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Monstermauern, Mumien und Mysterien 5

 

Reisen zu geheimnisvollen Stätten unseres Planeten

 

Walter-Jörg Langbein

 

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Walter-Jörg Langbein in der Südsee;

Foto Ingeborg Diekmann

 

Inhaltsverzeichnis

 

Vorwort

1. Maria und die himmlische Biene

2. Die Göttin von Guadalupe

3. Die Schlangenzertreterin

4. Ein »Goliath« mit Geweih und eine Waldgöttin

5. Ein riesiger »Krieger« entpuppt sich als riesige Göttin

6. »Peitschenmann«, »Gans« und »Monster«

7. »Alles vorbei, tom Roden….«

8. Maria Magdalena, die »Apostelin der Apostel«

9. Das 2. Kloster und Widukind II

10. Elefanten, Tempel und die Göttin

11. Der Spuk von Gangaikondacholapuram

12. Riese Christophorus in einer kleinen Kirche

13. Freifahrtschein fürs Paradies

14. Drei Glocken

15. Die mysteriöse »Straße der Pockennarben«

16. Professor Cabreras Geheimkammer

17. Noch eine »unmögliche« Sammlung

18. In der unvollendeten Grabkammer

19. Schätze in der Cheopspyramide?

20. Der Sphinx und seine Geheimnisse

21. Sphingen, Sphingen, Sphingen

22. Der Viracocha-Tempel von Raqchi

23. Viracocha und die Ruinenstadt von Tiahuanaco

24. Mysteriöse Höhlen und ein Tempel der Jungfrau

25. Ein Tempel voller Phallusse

26. Mysteriöse Fabelwesen

27. Die vergessenen Pyramiden von Cochasquí

28. Die Ruinen von Pachacamac

29. Die Heilige Geistin, ein Heidenstein und drei »Heilige Frauen«

30. Drei Hasen im Fenster

31. Der Pfau und die Bischofsgruft

32. Der »Hängende«

33. Das Heiligtum und die Fratze

34. Die Kreuzabnahme

35. Das Unterweltmonster und der Mann mit dem Schlüssel

 

Vorwort

 

Monstermauern gibt es überall auf der Welt, in Ägypten, dem Land der Pyramiden, in Peru, dem Land der Inka und selbst auf der Osterinsel, dem Eiland mit den Riesenstatuen. Wir staunen über die Geheimnisse unseres Planeten. Wir kennen aber nur einen Bruchteil der Hinterlassenschaften unserer Vorfahren. Und vieles ist laut Schulwissenschaften angeblich zu fantastisch, um wahr sein zu können.

Denken wir an Ägypten, kommen uns die »Cheops-Pyramide« und die Sphinx in den Sinn. Die – eigentlich der Sphinx – ist uns als eine Art Symbol für das Mysteriöse, für das Rätselhafte, bekannt.

In der griechischen Mythologie begegnet uns eine weibliche Sphinx als Hüterin des Geheimnisvollen. Wer in ihre Nähe kommt, muss ein Rätsel lösen. Gelingt ihm das, darf er weiterleben. Weiß er keine Antwort, wird er von der wütenden Sphinx (griechisch für »Würgerin«) umgebracht und verschlungen.

Unser Planet bietet allen wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Trotz immer noch viele ungelöste Fragen. Keine menschenfressende Sphinx frisst, wer vermeintlich falsche Antworten anbietet. Keine Frage: Auch fantastische Antworten können die richtigen sein!

Augustinus Aurelius (*354; †430) wusste: »Die Welt ist ein Buch. Wer nie reist, sieht nur eine Seite davon.« Machen wir uns gemeinsam auf die Reise! Besuchen wir gemeinsam »Die Göttin von Guadalupe« (Mexico), befragen wir den steinernen Mann mit dem Schlüssel im Teutoburger Wald (Externsteine, Deutschland) und erkunden wir »Die Ruinen von Pachacamac« (Peru). Reisen wir gemeinsam durch Raum und Zeit.

 

Keine Angst vor kühnen Gedanken!

 

 

1. Maria und die himmlische Biene

 

»Wie viele Gesichter, nicht christliche und christliche, hat die Jungfrau Maria?«, fragt Klaus-Rüdiger Mai in seinem profunden Buch »Die geheimen Religionen« (1). »Neue« Religionen haben nicht »alte« einfach ersetzt. Es haben keineswegs »richtige« Religionen »falsche« abgelöst. Es gab vielmehr wohl schon immer einen stetigen schleichenden Wechsel. Eine »neue« Religion wie das Christentum konnte sich auch deshalb so gut durchsetzen, weil ältere Glaubensbilder übernommen. Klaus Rüdiger-Mai (2): »Das Glaubensgut älterer oder konkurrierender Religionen wurde entweder von den Vertretern des neuen Glaubens bewusst genutzt, um diesen erfolgreich zu verbreiten, oder hat sich von selbst subversiv durchgesetzt.« Zum zentralen Glaubensgut speziell der katholischen Kirche gehört Maria, die »Gottesmutter«. Wenngleich die Angaben der vier Evangelisten des Neuen Testaments zu Maria nur eher spärlich sind, so weiß der Volksglaube sehr viel mehr. Demnach wurde die Gottesmutter leibhaftig in den Himmel aufgenommen. Und das soll in Ephesus geschehen sein. In Ephesus stand einst eines der sieben Weltwunder, der Tempel der Artemis, das Artemision. Die Ruinen der einst ältesten und wichtigsten Städte Kleinasiens liegen etwa siebzig Kilometer südlich von Izmir, an der türkischen Westküste der Ägäis.

Und hier soll Maria, die »Gottesmutter« ihre letzten Lebensjahre verbracht haben. Im frühen 19. Jahrhundert hatte die Ordensfrau Anna Katharina Emmerich (*um den 8.09.1774 in Coesfeld; †9.02.1824 in Dülmen) erstaunlich präzise Visionen vom Leben Jesu. Anna Katharina Emmerich (andere Schreibweise: Emmerick) war eine Stigmatisierte, sie trug die Wundmale Jesu. Der Dichter Clemens Brentano besuchte die Nonne und protokollierte ihre bestechend exakten Angaben zum Leben und Sterben Jesu. Fünf Jahre, bis zum Tode der Anna Katharina Emmerich, notierte Brentano Tag für Tag, was die am 3. Oktober 2004 von Papst Johannes Paul II. selig gesprochene Anna Katharina Emmerich in geistigen Schauen klar und deutlich sah.

 

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Maria hat viele Gesichter…

 

1833 veröffentlichte Brentano »Das Bittere Leiden unseres Herrn Jesu Christi«. Bis 1926 wurden 77 Auflagen dieses Opus gedruckt. Es fand eine größere Verbreitung als die Werke Goethes und Schillers. Erst 1852, ein Jahrzehnt nach Brentanos Tod, wurde »Das Leben der heiligsten Jungfrau Maria« publiziert, gefolgt vom dreibändigen »Das Leben unseres Herrn und Heilandes« (1858 bis 1860). Auf 452 Druckseiten kann heute noch nachgelesen werden, welche Visionen die Emmerich von Leben und Sterben der Gottesmutter Maria hatte. Demnach verbrachte sie ihre letzten Lebensjahre in Ephesus. Gabriel von Marx (*1840; †1915) fertigte1885 das Gemälde »Die ekstatische Jungfrau Katharina Emmerich« an.

 

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Gemälde »Die ekstatische Jungfrau Katharina Emmerich

Foto wikipedia commons, public domain

 

Was Skeptiker, die für Anna Katharina Emmerichs Visionen nur ein herablassendes Lächeln übrighaben, nicht wissen: Abbé Julien Goyet aus Paris machte sich mit den gedruckten Visionen der Emmerich auf nach Ephesus. Und siehe da: Die Visionen einer Frau, die nie vor Ort war, führten zur Entdeckung einer Ruine, etwa des Hauses, in dem Maria ihre letzten Lebensjahre verbrachte? Wir wissen heute, dass die Mauerreste einst »Panagia Kapuli«, »Pforte der Allerheiligsten Jungfrau«, hießen. Aber waren die Mauerreste wirklich 2.000 Jahre alt? Wir wissen weiter, dass dort, wo das Haus der Maria in Ephesus vermutet wird, »Das dreitorige Kloster der Panagia (allerheiligste Jungfrau)« stand.

 

In Ephesus wurde mehr als ein halbes Jahrtausend vor Christi Geburt die Göttin Artemis verehrt und angebetet. Erhalten ist eine römische Kopie der Artemis, die heute im »Kapitolinischen Museum« zu Rom bewundert werden kann. Bis in unsere Tage ist umstritten, was da im Brustbereich der Göttin zu sehen ist. Sind es zahllose Brüste, die verdeutlichen sollen, dass Artemis auch Hüterin der Frauen und der Kinder war? Oder sind es Eier… oder doch Stierhoden? Wie auch immer: Alle diese Attribute können sehr wohl auf eine antike Muttergöttin hinweisen. Artemis hatte viele Namen. Die Etrusker zum Beispiel nannten sie Artumes, die Römer Diana und die alten Griechen Selene. Selene war eine Mondgöttin. Ist es ein Zufall, dass die Gottesmutter Maria sehr häufig als auf einer Mondsichel stehend dargestellt wurde? Anhänger des religiösen Kults um Selene würden in diesen Mariendarstellungen »ihre« Göttin erkennen. Klaus-Rüdiger Mai weist nach, dass die Gottesmutter Maria auch ein heidnisches Gesicht hatte. Mir scheint, Maria trägt auch heute noch das »heidnische« Bild der Göttin Artemis. Mai (3): »So gesehen bestanden gute Voraussetzungen dafür, dass die göttlichen Attribute von Artemis auf Maria übergingen.«

Anno 431 fand das »Konzil von Ephesos« statt. In Ephesos wurde festgelegt, dass Jesu Mutter Maria als »theotokos« anzusehen sei, also als »Gottesgebärerin« (4). So trat Maria in Ephesus die Nachfolge der Artemis an, die »Gottesgebärerin« folgte auf die Muttergöttin.

Auf den Stufen des Pantheons auf der Akropolis bot ein pfiffiger Händler meinem Vater zu einem horrenden Preis eine »echte Silbermünze aus dem Zeustempel« zum Kauf an. Die »unbezahlbare Kostbarkeit« war geradezu winzig, maß keine zehn Millimeter im Durchmesser. Immer wieder rieb der Händler die nicht exakt runde Münze an seiner Jacke. Sie glänzte schließlich verdächtig neu. Ich erinnere mich gut an die präzis herausgearbeiteten Konturen der Honigsammlerin, die auf der einen Seite der Münze zu sehen war. Auf der anderen Seite waren zwei einander anblickende Hirsche dargestellt. Die Biene hatte mit Zeus nichts zu tun, sie war das Attribut einer namenlosen Naturgottheit von Ephesus. Sie wurde schließlich zum »Wappentier« der Artemis.

Es verwundert nicht, dass die Biene im christlichen Volksglauben eine recht bedeutsame Rolle spielt. Im Buch »Das Lied vom Honig: Eine Kulturgeschichte der Biene« lesen wir (5): »Jesus Christus ist die Biene. Die Jungfrau Maria ist der Bienenstock. Die Heilige Schrift ist eine Wabe voll süßesten Honigs. Das mittelalterliche Christentum erbte dankbar die Verehrung der Biene, brauchte deren Symbolkraft dringend. Sie galt als Verkörperung von Reinheit, Jungfräulichkeit, Tugend und Fleiß, hatte an moralischen Qualitäten sehr viel zu bieten. Der Kirchenvater Gregor von Nazianz (*329; †390) bezeichnete Christus als ›die jungfräulich geborene Biene«. Der auferstandene Erlöser wird von mittelalterlichen Autoren als ›himmlische Biene‹ (apis aethera) angesprochen, »die auffliegt in die Sphären des Lichts.«

Die Gleichsetzung Jesu mit der »himmlischen Biene« mutet zunächst seltsam an. Sind doch Arbeiterinnen wie ihre Königin allesamt weiblich. Wenn wir in der Welt der Imkerei bleiben wollen, dann wäre Jesus keine Biene, sondern eine Drohne. Drohnen sind männliche Bienen und bilden im Bienenvolk – bis zu 80.000 Tiere – eine Minderheit. Drohnen schlüpfen aus nicht befruchteten Eiern, die die Bienenkönigin legt. Man kann also die »Geburt« der Drohnen als »jungfräulich« bezeichnen. Um im Bild zu bleiben: Wenn Jesus von der männlichen Drohne dargestellt wird, dann ist seine Mutter die Bienenkönigin. Maria wäre dann also die Bienenkönigin, die als Jungfrau ohne Mitwirkung eines Mannes, also »jungfräulich«, Drohne Jesus »gebiert«. Hier endet aber die theologisch-christliche Gedankenspielerei! Drohnen, also männliche Bienen, haben nur eine Aufgabe: die Begattung der Königin.

Drohnen sind putzige kleine Gesellen. Sie sind dicklicher als die weiblichen Bienen und haben keinen Stachel. Viele Jahre durfte ich meinem Großvater Heinrich Gagel bei seiner Hobbyimkerei zur Hand gehen. So kenne ich mich auch ein wenig mit den Honig-Bienen aus. In der Zeit von April bis August legt die Königin relativ wenige Eier in spezielle, größere Wabenzellen, die unbefruchtet bleiben. Daraus schlüpfen dann die »Bieneriche«, die Drohnen. Zunächst führen die Drohnen ein geradezu paradiesisches Leben. Arbeiten müssen sie überhaupt nicht. Sie müssen weder Pollen noch Nektar sammeln, müssen sich schon gar nicht an der Verteidigung des Volkes beteiligen. Sie werden von den Arbeiterbienen umhegt und umsorgt, gefüttert und vor eventuell ins Volk eindringenden Feinden geschützt. Sobald die Drohnen geschlechtsreif sind, kommt es zum Hochzeitsflug.

Ohne zu detailreich ins interessante Intimleben der Bienenkönigin einzudringen: Beim Hochzeitsflug begatten die Drohnen die Königin, verlieren dabei ihr Geschlechtsteil und sterben. Nicht alle Drohnen kommen allerdings zum Vollzug. Sie werden nicht mehr ins Volk eingelassen und verhungern. Wenn sie versuchen, mit Gewalt ins Volk zurückkehren, dann werden sie von den Verteidigerbienen abgewehrt, vielleicht sogar getötet.

 

Artemis und ihre Biene leben in Maria weiter. Unzählige Münzen, vor rund 2.500 Jahren in Ephesos geprägt, zeigen die göttliche Biene, die vom Katholizismus übernommen wurde.

Noch einmal darf ich aus Ralph Dutlis »Lied vom Honig« zitieren (6): »Ambrosius wurde oft dargestellt mit einem Bienenkorb. Er ist der Schutzpatron der Imker und Bienen… In seiner Schrift ›Von der Jungfräulichkeit‹ wird neben Maria fast selbstverständlich die Honigbiene gewürdigt. Die ›unbefleckte Empfängnis‹ zeichnete beide aus. Die Gottesmutter selber wurde gern als Bienenstock gesehen. Die merkwürdige Assoziation war durch die Jahrhunderte gesegelt: Die Römer besaßen nämlich eine Bienengöttin, Mellona, deren schwangerer Bauch die Form eines Bienenkorbes hatte…«

 

Fußnoten

 

(1) Mai, Klaus-Rüdiger: »Die geheimen Religionen / Götter, Sterne und Ekstase«, Köln 2012, S. 23, 1. Und 2. Zeile von oben

(2) ebenda, 13. bis 10. Zeile von unten

(3) ebenda, S. 120, 13. Und 14. Zeile von oben

(4) Siehe hierzu auch Mai, Klaus-Rüdiger: »Der Vatikan / Geschichte einer Weltmacht im Zwielicht«, Bergisch Gladbach 2008, S. 100 und folgende!

(5) Dutli, Ralph: »Das Lied vom Honig: Eine Kulturgeschichte der Biene«, Kapitel »Christliche Bienenwunder«, eBook, Wallstein Verlag, Göttingen 2012

(6) ebenda, Kapitel »Christliche Bienenwunder«

 

 

2. Die Göttin von Guadalupe

 

Es lässt sich nicht wissenschaftlich belegen, dass Jesu Mutter in Ephesus leibhaftig in den Himmel aufgenommen wurde. Bewiesen ist allerdings, dass die Göttin des Lebens und des Todes Artemis im Tempel von Ephesus verherrlicht wurde. Wie kam es zur Anbetung der griechischen Göttin in Ephesus? Nach mythologischer Überlieferung wurde der Tempel just dort geweiht, wo einst ein Bildnis der Göttin vom Himmel gefallen sein soll. Mit einer mächtigen Göttin kann es die bescheidene Magd Maria nicht aufnehmen. Oder doch? Gewiss, die vier Evangelisten behandeln die Mutter Jesu eher stiefmütterlich, verraten kaum etwas über die Mutter des Messias. Im Mittelalter allerdings übernahm die offizielle Theologie die Marienverehrung der gläubigen Menschen. Vielen Christen war das Christentum zu männlich, fehlte das Weibliche der Göttin, das aus konkurrierenden Religionen bekannt war. Und so wuchs nach und nach die bescheidene Maria zur Himmelskönigin, die sich mit dem Ehrentitel »Regina caeli« (zu Deutsch: »Königin des Himmels«) schmücken durfte. In der Fastenzeit wird Maria auch heute noch mit »Heil, Du Himmelskönigin« (»Ave, Regina Caelorum«) gehuldigt, in der Osterzeit frohlockt der gläubige Katholik »Freu‘ Dich, Du Himmelskönigin!«

Maria soll Artemis übertreffen. Und das erreichten die Theologen durch die Lehre von der »Himmelfahrt« Marias: Während Artemis als Statue vom Himmel fiel, stieg Maria in den Himmel auf, wo sie als »Himmelskönigin« mit Gottvater und Gottsohn eine neue Trinität bildet. Ist Maria die christliche Antwort auf Göttinnen und Götter, die vom Himmel zur Erde herabkamen? Just, wo Artemis verehrt wurde – im Tempel von Ephesus – soll Maria in den Himmel aufgenommen worden sein. Wurde die Gottesmutter und Gottesgebärerin Maria von den frühen Christen bewusst der heidnischen Göttin Artemis entgegengesetzt? Ja verdrängte Maria die heidnische Vorgängerin, weil sie den Artemis-Anhängern mit ähnlichen Attributen vorgestellt wurde? Heidnische Göttinnen bekamen nicht selten ein christliches Gewand. Und Stätten, an denen Göttinnen verehrt wurden, wurden in Orte der Verehrung Mariae verwandelt.

 

Im legendären Pantheon zu Rom wurde im ersten vorchristlichen Jahrhundert die Göttin Kybele verehrt.

Kaiser Phakos schenkte das alte Heiligtum anno 608 dem Papst Bonifatius IV., der wiederum übertrug es schon ein Jahr später der Jungfrau Maria. Und wo heute Christen im Petersdom Maria um Fürsprache bitten, just da wurde einst der Großen Muttergöttin Kybele geopfert.

 

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Maria von Guadalupe hatte eine Göttin als Vorgängerin

 

Noch ein Beispiel aus europäischen Gefilden! Erice, Sizilien, ist heute ein Wallfahrtsort für Katholiken. In der »Cattedrale di Santa Maria dell’Assunta« beten sie zu Maria. Wo der Himmelfahrt Marias gedacht wird, just da stand einst ein Tempel der Göttin, die im Verlauf der Jahrtausende immer wieder den Namen wechselte. So wurde Maria zur Nachfolgerin der Göttinnen Inanna, Aphrodite und Venus.

 

Im heutigen »Ville de Guadalupe«, unweit der Moloch-Metropole Mexiko City, strömen zu Beginn des dritten nachchristlichen Jahrtausends mehr Pilger als sonst wo auf unserem Planeten zur Anbetung der Maria zusammen. Sie glauben, dass sich hier die berühmte »Jungfrau von Guadalupe«, eine Maria mit deutlich indianischen Zügen, offenbarte. Der Ort eines ausgesprochenen Marien-Kults, der Jahr für Jahr Millionen von Pilgern anlockt, war zuvor den Anhängern der heidnischen Göttin Tonantzin heilig. Ihr Heiligtum soll erst von den spanischen Eroberern, manche bevorzugen Bezeichnungen wie Plünderer, Räuber und Mörder, niedergebrannt worden sein. Maria verdrängte Tonantzin von ihrem heiligen Hügel. (1)

Wie sich doch die Ehrennamen gleichen! Tonantzin, »unsere verehrte Mutter« oder auch »Göttermutter«, wurde ersetzt. Maria, die »Muttergottes« trat an ihre Stelle. Tonantzin galt als »Mutter aller Götter«, Maria ist für Katholiken wie Protestanten die »Gottesmutter«.

 

Besonders menschlich wird Maria im Dom zu Bremen dargestellt. Man sieht sie in uraltem Schnitzwerk ausgestreckt auf einer Liege von beachtlicher Größe ruhend. Mensch und Tier scheinen das friedliche Idyll zu genießen. Josef, nach christlicher Tradition schon älter, ist eingenickt. Maria beobachtet entspannt und doch aufmerksam, wie das Jesus-Baby in einem kleinen Zuber gebadet wird. Von wem? Von einem älteren Brüderchen?

Klaus-Rüdiger Mai bringt es in seinem vorzüglichen Werk »Die geheimen Religionen / Götter, Sterne und Ekstase« auf den Punkt (2): »Der Inbegriff des Christentums, die Theologie der Jungfrau Maria, ist im Grunde nicht christlichen Ursprungs, sondern eine Camouflage wesentlich älterer Kulte, nämlich der Kulte der Magna Mater, der Inanna, der Astarte, der Demeter, der Kybele oder Ceres, der großen … irdischen und unterirdischen Mutter- und Fruchtbarkeitsgottheiten der heidnischen Welt. … Die Person der Gottesmutter half dem Christentum dabei, eine Lücke zu schließen, indem sie dem Bedürfnis nach einer Muttergöttin, nach einer Fruchtbarkeitsgöttin, nach einer Frau, an die sich Frauen in Not wenden können, ein Ziel gab. Und so wurde die pagane (heidnische) Muttergöttin in Ephesos christlich getauft. Interessanterweise gibt es eine schwarze Figur der Artemis, wie im Christentum die Schwarzen Madonnen verehrt werden.«

 

Der Legende nach hatte Juan Diego vom 9. Bis 12. Dezember 1531 auf dem »Berg« – es ist eher ein Hügelchen – Tepeyac mehrere Erscheinungen der Jungfrau Maria. Präziser: Die Gottesmutter soll ihm leibhaftig begegnet sein. Maria, so wird überliefert, zeigte sich ihm als vornehme, liebenswert-freundliche Frau mit indianischen Zügen. Sie gab ihm den Auftrag, ihr am Erscheinungsort eine Kapelle errichten zu lassen. Der Bischof, der Franziskanerpater Juan de Zumárraga, war zunächst skeptisch und glaubte ihm nicht. Schließlich gelang es Juan Diego, den hohen Geistlichen zu überzeugen.

 

Kurzgefasst: Die Gottesmutter gab Juan Diego den Befehl, Blüten zu sammeln, von Blumen die zum Zeitpunkt der Erscheinung – Trockenzeit – noch gar nicht blühten. Juan Diego gehorchte, trug das Gewünschte in seinem Umhang zusammen und eilte zum Kirchenmann. Als er vor dem Geistlichen die Blüten auf den Boden schüttete, zeigte sich auf dem Umhang ein wunderschönes Bild der Maria von Guadalupe. Heute, fast ein halbes Jahrtausend nach der Begegnung auf dem Hügelchen, wird der Umhang mit dem wundersamen, weil unmöglichen Bild, von Millionen von Pilgern in der Basilika von Guadalupe bestaunt.

Dieses »Bild« ist seinem Wesen nach eher eine Fotografie, es ist nicht gemalt und niemand vermag zu sagen, wie es hergestellt wurde. Der Stoff der Tilma ist, das haben strenge wissenschaftliche Untersuchungen ergeben, tatsächlich rund 450 Jahre alt. Er stammt wirklich aus dem Jahr 1531. Das aber ist eigentlich eine Unmöglichkeit. Das Stoffgewebe wurde einst aus groben Agavefasern gewebt. Solcher Stoff hat eigentlich eine nur sehr begrenzte Lebenszeit, zerfällt gewöhnlich nach höchstens zwanzig Jahren. Wie konnte das Gewebe dann rund fünfhundert Jahre überdauern? Konservierungsstoffe wurden keine gefunden.

 

Rätselhaft ist nach wie vor auch das Bildnis selbst. Ein Gemälde ist es nicht, das ergaben Analysen von Professor Richard Kuhn, Nobelpreisträger aus Heidelberg. Nicht die kleinste Spur eines Pinselstrichs ist ausfindig zu machen. Farbe befindet sich weder oberflächlich auf, aber auch nicht in den Fasern. Verwirrend fiel das Ergebnis einer Untersuchung durch Spezialisten der Firma Kodak aus. Resultat: »Das Bild ist seinem Wesen nach eine Fotografie.« Damit wurde eine Entdeckung bestätigt, die der mexikanische Fotograf Alfonso Gonzales bereits 1929 gemacht hatte. Gonzales kam damals auch zu dem Schluss, dass sich irgendetwas in den Augen zwischen den teilweise geschlossenen Lidern widerspiegelt. Aber was?

Das fand der Augenarzt Dr. Jorge Escalante Padilla erst Jahrzehnte später heraus. Mit Hilfe von modernen Elektronikmikroskopen konnte er Winziges erkennbar machen. Dem verblüfften Wissenschaftler kam es so vor, als sei er mit Hilfe einer Zeitmaschine fast 500 Jahre in die Vergangenheit gereist. In den winzigen Pupillen ist eine anrührende Szene dargestellt. Dr. José Aste Tonsmann, Cornell-Universität, vergrößerte dieses unvorstellbar winzige Szenario auf das 2.000fache. Mit Hilfe verschiedener optischer Filter gelang es ihm, auch noch so unscheinbare Einzelheiten erkennbar zu machen.

 

Man bedenke: Das Bildnis von der Jungfrau von Guadalupe ist nur 152,24 Zentimeter groß. Die Pupillen sind also weit kleiner als Stecknadelköpfe. Und doch spiegeln sie ein Szenario wider, so als handele es sich um »richtige« Augen eines lebendigen Menschen, der etwas betrachtet. Was? Da ist ein älterer Mann im Profil zu sehen. Vermutlich handelt es sich um Bischof Zumarrage. Der ältere Herr spricht angeregt mit einer weiteren Person, wahrscheinlich handelt es sich um den Dolmetscher Gonzales. Am Boden schließlich hockt Juan Diego. Man sieht deutlich, dass er gerade seinen Umhang, Tilma genannt, ausbreitet. Weitere unbekannte Personen sind als Zeugen zugegen: eine indianisch wirkende Frau mit einem Baby auf dem Rücken, ein jüngerer Indio, bei dem es sich um den Mann der Frau handeln könnte und ein kleiner Junge, vielleicht ein Sohn der Eheleute.

 

Man mag zur Legende um die Maria von Guadalupe stehen wie man will. Fakt ist, dass das der grobe Stoff der Tilma bereits vor Jahrhunderten hätte zerfallen müssen. Fakt ist, dass das Bildnis selbst eine Unmöglichkeit ist. Niemand vermag zu sagen, wie es entstanden ist. Fakt ist, dass die winzigen Darstellungen in den Pupillen der Maria von Guadalupe noch unmöglicher sind als die Tilma selbst. Es dürfte eigentlich weder Tilma noch das Bildnis darauf geben.

Warum war Bischof Zumarrage zunächst Juan Diego gegenüber reserviert und ablehnend? Das ominöse Hügelchen der Marienerscheinung war in den Zeiten vor der mörderischen Eroberung durch die christlichen Spanier ein wichtiges Heiligtum einer weiblichen Gottheit. Hier wurde einst Göttin Tonantzin von den Azteken verehrt. Der heidnische Tempel war »natürlich« von den Spaniern zerstört worden. Wollte Juan Diegeo, so überlegte der Bischof, die alte Göttin im Gewand der Maria neu aufleben lassen? Der hochrangige christliche Kirchenmann fürchtete immer noch die heidnische Konkurrenz!

Die christliche Maria von Guadalupe ist eine ehrwürdige heidnische Göttin in neuem Gewand. Die Maria von Guadalupe hat zu Beginn des dritten nachchristlichen Jahrtausends immer noch die Züge einer heidnischen Göttin.

 

Erinnern wir uns an die Erkenntnisse der intensiven Recherchen von Klaus-Rüdiger Mai (3): »Der Inbegriff des Christentums, die Theologie der Jungfrau Maria, ist im Grunde nicht christlichen Ursprungs, sondern eine Camouflage wesentlich älterer Kulte, nämlich der Kulte der Magna Mater, der Inanna, der Astarte, der Demeter, der Kybele oder Ceres, der großen … irdischen und unterirdischen Mutter- und Fruchtbarkeitsgottheiten der heidnischen Welt.«

Ob altmexikanische Muttergöttin, ob Maria von Dietramszell im schönen Bayern: Keine sakrale Darstellung berührt Gläubige wie Ungläubige wie ein Bildnis oder eine Skulptur Marias.

 

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Maria mit Jesuskind, St. Leonard, Dietramszell;

Foto: Heidi Stahl

 

Fußnoten

 

(1) Bitte beachten Sie auch http://www.ein-buch-lesen.de/2010/12/das-wunder-von-guadalupe.html

(2) Mai, Klaus-Rüdiger: »Die geheimen Religionen/ Götter, Sterne und Ekstase«, Köln 2012, S. 124, untere Hälfte der Seite

(3) ebenda

 

 

3. Die Schlangenzertreterin

 

Die heidnische Vorgängerin der Maria von Guadalupe war die Göttin Tonantzin der Azteken. Tonantzin trug den Beinamen »Unsere Heilige Mutter«. Maria von Guadalupe wird auch heute noch in der Nahuatl-Sprache »Tonantzin« genannt. Professor Sandstrom weist darauf hin, dass viele Nachkommen der Azteken Maria von Guadalupe für die zurückkehrende Tonantzin gehalten haben.

Tonatiuh war ein Sonnengott der Azteken, seine Mutter war Tonantzin. Ihr wurden keine blutigen Tieropfer, sondern Blumen und Früchte dargeboten. Eine gravierende Änderung hat es aber gegeben! Die aztekische Gottheit Tonantzin wurde als Göttin der Fruchtbarkeit verehrt, sie wurde als »Schlangen-Erd-Gottheit« bezeichnet.

Auch Göttin Chalchiuhtlicue hatte mütterliche Aspekte. Neben Aufgaben, die sie als Wassergöttin zu erledigen hatte, war Chalchiuhtlicue auch noch für die Geburten und Frauen im Kindbett zuständig.

 

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Die roboterhafte Göttin Chalchiuhtlicue

 

Der christlichen Maria aber wurde das Attribut der »Schlangenzertreterin« beigeordnet. Aus der positiv bewerteten Schlange wurde das böse Reptil der Sünde. Interessant ist, dass die Gottesmutter als »Schlangenzertreterin« tituliert wird, während doch im Christentum Jesus als der Sohn Gottes beschrieben wird, der der Schlange (dem Teufel) den Kopf zermalmt. Eine schöne »Schlangenzertreterin« gibt es in der Stadt der Osterräder, in Lügde. Barfuß zerquetscht die Lügder Maria der Schlange den Kopf.

 

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Die Maria der Lügder Stadtkirche …

 

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… steht auf der Mondsichel

 

Bleiben wir beim Alten Testament. Da gibt es ein pikantes Detail: Göttin Eurynome schwebte über dem Wasser, so wie dies der »Geist Gottes« gleich zu Beginn des ersten Buches Mose tut (1). Im hebräischen Text steht für »Geist Gottes« ruach. Ruach ist eindeutig weiblich. Als Eurynome über dem Wasser flog, hatte sie die Gestalt einer Taube, genau wie der weibliche (!) »Heilige Geist« Gottes, als er vom Himmel herabstieg, um sich auf Jesus zu legen. Im weiblichen »Geist Gottes«, also im »Heiligen Geist«, lebt die Erinnerung an die Schöpfergöttin Eurynome weiter.

 

Zu Beginn des dritten Jahrtausends nach Christus wird im Volksglauben zusehends der »Heilige Geist« von Maria, der Mutter Jesu, verdrängt. Maria trägt inzwischen den Ehrentitel »Regina Caeli«, »Himmelskönigin«. Der Glaube an die »Himmelskönigin« ist allerdings weit älter als das Christentum!

Die Ostkirche zelebrierte bereits im fünften Jahrhundert nach Christus die leibliche Aufnahme der Mutter Jesu in den Himmel. Vermutlich schloss sich die Westkirche im siebten Jahrhundert an und feierte ebenfalls am 15. August die Himmelfahrt Marias. Seit vielen Jahrhunderten wird Maria als »Himmelskönigin« angebetet... so wie Jahrtausende zuvor die babylonische Ischtar, die mit der sumerischen Inanna identisch war. Ischtar alias Inanna wurde als die mächtigste und wichtigste Göttin angesehen. Sie schenkte der Erde die Fruchtbarkeit. Sie war für das Gedeihen der Pflanzen ebenso wie der Tiere zuständig... und für den menschlichen Nachwuchs.

Der Ursprung dieser Göttin liegt wohl in frühesten mythischen Zeiten, als der höchsten Gottheit männliche und weibliche Eigenschaften zugesprochen wurden. Immer wieder begegnet uns der »Drachen«, der ja eigentlich die göttliche Schlange war... seit uralten Zeiten. Mythenspezialist Dr. phil. Andreas Gößling, studierter Literaturwissenschaftler und Autor eines Buches über »Drachen«, sieht die Schlange als zentrale Gestalt der vorbiblischen Glaubenswelt (2): »Sie (die Schlange) ist das älteste Symbol und Geisttier der matriarchalen Großen Göttin vieler Kulturen. Die Schlange steht für den Anbeginn der Schöpfung, als die Kreaturen noch nicht in männlich und weiblich geschieden waren. Später wurden die von der Schlange repräsentierten Attribute der matriarchalen Göttin (Heilkraft, Fruchtbarkeit, Wandelbarkeit) teils dämonisiert (etwa im Schlangenhaar der schrecklichen Medusa), teils in den männlichen Götterhimmel integriert (Schlangenstab des Heilgottes Äskulap).«

Als »Morgenstern« verband man die Göttin mit der Sonne (männlich), als »Abendstern« mit der Venus (weiblich). Maria, die Himmelskönigin des Christentums, wird seit vielen Jahrhunderten oft zusammen mit der Mondsichel dargestellt. Salomo, der Weise aus der Bibel, verehrte verbotener Weise die Göttin. Als »Himmelskönigin« Maria darf sie auch heute noch offiziell verehrt, im Gebet angerufen werden.

Offenbar war die Sehnsucht der Gläubigen nach einer Göttin bei den frühen Christen so groß, dass sie nach einem erlaubten »Ersatz« für verbotene »heidnische« Göttinnen suchten. Und auch nach fast zwei Jahrtausenden männlich dominierter Kirche bleibt die »Himmelskönigin« im christlichen Gewand mächtig. So wurde zwar die Göttin von einst zum Teufel gemacht, aber ihm Marienkult kehrt die Göttin wieder.

Die offizielle christliche Theologie bekämpfte den uralten Glauben an die Himmelskönigin. Der Volksglauben aber mochte nicht auf die große Himmlische verzichten. So wurde, nachdem die einstige Göttin Eva erniedrigt worden war, Maria in den Himmel gehoben. Spätestens seit dem 6. Jahrhundert lässt sich eine angebliche »Himmelfahrt Marias«, für die es keinen biblischen Beleg gibt, im christlichen Brauchtum nachweisen. Erst 1950 erklärte Papst Pius XII. Mariens Himmelfahrt für die römisch-katholische Kirche zum Dogma. Vier Jahre später ging der »Heilige Vater« einen Schritt weiter. Am 11. Oktober 1954 führte Papst Pius XII. per Enzyklika »Ad coeli reginam« (zu Deutsch »Über die Königin des Himmels«) einen neuen Gedenktag ein: »Maria, Königin des Himmels«. Am 31. Mai konnte die gesamte katholische Glaubenswelt auf päpstliche Anordnung wieder eine »Himmelskönigin« verehren. Fünfzehn Jahre später wurde das Fest auf den 22. August verlegt.

Papst Pius XII. erhob Jesu Mutter nicht nur in den Stand einer Himmelskönigin. Er machte sie, ohne dass es dafür auch nur die Spur eines Hinweises in der Bibel gibt, zur »Miterlöserin«. Aus streng katholischer Sicht ist diese »Beförderung« Mariens allerdings ketzerisch, soll doch Jesus allein der Erlöser sein, nun bekommt er aber eine »Miterlöserin« zur Seite gestellt. Daran lässt »Ad coeli reginam« keinen Zweifel aufkommen (3):

»Es ist sicher, dass Jesus Christus als alleiniger Gott und Mensch im vollen, eigentlichen und absoluten Sinn König ist; dennoch nimmt auch Maria an seiner königlichen Würde teil, obschon in einer begrenzten und analogen Weise, da sie die Mutter Christi ist, der Gott ist, und weil sie als Miterlöserin dem Werke des göttlichen Erlösers beigegeben ist in seinem Kampf gegen die Feinde und in seinem Triumph, den er über sie alle davontrug.«

 

Man mag über die päpstliche Enzyklika und ihren tieferen Sinn diskutieren wie man will. Aber es ist unbestreitbar, dass in »Ad coeli reginam« Maria zur »Miterlöserin« und »Himmelskönigin« erklärt wird. So heißt es auch im »Katechismus der katholischen Kirche« (4): »Schließlich wurde die unbefleckte Jungfrau, von jedem Makel der Erbsünde bewahrt, nach Vollendung des irdischen Lebenslaufs mit Leib und Seele in die himmlische Herrlichkeit aufgenommen und als Königin des Alls vom Herrn erhöht, um vollkommen ihrem Sohn gleichgestaltet zu sein.«

Es kann eigentlich keinen Zweifel geben: Papst Pius XII. erklärte im Herbst 1954 ganz offiziell Maria, Jesu Mutter, zur Miterlöserin und erhob sie damit in göttlichen Status. Den Terminus der »Miterlöserin« verwendeten auch die Päpste Pius XI. (verstorben 1939), Paul VI. (verstorben1978) und Johannes Paul II. (verstorben 2005). Schon unzählige Theologen haben in den vergangenen Jahrzehnten gefordert, Maria endlich mit einem offiziellen Dogma quasi ganz offen und kirchenamtlich zur »Miterlöserin« zu machen.

 

Am 11. Oktober 1962 eröffnete Papst Johannes XXIII. das Zweite Vaticanum in Rom. Das Konzil wurde nach dem Tode von Johannes XXIII. von Papst Paul VI. fortgeführt und am 8.Dezember 1965 nach vier Sitzungsperioden und der Bekanntmachung von sechzehn Dekreten und Konstitutionen geschlossen. Zur großen Enttäuschung Hunderter von hochrangigen Würdenträgern wurde kein neues Dogma von der »Miterlöserin Maria« verkündet. Dabei wurden von hoher theologischer Seite immer wieder entsprechende Schritte unternommen. Aber aus Rücksicht auf die protestantischen Glaubensbrüder kam es nicht zum Marien-Dogma. Im Vatikan setzte sich die Ansicht durch, eine Gleichstellung Marias mit dem göttlichen Jesus bedeute eine Vergöttlichung der Mutter Jesu.