmte Körperareale zu reduzieren.

Frauen handhabten es untereinander genauso. Deshalb: Seien Sie ehrlich! Wenn Sie einer anderen Frau zum ersten Mal begegnen, registrieren Sie sofort, ob sie dünn, dick, schlank, gut proportioniert ist, kleine oder größere Brüste, einen großen oder knackigen Hintern oder Sexappeal hat und deshalb attraktiv, hübsch oder unansehnlich ist. Ganz gleich, ob wir durch die Augen eines Mannes oder einer Frau schauen: Diese Untersuchung zeigt klar, wie stark die Objektifizierung einer Frau ist. Es ist uns in Fleisch und Blut übergegangen, eine Frau zunächst nach ihrer äußeren Form und ihrem Aussehen zu beurteilen. Erst dann kümmern wir uns um das Dahinter.

Wenn Sie jetzt den Kopf schütteln, überprüfen Sie einmal das Gegenteil. Wir können es ja auch andersherum sagen: Einer Frau, deren Körperform weit entfernt ist vom gängigen SDS-Schönheitsideal, schlank, durchtrainiert und sexy, deren Körper vielleicht sogar offensichtliche Makel aufweist und deren Figur von so gut wie niemandem das Attribut „attraktiv“ erhalten würde, muss jede Menge dafür tun, damit sie von anderen als sympathischer, wertvoller oder intelligenter Mensch wahrgenommen wird.

Die Thematik erinnert mich an den Film „Embrace – Du bist schön“ der ehemaligen australischen Bodybuilderin Taryn Brumfitt. Nach der Geburt ihrer drei Kinder war sie mit ihrem Körper komplett unzufrieden und trainierte solange, bis sie ihren gestählten Leib in einem Body-Building-Wettbewerb zur Schau stellte. Doch obwohl sie kein Gramm Körperfett mehr hatte, fühlte sie sich weder glücklicher noch erfüllter im Vergleich zu vorher. Also ließ sie das Training wieder sein und überließ ihren Körper der Natürlichkeit. Die Vorher-Nachher-Fotos postete sie auf Facebook. Und hier kommt‘s: Glauben Sie nicht, dass sie dafür Bravorufe erhielt. Ganz im Gegenteil! Ihr schlug enorm viel Unverständnis entgegen. Insbesondere Frauen kritisierten sie, dass sie diesen perfekt modellierten Körper aufgegeben hat.

Taryn Brumfitt zog daraufhin in die Welt hinaus und forderte Frauen auf, ihren Körper anzunehmen und zu lieben, so wie er ist, deshalb der Titel „Embrace“. Ihre sogenannte „Body Image Movement“ erinnert Frauen daran, sich nicht an den gekünstelten Körpermaßen zu orientieren, die uns vorgegeben werden. Die deutsche Schauspielerin Nora Tschirner, die den Film als Executive Producerin unterstützte, drückte es in einem Interview zum Film ganz klar aus: „Wir hören nicht mehr auf unsere inneren Stimmen. Das Körperbild hat das Körpergefühl abgelöst.“

Tatsächlich ist es unglaublich, wie sehr sich diese fremden Normen in unserem Unterbewusstsein breitmachen und unsere eigene Wahrnehmung bestimmen. Und das führt dazu, dass sich eine Frau heute über ihren Körper beurteilen lassen muss.

Die nackte Wahrheit

Darüber hinaus ist es ein Fakt, dass auf den meisten gesellschaftlichen Podien die wohlproportionierten Frauen die Nase vorn haben, weil man von ihrer Gestalt auf innere Qualitäten schließt. Tatsächlich verbinden wir mit einer Normfigur bestimmte Eigenschaften und Fähigkeiten, die sich schließlich in Lebensentscheidungen mischen.

Sicherlich kennen Sie alle den Spruch, dass Sie, wenn Sie sich irgendwo präsentieren, gern eine „gute Figur“ machen möchten. Und das sagt bereits sehr vieles aus. Es geht dabei nämlich nicht nur um Ihren Wunsch, gut auszusehen. Wenn Sie das sagen, schwingt dabei mit, dass an Ihrem Erscheinungsbild noch eine ganze Reihe anderer Informationen hängen. Allein durch Ihre Figur und deren Proportionen wecken Sie das Interesse anderer und signalisieren, wie Sie als Mensch wirken möchten. Mit dem Ansinnen, eine „gute Figur zu machen“, verbinden wir viel, viel mehr.

Es ist beispielsweise ein offenes Geheimnis, dass viele Jobs über den äußeren Eindruck und insbesondere bei Frauen über die Figur vergeben werden. Das geht sogar so weit, dass Untersuchungen von einem Zusammenhang zwischen charakterlichen Werten und der äußeren Erscheinung berichten. Ein Forscherteam der Universität Texas in Dallas berichtet, dass Probanden einer Studie verschiedenen Gestalttypen jeweils bestimmte Qualitäten zuordneten. Es zeigte sich, dass mit Menschen, deren Körperbau schwerer wirkte, negative Eigenschaften assoziiert wurden, während man den Teilnehmern mit einem leichteren Körperbau positive Fähigkeiten zuordnete. Als man die Figur als solche in die Beurteilung einbezog, gestaltete sich das Ergebnis ähnlich: Probanden mit der klassischen Figur, die als attraktiv angesehene Gestaltmerkmale aufwies, sah man als aktiv an. Menschen mit einer viereckigeren oder schwereren Figur ordnete man hingegen Passivität zu.

Und das kennen Sie sicher auch aus Ihrem Leben. Mit einer Frau, die eine Idealfigur hat, wird, je nachdem in welchem gesellschaftlichen Bereich sie sich bewegt, enorm vieles assoziiert: Brillanz, Klasse, Leistungsfähigkeit, Intelligenz, Können oder Flexibilität. Eine gewichtigere, kurvenreiche Frau wird hingegen mit Behäbigkeit, Langsamkeit, Lethargie, Phlegmatismus, fehlender Reaktionsfähigkeit oder sogar mit Einfältigkeit assoziiert.

Das wiederum kommt auch in Jobinterviews zum Tragen. Dort checkt man die Figur dahingehend, ob eine Frau beweglich, gesund, sportlich und diszipliniert ist und schließt von ihrer Körperform darauf, ob sie Belastungen standhalten kann. Aber das ist noch nicht alles, denn man leitet außerdem von der Figur ab, ob sie zu Erkrankungen, Arbeitsausfall oder früher Berentung neigt. Das wird umso wichtiger, wenn eine Frau auch Mutter ist. Da eine Frau mit kleinen Kindern beim Bewerben ohnehin die meisten Minuspunkte kassiert, weil Ausfallzeiten vorprogrammiert sind, fällt eine Mutter ohne Idealfigur endgültig durch das Raster.

Sie denken, dass ich übertreibe? Nein, nein! Im Flugzeug kam ich einmal mit einem Personalchef ins Gespräch. Da drehte es mir fast den Magen um, weil ich nie und nimmer geglaubt hätte, dass all diese Kriterien, die man am Erscheinungsbild von Frauen abzulesen meint, tatsächlich real an Jobbewerberinnen angewandt werden. Im Grunde genommen ist die Entscheidung „durchgefallen“ bereits klar, wenn die Frau den Raum betritt und der figürliche Part nicht stimmt. Bevor die Bewerberin überhaupt den Mund aufgemacht hat, ist sie, wenn ihr Körper dem Personalchef nicht gefällt, bereits raus.

Und diese Auswahlkriterien verschärfen sich, je mehr die ausgeschriebene Stelle Publikumsverkehr, Führungs- oder Repräsentationspositionen einschließt. Als weibliche Führungskraft oder als Frau, die in die Chefetagen vordringen möchte, ist eine schlanke Figur nahezu ein Muss. Das ist so etwas wie ein unausgesprochener Codex, an dem nur wenige Frauen vorbeikommen.

Als Vertreterin von Gesundheitsprodukten, Flugbegleiterin, Rezeptionistin in einem Fünf-Sterne-Hotel oder als Verkaufsassistentin bei Prada, Armani oder Chanel sind die Proportionen ebenso ziemlich klar vorgegeben. Logisch irgendwie. Wenn die Models der Modemarken schon nur aus Haut und Knochen bestehen, der sogenannte „Skelettal Chic“ uns auf Laufstegen schmackhaft gemacht wird, können die Verkäuferinnen ja nicht plötzlich Kurven haben. Mit einem breiten Hintern, einem gewissen Schenkelumfang oder einem voluminösen Busen können Sie da zwischen den Mini-Kinderkleidchen und Size-Zero-Abendroben nun mal nicht brillieren.