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Sören Dressler

Effektives Vermögensmanagement

Mehr Wert für alle

Verlag W. Kohlhammer

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1. Auflage 2020

Alle Rechte vorbehalten

© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:

ISBN 978-3-17-037420-1

E-Book-Formate:

pdf:      ISBN 978-3-17-037421-8

epub:   ISBN 978-3-17-037422-5

mobi:   ISBN 978-3-17-037423-2

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Inhaltsverzeichnis

 

 

 

  1. Vorwort
  2. Abkürzungsverzeichnis
  3. 1 Was ist das Problem?
  4. 1.1 Kollaps des Generationenvertrags
  5. 1.2 K(l)eine Familien = kein Wachstum
  6. 1.3 Ist Vermögensaufbau überhaupt noch möglich und gewollt?
  7. 1.4 Die Gier des Menschen
  8. 1.5 Die Angst vor der Wirtschaft
  9. 2 Ist-Analyse
  10. 2.1 Staatliche Rentenversicherung
  11. 2.2 Sozial- und Pflegeversicherung
  12. 2.3 Das Spiel mit der Angst – warum wir hoffnungslos überversichert sind
  13. 2.4 Banken und Versicherungen – Angstmacher und Vertrauensheuchler
  14. 3 Soll-Konzept
  15. 3.1 Wem kann ich noch glauben?
  16. 3.2 Provisionen oder Honorare – wer berät besser?
  17. 3.3 Neuer Glaube an die Wirtschaft
  18. 3.4 Mehr Eigeninitiative – das Glück selbst in die Hand nehmen
  19. 4 Lösungsansätze – was sollte man jetzt konkret tun?
  20. 4.1 Wie baue ich Vermögen auf?
  21. 4.2 Warum sollte ich in Aktien investieren?
  22. 4.3 Geld verleihen an Staaten und Unternehmen – eine gute Idee?
  23. 4.4 Was verbirgt sich hinter Edelmetallen, Rohstoffen und Finanzderivaten?
  24. 4.5 Wie steht es um Haus und Hof – sollte man Immobilien besitzen?
  25. 4.6 Welche ausgefallenen Anlageformen gibt es noch?
  26. 5 Fazit, Fahrplan und Ausblick
  27. 5.1 Baustein 1: Die staatliche Rente
  28. 5.2 Baustein 2: Aktien, Aktienfonds und ETF
  29. 5.3 Baustein 3: Die selbstgenutzte Immobilie
  30. 5.4 Baustein 4: Sonstige Anlagen
  31. Literaturverzeichnis
  32. Die Website Fair-Value.org

Vorwort

 

 

 

Wieder ein Buch über das Geldanlegen mögen Sie denken. Gibt es da nicht schon hunderte oder gar tausende, die versuchen dem verwirrten Sparer einen Leitfaden an die Hand zu geben?

Mag sein, aber haben Sie schon mal genauer hingesehen, wer denn diese Bücher geschrieben hat und welches Interesse die Autoren haben? Insbesondere im Internet findet sich eine fast unüberschaubare Fülle an E-Books, Artikeln und Blogposts, die vermeintlich helfen sollen, im Geldanlage-Dschungel zurechtzukommen. Wir können alles lernen, vom Option Trading über Chartanalyse, dem Aufbau eines Immobilienportfolios bis hin zum besten Bitcoin-Investment. Und die Autoren? In den meisten Fällen sind es mittelbare oder unmittelbare Verkäufer dieser Anlageprodukte. Das spricht für sich.

Ich bin das nicht. Ich bin weder Anlageberater noch bin ich in irgendeiner Form von Provisionen aus Anlageprodukten abhängig. Ich bin Hochschullehrer an einer deutschen Hochschule und schon seit jeher auf einer Mission: der Vermittlung von Wissen. Das tue ich schon seit vielen Jahren mit großer Freude mit meinen Studierenden, nur beim Thema Geldanlage ist mir diese Reichweite nicht genug. Das Thema ist zu wichtig, zugleich wird auf diesem Feld zu viel Schindluder getrieben. Hier kann ich Wissen vermitteln, das wirklich hilft, unabhängig(er) zu entscheiden und Wohlstand aufzubauen. Deshalb dieses Buch!

Ich bin zwar Wissenschaftler, aber dieses Buch soll keine wissenschaftliche Abhandlung werden. Es soll verständlich bleiben und jeden erreichen können. Ich bin aber auch kein Journalist, deshalb möchte ich nicht nur Probleme aufzeigen und nörgeln, sondern Lösungen anbieten, mit denen wirklich jeder seine finanzielle Zukunft selbst in die Hand nehmen und mit realistischem Maß den für ihn angemessenen Wohlstand schaffen kann.

Das Buch ist für jeden gedacht, der für sich oder seine Familie etwas Vermögen aufbauen möchte und sich nicht nur tagein, tagaus im Hamsterrad abstrampeln möchte. Um in das Thema einzusteigen, sollte man schon etwas Zeit mitbringen und idealerweise auch die vielfältigen Videos und Berechnungen, die auf der Webseite www.fair-value.org angeboten werden, ansehen und nachvollziehen. Das Ziel ist es, dass jeder Leser in die Lage versetzt wird, seine eigenen Finanzen ganz nach den individuellen Vorstellungen zu optimieren. Der einfachen Lesbarkeit halber wird in dieser Publikation nur die männliche Form benutzt. Natürlich sind Anleger nicht nur Männer, Frauen sind häufig wesentlich erfolgreicher beim Vermögensmanagement. Deshalb sind selbstverständlich immer alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen.

Seien Sie recht herzlich willkommen!

 

Berlin, im Oktober 2019

Sören Dressler

Abkürzungsverzeichnis

 

 

 

AWD

Allgemeiner Wirtschaftsdienst

BaFin

Bundesanstalt für Finanzaufsicht

BRICS

Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika

CAGR

Compound Average Growth Rate

CFD

Contract for Difference

DAX

Deutscher Aktienindex, Kennzahl für die Wertentwicklung der 30 wichtigsten deutschen Aktien

DVB

Deutsche Vermögensberatung

ESMA

European Securities and Markets Authorities

ETF

Exchange Traded Fund

EU

Europäische Union

EUR

Euro

ForEx

Foreign Exchange

GAU

Größter anzunehmender Unfall

gr.

Gramm

HGB

Handelsgesetzbuch

IDD

Insurance Distribution Directive

IFRS

International Financial Reporting Standards

IHK

Industrie- und Handelskammer

IPO

Initial Public Offering

KBV

Kurs-Buch-Verhältnis

KGV

Kurs-Gewinn-Verhältnis

KIPP

Knowledge is Power Program

MSCI

Morgan Stanley Capital International

NASDAQ

National Association of Securities Dealers Automated Quoting-System

NYSE

New York Stock Exchange

MLP

Marschollek, Lautenschläger und Partner

OECD

Organisation for Economic Co-operation and Development

OPEC

Organization of the Petroleum Exporting Countries

P/E

Price-Earnings Ratio

P/B

Price-to-Book Ratio

ROCE

Return on Capital Employed (Rendite auf eingesetztes Kapital)

ROS

Return on Sales (Umsatzrendite)

S&P

Standard & Poors (Ratingagentur)

TSR

Total Shareholder Return

USD

US-Dollar

1          Was ist das Problem?

 

 

 

Wieso machen wir uns eigentlich über das Geldanlegen Gedanken und leben nicht mit unseren, woher auch immer kommenden Einkünften lustig in den Tag hinein? Manchen Volksgruppen wird ja nachgesagt, dass sie eigentlich erst dann wieder an das Arbeiten denken, wenn das Geld verbraucht ist und neue Einkünfte zum Bestreiten des Lebensunterhalts beschafft werden müssen. Für wieder andere reichen die aktuellen Einkünfte gerade aus, um sich über Wasser zu halten, an aktives Sparen können viele gar nicht denken, sie rackern sich im Hamsterrad ab und freuen sich am Monatsende über die schwarze Null auf dem Konto. Im krassen Gegensatz dazu gönnen sich manche Menschen, obwohl sie über ein einigermaßen vernünftiges Einkommen verfügen, kaum etwas mehr an Lebensqualität und legen jeden Cent nahezu sklavisch für später beiseite – manchmal mit einem sehr konkreten Sparziel, manchmal aber auch einfach nur für schlechte Zeiten, die in Zukunft lauern könnten.

Und genau deshalb machen wir uns über das Geldanlegen so viele Gedanken: Was die Zukunft einmal bringen wird, ist und bleibt ungewiss und deshalb wollen wir uns absichern. Dazu gehört die Erfüllung eines Wunschtraums, ein vermeintlich sorgenfreies Leben, die eigene Versorgung im Alter oder die Unterstützung der Familie. Wir wollen Wohlstand schaffen. Das liegt uns in den Genen, das unterscheidet den Menschen vom Tier. Nur der Mensch vermag langfristig, über Dekaden hinweg zu planen und mit strukturierter Vorgehensweise einen Wert für die Zukunft zu schaffen.

Die Frage stellt sich nur »wie«?

Die Welt ist heute komplizierter als noch vor wenigen Jahren. Schaut man über eine Generation zurück, stellt man fest, dass das Prinzip des Wohlstandsaufbaus für unsere Eltern und Großeltern nach einem einfachen Schema erfolgte. Das typische, größte Einzelinvestitionsobjekt war das Eigenheim, das mit einem Darlehen finanziert und fleißig z. T. bis zu Beginn des Rentenalters abgezahlt wurde. Dazu gab es noch eine Lebensversicherung. Das Geld, das nicht unbedingt im tagtäglichen Leben benötigt wurde, floss in einen fahrbaren Untersatz und schöne Urlaubsreisen. Der Rest, so denn noch einer da war, blieb auf der Bank mit einem netten Zinssatz, die sichere und ausreichende Rente kam später mal vom Staat – fertig. Heutzutage sind allein schon die sichere Rente und der schöne Zinssatz passé, ganz zu schweigen vom Wirrwarr der Versicherungsmöglichkeiten und -pflichten und dem regelrechten Geldanlage- und Darlehens-Dschungel. Vermeintlich mit niedrigem Zins finanziert werden (zu große) Autos beschafft, (zu große) Häuser gekauft, (zu teure) Urlaubsreisen bezahlt und sogar alltägliche Dinge bei Bedarf auf Pump gekauft. Diejenigen, denen es gelingt, die Kosten des täglichen Lebens geringer als die Einkünfte zu halten, haben ein anderes Problem: Sie wissen nicht wohin mit dem Geld. Überall locken schwer durchschaubare Anlagemöglichkeiten, von russischen Goldminen, über Bitcoins bis hin zu Photovoltaik-Investments mit vermeintlichen riesigen Renditen. Wer das Risiko scheut (häufig zu Recht), dem bleiben staatliche Anlagemodelle wie z. B. die Riester- oder Rürup-Rente etwas Mutigere erwerben vielleicht Fondsanlagen oder Aktien. Sehr oft landet man am Ende wieder nur beim Festgeld oder einem ertragsmäßig sehr beschaulichen Sparkonto-Zinssatz unterhalb der Inflationsrate.

Wie also Wohlstand geschaffen werden kann, ist die zentrale Frage dieser Publikation. Dabei soll herausgearbeitet werden, weshalb es gerade heute so wichtig ist, einen gewissen Wohlstand aufzubauen, welche Herausforderungen dabei gemeistert werden müssen, wer dabei helfen kann (und wer nicht!) und welche allzu menschlichen Schwächen dabei überwunden werden müssen.

Das Thema »Geld« ist ein Reizthema. Egal, ob nicht genug zum Sparen hängen bleibt, was bei etwa einem Drittel der Deutschen der Fall ist (Berberich, 2013) oder ob sich zu viel auf dem Konto auftürmt. Jeder bekommt bei diesem Thema regelmäßig feuchte Hände und Bluthochdruck. Wie kann ich mich und meine Familie absichern, was soll später einmal werden? Das sind Gedanken, die einen stressen können. Verpasse ich die Mega-Rendite, kann ich meinen Lebensstandard auch in der Zukunft halten oder bin ich der einzige Depp, der beim Geldanlegen alles falsch macht? Mit diesen Gedanken wälzen sich auch Gutverdiener nachts im Bett hin und her. Wer nicht vom Fach ist, dem bleibt eigentlich gar nichts anderes übrig als sich der Gilde von Anlage-, Bank- und Versicherungsberatern zu stellen. Dabei sind gerade diese Berufsgruppen angesichts der geringen Margen ihrer Produkte mehr und mehr gezwungen zu »verkaufen«. Von Beratung im eigentlichen Sinne kann da keine Rede mehr sein. Dass es dem Berater nicht wirklich um das Schaffen von Wohlstand bei seinen Klienten gehen kann, ist zwar bedauerlich, aber fast verständlich. Schon eher bedenklich ist, dass insbesondere Versicherungen das Geschäft mit der Angst schüren, um Kunden zu locken. In der Folge sind die Deutschen entweder über- oder falsch versichert. In fast jedem Haushalt des Landes findet sich ein Wirrwarr an Versicherungspolicen, wohingegen essentielle Versicherungen wie z. B. die Haftpflichtversicherung unterdimensioniert sind oder schlichtweg fehlen. Nach Thieltges (2008) ist das in jedem dritten Haushalt in Deutschland der Fall.

Das Konzept des Fair Value

In dieser Publikation soll es also um das Schaffen von mehr Wert, also eines nachhaltigen Wohlstands gehen. Unterstützt wird dieses Buch durch Materialien, die auf der Webseite www.fair-value.org zu finden sind. Der Begriff Fair Value ist aus der internationalen Rechnungslegung übernommen worden, weil er den Nagel auf den Kopf trifft. Fair Value bedeutet übersetzt so viel wie »angemessener Zeitwert« und soll die faire Bewertung eines Vermögensgegenstands darstellen (Rüthers, 2018). Genauso wie Vermögen geschaffen oder erworben wird, verliert es im Zeitverlauf wieder an Wert. Wer also sein erschaffenes Vermögen in Form von Bargeld einfach unter das Kopfkissen legt – oder im Kühlschrank deponiert, wie angeblich jeder vierte Deutsche (Jeimke-Karge, 2016) – der darf sich nicht wundern, dass dieses Geld nach einigen Jahren durch die voranschreitende Inflation an Wert verloren hat. Ebenso sollte sich der extrem risikofreudige Anleger, der jeden verfügbaren Cent in immer neuere Kryptowährungen, hochkomplexe und mit normalen Menschenverstand nicht mehr durchschaubare Finanzderivate oder riskante internationale Technologie-Start-ups gesteckt hat, nach einigen Jahren nicht fragen, weshalb er ohne Wertzuwachs oder im schlimmsten Fall ohne Geld oder sogar mit Schulden dasteht. Der eine hat zu wenig, der andere zu viel riskiert und der »faire« Wert, der geschaffen wurde, ist häufig negativ. Jeder verdient einen fairen Wert und deshalb ist es sinnvoll, sich mit der spezifischen Logik der Geldanlage vertraut zu machen und den dabei wirksamen Faktor Risiko besser zu verstehen. Genau dies soll mit dieser Schrift erreicht werden. Darum sollen die Probleme zunächst nochmals deutlicher herausgearbeitet und die Herausforderungen der staatlichen Sicherungssysteme dargestellt werden. Die Rente ist alles andere als sicher, wie dies Politiker von Zeit zu Zeit behaupten, denn unsere Gesellschaft hat sich verändert. Andere Lebensmodelle sind entstanden, der klassische Familienverbund als Anker einer Wohlstandsmehrung ist für viele Menschen nicht mehr gegeben oder gewollt. Und schlussendlich stehen wir uns zuweilen bei Fragen um das liebe Geld selber im Weg. Ob beim Lotto, sonstigem Glücksspiel oder dem vermeintlichen Super-Aktientipp – den Traum vom Reichwerden ohne etwas dafür tun zu müssen, den hat jeder schon mal geträumt, oder? Auf der anderen Seite kann sich unser Wohlstand nur mehren, wenn es wirtschaftlich bergauf geht, doch gerade in Deutschland stehen viele der Wirtschaft kritisch gegenüber, wenn es um Geldanlage geht. Nicht umsonst ist im internationalen Vergleich die Anlageform Aktien in Deutschland relativ unpopulär (Palte et al., 2016).

Wie funktioniert das staatliche Rentensystem und warum kann es nicht langfristig und nachhaltig für Wohlstand sorgen? Das ist folglich die Kernfrage. Welche Alternativen bietet der Staat, welche die Banken- und Versicherungsbranche? Die Intention der Finanzdienstleister ist klar, sie wollen Geld verdienen. Aber kommt der Kunde dann noch »fair« davon oder wird ihm jedes, wie auch immer geartete Finanzprodukt aufgedrängt, Hauptsache die Provisionen stimmen? Genau dieses Thema soll im Weiteren ebenfalls näher beuchtet werden.

Die Frage nach mehr Wohlstand kann nicht gelöst werden ohne neue Konzepte. Im darauffolgenden Kapitel wird deshalb ein Soll-Konzept vorgestellt, das es jedem ermöglichen sollte, seinen fairen Wohlstand zu erreichen. Dazu ist es zunächst wichtig zu verstehen, wem ich in Finanzfragen vertrauen kann. Kurze Antwort: Niemanden, außer sich selbst! Es geht also darum, selbst aktiv zu werden und die grundlegenden Mechanismen des Geldvermehrens zu verstehen. Selbst wer das Management der eigenen Finanzen in die Hände eines kompetenten Bank- oder Anlageberaters gibt, der sollte verstehen, was er zu erwarten hat – und was nicht. Keiner hat etwas zu verschenken, jede Bank, jede Versicherung, jeder Finanzberater und jede Anlagegesellschaft möchte in erster Linie eines: Geldverdienen für sich und erst in zweiter Linie für den Kunden. Der Kunde ist Mittel zum Zweck. Mehr Selbstverantwortung jedes Einzelnen ist also gefordert, was aber häufig nicht so einfach ist. Nicht jeder hat eine kaufmännische Ausbildung oder gar ein wirtschaftswissenschaftliches Studium absolviert. Ganz im Gegenteil: Viele finden betriebswirtschaftliche Fragen und Finanzthemen eher uninteressant und manchmal sogar abschreckend. Aber auch Menschen in technischen, sozialen oder handwerklichen Berufen müssen genau wie Künstler, Journalisten, Serviceangestellte, Profisportler und sonstige Selbstständige Geld sparen und anlegen, um künftig Wohlstand zu schaffen. Es geht neben der geforderten Eigeninitiative auch um die eigene realistische Erwartungshaltung sowie die Verständlichkeit und Umsetzbarkeit der Anlagemöglichkeiten.

Im Kapitel Lösungsansätze sollen konkrete Hinweise gegeben werden, wie der Vermögensaufbau gelingen kann. Neben einfachen Rechenmodellen, die helfen sollen, das Wohlstandswachstum zu bewerten und im Auge zu behalten, werden unterschiedliche Anlageformen vorgestellt und diskutiert. Es gibt eben nicht die eine, universelle und für jeden Anleger »richtige« Anlageform. Es geht in erster Linie um Hilfe zur Selbsthilfe und jeder Leser sollte am Ende des Buches in der Lage sein, »seine« Anlagestrategie zu entwickeln und den »fairen« Wert seines geplanten Wohlstands bewerten zu können.

1.1       Kollaps des Generationenvertrags

Für die meisten Deutschen ist die staatliche Rente nach wie vor das zentrale Element der Altersversorgung. Ungeachtet der Warnungen, die die Politik schon seit Anfang der 2000er Jahre explizit benennt, hallen vielen Bundesbürgern noch politisch motivierte Aussagen wie z. B. diejenige berühmte des ehemaligen deutschen Arbeitsministers Norbert Blüm »…die Renten sind sicher« (Blüm, 1997) nach. Leider sind die Renten alles andere als sicher und staatliche Renten als Baustein der Wohlstandsmehrung zu verstehen, wäre im Gegensatz dazu mehr als fatal. Die staatliche Rente wird in Zukunft eher zu einer Notversorgung werden. Wer einen angemessenen Lebensstandard auch im Alter aufrechterhalten möchte, der muss anders denken. Was ist das Problem mit der staatlichen Rente?

Geschichte des deutschen Rentenversicherungssystems

Das deutsche Rentensystem wurde zuletzt 1957 umfassend reformiert und auf das sogenannte Umlageverfahren umgestellt. In der Folge der beiden Weltkriege im letzten Jahrhundert haben die damaligen Ansparmodelle in den Jahren 1923 (IHyperinflation) bzw. 1948 (Währungsreform) dafür gesorgt, dass die deutschen Renten im Rentenversicherungssystem völlig entwertet worden sind (Bundesministerium für Arbeit und Soziales, 2017). Aufgrund der großen Angst der Bevölkerung wegen der fehlenden Altersabsicherung war politisch der Schritt zum Umlageverfahren kaum vermeidbar. Die Kapitalreserven für ein sogenanntes Kapitaldeckungsverfahren waren schlichtweg nicht vorhanden. Schon kurz nach der Einführung war aber klar, dass aufgrund der Altersverschiebung der Bevölkerung dieses Verfahren langfristig nicht funktionieren kann. Der damalige Bundeskanzler Konrad Adenauer hat 1957 die Rentenreform angestoßen und bis 1960 die vollständige Umstellung auf das Umlageverfahren vorangetrieben. Waren zunächst lediglich angestellte Beschäftigte im Fokus des Rentensystems wurde dies später mit der positiven Wirtschaftsentwicklung z. B. auf Handwerker, Selbstständige und Landwirte ausgeweitet. In den Jahren 1977-83 wurde aber deutlich, dass der Generationenvertrag in klassischer Form langfristig nicht aufrechterhalten werden kann. Es folgten erste Konsolidierungsmaßnahmen. Ab 1992 wurden erste konkrete Reformen angeregt, um den drohenden Kollaps abzuwenden oder zumindest zeitlich hinauszuschieben (Bundesministerium für Arbeit und Soziales, 2017). Ein Kapitalansparmodell war in den 1950er Jahren aus zwei Gründen verworfen worden: 1.) Die aktuelle Generation der Rentner galt es unmittelbar zu versorgen. Aufgrund der Rentenentwertung im Zuge der Währungsreform stand das erforderliche Kapital dafür allerdings nicht zur Verfügung. 2.) Kapitalansparmodelle funktionieren für staatliche Renten nicht, da der Staat die Wertstabilität der Sparbeträge nicht sicherstellen kann. Gemäß dem sogenannten Mackenroth-Theorem kann die staatliche Alterssicherung nur durch ein Umlageverfahren gewährleistet werden (Mackenroth, 1952).

Demnach werden gemäß dem Generationenvertrag die aktuellen Beiträge der Beitragszahler zur Zahlung der aktuellen Renten verwendet. Aufgrund der demographischen Verschiebung in Deutschland (Pillenknick ab den 1970er Jahren und extrem geburtenstarke Jahrgänge zwischen 1955 und dem Ende der 1960er Jahre) ist dieses System ab 2015 mit Problemen konfrontiert, die ihren Höhepunkt ungefähr im Jahr 2030 erreichen werden. Die Beiträge zur Rentenversicherung von 18,6 % (Deutsche Rentenversicherung, 2018) des Brutto-Einkommens abhängig Beschäftigter werden folglich nicht zum Aufbau einer Rücklage verwendet, sondern direkt verausgabt. Problematisch wirken zudem die langsam wachsende Reallohnentwicklung, Phasen mit hoher Arbeitslosigkeit und vor allem die längere Lebenserwartung. Schon heute in Zeiten, in denen der Generationenvertrag eigentlich hervorragend funktionieren müsste (kriegsbedingte Bevölkerungslücken und geburtenstarken Jahrgänge als Beitragszahler) ist eine Deckung des Umlageverfahrens nicht gewährleistet. Der Bund musste bspw. im Jahr 2017 91 Milliarden EUR zur Rentenversicherung beisteuern. Bis zum Jahr 2020 werden bis zu 100 Milliarden EUR pro Jahr erforderlich sein (Creutzburg, 2017). Zudem wächst die deutsche Bevölkerung nicht stark genug. Die Geburtenrate steigt zwar langsam wieder etwas und lag im Jahr 2017 bei 1,59 Kindern pro Frau (Statista, 2018a), das Bevölkerungswachstum insgesamt ist aber seit 2015 rückläufig und soll sich von -0,05% im Jahr 2018 auf -0,58% im Jahr 2050 steigern (Statista, 2018b). Der Schrumpfungsprozess der erwerbstätigen Bevölkerung geht unvermindert weiter. Die Prognosen könnten noch verheerender ausfallen, wenn die Lebenserwartung aufgrund gesünderer Lebensumstände und medizinischer Fortschritte stärker steigt als bislang angenommen und sich die Anteile der Erwerbstätigen gegenüber den Rentenempfängern weiter reduzieren (image Abb. 1.1).

Wissenschaftler wie Gerhard Mackenroth sollen an dieser Stelle nicht kritisiert werden, sie konnten diese Entwicklungen nicht antizipieren. Das Weltbild in der demographischen Entwicklung kannte damals nur die Pyramide so wie in der Abbildung 1.1 links dargestellt. Aber leider funktionieren Umlageverfahren nur solange die Verteilung der Alterskohorten sich tatsächlich pyramidenförmig darstellt. Unsere Pyramide steht jedoch bald auf dem Kopf. In der Konsequenz ist eine staatliche Altersabsicherung künftig durch Umlagen nicht mehr gewährleistet. Der private Vermögensaufbau und somit die Alterssicherung werden unabdingbar

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Abb. 1.1: Bevölkerungsentwicklung in Deutschland (Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Statistisches Bundesamt, 2015)

erforderlich. Der Staat hat die Umstellung auf ein Kapitaldeckungsverfahren verschlafen und – da hat Mackenroth eindeutig auch heute noch Recht – man sollte dem Staat eine wertsteigernde Anlage von Kapital auf keinen Fall überlassen!

1.2       K(l)eine Familien = kein Wachstum

In Ergänzung zu den skizzierten Problemen der demographischen Entwicklung hat sich auch das traditionelle Bild der Familie und insbesondere der Großfamilie verschoben. War es bis zur Mitte des vergangenen Jahrhunderts noch üblich, dass die erwerbstätigen Angehörigen einer Großfamilie für die Ruhestandsgeneration gesorgt haben, hat sich dieses Bild der Alters- und Pflegeabsicherung gänzlich verschoben. Der Ruhestand wird fast durchweg aus den staatlichen Renten- und Pflegeversicherungen oder den eigenen Rücklagen der Pensionäre finanziert. Das Selbstverständnis einer generationsübergreifenden, direkten finanziellen Unterstützungsleistung ist nahezu ausnahmslos verschwunden. Der Staat soll hier herhalten und das wird auch langfristig den Druck auf die Beitragszahler aufrechterhalten.

Das neue Bild der Familie

Genauso wie die Großfamilie und ihre Rolle in der Altersabsicherung an Bedeutung verliert, ändert sich auch das Bild der Familie generell. Immer mehr Menschen erachten das übliche Familienbild mit Kindern für sich als nicht mehr relevant, bevorzugen einen individuellen Lebensstil oder leben in gleichgeschlechtigen Lebensgemeinschaften, bei denen der Aufbau einer kinderreichen Familie nicht im Fokus steht. Allein in Großstädten wie Berlin ist die Anzahl der Single-Haushalte in den letzten Jahren rasant gestiegen und macht über 50 % der Gesamthaushalte aus (Berliner Senat, 2013). In den 1990er Jahre lag dieser Wert noch bei etwa einem Drittel aller Haushalte. All dies unterstreicht, dass die Bevölkerung in Deutschland in absehbarer Zeit wohl keine rasanten Wachstumssprünge sehen dürfte bzw. eher schrumpft wie oben dargestellt – ganz im Gegensatz zu den sogenannten Emerging Countries oder auch einigen Entwicklungsländern (image Abb. 1.2).

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Abb. 1.2: Prozentuales Bevölkerungswachstum im internationalen Vergleich (Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an CIA Factbook, 2017)

Das Bevölkerungswachstum wird – wahrscheinlich zu Recht – auch zunehmend kritisch gesehen. Man fragt sich in Anlehnung an den Club of Rome, wo denn die Grenzen des Wachstums liegen (Meadows, 1972) und wie viele Menschen unser Planet überhaupt aushalten kann. Doch diese Frage würde den Rahmen der Darstellung sprengen, sie soll deshalb nicht weiter vertieft werden. Momentan spielt sich dieses Wachstum jedenfalls nicht in Deutschland ab. Parallel zu unseren stagnierenden Bevölkerungszahlen wächst die lokale Wirtschaft nur geringfügig bzw. phasenweise gar nicht. Konsumgüterproduzenten, Automobilhersteller und auch Anlagenbauer, Elektrokonzerne und Pharmaunternehmen finden ihre Wachstumsmärkte anderswo, insbesondere in den BRICS-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika). Hier entsteht Kaufkraft und somit auch Wohlstand. Allein in Indien mit seinen 1,3 Milliarden Einwohnern ist eine Mittel- und Oberschicht entstanden, die mittlerweile über eine größere absolute Kaufkraft als Deutschland, Frankreich und Großbritannien zusammen verfügt (Crédit Suisse, 2017). Ohne die global wachsenden Märkte ginge es uns bei weitem nicht so gut und der zunehmende Wirtschaftsprotektionismus sollte uns beunruhigen. Große Konzerne in den BRICS-Staaten dehnen sich immer mehr aus und schrauben die deutschen Exportquoten weiter zurück. Unternehmen wie SABMiller (Südafrika) und InBev (Belgien/Brasilien), ArcelorMital (Indien), Tata (Indien) oder die HNA Group (China), um nur einige Beispiele zu nennen, beherrschen nicht nur ihre jeweiligen lokalen Märkte, sondern dringen auch mit gezielten Akquisitionen in die Märkte der etablierten Industrienationen vor. Am Ende hat dies eben etwas mit den unterschiedlichen Wachstumsgeschwindigkeiten der Länder zu tun. Die stark wachsenden Schwellenländer mit steigenden Bevölkerungszahlen haben ein anderes Familienbild als wir Deutschen. Der Wunsch nach Individualismus mit kleiner oder sogar keiner Familie hat in diesem Fall einen gesamtwirtschaftlich hohen Preis: Geringes Wachstum und immer weniger Beitragszahler. Somit wird ein Rentensystem auf Umlagebasis nicht dauerhaft funktionieren.

Immer weniger Beitragszahler in Deutschland

Während in anderen Teilen der Welt die Bevölkerung und im Idealfall auch die Schar der erwerbstätigen Zahler in staatliche Sicherungssysteme steigt, dünnt sich die Gruppe der Beitragszahler in Deutschland immer weiter aus. Mit fatalen Auswirkungen auf den künftigen Wohlstand. Das staatliche Renten- und Pflegeversicherungsgeflecht fällt als Baustein für den Wohlstand schlichtweg aus. Wer heute in die Berufstätigkeit einsteigt, kann mit 45-55 Jahren Erwerbstätigkeit rechnen, ohne dass er am Ende seines Erwerbslebens einen »dicken Scheck« vom Staat erwarten kann. Von Staats wegen wird ihm vermutlich eine Art Grundsicherung geboten, all seine Beiträge in die Renten- und Pflegeversicherungssysteme werden aufgezehrt sein von den aktuellen und künftigen Beitragsempfängern. Sollte sich der junge Berufstätige also wünschen, nicht bis weit über das heutige Rentenalter hinaus arbeiten zu müssen und dabei einen angemessenen Wohlstand geschaffen zu haben, sind andere Maßnahmen als die Rente der staatlichen Systeme erforderlich.

1.3       Ist Vermögensaufbau überhaupt noch möglich und gewollt?

Die allgemeine Definition von Wohlstand hat sich in Deutschland verschoben. Waren früher Begriffe wie Geld, materielles Vermögen und Statussymbole unter dem typischen Verständnis von Wohlstand zu finden, sieht dies heute anders aus. Allgemeines Wohlbefinden/Wellness, Nachhaltigkeit und Work-Life-Balance werden viel eher als Wohlstand empfunden. Auch Begriffe wie Freiheit, Gerechtigkeit und Chancengleichheit werden heutzutage oftmals mit dem Wohlstandsbegriff in Verbindung gebracht (Noll, 1997/ Deutscher Bundestag, 2011). Wem materielles Vermögen egal ist, der kann an dieser Stelle getrost mit dem Lesen aufhören.

Was ist eigentlich Wohlstand?

Die vielen neuen Vorstellungen von Wohlstand sind nicht falsch (Ludwig, 2000), aber letztlich auch nur erreichbar, wenn die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen dafür die Voraussetzungen schaffen. Es ist schon ein wenig naiv, wenn einerseits massive Kapitalismuskritik geübt und andererseits ein umfassendes Solidarprinzip in den Renten-, Pflege- und Krankenversicherungssystemen gefordert wird. Alle diese Systeme funktionieren nur, wenn es deutlich mehr Einzahler als Empfänger gibt. Genau dies verändert sich allerdings im Moment im staatlichen Rentensystem. Wer glaubt, der Staat könne alle diese Sicherungssysteme aufrechterhalten, dem sei an dieser Stelle in Erinnerung gerufen, dass dies nur in totalitären Regimen umgesetzt werden konnte, so etwa in sozialistischen Staaten. Der Sozialismus ist als Staatsform grandios gescheitert. Den sozialistischen Staat, in dem Milch und Honig fließen und alle Arbeitnehmer sorgenfrei und glücklich zur Arbeit gehen, Chancengleichheit und ökologisches Gleichgewicht herrschen, den gibt es nicht und wird es wohl auch nie geben. Es gibt zu viele systemimmanente Schwachstellen, die dieser Fiktion im Wege stehen (Dressler, 1995). Besinnen wir uns auf unsere freiheitliche, demokratische und marktwirtschaftliche Grundordnung, deren Kern auch der materielle Wohlstand bildet, den es zu optimieren gilt.

Allerdings zeigt die Wohlstandsdiskussion auch die Herausforderungen auf, die es zu meistern gilt. Der Wunsch nach mehr sozialer Gerechtigkeit, Nachhaltigkeit, Chancengleichheit und Lebensqualität, mit dem sich das (Bevölkerungs-)Wachstum in Deutschland erhalten ließe, bei gleichzeitig mehr Individualismus ist schwer zu verbinden.

Wie gesagt, die Frage, ob und wenn ja wieviel ein Mensch an materiellem Wohlstand, sprich Vermögen aufbauen möchte, ist jedem selbst überlassen. So wie jeder selbst definieren kann, wie er heute, morgen und in ferner Zukunft leben möchte. Es ist und bleibt eine individuelle Entscheidung. Die Frage: »Ist ein Vermögensaufbau überhaupt noch gewollt?«, können wir mit einem klaren »es kommt darauf an« beantworten. Betrachten wir im Weiteren deshalb die Frage, wie es denn um die Möglichkeiten des Vermögensaufbaus steht.

Eine Zauberformel, um superreich zu werden, liefert Ihnen dieses Buch nicht. Es ist auch nicht seine Intention, einen Leitfaden für künftige Millionäre zu geben, es soll vielmehr Wege aufzuzeigen, wie ganz individuelle Wünsche nach materiellem Wohlstand realisiert werden können. Wem nach mehr gelüstet, dem seien die Publikationen und Ratgeber zur Gründung von Unternehmen ans Herz gelegt, wirklich außergewöhnliches Vermögen lässt sich de facto nur über den risikoreichen und Hingabe erfordernden Weg zum aktiven Unternehmertum erzielen. Es sei denn man hat Glück im Lotto oder macht eine große Erbschaft.

Grenzen des Wohlstands

Für alle anderen, die ihren Lebensunterhalt als Angestellte, Arbeiter oder Selbstständige verdienen, gibt es eben Grenzen beim Vermögensaufbau, obgleich durchaus ein angemessener Wohlstand erreicht werden kann. Einige (zur Veranschaulichung stark vereinfachte) Zahlenbeispiele sollen dies untermauern:

•  Lassen wir die ohnehin zu großen Teilen sehr wahrscheinlich verlorenen Beiträge in die staatlichen Sicherungssysteme als Vermögensbausteine außerhalb der Betrachtung. Dann kann ein Erwerbstätiger, der eine monatliche Einzahlung auf sein Festgeldkonto in Höhe von 100 EUR tätigt, im Laufe eines 40-jährigen Berufslebens bei einem Zinssatz von 1 % im Jahr 2058 von seinem Bankkonto den Betrag von 58.664 EUR abheben. Eingezahlt über die Jahre hat er genau 48.000 EUR, Zinsen hat er im Wert von 10.664 EUR bekommen. Nicht schlecht. Aber genug für den Aufbau eines Vermögens – wohl eher nicht.

•  Nehmen wir an, der Zinssatz würde sich auf 3 % erhöhen, dann hätte er einen Zinseffekt von 42.482 EUR und würde zuzüglich seiner Sparbeträge von 48.000 EUR insgesamt 90.482 erhalten. Schon wesentlich besser, das gesparte Kapital hätte sich fast verdoppelt.

•  Wäre der Erwerbstätige ein noch höheres Risiko eingegangen und hätte eine Anlageform mit 10 % Verzinsung gewählt, dann wäre eine Gesamtsumme von 531.111 EUR möglich gewesen. Das klingt schon richtig nach Vermögen im klassischen Sinne.

•  Weitaus besser wäre allerdings der Effekt, wenn gar 15 % Verzinsung hätten realisiert werden können. Der Erwerbstätige, der 100 EUR pro Monat in seinem 40-jährigen Berufsleben gespart hat, würde zum Eintritt in die Rente stolze 2.134.908 EUR entgegennehmen. Er wäre Multimillionär.

•  Bauen wir in die Berechnung sogar noch eine stufenweise Erhöhung der Sparbeträge ein, z. B. alle 10 Jahre jeweils eine Erhöhung des monatlichen Sparbetrags um 100 EUR, dann würde die Summe auf erstaunliche 2.803.899 EUR ansteigen.

Zusatzmaterial

Berechnungen zum Zinsmodell finden sich unter fair-value.org oder unter https://youtu.be/_liD8LK3TYo:

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Sie sehen den Punkt: Erst ab einem relativ hohen Zinssatz ist es möglich, ein überdurchschnittliches Vermögen aufzubauen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass mit steigender Verzinsung zwangsläufig das Risiko steigt. Eine über 40 Jahre verlässliche Verzinsung von 15 % pro Jahr gibt es leider nicht. Vielmehr drohen bei solchen hohen Verzinsungen starke Schwankungen, manchmal der Totalausfall oder im schlimmsten Fall sogar eine Nachschusspflicht. Zudem hätte unser Sparer erst nach 34 Jahren die Millionenschwelle erklommen. Erst in den letzten 6 Jahren hätte ihn der Multiplikatoreneffekt wirklich superreich gemacht – ein sehr langer und kaum überschaubarer Zeitraum. Andererseits sind 100 EUR pro Monat auch keine große Anlagesumme.

Coca Cola – Warren Buffets Lieblingsaktie

Da dauerhafte Verzinsungen von 15% eher unrealistisch sind, sehen wir uns als konkrete Anlageform die Aktien an. Wir nehmen als Beispiel Coca-Cola und übertragen das Sparmodell auf diesen Fall (allerdings in U.S.-Dollar), also ein monatliches Investment in Coca-Cola-Aktien im Wert von 100 USD über einen Zeitraum von 40 Jahren. Wir können auch hier nicht in die Zukunft blicken, deshalb werfen wir einen Blick zurück. Die Annahme ist also, dass 40 Jahre lang ab dem 1.10.1977 jeweils monatlich bis zum 1.9.2017 Aktien in Wert von 100 USD erworben worden sind. Das bedeutet am Ende besitzt der Anleger ein Aktienpaket von 14.663 Aktien, das bewertet zum Kurs vom 1.10.2017 einen Gesamtwert von 665.833 USD aufweist. Ohne Zinseffekt, also nur den reinen Aktienwert betrachtet.

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Die Detailberechnung findet Sie unter fair-value.org oder unter https://youtu.be/tmzwUGsvT0c:

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Jetzt ist allerdings Coca-Cola auch eine der Top-Aktien, die sich im Portfolio von Starinvestoren wie Warren Buffet befinden. Wer vermag aber heute schon mit derartiger Treffsicherheit das Unternehmen benennen, das bis zum Jahr 2058 auf einem stetigen Erfolgskurs bleibt.

Eine weitere, sehr typische Anlageform soll in diesem Zusammenhang kurz erwähnt werden: Immobilien. Die Kernherausforderung bei der Immobilie ist der hohe Anschaffungspreis gleich zu Beginn des Anlagezeitraums. Soweit nicht schon geerbt oder im Lotto gewonnen, dürfte sich bei den Durchschnittsverdienern die Anschaffungssumme für eine Immobilie nicht mal so eben auf dem Girokonto befinden. Wird die Beschaffung einer Eigentumswohnung z. B. im Wert von 120.000 EUR angestrebt, bleibt nur der Weg über eine Finanzierung – und hier liegt die Krux bei dieser Anlageform.

•  Finanziert unser Sparer die 120.000 EUR über einen Zeitraum von 40 Jahren müsste er zunächst monatlich eine Rückzahlung von 250 EUR leisten, um den Darlehensbetrag wieder zu tilgen.

•  Bei einem Zinssatz von 2 % müsste er in Summe 49.200 EUR Darlehenszinsen zahlen, was einen Betrag von 169.200 EUR bedeutet.

•  Monatlich wären also im Schnitt 352,50 EUR fällig, schon wesentlich mehr als im Sparmodell oben.

•  Findet der Immobilieninvestor einen solventen und verlässlichen Mieter, der ihm über 40 Jahre den üblichen Mietzins von 3 % erstattet, dann wären seine Mieteinnahmen um 94.800 EUR höher als seine Darlehenszinsen (Mieteinnahmen 144.000 EUR, Zinsen 49.200 EUR). Hinzu kommt, dass er die Wohnung im Wert von 120.000 EUR besitzt.

•  In Summe ist also ein (Vermögens-)Wert in Höhe von 214.800 EUR geschaffen worden.

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Die Detailberechnungen findet sich auf fair-value.org oder unter https://youtu.be/Iuu3diS0tBI:

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Allerdings sind weitere Faktoren wie z. B. Wertstabilität, Instandhaltungskosten, Leerstände und vor allem Zinsänderungen ausgeklammert. Unser Sparer, der sein Geld einfach zu 1 % als Festgeld bei der Bank belässt, hätte mit einem monatlichen Sparbetrag von 352,50 EUR im gleichen Zeitraum immerhin einen Wert von 208.857 EUR geschaffen – ohne nörgelnde Mieter, Eigentümerversammlungen, Reparaturen und dergleichen mehr. Zudem, die Zinsen waren noch nie so niedrig wie momentan. Sollte hier eine Steigerung einsetzen und z. B. in 10 Jahren das Zinsniveau wieder bei 5 % liegen (wo es vor 10 Jahren noch war), würde sich der Gesamtwert des Immobilieninvestors auf 172.950 EUR reduzieren. Der Festgeldsparer, würde bei einem Anstieg der Sparzinsen in 10 Jahren auf 2 % in Summe einen Wert von 255.500 EUR schaffen. Jeder der angesichts niedriger Immobilienzinsen und des vermeintlichen Baubooms in vielen deutschen Städten nach einer (sehr wahrscheinlich überteuerten) Immobile sucht, legt sich damit vermutlich ein Ei ins Nest. Der Weg zum Immobilienmogul, ohne dabei zum Miethai zu mutieren, ist finanziell steinig und schwer.

Zusammenfassend lässt sich konstatieren, dass der Vermögensaufbau durchaus möglich ist. Es hängt ganz von den individuellen Wohlstandsvorstellungen und der Frage ab, wieviel Vermögen dafür erforderlich ist. Die wichtigsten, limitierenden Faktoren sind Kontinuität der Anlageform und das spezifische Risiko. Der Durchschnittsverdiener und -sparer benötigt auch eine gehörige Portion Glück, will er es in den Club der Millionäre schaffen, unmöglich ist es aber nicht. Mit einem Zinssatz von 1 % und einer gleichbleibenden Sparsumme von 100,00 EUR pro Monat wird es aber sicher nicht gelingen. Aber allein die stufenweise Erhöhung der Sparsumme sowie ein etwas höherer Zinssatz haben schon erhebliche Effekte. Ausgeklammert sind an dieser Stelle die inflatorischen Effekte, also die Kaufkrafteffekte. Mit einer aktuellen Inflation von ca. 2 % werden die oben diskutierten Anlagemodelle kaum zu einer wirklichen Wertsteigerung in der Zukunft führen. Das mühsam gesparte Geld wäre in 40 Jahren schlichtweg weniger wert als heute und würde kaum zu einem Mehr an Wohlstand führen. Also dann doch lieber gleich konsumieren und mehr im Hier und Jetzt leben und hoffen, dass per Umlage die Finanzierung des Lebensabends doch irgendwie funktioniert? Lieber nicht!

Das Scheitern des umlagebasierten Rentensystems kann aus heutiger Sicht nicht vermieden werden. Um nicht in Altersarmut zu enden oder bis ans Ende seiner Tage erwerbstätig bleiben zu müssen, ist vor allem eines wichtig: Die Inflation zu schlagen.

Kaufkraft beim Vermögensaufbau im Auge behalten

Das Ziel sollte eine Verzinsung der Anlagen oberhalb der (prozentualen) Inflationsrate sein, damit auch künftig die Kaufkraft des angelegten Geldes erhalten bleibt. Hierzu ist zunächst ein kontinuierliches Sparen erforderlich, am besten mit Steigerungseffekt, so wie es die Lebensumstände zulassen. Wer selbstständig ist und keiner Rentenversicherungspflicht unterliegt, sollte um Himmels Willen nicht das staatliche Umlagesystem wählen, sondern soweit wie möglich selbst aktiv werden. Die üblichen Rentenversicherungsbeträge für Arbeitnehmer (aktuell 9,3 %, Deutsche Rentenversicherung 2018a) sind ein guter Richtwert. Selbst ein Durchschnittsverdiener (3.771 EUR pro Monat brutto, Stand 2018, Statista, 2018) würde bei der Anlage des üblichen Arbeitnehmerbetrags und einer 3 % über der Inflationsrate liegenden Verzinsung einen Wert von 328.516 EUR schaffen. Genug um mit einem sinnvollen Anlage- und Entsparplan einen lebenswerten Ruhestand genießen zu können. Ließe sich der Rentner den gesamten Betrag auszahlen und gäbe er sich mit der aktuellen Mindestrente (830 EUR, Stand 2018) zufrieden, dann wäre ein 33-jähriger Ruhestand möglich. Würde der Geldbetrag weiterhin angelegt bleiben, könnte sich der Rentner sogar eine deutliche höhere monatliche Rente leisten.

Um die Inflationsrate schlagen zu können, ist ein gewisses Maß an Risiko unvermeidlich und sollte schlichtweg akzeptiert werden. Diversifizierung von Risiken ist sicher ein probates Mittel, um sie zu reduzieren, wer allerdings zu sehr spreizt, der kann sein Anlageziel dennoch verfehlen: Wenn z. B. eine Hälfe des Vermögens in dubiose Hochrisikoinvestitionen gesteckt wurde (wie z. B. Technologie-Start-ups, Risikoimmobilien, Bitcoin-Futures), die allesamt floppen, und die andere als Bargeld unter der Matratze liegengelassen wurde, steht der Anleger am Ende schlechter da als der Festgeldsparer. Der Großteil der Investments sollte schon eine Verzinsung oberhalb der Inflationsrate erwirtschaften. Das bedeutet, dass der Anleger stets am Ball bleiben, seine Anlagen überwachen (»monitoren«), ständig bewerten und ggf. nachjustieren sollte. Hier ist in erster Linie Eigeninitiative gefragt. Genau wie man sich um seine Gesundheit, Familie und Freunde, Job und Hobbies kümmert, sollte auch das Management der eigenen Finanzen einen Platz auf der To-Do-Liste des täglichen Lebens finden. Aber bitte nicht verrückt machen (lassen)! Die Chancen, superreich zu werden, sind – wie gezeigt – eher gering und allenfalls mit viel Glück zu erreichen. Es geht vielmehr darum, in finanzieller Hinsicht das zu erreichen, was man selbst als Wohlstand definiert hat, und dabei immer noch glücklich und zufrieden leben zu können. Nicht mehr und nicht weniger.

1.4       Die Gier des Menschen

Im Grunde sind es zwei Gruppen von Menschen, die uns fortwährend mit Geldanlagemöglichkeiten in den Ohren liegen. Die einen machen es aus beruflichen Gründen, weil sie als Bank-, Bauspar-, Anlage-, Versicherungs- oder Immobilienberater gezwungen sind, den Kunden neue Produkte anzubieten. Dieses Geschäft basiert auf Provisionen, dazu sind Abschlüsse erforderlich und die Konten und Sparbüchsen der Klienten werden bis auf den letzten verwertbaren Cent durchleuchtet. Diesen Menschen kann man eigentlich gar keinen Vorwurf machen. Sie machen ihren Job, sind mal mehr und mal weniger nützlich oder penetrant, mal mehr und mal weniger ehrlich, in jedem Fall aber auf das eigene Geschäft