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Meine

LIEBLINGS
KUCHEN

Ausgefallene Tortenrezepte und
Kuchenideen von Meisterkonditor
Marcel Seeger zum Selberbacken

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Vorwort

Liebe Leserin, lieber Leser,

liebe Zuschauerinnen und Zuschauer,

dieses Buch ist das Ergebnis Ihrer vielen schönen Rezeptideen, die Sie im Laufe der Zeit an die WDR-Redaktion von „Hier und heute“ eingesendet haben. Dafür gebührt Ihnen ein großes Dankeschön! Es hat mir große Freude gemacht, aus diesem Fundus die Rezepte auszusuchen, die ich Ihnen in diesem Buch präsentiere.

Alle Rezepte habe ich in der Sendung gebacken, damit sind sie erprobt und gelingsicher. Aus meiner über 30-jährigen Berufserfahrung habe ich den ein oder anderen Tipp hinzugefügt. So haben Sie es zu Hause so leicht wie möglich, ein ebenso schönes und geschmackvolles Backergebnis zu erzielen, wie mir das live im WDR-Fernsehstudio gelungen ist.

Ich habe in die Vorbereitung und Entstehung dieses Buches sehr viel Leidenschaft gelegt, weil mein Beruf für mich nicht nur Beruf, sondern Berufung ist. Bei der frischen Herstellung der in diesem Buch gezeigten Torten hatten alle Beteiligten – damit meine ich die Fotografinnen, die Mitarbeiter des Verlags, mein eigenes Team und nicht zuletzt mich selbst – eine Menge Freude und Spaß. Es wurde viel gelacht und miteinander gesprochen und diskutiert, bis letztendlich das optimale Ergebnis in Wort und Bild gefunden war. Die Atmosphäre war dabei wie in der heimischen Küche, wo ja auch, wie wir im Rheinland sagen, eine Menge „palavert“ wird! Denn das Backen von Torten und Kuchen ist ja ein Genuss nicht nur für den Gaumen, sondern auch für die zwischenmenschliche Kommunikation. Ich glaube, dabei kommt auch die Seele nicht zu kurz! Ich empfinde es auch nach vielen Jahren in meinem Beruf immer noch als beglückend, wenn ein gut überlegtes Rezept im Ofen optimal gelingt und man sehen kann, wie ein schönes Ergebnis entsteht.

Und wenn dann noch der Duft von Frischgebackenem in der Luft liegt … Dann kann man es kaum erwarten, davon zu naschen!

Apropos naschen! Da habe ich ja im Studio immer genügend nette und fröhliche Kolleginnen und Kollegen in meiner Nähe, die nur darauf warten, dass bei den gemeinsamen Backaktionen etwas probiert werden kann … oder besser noch „abfällt“!

Aber eines ist mir noch ganz wichtig zu erwähnen: In meiner langjährigen beruflichen Laufbahn war und bleibe ich immer davon überzeugt, dass man ohne sehr gute, frische und manchmal auch außergewöhnliche Zutaten keine leckeren und genussvollen Torten und Kuchen herstellen kann. Das gilt für das Backen zu Hause und für mich als Profi. So können Sie mit diesem Buch Ihre Lieben und sich selbst immer wieder geschmacklich überraschen und dafür sorgen, dass Ihre Kaffeetafel zum leckeren Treffpunkt vieler glücklicher Gesichter wird.

Ich wünsche Ihnen beim Lesen, Stöbern, Entdecken der Geschichten und Ausprobieren der Rezepte in diesem Buch viel Freude und Vergnügen.

Und zwischendurch, wie beim Naschen eines frisch gerührten Kuchenteiges, ein schmunzelndes Lächeln … So wie ich es immer habe, wenn ich wieder live im Fernsehstudio stehen darf.

Ihr

Marcel Seeger

INHALT

Empathisch, authentisch, glaubwürdig

Von den Professionen des WDR-Torten-Experten Marcel Seeger

Freitag live on air: Die Blutorangen-Torte

Tagebuch einer typischen Woche als WDR-Torten-Experte

Meine Lieblingskuchen

Blutorangen-Torte

Apfel-Eierlikör-Torte

Grillagetorte

Selbst gemachter Eierlikör

Kirsch-Schmandkuchen

Pikanter Gewürz-Apfel-Nusskuchen

Sekttorte mit Weintrauben

Krümelkuchen

Zitronencremetorte

Weihnachtliche Marzipantorte

Butterkuchen mit fruchtigem Johannisbeeren-Make-up

Glühweinkuchen

Selbst gemachter Glühwein

Lakritz-Himbeermousse-Torte

Cheesecake

Beerentorte mit dunkler Schokolade

Früchtebrot

Muttertagstorte à la française

Weihnachtliche Trüffelcremetorte

Erdbeer-Kuppeltorte

Espresso-Käsekuchen

Mandarinenkuchen vom Blech

Eierlikörtorte

Zimtsterntorte

Torta Caprese

Schwedische Mandeltorte

Schwarzwälder Kirschtorte

Limettentraum

Herdecker Bratapfeltorte

Spezieller Obstboden

Donauwelle

Gedeckter Apfelkuchen

Himbeer-Puddingkuchen

Apfel-Wein-Kuchen

Rhabarberkuchen

Haselnuss-Pralinentorte

Torta con Crema Pasticcera

Birnen-Baiserkuchen

Kirschkuchen mit Streuseln

Windbeutel

Zimtschneckentorte

Schneller Bienenstich

Gekochte Bienenstichcreme

Danksagung

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Versuchungen sollte man nachgeben.
Wer weiß, ob sie wiederkommen.

Oscar Wilde

„Empathisch, authentisch, glaubwürdig“

Von den Professionen des WDR-Torten-Experten Marcel Seeger

Nein, wie ein Notar wirkt er nicht. Dafür ist er nicht genügend Dunkler-Anzug-Typ. Hat nicht die gewohnte Ausstrahlung des ernsten Hüters von Recht und Urkunden. Gegen gute Honorare.

Genau zu diesem Beruf hat ihm jedoch einst sein Großvater geraten. Marcel sollte es mal besser haben als der. Vor allem nicht so früh aufstehen müssen, wie es ein Bäcker nun mal muss. Wie es der Großvater eben musste.

Auf einen zu kommt ein Mann in der Mitte seiner Fünfziger, im strahlend-weißen Outfit des Konditormeisters. Dabei hat er eine eher jungenhaft-offene Ausstrahlung. Jederzeit aufmerksam reagierend auf seine Umgebung. Sehr wachsam. Man merkt schnell, dass dahinter ein Mann steckt, der klare Vorstellungen hat von dem, was ein Konditormeister leisten kann und muss. Was das Leben im Dienste der Torten und Kuchen ihm bringen soll. Außer Einkommen. Er will mehr vom Leben. Gibt dafür viel von sich her: Energie, Zeit, Kraft. So einer fühlt sich wohl, wenn er Bühnen hat – ob die eigene Konditorei oder ein Fernsehstudio.

Ein geradliniger Niederrheiner. Bodenständig, abwägend, mit zeitweisen Ausbrüchen zu Innovationen, wenn es um die Kreation von neuen, süßen Versuchungen geht. Aber auch nicht zu viel. Das Niederrhein-Gen hat er verinnerlicht. Nicht verschlossen, aber er muss von der Sinnhaftigkeit, Neues zu probieren und zu wagen, zutiefst überzeugt sein. Oder werden. Erst recht bei der Auswahl leiblicher Genüsse. Man neigt zu Skepsis. Oder besser noch zu abwartendem Optimismus.

“Ich bin mit dem Geruch von Frischgebackenem aufgewachsen“,

erinnert sich Seeger an seine Kindheit.

Deswegen wählt der Niederrheiner beispielsweise im Konditoren-Sortiment lieber bekannte Genüsse wie Käse- oder Apfelkuchen. Die beiden Klassiker laufen am besten in Marcel Seegers Konditorei in Nettetal. Ein typisches Niederrhein-Städtchen: gemütlich, gepflegte Ziegelsteinhäuser, gut erhaltene Altstadt. Hie und da haben sich die Sünden der Beton-Architektur der Neuzeit eingeschmuggelt.

Marcel Seegers Konditorei mit integriertem Café und schöner mit Blumen bepflanzter Sonnenterrasse ist ein Traditionsbetrieb. Seit 1895 im Familienbesitz. 1967 ließen seine Eltern das Eckhaus an einer belebten Straße in der Innenstadt abreißen und durch einen Neubau mit moderner Funktionalität ersetzen. Sie genügt bis heute den Erfordernissen und Ansprüchen eines solchen Betriebs.

Veränderungen, Zeitgeist-Anpassungen, neue Ideen finden auf den Tortentellern und im Außer-Haus-Verkauf statt. Denn bei aller Vorsicht des Niederrheiners – er will schon Neues kennenlernen. Und dann entscheiden.

Eines allerdings hat sich strukturell verändert: Seegers Konditorei ist inzwischen die einzige in Nettetal mit seinen gut 40 000 Einwohnern. Das war mal anders vor den Zeiten von Gefriertorten und Supermarkt-Kuchen.

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Wir treffen uns also in Seegers Café zum langen Gespräch. Wenn er auf einen zukommt, hoch aufgeschossen, schlank, anpackend, raumgreifenden Schrittes, rechts und links Gäste freundlich grüßend, ein Mann der Tat und nicht des Träumens, dann ahnt man: Da lässt sich einer nicht so schnell von den speziellen Anforderungen des Konditor- und Geschäftslebens umwerfen. Downs gehören dazu wie die Ups. Letztere sollten in der Bilanz allerdings in der Mehrheit sein.

„Ich bin mit dem Geruch von Frischgebackenem aufgewachsen“, erinnert sich Seeger an seine Kindheit. Die Eindrücke aus der Backstube daheim bestimmten dann irgendwann seine sorgsam getroffene Berufsentscheidung: „Ich war ein guter Schüler, hätte sicherlich andere Berufskarrieren anstreben können. Aber ich habe durch meine Eltern mitbekommen, welche Möglichkeiten es durch den Konditorberuf gibt, sein Leben zu gestalten und Dinge zu machen, die andere nicht machen können.“

Von den unumgänglichen Maschinen in der Produktion war der junge Marcel zudem fasziniert.

Also arrangiert er sich mit den unkommoden Arbeitszeiten und lässt sich im elterlichen Betrieb ausbilden. „Ich bin von Hause aus eigentlich mehr ein Kopfmensch und habe mir viele Dinge, die mein fachliches Können ausmachen, mit der Zeit erst hart erarbeiten müssen. Ich bin als Konditor kein Naturtalent“, bekennt der heutige Meister seiner Profession freimütig.

Nach seiner Ausbildungszeit von zwei Jahren ist Seeger fünf Jahre lang Geselle. Er geht unter anderem nach Frankreich und in die Schweiz – lernt Neues kennen, aber bald auch die Grenzen, die die niederrheinische Mentalität mit sich bringt: „Wir haben wahnsinnig viele so kleine Sachen gemacht – typische Patisserie-Artikel eben – gut, arbeitsintensiv und deswegen teurer. Die kannst du hier aber nicht verkaufen. Die Leute sagen: ‚Wie, dat kleine Ding ist so teuer?! Ach, wat ham se denn da, hamse auch Schwarzwälder?‘“

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Seegers erstes eigenständiges Werk: ein Golfbag.

Marcel vollendet seine Ausbildung, geht an die Konditoren-Meisterschule in Köln. Sechs Monate für den Weg zur beruflichen Krönung. Er sagt, dass er dort „sehr, sehr viel gelernt“ habe. Sein erstes eigenständiges Werk belegt das: Golfszene und Golfbag zeugen von den künstlerischen und fachlichen Fähigkeiten des frischgebackenen Meisters.

Handwerk und Fachwissen hat er nun von der Pike auf gelernt, weiß, wie man mit Zutaten umgeht, mit Maschinen, mit Backzeiten. Wie Veränderungen der Beigaben, wie neue Inhaltsstoffe, andere Mischungsverhältnisse, den Geschmack des Produkts am Ende beeinflussen können, das lehrt ihn erst die jahrelange Erfahrung.

Später entrümpelt er das Angebot seines Betriebs: Während Großvater und Eltern auch noch Brötchen und verschiedene Brotsorten herstellten, macht Seeger damit Schluss. Er stellt heute nur noch sein bekanntes Rosinenbrot her und seit Kurzem ein äußerst wohlschmeckendes Krustenbrot mit Dinkelmehl-Bestandteil. Der Rest des Bäckereianteils im Unternehmen ist Geschichte.

Das hat vor allem den einfachen Grund der Arbeitszeiten: Nähme er die Bäckereilinie wieder auf, müsste er nämlich mitten in der Nacht in der Backstube stehen. Er schätzt die Kollegen der Branche. Klar. Aber ab 3 Uhr arbeiten? Das wäre nicht sein Ding. Dazu kommt:

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Seeger weiß, „wie es fast unmöglich geworden ist“, heutzutage junge Nachwuchskräfte zu finden, die in der Nacht mit der Arbeit beginnen möchten! Als Konditor kann er wenigstens erst um 6 Uhr morgens anfangen. Und arbeitet dann bis abends. Manchmal bis 21 Uhr. Wie es erforderlich ist.

Man möge das nicht falsch verstehen - Seeger geht im Beruf auf. Aber er braucht auch Privatleben. Das ist eh schon zeitlich knapp genug. Er erzählt mit Begeisterung von den Leidenschaften des Berufs, die bis heute sein Credo sind. Aus dem Meister sprudelt es an dieser Stelle förmlich heraus vor Begeisterung: „Der Moment, wo eine Torte im Ofen aufgeht, wie du es wolltest, das ist schon wie ein Lachen im Gesicht.“

Der Konditormeister schwärmt vom Duft, der dem Backofen entströmt, und seinem Gefühl, dass was Tolles entstanden ist. Aber auch davon, dass die endgültige Befriedigung erst eintritt, wenn die Kunden sagen: ‚Das ist aber lecker‘. „Dann weißt du, dass sich der ganze Einsatz gelohnt hat.“ Bei Seeger hält dieses Gefühl bis heute an. Es habe ihn nie verlassen in all den Jahren.

Das gilt für alle Produkte aus seiner Werkstatt - gleich, ob Torten und Kuchen. Nur Sahnetorten sind nicht so seine Sache. „Persönlich“, das ist ihm wichtig zu ergänzen. Im Angebot hat er sie selbstverständlich. Und sie werden mit der gleichen Leidenschaft hergestellt wie all seine anderen Produkte. Unterschiede zwischen den Produkten? „Kuchen backt man im Kasten oder in Blechform. Die Torte ist dagegen immer rund und hat verschiedene Höhen von fünf, sieben, neun, zwölf Zentimetern und mehr. Wichtig: Sahne alleine ist kein Unterscheidungskriterium.“

Marcel Seeger hat Lieblingszutaten: Er arbeitet „wahnsinnig gerne“ mit Marzipan, beispielsweise in Füllungen. „Weil das alles saftig macht.“ Und mit Früchten geht er sehr gerne um. „Besonders mit Himbeeren.“

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Marcel Seeger und seine Frau Ulrike, die ihm immer den Rücken freihält.

Die eigentliche Herausforderung für den Konditormeister liegt freilich in seiner Fantasie, in seinen Ideen und Künsten. Von seinen Torten und Kuchen hängt alles ab: Arbeitsplätze in seinem Betrieb. Glücksgefühle durch Erfolg. Anerkennung. Vor sich selbst. Vor allem von anderen – und die heißen Kunden. Die Geldbörsen an der Ladentheke entscheiden über alles.

Und es gehört, da ist sich Marcel Seeger so etwas von sicher, das wichtigste zwischenmenschliche Element dazu: die Liebe. Und damit jemand, die dem Meister und Geschäftsmann den Rücken frei hält: Als „Sechser im Lotto“ bezeichnet er deswegen „seine“ Ulrike, eine Konditorei-Fachverkäuferin. 1992 heiraten die beiden: „Ohne sie wäre ich nie so weit gekommen – nie“, betont der selbstbewusste Tortenmacher ohne jede Verbiegung.

Dass Ulrike im Betrieb seiner Eltern ihre Ausbildung absolviert hat, hilft ihr zusätzlich beim Verständnis für die speziellen Abläufe einer Konditorei, beim Erkennen von Gästewünschen an der Ladentheke.

Nochmal sechs Jahre später, 1998, übergibt der Vater den Betrieb. Generationenwechsel. Akzente-Verschiebungen. Mit 34 Jahren ist Marcel Seeger Chef in der Traditionskonditorei. Handeln und machen, wie er es will. Wie seine Frau und er es wollen.