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Nr. 3074

 

Der imaginäre Imperator

 

Sie stoßen nach Arkon V vor – es ist ein Akt der Verzweiflung

 

Uwe Anton

 

 

 

PERRY RHODAN KG, Rastatt

 

Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

1. Arkonidische Zurückhaltung

2. Terranische Einsatzfreude

3. Unbekannte Umgebung

4. Bekannte Muster

5. Der gefährliche Genuss von Smöcklaaf

6. Ungewöhnliche Ermittlungen

7. Aufschlag da Hozarius

8. Spiel, Satz und Sieg

9. In die Boote!

10. Treiben im All

Journal

Leserkontaktseite

Glossar

Impressum

PERRY RHODAN – die Serie

 

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Mehr als 3000 Jahre in der Zukunft: Längst verstehen sich die Menschen als Terraner, die ihre Erde und das Sonnensystem hinter sich gelassen haben. In der Unendlichkeit des Alls treffen sie auf Außerirdische aller Art. Ihre Nachkommen haben Tausende Welten besiedelt, zahlreiche Raumschiffe fliegen bis zu den entlegensten Sternen.

Perry Rhodan ist der Mensch, der von Anfang an mit den Erdbewohnern ins All vorgestoßen ist. Nun steht er vor seiner vielleicht größten Herausforderung: Er wurde vorwärts durch die Zeit katapultiert und findet sich in einem Umfeld, das nicht nur Terra vergessen zu haben scheint, sondern in dem eine sogenannte Datensintflut fast alle historischen Dokumente entwertet hat.

Nachdem er in der fernen Galaxis Ancaisin einen Weg fand, die sogenannte Zerozone zu betreten und womöglich eine Fährte Terras zu finden, begibt sich sein Raumschiff RAS TSCHUBAI ohne ihn auf den weiten Rückweg in die Milchstraße. Mit sich nimmt die Besatzung die Erkenntnis, dass die Cairaner, die sich als Herrscher der Heimatgalaxis aufspielen, nichts anderes sind als Flüchtlinge vor einer weitaus schrecklicheren Gefahr: den Phersunen und ihrer Schutzmacht, der »Kandidatin Phaatom«.

In der Milchstraße spielt sich derweil eine entsetzliche Tragödie ab: Bei dem Versuch, Atlans Enkelin zu befreien, wird der Mausbiber Gucky ermordet. Davon allerdings ahnen die Arkoniden, die für Atlan die Stellung halten, nichts. Sie starten eine Erkundungsmission – und ihnen begegnet DER IMAGINÄRE IMPERATOR ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Dancer – Die Ex-Kopfgeldjägerin begibt sich auf eine Mission.

Schlafner – Dancers Bruder nimmt es mit den Naats auf.

Der TARA-Psi – Der geheimnisvolle Roboter ist mehr als nur Kampfmaschine und Transportmittel.

Hozarius – Die Vielfalt des Einen führt viele eigene Kämpfe.

Aus dem Pranaat: Der Pra über die geleugneten Welten

Du fragst: ob Naat existiert hat?

Ja. Denn es wird geleugnet.

Du fragst: ob Arkon existiert hat?

Ja. Denn es wird geleugnet.

Du fragst: ob Terraluna existiert hat?

Ja. Denn es wird geleugnet.

Geleugnet wird nur, was ist. Vergessen sollen wir, was wir sind.

Aber alle, die verloren haben, gehen auf die Suche.

Und finden, wenn sie ihre Vergangenheit suchen, sich selbst.

 

 

1.

Arkonidische Zurückhaltung

18. Juni 2046 NGZ

 

»Nicht angreifen!«, befahl Markul agh Fermi ruhig. »Wir bleiben weiterhin in Sonnennähe! Sie wissen, dass wir da sind und sollen merken, dass wir nicht die Aggressoren sind.«

Mava da Valgathan, die Kommandantin der TARTS, bestätigte seine Anweisung mit einem Handzeichen.

Einer Sonne in nächster Nähe zur Bleisphäre, dachte der Oberbefehlshaber der arkonidischen Einheiten, die dieses kosmische Phänomen beobachteten, das aus dem Arkonsystem geworden war. Eine von weit über 100.000 Sonnen, von denen keine einzige Arkon gleichkommt.

Mit zusammengekniffenen Augen beobachtete agh Fermi das Ortungsholo. Vor zehn Sekunden waren fast 200 Ladhonenraumer und 21 Schiffe der Naats bei der Bleisphäre eingetroffen, eiförmige Einheiten mit einem Ringwulst um die dickste Stelle.

Die Schiffe der Ladhonen, Doppelkeile, die am breiteren Heck miteinander verbunden waren, eskortierten die eiförmigen Schiffe der Naats offensichtlich. Diese setzten den Flug unbeeindruckt fort.

20 Naatraumer waren 1500-Meter-Schiffe der KUTTBAYAR-Klasse, das zuletzt erschienene allerdings erregte die Aufmerksamkeit nicht nur der Kommandantin. Der De-Keon'athor Markul agh Fermi, der sich als aktueller Oberbefehlshaber der arkonidischen Einheiten an Bord befand, beugte sich interessiert vor.

Dieses Schiff war eine kleinere Einheit, ein 1000-Meter-Raumer der BUCHANDHA-Klasse. Ungewöhnlich an ihm war, dass es mit zahlreichen Aufbauten versehen war, über deren Sinn und Zweck agh Fermi ohne weitere Informationen nicht einmal Mutmaßungen anstellen konnte.

Kaum war der Raumer im Normalraum materialisiert, schickte er eine Vielzahl an Funksprüchen hinaus.

»Wir haben mittlerweile den Hyperfunkcode entschlüsselt, den die Naats im Kontakt mit den Ladhonen nutzen«, meldete die Kommandantin. »Das Schiff hat sich als die BAILNOOD identifiziert.«

Markul agh Fermi warf einen kurzen Blick auf seinen Multikom. Die Namen der Schiffsklassen musste er nicht abrufen, Buchanda und Kuttbayar waren die Bezeichnungen für den vierten und fünften Planeten des Naatsystems, des Zentrums der Naat-Föderation. Deren Hauptwelt war Naatsdraan, der siebente der 23 Planeten des Systems.

BAILNOOD sagte ihm allerdings nichts.

Die Positronik half ihm weiter. Bailnood war im 16. Jahrhundert NGZ ein Naat-Monitor gewesen, ein Regierungsmitglied der Naat-Föderation.

»Sieh an, sieh an«, murmelte er leise. »Unsere ehemaligen treuen Soldaten und Arbeitskräfte entwickeln so etwas wie ein Geschichtsbewusstsein.«

Mava da Valgathan räusperte sich leise. »Wir haben sie schon vor langer Zeit aus unseren Diensten entlassen.«

»Entlassen müssen.«

Die Kommandantin fuhr sich mit einer Hand durch das weißgraue Haar, das sie kurz geschnitten trug. »Nachdem wir mehrere Revolten der Naats blutig niedergeschlagen und weitere Proteste unterdrückt hatten«, vermerkte sie mit einem Anflug von Trotz, der ihr eigentlich nicht zustand.

»Was sonst? Uns blieb keine andere Möglichkeit.« Der De-Keon'athor ging nicht weiter auf den Einwand ein. »Stell eine Hyperfunk-Verbindung mit dem Thantur-Baron her. Falls wir angreifen sollen, möchte ich den Befehl dafür von höchster Stelle erhalten.«

Die Kommandantin gab die Anweisung weiter.

Markul agh Fermi lächelte unmerklich. Er duldete diese Wortgefechte nicht nur, er genoss sie. Sie hielt ihn für einen ausgesprochenen Hardliner, der bedauerte, dass man die drei Meter großen, fülligen Wesen mit den kurzen Säulenbeinen, den langen Armen und dem großen, haarlosen Kugelkopf vor gut 3000 Jahren in die Freiheit hatte entlassen müssen, und er berichtigte ihre Auffassung nicht. Es bereitete ihm zu großes Vergnügen, sie immer wieder herauszufordern und in Diskussionen zu verwickeln.

Irgendwann würde sie ihn durchschauen, doch er hoffte, dass das noch eine Weile auf sich warten ließe.

Absichern musste er sich in so einer angespannten Situation aber tatsächlich. Die allgemeine Lage im näheren Umfeld der Bleisphäre spitzte sich fortlaufend zu. Das System war immer noch unzugänglich. Optisch erschien es wie ein abgrundtiefes, aber undurchdringliches silbrig-bleigraues Wabern. Das insgesamt diskusförmige Phänomen umschloss das komplette Arkonsystem bis zu den äußersten Planetenbahnen. Der Diskus durchmaß demzufolge etwa 35 Milliarden Kilometer, war aber mit 137 Millionen Kilometern Dicke relativ flach. Die Oortsche Wolke des Systems blieb außen vor.

Auf einigen Stationen am Rand der Bleisphäre lebten ein paar Tausend Galaktiker, darunter nicht wenige, für die das System eine beinahe religiöse Bedeutung hatte, auch wenn sie andere Begriffe benutzten, um ihre Auffassung von der Sphäre zu beschreiben. Für sie war dieses unmessbare, unerforschliche System der Beweis dafür, dass es Dinge gab, die den Verstand und seine begrifflichen Möglichkeiten weit überstiegen. Sie bezeichneten das System als Transzendente Signatur, wollten damit ausdrücken, dass die Transzendenz diesen Ort transrational signiert hatte. Sich selbst sahen sie als Signaturbewahrer oder Signaten.

Ohr VII, das siebente und neueste Habitat der Signaten, schien ein perfekter Ausdruck dieser Auffassung zu sein. Es wirkte mit seiner transparenten Hülle und den edelsteinartigen, hellroten Verstrebungen geradezu überirdisch.

Lehrmeister, spiritueller Führer und Sprecher der Signaten war der Terraner Olem Osborg, über den nur wenig bekannt war. Er nannte sich Oberster Signatur-Interpret und wurde als faszinierender Typ beschrieben, als ein Menschenfänger erster Güte. Markul agh Fermi ging jedoch davon aus, dass bei ihm schon eine Legendenbildung eingesetzt hatte. Wahrscheinlich kochte selbst Osborg wie alle anderen nur mit Wasser.

Der unsterbliche Mascant Atlan war zwar schon zu den Signaten vorgedrungen, Olem Osborg aber nicht persönlich begegnet. Er hatte es hauptsächlich mit dem Signaturstreiter Laetitio Goshin zu tun bekommen, der bei einem sogenannten Aufblitzen kurze Blicke in die Zukunft werfen konnte.

Markul agh Fermi schaute kurz auf die Messdaten der Bleisphäre, die permanent auf Holos eingespielt wurden. Sie lieferten überwiegend chaotische und widersprüchliche Werte. Manchmal zeigten sie nichts an, als wäre das System gar nicht vorhanden oder ortungstransparent. Manchmal hatte der Arkonide den Eindruck, die Bleisphäre würde sich von der Realität abwenden.

Allerdings wechselten sich diese wirklichkeitsabgewandten und chaotisch messbaren Phasen ab. Dafür gab es keine exakten und verlässlichen Vorhersagen. Die Wissenschaftler vor Ort hatten dafür den Ausdruck Realitätsgezeiten geprägt. Da in der Phase der De-Realisierung oder Realitätsabwendung im Umfeld der Bleisphäre der Halbraum verzerrt war, verboten sich während dieses Zeitraums Linearflüge. Transitionen verliefen dagegen komplikationsfrei. Doch auch während der Realisationsphasen waren Raumschiffe bei dem Versuch, die Bleisphäre im Hypersprung zu durchqueren, schon deformiert worden oder völlig verschwunden.

Markul agh Fermi teilte keineswegs die Überzeugung Atlans, dass das Arkonsystem in seiner neuen Form das Erbe mindestens der Arkoniden, vielleicht aber auch aller galaktischen Völker war. Und dass dieses verwandelte, de-realisierte, unkalkulierbare System eines Tages eine entscheidende Rolle in der Geschichte der Milchstraße spielen könnte.

Er misstraute dem, was geschah, weil er es nicht einordnen konnte. Und damit war er beileibe nicht der Einzige.

Die 50.000 in Thantur-Lok stationierten EPPRIK-Raumer des Ewigen Imperiums hatten sich an die Peripherie des Kugelsternhaufens zurückgezogen. Und sie wurden immer weniger.

Natürlich hatten die Vereinigten Baronien angefragt, warum und wohin die Einheiten abgezogen wurden. Sie hatten aber keine Antwort erhalten.

Misstraute Tormanac da Hozarius dem Geschehen ebenfalls? Und welche Rolle spielte er selbst dabei, der Herrscher des Ewigen Imperiums?

Der amtierende Oberbefehlshaber der Baronien konzentrierte sich wieder auf all diese neuen Schiffe, die soeben eingetroffen waren.

200 Ladhonenraumer waren eine beträchtliche Streitmacht, gegen die die TARTS ohne Unterstützung nicht das Geringste ausrichten konnte, auch wenn sie sich als arkonidisches Ultraschlachtschiff der GAUMAROL-Klasse mit einem Kugeldurchmesser von 1800 Metern und ihrer Gesamthöhe von 2200 Metern vor keinem einzelnen Gegner verstecken musste.

Was geht also vor im Ewigen Imperium?, fragte sich agh Fermi.

Seit geraumer Zeit, seit dem 31. Mai, stellten die Ladhonen ihre Flotte und die der Naats strategisch um. Sie schützten nun überwiegend die insgesamt sechs akonischen Etappenhöfe, die von den Cairanern requiriert und von den Ladhonen zur Bleisphäre transportiert und dort positioniert worden waren. Je einen hatten sie ober- und unterhalb der diskusförmigen Bleisphäre postiert, während die vier weiteren in deren Grundebene die Ecken eines Quadrats besetzen. Die Kämpfe dort waren auf ein Minimum zurückgegangen, während es andernorts zu Scharmützeln und taktischem Rochieren kam.

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Illustration: Swen Papenbrock

Die Chefin der Abteilung Funk und Ortung gab Markul agh Fermi ein Zeichen. Er nickte knapp.

»Der Thantur-Baron bedauert«, meldete die Frau, »aber Larsav da Ariga kann aufgrund wichtiger Termine die Anfrage des De-Keon'athors im Augenblick nicht beantworten. Er ist jedoch davon überzeugt, dass der Oberbefehlshaber auch allein die richtige Entscheidung treffen wird.«

Der De-Keon'athor ... im Augenblick war er in der Tat der höchstrangige Arkonide in Thantur Lok. Atlan, dem Larsav da Ariga im März den Titel des Mascanten verliehen hatte, den höchsten Admiralsrang der Arkoniden, den des Reichsadmirals, hatte den Kugelsternhaufen am 1. Juni 2046 NGZ verlassen, um sich um die Kristallprinzessin Jasmyne da Ariga zu kümmern. Seitdem gab es keine Nachricht mehr von ihm.

Die Kommandantin sah ihn neugierig an.

Wahrscheinlich fragt sie sich, wieso ich Rücksprache mit dem Thantur-Baron halten wollte, dachte er.

Er würde es ihr nicht auf die Nase binden. Er hielt sich für einen loyalen Diener der Kristallbaronien, wenngleich er auf seiner neuen Position noch ziemlich unerfahren war. Und bloßer Kadavergehorsam lag ihm nicht; er versuchte stets, klug und reflektiert zu handeln. Da lag er auf einer Wellenlinie mit der Kommandantin.

Aber als De-Keon'athor musste er ihr seine Gründe nicht erläutern. Daran musste er sich erst einmal gewöhnen.

Er ahnte, welche Gedanken ihr durch den Kopf gingen. »Fragst du dich, ob ich aus einem bestimmten Grund Kontakt mit dem Thantur-Baron aufnehmen wollte und diese Anfrage nur vorgeschoben habe?«, sagte er mit entwaffnender Offenheit.

»Man macht sich seine Gedanken«, erwiderte sie genauso offen. »Aber es kann nichts Wichtiges gewesen sein, sonst hätte das Gespräch Priorität gehabt, und der Thantur-Baron hätte es auf jeden Fall entgegengenommen. Oder handelte es sich dabei um eine Art Code? Hast du dem Baron allein mit dieser angeblichen Anfrage etwas Bestimmtes mitgeteilt?«

Der De-Keon'athor sah sie leicht amüsiert an. Er hatte ihr den kleinen Finger gereicht, und sie hatte nach der ganzen Hand gegriffen. »Dann müssen wir das eben unter uns klären. Sollen wir angreifen?«

Mava da Valgathan überlegte kurz. »Willst du mich auf die Probe stellen?«

Er antwortete nicht.

Sein Verhältnis zu den Naats war nachhaltig getrübt worden, seit er in ihre Gefangenschaft geraten war.

Aber er sprach nicht darüber, verriet keine Einzelheiten über seine Zeit unter den lederhäutigen Kolossen.

Und der Kommandantin schon gar nicht.

»Da immer wieder einzelne Einheiten der Naats und Ladhonen ausgetauscht worden sind, sehe ich keinen konkreten Grund für einen Angriff«, fasste sie ihre Gedanken zusammen. »Ich würde abwarten.«

»Und die typische arkonidische Zurückhaltung walten lassen. Ich stimme dir zu, zumindest, bis weitere strategische Analysen über die Absichten der Ladhonen vorliegen.«

Er spielte darauf an, dass mit dem Beginn der Umgruppierung offenbar Arbeiten an den Etappenhöfen einhergegangen waren, an denen vereinzelt sogar Shenpadri beteiligt gewesen waren. Um welche konkreten Arbeiten es sich handelte, hatten sie nicht herausfinden können, doch die bisherigen strategischen Analysen gingen davon aus, dass diese Aktivitäten wohl nicht gegen die Baronien und die Flotte der Arkoniden gerichtet waren, sondern auf das Innere der Bleisphäre.

Entsprechend hatte er seine Schiffe in lockerer Verbandsformation rund um die Bleisphäre und im Ortungsschatten benachbarter Systeme stationiert.

Mikay ta-Las-Toór, der Botschafter der Akonischen Räterepublik und der Lemurischen Allianz in Personalunion, hatte entschieden, diese Operationen nicht zu unterbinden. Die Akonen wollten die Höfe nicht gefährden. Das Risiko, dass sie bei einem Angriff vernichtet werden könnten, war ihnen zu groß, auch wenn sie ihnen längst nicht mehr gehörten.

»Haben wir Nachricht von unseren Agenten?«, fragte er. Der Geheimdienst der Baronien hatte einige Spitzel bei den Naats eingeschleust. Eigentlich müssten ihre Meldungen direkt an ihn gehen, doch sie konnten nicht agieren, wie es ihnen beliebte. Sie konnten durchaus gezwungen sein, ihre Nachrichten auf unkonventionellen oder Umwegen weiterzuleiten.

Der Auftrag der Agenten war klar umrissen. Die Herrscher der arkonidischen Sternenbaronien hofften, mehr über die Forschungen der Naats, Ladhonen und Shenpadri zu erfahren. Vor allem: Was erkundeten ihre Gegenspieler an der Bleisphäre?

Die Kommandantin schüttelte bedauernd den Kopf. »Nein. Sie haben bislang keinen Kontakt mit uns aufnehmen können. Wahrscheinlich hat sich keine Gelegenheit ergeben, oder sie sind enttarnt worden.«

Wieder meldete sich die Funkchefin. »Wir haben den chiffrierten Botschaften entnehmen können, dass sich an Bord der BAILNOOD auch etliche Báalols befinden. Ihre Sprecherin ist eine gewisse Simisvare Kaáta.«

Der De-Keon'athor zog die Brauen hoch. »Interessant. Dort geschieht in der Tat etwas Wichtiges. Hat Atlan nicht angedeutet, dass die Báalols von manchen Cairanern als das nächste Volk angesehen würden?«

»Leider ist nicht ganz klar, was genau das zu bedeuten hat. Wir sind auf Vermutungen angewiesen und können nur spekulieren.«

Markul agh Fermis Armbandkom summte; dem hohen Ton zufolge handelte es sich um ein Dringlichkeitsgespräch. Er nahm es entgegen und lauschte kurz. Ein Akustikfeld verhinderte, dass andere Personen mithören konnten.

»Sollen kommen«, sagte er knapp, beendete die Verbindung wieder und sah die Kommandantin an. »Die terranische Parabegabte Dancer ersucht um ein Gespräch«, sagte er. »Wahrscheinlich wird sie mit ihren Begleitern hier erscheinen.«

Dancer und Schlafner waren ebenso wie der TARA-Psi, der sie begleitete, auf Anraten und Bitte Atlans auf der TARTS geblieben, um Markul agh Fermi und seine Mission zu unterstützen. Bislang war ihr Eingreifen allerdings nicht nötig gewesen. Gleichwohl sah der Dreisonnenträger sich aus reinem Respekt Atlan gegenüber genötigt, sie über alle Entwicklungen auf dem Laufenden zu halten. Sie waren also über das Erscheinen der neuen feindlichen Einheiten informiert.

Er sollte mit seiner Ahnung recht behalten. Das Schott öffnete sich geräuschlos, und die beiden Parabegabten betraten die Zentrale. Der TARA-Psi folgte ihnen schwebend in wenigen Metern Abstand. Der Oberbefehlshaber hatte sich öfter gefragt, warum er nicht von ihrer Seite wich, bis Atlan ihn insgeheim über die wahre Natur des Roboters informiert hatte.

Markul agh Fermi öffnete den Mund – und schloss ihn sofort wieder. Ihm hatte eine unpassende, spitzfindige Bemerkung über die Terraner auf der Zunge gelegen, aber er hatte sie im letzten Moment wieder heruntergeschluckt. »Was kann ich für euch tun?«, fragte er.

»Es sieht eher so aus«, antwortete Dancer mit der etwas zu lang geratenen Nase, »dass wir etwas für euch tun können.«

»Was genau soll das heißen?«

»Wir bieten dir an, in den Einsatz zu gehen«, erläuterte nun Schlafner, »um mehr über die Absichten der Naats und Ladhonen zu erfahren.«

2.

Terranische Einsatzfreude

 

»Und was genau schwebt euch vor?«, fragte der De-Keon'athor.

»Es muss uns irgendwie gelingen, hinter die feindlichen Linien und unerkannt an Bord eines Naatraumers zu gelangen.«

»Könnt ihr mit euren Fazialmasken mittlerweile vortäuschen, Naats zu sein?« Markul agh Fermi ließ den Blick spöttisch über die schlanken, durchtrainierten Körper der beiden ehemaligen Kopfgeldjäger gleiten. »Da müsst ihr aber noch gewaltig an Pfunden zulegen.«

»Selbstverständlich nicht.« Schlafner blieb sachlich. »Wohl aber Báalols oder Maaliter. Es ist kein Problem, unsere Fazialmasken so zu programmieren, dass wir schokoladenfarbige Haut mit grünen Pigmentpunkten und kupferrotes Kraushaar haben.«

»Maaliter«, murmelte der De-Keon'athor versonnen. Das war ein Zweigvolk der Báalols, dessen Angehörige nicht so oft und nicht mit so starken Paragaben versehen waren.

»Gut«, fuhr Markul agh Fermi fort. »Wir wissen aufgrund des abgehörten Funkverkehrs, dass sich an Bord der BAILNOOD etliche Báalols befinden.«

»Und Maaliter«, sagte Schlafner. »Wir haben diese Funksprüche selbstverständlich ebenfalls ausgewertet. Wir könnten uns also unauffällig unter die Besatzung der BAILNOOD mischen.«

»Falls es euch irgendwie gelingt, unbemerkt auf das Schiff zu kommen. Ja, das wäre auch in meinem Sinne. Ich möchte herausfinden, was es mit der BAILNOOD, ihren ungewöhnlichen Aufbauten und der besonderen Besatzung auf sich hat. Aber wie wollt ihr das bewerkstelligen?«

»Wir sind für alle Vorschläge offen«, gab seine Zwillingsschwester zurück.

»Ich habe aber keine Vorschläge.«

»Es besteht die Möglichkeit, auf einem Gesteinsbrocken der Oortschen Wolke des Arkonsystems in die Nähe eines Naatraumers zu gelangen, wenn wir es schaffen, ihn als vagabundierenden Asteroiden auszugeben«, warf der TARA-Psi ein. »Den letzten Rest der Strecke könnte ich dann nacheinander mit Dancer und Schlafner teleportieren.«

Markul agh Fermi schüttelte den Kopf. »Heikel«, kommentierte er den Vorschlag und begründete seine Einschätzung sofort. »Theoretisch wäre es möglich, aber die Naats halten uns unter permanenter Beobachtung. Sie würden es mitbekommen, wenn wir einen Asteroiden unmittelbar unter ihren Augen präparieren.« Er rief einige Holodaten ab. »Es sei denn ...« Er brach ab und lächelte plötzlich.

»Ja?«, fragte Dancer.

»... wir tarnen, täuschen und tricksen in terranischer Manier. Habt ihr irgendwelche speziellen Anforderungen?«

»Nein«, sagte Dancer. »Wir können den aussuchen, der für unsere Zwecke am besten geeignet ist. Er muss nur groß genug sein. Und er muss so positioniert werden, dass der TARA-Psi von ihm aus problemlos die BAILNOOD erreichen kann. Die Reichweite seiner Teleportationen ist auf fünfhundert Kilometer begrenzt.«

»Sucht euch vier geeignete Kometen dieses Sonnensystems aus«, sagte der Befehlshaber. »Wir werden die Naats dadurch verwirren, dass wir drei mit großem Aufwand präparieren und als Beobachtungsposten stationieren. Das sollte sie beunruhigen und beschäftigen. Hauptsache, sie bemerken nicht, wie wir den letzten Asteroiden präparieren und in die Oortsche Wolke des Arkonsystems schmuggeln. Je früher ihr dann springt, desto besser.«

»Das sehe ich anders«, widersprach Dancer energisch. »Steigende Entfernungen korrespondieren mit erhöhtem Salkritverbrauch, dem teuersten und seltensten Schwingkristall der Galaxis. Das von dir angedachte Vorgehen ist völlig unmöglich, sowohl von der Salkritmenge als auch von den Kosten her. Wir müssen uns etwas anderes einfallen lassen.«

Der Mascant ignorierte den ungebührlichen Tonfall, den Dancer an den Tag legte. In der Sache hatte sie nicht ganz Unrecht. »Über die Kosten brauchst du dir keine Gedanken zu machen. Aber welche Lösung schwebt dir sonst vor?«

»Wir sammeln eines der kleinen naatschen Beiboote ein, die seit den Kämpfen mit da Nardonn mehr oder weniger zerstört durchs All treiben, manipulieren dessen Funkanlage, sodass es einen Funkspruch an die BAILNOOD absetzt, verbergen uns darin und warten, bis ein Beiboot der BAILNOOD eintrifft, um nach dem Rechten zu sehen. Dann teleportiert Sallu uns unbemerkt an Bord des Beiboots, das uns danach zum Mutterschiff bringen wird.«

»Eine Alternative wäre«, sagte Schlafner kalt, »dass wir beide uns in Leichen von Naats einnähen lassen. Groß genug dafür sind sie immerhin. Die Naats bergen die Leichen und bringen sie zur BAILNOOD. Bingo!«