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Der erste Band von Giwi Margwelaschwilis autobiographisch geprägtem Romanwerk »Kapitän Wakusch« ist seit langem vergriffen – und sehr begehrt. Nun ist er wieder da!

Der erste Band von Giwi Margwelaschwilis autobiographisch geprägtem Romanwerk »Kapitän Wakusch« ist seit langem vergriffen – und sehr begehrt. Nun ist er wieder da!

In diesem Band beschreibt er Wakuschs Aufwachsen als Ausländer im Dritten Reich. Doch ist er nicht nur ein Exilantenkind in Deutschland – als Jazzliebhaber, der sich in der Jazzbar »Kakadu« der verbotenen Musik hingibt, ist er zugleich ein jugendlicher Rebell – er rebelliert gegen den Verlauf der Weltgeschichte.

In »Kapitän Wakusch« schildert Margwelaschwili die Welt- und seine Lebensgeschichte scheinbar leichthin, in origineller Sprache – ein Zeitdokument und zugleich große Literatur!

Giwi Margwelaschwili wurde 1927 als Sohn georgischer Emigranten in Berlin geboren. 1946 wurde er, zusammen mit seinem Vater, vom sowjetischen Geheimdienst NKWD entführt. Der Vater wurde ermordet, Giwi Margwelaschwili in Sachsenhausen interniert und anschließend nach Georgien verschleppt. Dort lehrte er Deutsch. Erst 1987 konnte er nach Deutschland ausreisen. Ihn begleitete eine Unzahl von in der Emigration auf deutsch geschriebenen Romanen und Erzählungen. 1994 erhielt er die deutsche Staatsbürgerschaft und ein Ehrenstipendium des Bundespräsidenten, 1995 den Brandenburgischen Literatur-Ehrenpreis für sein Gesamtwerk, 2006 die Goethe-Medaille, 2008 das Bundesverdienstkreuz. Er ist Mitglied des P.E.N. und lebt in Berlin.

Werke unter anderem: »Muzal«, »Das böse Kapitel«, »Kapitän Wakusch«, »Der ungeworfene Handschuh«. Im Verbrecher Verlag erschienen: »Officer Pembry«, Roman (2007); »Zuschauerräume«, Lesedrama (2008); »Vom Tod eines alten Lesers«, Erzählungen (2008); »Der Kantakt«, Roman (2009) und »Der verwunderte Mauerzeitungsleser«, Essay (2010).

Siehe auch: www.giwi-margwelaschwili.de

Giwi Margwelaschwili

KAPITÄN WAKUSCH

I. In Deuxiland

Roman

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Erste Auflage

© Verbrecher Verlag 2010

ISBN: 978-3-940426-65-9

Printed in Germany

Der Verlag dankt Doris Formanek, Rima Hussein und Axel Haase.

Inhalt

Goglimogli

Fockers gegen Vickers

Kolchis, Iberien und Albanien

Mondbeschwörung

Das Iß-mich und seine Gefangenen

Im Kakadu

Die Entwicklung

Auf der Wartburg

Schlangenhemd

Ein Specchio, ein Kapitän und ein Mamassachlissi

Amiran in Sanssouci

Offenheiten

Kakausus in Dixieland

Krankenhäuschen

Häuschen geschichtlich

Eine Wartburg fällt

Sieben Pipos

Goglimogli

Goglimogli ist mit Zucker angerührtes Eigelb, das die kleinen Wichte zu essen bekommen, damit sie groß und stark werden. Es ist auch die Zeit der kleinen Wichte, die noch kaum angebrochen in ihrem Dotter schwimmt. Und es ist der Anfang aller wichtigen Geschichten, die ein Häuschen und eine Wartburg zum Gegenstand haben. Um daher diese Geschichten richtig beurteilen und erzählen zu können, muß man vor allem ihr Goglimogli untersuchen. Aber eben das ist auch das Schwierigste. Wer brächte uns heute beispielsweise noch den Goglimogli des Jahres 1927 zurück? Er ist längst verbraucht, und seine Geschichten rücken bereits in die Schlußkapitel über. Leider bleibt nun andererseits auch jeder frische Goglimogli – weil ja seine Geschichte dann noch in den Kinderschuhen steckt – bis auf weiteres unbegreiflich. Die Mixtur selbst ist für den Historiker keine Nahrung, das heißt, er kann sie natürlich essen, aber er wird dadurch aus ihr nicht klüger. Zu diesen methodischen Schwierigkeiten kommt außerdem hinzu, daß der Goglimogli als Kinderspeise gewöhnlich niemanden außer Mutter und Wicht (Kind) interessiert. Keiner hält ihn für wichtig genug, um die Geschichte zu verlassen.

Wenn hier nun trotzdem gewagt werden soll, Goglimogli das Vorwort zu geben, so nur deshalb, weil es der Goglimogli des Jahres 1927 und später ist, also einer, dessen historische Wichtigkeit wenigstens allen, die direkt von ihm gegessen haben, einleuchten wird. In den Goglimogli 27 ist – was jeden Altertumsforscher entzücken muß – aber auch der Goglimogli des ersten Jahrhunderts eingeträufelt. Er macht sich gleich durch ein ganzes Kapitel am Eingang der Geschichte von Goglimogli 27 bemerkbar und regiert den Sinn sämtlicher Ereignisse bis an das Ende im Häuschen. Außerdem wird vieles, das erst durch Goglimogli entstanden (zur klassischen Reife gelangt) ist, noch (ko-)existieren, wenn das einundzwanzigste Jahrhundert seinen Einzug hält. Wie man sieht, steht der Goglimogli 27 – er ist weit davon entfernt, ein lokaler Goglimogli zu sein – in Zusammenhang mit Dingen lange vor und nach 27. Unmittelbar mit ihm verschwistert sind die Goglimoglis Nummer 17, 37 und 47, welche seine Geschichte, in die sie gewissermaßen von rechts und links hereinspielen, recht wild zwischen Wartburg und Häuschen hin- und herbewegt haben. Diese Bewegung fängt – für historische Verhältnisse erstaunlich früh – schon bei den meisten Wichten an, die Goglimogli 27 auslöffeln mußten. Individuell machte sie sich nach dem sechsten Löffel, der ungefähr um das Jahr 1933 eingenommen wurde, bemerkbar, um dann in der Folgezeit eine immer wichtigere Bedeutung anzunehmen. Anfänglich war sie bloß die konkrete Abwehrbewegung der Wichte, ihr mit Kopf, Händen und Füßen geführter Kampf gegen den Goglimogli 27. Damals erschallten alle Häuschen, sooft sich dort ein voller Goglimoglilöffel auf die Wichte richtete, von wildem Geplärr. Man hörte auch außer elterlichem Zureden (den üblichen einschmeichelnden Geschichten) das harte Anschlagen der Löffel an eisern geschlossene Milchzähne. Sehr oft fanden panische Hausdurchsuchungen statt, wenn die Wichte sich in den entlegensten Ecken und Winkeln vor dem Goglimogli verkrochen hatten. Da sie aber überall hervorgezogen und Goglimogli unterworfen wurden – Häuschen boten keinen Schutz –, suchten die Wichte ihr Heil bald in größeren Entfernungen. Die schnellsten flohen (fuhren) gleich im Kinderwagen über die Dixiebahn zur Wartburg. Die nächsten folgten, sobald sie gehen gelernt hatten, oder auch vorher schon, auf allen vieren. Um wenigstens in ein anderes Häuschen mit einem anderen (besseren) Goglimogli zu kommen, versuchten auch viele Wichte ihr Glück als Findlinge. Diejenigen aber des Jahrgangs, welche das Unglück hatten, aus irgendwelchen Gründen in ihrem Häuschen steckenzubleiben und weiteren Arten der Eintrichterung unterzogen zu werden, machten den Goglimogli – eben weil dieser bei ihnen noch keine oder zu wenige Wurzeln in der Seele geschlagen hatte – nur denk- und sprechzimmerlich (also nur als logo-phonisch darauf Bezogene) durch, was sich in der Folge dann auch durch die erstaunliche Leichtigkeit bestätigt hat, mit der der Goglimogli 27 aus ihrem Bewußtseinsstromgebiet verschwand: Als es nach 45 in der Erscheinungswelt damit vorbei war, dachten sie nicht mehr daran und redeten nicht mehr davon (es sei denn kritisch).

Die große Flucht vor Goglimogli 27 begann aber erst im Schulalter, als nämlich die Wichte desselben Jahrgangs (Goglimoglis) ein Klassenbewußtsein entwickelten und damit auch ihre ganze Opposition historisch bildeten. Ihr grundlegendes, zumeist intuitives (stilles) Einverständnis entstand auf der Basis des zwangsverzehrten Goglimoglis. Denn über einen Punkt waren sich alle Wichte dieser Klasse einig: Von diesem Zeug keinen (siebenten) Löffel mehr.

In der Schule wurden zur Verabreichung des Goglimoglis, der hier übrigens viel dicker war als in den individuellen Häuschen, Trichter benutzt. Alle Lehrer hatten, wenn sie untertrichteten, einen in der Hand und bei festlichen Anlässen, Ansprachen, Kundgebungen usw. einen auf dem Kopf. Der Untertricht bei den Wichten des Jahrgangs (Goglimoglis) 27 war von wilden Klassenkämpfen gekennzeichnet. Was die Eintrichterung immer besonders behinderte, war der unheimliche und systematische Lärm der Klasse oder auch nur ein ganz kleines, dafür aber in regelmäßigen Abständen verursachtes (am besten unanständiges) Geräusch. Von den Hinterbänken stiegen unablässig Papierflugzeuge mit Stinkbomben auf. Sie flogen in Bögen um den Katheter, an welchen man ohne Gasmaske dann nicht mehr treten konnte. Den mit Kreide (auch Goglimogli) an die Tafel geschmierten Satz: »Der Goglimogli ist Sch…« mußten die Lehrer vor dem Untertricht jedesmal selbst abwischen, denn die Klasse rührte sich nicht. Die Trichter wurden auch oft durch unvorhersehbare (ruckartige) Kopfbewegungen der Schüler umgekippt und große Portionen Goglimogli auf den Fußboden vergossen. Die Lehrer, welche solche offenen (An-)Schläge gegen Goglimogli 27 weder dulden konnten noch durften, stürzten sich immer brüllend auf den Klassenfeind, um ihm ein paar von den stärksten (saftigsten) Maulschellen zu verpassen. Oder sie schwangen Rohrstöcke über oft auch gepolsterten Hinterteilen, denn viele Wichte kamen gleich mit Kopfkissen im Hosenboden zum Untertricht. Die Schule handelte in enger Eintracht (Eintricht) mit den meisten Elternhäuschen, wo der Goglimogli mindestens ebenso – wenn nicht noch strenger – kontrolliert (exerziert) und die Klassenfeindschaft vertieft wurde. Jede wichtigere Familie hatte zudem noch einen richtigen Trichter mit endlosen Sendungen über Goglimogli im Häuschen.

Als nach den ersten bewegten Volksschuljahren wegen Trichter-, Goglimogli- und Personalausfalls – die Wichte jagten um diese Zeit 27 Lehrer (amtliche Ziffer für Großdeutschland) in den Ruhestand – der Untertricht zu erlahmen drohte, wurde offiziell die Aufteilung der Klasse in andere, nämlich tiefer und höher gelegene Klassengemeinschaften beschlossen. Das Gros der Wichte war – da sie ja nur lauter Fünfen oder Sechsen in Goglimogli hatten und zu Ostern immer mehr sitzenblieben – am leichtesten umzugruppieren. Die größten (zugleich die faulsten) Stänker flogen überhaupt von der Schule; der nach den damaligen Begriffen etwas anständigere Rest (5+ in Goglimogli) wurde auf ältere und ernstere Jahrgänge verteilt. Ansätze eines deutlicheren, organisierten Ungehorsams in verschiedenen Ober- und Unterklassen ließen später erkennen, daß die Wichte noch immer bei der Wühlarbeit waren. Doch kam es jetzt schon viel seltener und allgemein auch nur da, wo Goglimogli über die Hutschnur ging, zu offenen Widerspenstigkeiten. Fast alle Wichte hatten nämlich mit den Jahren in ihrer Umwelt außer den zwei goglimoglivollen Häuschen (das heißt außer Eltern- und außer Schulhäuschen) noch viel mehr goglimoglifreie Plätze zu unterscheiden gelernt, auf welche sie sich denn auch am liebsten zurückzogen, sobald sie aus dem Eltern- beziehungsweise Schulhäuschen (heraus) waren. Wenn sie zuvor zwar bis an die Zähne bewaffnet und klassenfeindlich, aber doch wenigstens mit Interesse den Untertricht besucht hatten – etwa so, wie Gegensätze sich anziehen –, stellte ihre immer häufigere (längere) Abwesenheit in allen Häuschen (Elternhäuschen, Schulhäuschen) diese Häuschen vor ein neues und ärgeres Problem. Denn keine Notmaßnahme (Arreste, Eskorten, Züchtigungen) hielt die Wichte (der Klassennummer 27) im Häuschen: Sie gingen mit ihren Spezialdickköpfen sofort durch alle Wände und blieben zur Strafe der Bestrafer dann vielleicht noch viel länger fort als gewöhnlich.

Daß sie sich nicht ganz verloren, daran war paradoxerweise der Goglimogli schuld, genauer: jene vier bis fünf Löffel, welche die Wichte bis zur Einschulung bekommen hatten und wodurch sie nun selbst in kilometerweiten Entfernungen – der Goglimogli war zu alledem elastisch und dehnbarer als Kaugummi – doch immer noch irgendwie an ihren respektiven (Eltern-, Schul-)Häuschen klebten. Die Wichte kamen also fast alle stets zurück nach Häuschen – oft nur, um eine gute Tracht Prügel zu beziehen oder um nachzusehen, ob noch und wenn, wie die Klassen kämpften, um auch selbst ein paar Staatsstreiche gegen die Trichter auszuführen und um – was die Hauptsache war – nach allen Tätlichkeiten aufs neue verschwinden zu können.

Aber auch zu Häuschen zeigten sie jetzt ihre immer unverhülltere Leidenschaft für alles Ungogliche und Unmogliche. In den Elternhäuschen drehten sie zum Beispiel solange an den Trichtern, bis etwas ganz Anderes und von dort meilenweit Entferntes herauskam. Was die Wichte so (und meistens noch maximalstark) einstellten, waren von Dixieländern in Dixieländern gespielte Dixieländer. Auf der Skala begann gleich rechts und links von den paar Sendestellen des Häuschens die Dixiebahn mit Pauken und Trompeten. Jeder Millimeter, den man da weiterging, brachte einem andere (neue) Dixieländer ins Gehör. Den Wichten waren die Stationen niemals laut (nah) genug: Fast alle steckten ihre Köpfe in den Trichter. Zwischendurch kamen Nachrichten in dixieländischen Sprachen (viele auch schon mit recht abfälligen Meinungen über das Häuschen und seinen Goglimogli). Was durchgesagt wurde, begriffen die Wichte, die aus Mangel an dixieländischen Vokabeln unmöglich direkt folgen konnten, indirekt aus den (nach-)gepfefferten Melodien. Sie kannten die besten Dixieländer auswendig und reproduzierten sie bei Stimmung fast ebensogut wie der Trichter. Im Häuschen verbreiteten sich übrigens viele der modischsten dixieländischen Schlager (Lieder wie etwa der Lambeth Walk) gleich mit Spottversen auf das Häuschen beziehungsweise den Goglimogli 27; dann bekamen die Wichte zu dem Rhythmus auch noch den richtigen Refrain.

Ferner legten sie eine ungewöhnliche Begabung für die mit den einzelnen Dixieländern verbundenen Tanzschritte an den Tag; denn es waren Riesenschritte, mit denen man sich binnen kürzester Zeit aus dem Staube (des Häuschens) machen konnte. So liefen die Wichte, die zum Tanzen vielleicht noch zu klein, aber zum Türmen bestimmt schon groß genug waren, oft im Fuchstritt (Foxtrott) vor dem Goglimogli davon. Es gab verschiedene Fuchstritte, je nachdem, ob man schnell (offen) oder langsam (heimlich) aus dem Häuschen geraten wollte. Im ersten Fall wurde der Fuchstritt von Charleston, im zweiten mehr der von Boston (was zwei Städte in Dixieland sind) angewandt. Die Fuchstritte konnten darüber hinaus noch einem Gegner (Verfolger) auf der Dixiebahn, einem Trichter, mit gutem Effekt versetzt werden und den Klassenkampf zugunsten der Wichte entscheiden.

Eine Dixiebahn, die schon seit langem nicht mehr benutzt worden und daher von Gras überwachsen, meistens auch mit Goglimogli zugedeckt oder zerfallen war, kam – wenn man gehörig nachgrub – überall zum Vorschein, selbst im Schulhäuschen. Mancher Lehrer hatte sie in seinem Trichter, der dann nur bewegt (gestimmt) zu werden brauchte, damit Ungogliches (oft sogar auch Unmogliches) erschallte. Viele Trichter ließen, wenn man sie mit dem verengten Ende wie Fernrohre vor die Augen setzte, ganz klar die Dixiebahn und dahinter, zwar recht verschwommen, aber den Wichten doch ersichtlich genug, die sonnigen Küsten einiger Dixieländer erkennen. Bei diesen Studien war Friede zwischen den Klassen: Wichte und Lehrer kamen aus ihren Verschanzungen hervor und einander (bis zur Mitte des Klassenraums) entgegen. Um jeden Abstand zu verwischen, setzte sich der Lehrer oft sogar noch auf eine Schulbank. Dann wurde der Trichter herumgereicht und ferngesehen, während die Lehrer von ihren Reisen nach Dixieland erzählten, die sie vor dem Goglimogli 27 – als die Dixiebahn noch frei (durch kein Häuschen verbaut) war – gemacht hatten. Die schöneren Perspektiven, wie Ansichten von (über) und Aussichten nach (auch auf) Charleston oder Boston, lagen immer nur rechts. Links war entweder der Horizont des Lehrers nicht weit oder sein Trichter nicht scharf genug, um etwas (für) wahrzunehmen. Weil sich übrigens aus den Dixieländern dieser Richtung keine Dixieländer (kein Charleston, kein Boston) hören ließen, erschienen besagte Länder den Wichten nicht interessant, öde, langweilig, überhaupt unwichtig (auch irgendwie verdächtig). Der Kriegszustand zwischen Wichten und Lehrern erneuerte sich, sobald letztere wieder zum Untertricht übergehen, das heißt mit dem Trichter Goglimogli einschenken wollten. Da sie das Instrument dazu vertikal aufstellen mußten und die Wichte auf der anderen Seite immer daran festhielten, wurde es – falls die Parteien zuletzt nicht doch noch auseinandergingen (auf ihre Oppositionen an den Enden des Klassenraums zurückfielen) – jämmerlich verbogen. Lehrer mit Dixiebahn (-land) im Trichter fanden sich in noch größerer Zahl am Gymnasium, wo mindestens ein bis zwei dixieländische Sprachen Lehrfächer waren und auch objektiv mehr Möglichkeiten bestanden, von Goglimogli abzuschweifen.

Die wichtigste dixiebahnbrechende Bewegung vollzog sich aber auf der Straße als Intervall zwischen Schul- und Elternhäuschen. Denn erstens kamen hier in überwiegender Zahl fremde Leute vorbei, von denen man – wenn sie den Mund hielten – immer annehmen konnte, sie seien Dixieländer. Es gab aber auch Plätze im Straßenbild (Denkmäler, Prunkhäuschen, Museen, historische Torbögen, Alleen usw.), wo die Wichte immer sicher sein durften, ein paar gewöhnlich mit Fotoapparaten bewaffnete Originaldixieländer und Originaldixieländerinnen zu treffen, Originaldixieländisch zu vernehmen. Während dann die Dixieländer irgendein – sagen wir – Häuschen (Monument, Standbild usw.) bewunderten, bewunderten die Wichte die Dixieländer. Zuerst nur von weitem, später schon zutraulich aus nächster Nähe. Manchmal wurden sie von den Dixieländern freundlich vor das Häuschen (Monument, Standbild usw.) gestellt und mitfotografiert. Kommunikation vervollständigte die Annäherung: Die Wichte sagten: »How do you do?« und machten – weil ihr aktiver Wortschatz damit erschöpft war – den Dixieländern einige Fuchstritte vor. Gewöhnlich zeigten die jüngeren (wichtigeren) Dixieländer den Wichten dann auch sofort, wie sie es machten, nämlich den Originalfuchstritt mit Variationen, wie man sie sich nur in Charleston (oder Boston) selbst ausdenken kann. Die Wichte gerieten natürlich alle gleich in Bewegung und hatten schon nach wenigen Lektionen mit verschiedenen Dixieländern vor denselben Standbildern, Häuschen, Monumenten usw. die Originaldixiebahn in (unter) den Füßen. Sie bekamen auch viele dixieländische Souvenirs, Plaketten mit Wappenschildern von Charleston und Boston, dixieländisches Kleingeld (Cents und Pennies), Bonbons, seltener Bücher mit dixieländischen Landschaftsbildern und ähnlichem. Um nicht in der Schuld zu bleiben, schenkten die Wichte den Dixieländern ein paar Trichter, die sie im Klassenkampf von den Lehrern erbeutet hatten, oder eine Flasche mit Goglimogli 27, die aber immer sorgfältig verkorkt sein mußte, denn der nunmehr zehn bis elf Jahre alte Goglimogli stank bereits fürchterlich nach Schwefel. In dieser Zeit kamen die Wichte fast jeden Tag regulär mit ein paar neuen dixieländischen Adressen in der Tasche, manchmal sogar mit ein paar Originaldixieländern nach Hause (in ihr durch solche Besucher mehr un- als angenehm überraschtes Elternhäuschen). Die Gäste waren zwar alle ausgesucht herzlich, aber vor ihren durchdringenden Blicken fühlten sich die meisten Häuschen wie in einem zu schweren Staatsexamen. Manche Gäste stellten direkt viele persönliche (unmögliche) Fragen über Goglimogli 27. Aber sehr oft waren auch die Wichte ungezogen, besonders wenn sie beim Abschied der Dixieländer dermaßen losbrüllten, daß der entsetzte Besuch wie angewurzelt in den Häuschen sitzen(stehen-)blieb. Dann mußten die Wichte gewöhnlich erst eingeschläfert werden, ehe die Dixieländer sich entfernen konnten.

Zweitens lagen an den Straßen noch unzählige Lichtspielhäuschen mit originaldixieländischen Filmen, die für die Wichte allerdings meistens verboten, aber auf Seitenwegen (krummen Dixiebahnen) doch immer anzusehen waren. Guter Fuchstritt und der Umstand, daß diese Häuschen – wenn sie spielen – immer dunkel sind, begünstigten den Einbruch. Die Wichte rutschten durch alle Hintertüren, Luken, Klappen, oft auch durch den Schornstein des Lichtspielhäuschens und konnten dort – weil sie sich nach Schluß der Vorstellung unter den Sitzen versteckten – den ganzen Tag zubringen. Manche Wichte ließen sich von bestochenen Trunkenbolden, Tagelöhnern usw. gegen ein Bier- oder Schnapsgeld mit Rucksäcken, Handkoffern, größeren Markttaschen und ähnlichem in Lichtspielhäuschen hinein- und aus ihnen hinausbefördern. Manche kamen mit Maskeraden und Verstellungen (retuschiertem Schnurrbart, Bauchreden vor Kassenfenstern und Kontrolleuren) selber zu den Aufführungen durch.

In den dixieländischen Lichtspielen bestand die Dixiebahn vor allem in den tief ausgeschnittenen, oft unbedeckten Mehrbusen der dixieländischen weiblichen Filmsterne, in allen ihren sekundenlang bis zum Delta abgefilmten Lokalitäten, welche darum auch die wichtigsten Stellen jeder Vorstellung waren. Die meisten Wichte hockten zwecks besserer Inspektion dicht unter der Leinwand und ließen sich – wenn sie in den Lichtspielhäuschen einen kleinen Einfluß hatten – das Lichtspiel an den besagten Stellen zweimal (oft auch in Zeitlupe oder sogar vergrößert) vorspielen. Ihren ganz besonderen Zuspruch fanden diese Stellen dort, wo sie in den Lichtspielen von einem dixieländisch männlichen Filmstern besetzt wurden (waren, werden sollten). Leider war das Licht der Lichtspiele dann niemals hell, und selbst das Filmbild war selten lang genug, um den Vorgang genauer erkennen zu lassen. Er blieb auch niemals bis zum Ende im Blick, denn statt dessen sah man plötzlich in den nackten Himmel (in hohe, von Wildgänsen überflogene Baumkronen, in den Mond); dazu hörte man heiser geflüsterte Koseworte, Liebesschwüre und ähnlich allgemeine, viel zu undeutliche Tonsymbole für die weiteren Ereignisse auf der Dixiebahn. Die Wichte, die sich diese Blickrichtungswechsel objektiv nicht erklären konnten oder wollten, baten das Lichtspielhäuschen (oft sehr energisch), den Fokus nicht zu verlieren. Manche wurden wegen dieser Angelegenheit gleich in den Projektionsräumen vorstellig, manche (radikalere) entfachten aus Protest gleich einen kleinen Stunk (Stink) in den Zuschauerräumen, die – weil sie ja mit Klassenräumen viel gemeinsam haben – für Klassenkämpfe(r) auch sehr gut geeignet sind. Übrigens liefen gewisse dixieländische Filme mit für die Zensur zu tollen (offenen) Dixiebahnen nach und nach auch wirklich immer verkürzter auf den Leinwänden der kleineren Lichtspielhäuschen, so daß die Wichte, um solchen Unterschlagungen zuvorzukommen, sich regelmäßig zu den Premieren versammelten, wo die Dixiebahn noch intakt und in Gesamtheit zu bewundern war.

Auf manchen Straßen gab es nun aber drittens noch richtige Dixiebahnstationen oder Nachtbars als Wallfahrts (Wohlfahrts-) orte für die Wichte. Weil der Eintritt dort sehr schwer, fast gar nicht zu bewerkstelligen war, lagerte sich das Jungvolk gewöhnlich vor den illuminierten Portalen. Die Bars nahmen schon früh am Abend Herren und Damen (diese oft mit den dekolletierten Dixiebahnen) aus allen besseren Häuschen auf; an den Stationseingängen entfaltete sich dann immer so etwas wie eine Modenschau mit Wichten als unmittelbarem und dankbarem Publikum. Die Herren waren an-, die Damen ausgezogen wie in (und für) Charleston und Boston; vom Glanz der Ringe, der Kolliers wurden dixieländische Lichtspiele lebendig. Alle diese Leute standen tags vielleicht unter, nachts aber in den Dixiebahnstationen (auf der Dixiebahn nach Charleston oder Boston) haushoch über Goglimogli.

Für die Wichte war außer den mitunter originaldixieländischen Dixieländern, die laut genug auf die Straße hinausdrangen und sie veranlaßten, einen kessen Fuchstritt auf den Asphalt zu legen, noch der Torschluß der Bars die große Attraktion. Wer (welcher Herr oder welche Dame) dann nämlich von dort herauskam, der war durchschnittlich mindestens zur Hälfte und über Durchschnitt schon ganz und gar aus dem Häuschen (in Dixieland). Die Vollsten (Dixieländer) torkelten singend oder pfeifend im Zickzack über das Pflaster; ehe ihnen ein Laternenpfahl endgültig den Heimweg versperrte, säten sie noch ihre Kopfbedeckungen, Schals, Handschuhe, Hausschlüssel, Taschentücher wie auch überhaupt Inhalte ganzer Taschen wahllos nach rechts und links aus. Zur Betreuung solcher Gestrauchelten hatten die Wichte auf der Dixiebahn einen kleinen Sicherheitsdienst aus sieben Wichten (Zwergen) eingerichtet, der dafür sorgte, daß den Dixieländern nichts verlorenging, der jeden bewachte, bis er erwachte.

Dies waren aber nur Extremfälle, denn, um die Leute auf den Beinen beziehungsweise in Bewegung zu halten, genügte es schon, wenn die (sieben) Wichte zu einem schmissigen Dixieländer, den sie selbst anstimmten, ihren Heidentanz mit Originalfuchstritt aus Charleston und Boston begannen. Der Tanz riß die Vollsten (Blausten) mit und – mal im Charleston, mal im Boston – über die Straßen zurück ins Häuschen. Gewöhnlich brauchten die Wichte ihren Mann, den es von selbst nach Hause zog, nur anzukurbeln. In den wenigen Fällen, wo ein Herr zu wackelig aussah und nach Hause getanzt werden mußte, gaben die Wichte, welche seine Adresse schon immer gut kannten (da sich ja regelmäßig nur ein und dieselben Leute über Durchschnitt betranken), ihrem Charleston oder Boston unmerklich die Richtung heimwärts. Der Service auf der Dixiebahn (Straße) wurde hochgeschätzt und oft sogar gesucht; denn wer gern einmal ganz und gar aus dem Häuschen, aber mit Garantie unversehrt wieder zu ihm zurückfinden wollte, der bestellte sich die Wichte einfach um soundsoviel Uhr vor die Bar. Besonders Einflußreiche nahmen die Wichte gleich mit auf die Station, wo sie den Protest des Dixiebahnhofsvorstehers gegen die Anwesenheit unmündiger Jugendlicher mit großzügigem Trinkgeld erstickten. Anstatt alkoholischer Getränke erhielten die Wichte in (an) den Bars unschuldigen Tee, Kaffee, ein Glas Milch und stellenweise auch Goglimogli, den sie aber niemals zu sich nahmen und entrüstet stehenließen.

Über die Sichtbarkeit dixieländischer Naturerscheinungen brauchten sich die (sieben) Zwerge (Wichte) auf den Stationen nicht mehr zu beklagen: Sie waren hier – sehr im Unterschied zu den dixieländischen Lichtspielen, wo solche Stellen immer fleisch- und blutlos vergaukelten – oft nur eine Handbreit von den lebendigsten und goldigsten Dixiebahnen entfernt. Und was die dixieländischen Lichtspiele immer nur ganz oberflächlich (andeutungsweise) berührt hatten, nämlich die Herrenbesuche auf (an) den zarten Verkehrslinien, das sahen die Wichte – da Besucher und Besuchte ja gewöhnlich schon vollkommen aus ihren respektiven Häuschen waren – jetzt ganz unverdeckt (unversteckt) aus nächster Nähe. Auf der Dixiebahnstraße fiel den Wichten auch die Aufgabe zu, solche Besuche(r) nach rechts und links zu sichern; sehr oft standen sie – weil meistens in Hausflure gegangen und dort empfangen wurde – dann noch vor einem wildfremden Häuschen Wache.

Nun reichten aber diese Wachen wie auch überhaupt der ganze Sicherheitsdienst nicht aus, um unerwünschte Störungen abzuwenden: Auf der Straße, das heißt unter freiem Himmel, vor unzähligen Häuschen mit Fenstern und Türen, die sich immer öffnen konnten (und aus denen sich in den gelindesten Fällen Eimer Wasser über die Dixieländer und Wachen [Wichte] ergossen, in den schlimmsten die empörten Hausbewohner selber hervorschossen), bestand für die Dixiebahn(er) dauernd Gefahr. Jede Art von Dixiebahnkörper, ja, selbst derjenige, der als vermietbarer den Häuschen strukturmäßig am nächsten verwandt war (und dieser sogar noch mehr als alle übrigen), war in den Häuschen verpönt und den heftigsten Angriffen ausgesetzt. Oft sahen (hörten) zum Beispiel die Wichte – wenn sie einen Schützling im Charleston und Boston glücklich heim (bis vor seine Haustür) gebracht hatten –, daß dort noch ein ganz anderer (viel unangenehmerer) Tanz mit ihm begann. Von den Schlägen, die er dann vielleicht bezog, konnten nicht wenige auch die Wichte – falls sie seinem Häuschen zu nahe gekommen waren – höchst schmerzvoll treffen. Vor den Bars und an vielen Dixiebahnstraßenecken lauerten nicht selten schon Leute auf den Schützling, die von Haus aus irgendein (Faust-)Recht über ihn hatten und die ihn mit schrillem Kriegsgeschrei davonschleppten, ohne die Wichte zu fragen. Manchmal ergaben sich auch wilde Verfolgungen, die aber schnell mit der Gefangennahme des Schützlings endeten, denn die Verfolger (welche aus Kriegslist absichtlich großen Lärm schlugen, manche riefen sogar: »Haltet den Dieb«) hatten immer alle umliegenden Häuschen, in einigen Fällen auch einen Schutzmann auf ihrer Seite, der Schützling hatte nur die Wichte. Dazu kam, daß dann meistens noch die Wichte selbst von ihren eigenen Häuschen, denen sie unendlich wichtiger waren als umgekehrt, gesucht, gestellt und von der Dixiebahn(-bar) weggeholt wurden. Alle diese und ähnliche Repressalien (insbesondere die Internierung und die disziplinarischen Prügelstrafen im Elternhäuschen) gehörten – ehe das Charleston- und Bostonverbot des (Goglimogli) Jahres 37 sie bis zur Unerträglichkeit verschärfte – beinahe mit zur Dixiebahn; sie waren die unabänderlichen (an sich gar nicht unwichtigen) Komponenten des ganzen Abenteuers, das man immer wieder gern probierte (riskierte): Die Wichte, um die Dixiebahn zu schützen, die Schützlinge, um sie zu benützen.

Nun gab es auf dieser relativ frühen Entwicklungsstufe allerdings auch schon viele, gewöhnlich nur streng private, sehr getarnte, sehr befestigte Antihäuschen, wo man den Goglimogli 27 schlecht vertrug und wo man hoffte, das Ende (oder wenigstens den größten Teil) seiner Verabfolgung unbetroffen abwarten (überdauern) zu können. Solche Antihäuschen (anders auch Wartburgen genannt) standen vielleicht nicht gerade an der, aber regulär doch in der Nähe der Dixiebahn, und manche Schützlinge (Wichte) duckten sich, sooft ihnen ein Häuschen auf den Hacken saß, in sie hinein. Zuerst hatten die Wartburgen (Antihäuschen), weil sie an den Häuschen im Grunde nur den Goglimogli 27 (auch bloß abstrakt) bemängelten und sonst meistens regungslos warteten, ohne irgendwelche territorialen Ansprüche geltend zu machen, gar kein (richtiges) Tätigkeitsfeld. Die Dixiebahn, die sie gelegentlich vielleicht mal gerne vor den Häuschen deckten (versteckten), war noch nicht ihr ausgesprochenes Protektorat. Sie sahen in den Dixieländern (links, rechts) noch keine nennenswerten Verbündeten und suchten einen Ausweg aus dem Goglimogli (Häuschen), unabhängig von Charleston und Boston. Umgekehrt war aber auch die Dixiebahn jener frühen Tage verhältnismäßig schmal und als Gelände zur Stellungnahme gegen Goglimogli (Häuschen) noch nicht besonders günstig. Sie funktionierte (existierte) für die meisten nur feierabends, war etwas Fremd(eben Dixie-)ländisches ohne zuviel Spiegel (Spiegelung) in den Häuschen. Weiterhin muß angemerkt werden, daß vielleicht sogar nach Goglimogli 37 viele Wartburgen von selbst nie dazu gekommen wären, sich der Dixiebahn anzunehmen, wenn die Wichte (vorwiegend KIassennummer 27) sie nicht extra damit betraut (in manchen Fällen einfach dafür in Beschlag genommen) hätten. Zahlreichen Wartburgen (-bürgern) vor und nach 37 waren zum Beispiel Politik und Musik (dixieländische) zweierlei, bis sich ein Wicht bei ihnen einbürgerte, um sie eines Besseren zu belehren: ihre Opposition gegen Häuschen durch Fuchstritt zu stärken.

Diese Umschulung ging nun ihrerseits aber auch wieder nur sehr langsam vonstatten, denn zuerst fand natürlich niemand Charleston (Boston) ebenso lebenswichtig wie der Wicht. Wegen der provinziellen (mehr in- als aus[dixie-]ländischen) Vorkriegsnatur der meisten (insbesondere älteren) Wartburgen und -bürger wurden in den Jahren 37 bis 39 die schönsten (wichtigsten) Teile der Reichsdixiebahn Beute der Häuschen (und später Teile der Reichsautobahn). Die Möglichkeit einer Anlage großartiger, ganz auf Charleston und Boston gegründeter Wartburgen mit den machtvollsten Schlüsselpositionen auf der Dixiebahn ergab sich aber erst in der Kriegszeit (39 bis 45), als alle aus dem Häuschen waren und die Wichte das somit frei (leer) gewordene Häuschen (Wohnungen, Zimmer) für die Wartburgen des wahrhaft großen (dixieländischen) Stils requirieren konnten. Bis dahin waren die Wichte und ihre Schützlinge höchstenfalls nur Wartbürger ohne Wartburgen, das heißt, entweder sie hatten auf der Dixiebahn überhaupt keinen festen Warteplatz für die Häuschen, oder sie hatten einen, der dann aber in erster Linie anderen, viel älteren Wartbürgern (mit viel kleineren Klassennummern) gehörte, welche die Dixiebahn und den Charleston (auch Boston) gewöhnlich nicht (wenn es hochkam, nur zeitweise) bei sich einlassen wollten.

Endlich ließ sich die Dixiebahn vor und um (auch nach) Goglimogli 37 noch gar nicht richtig auf einen Punkt (sicheren Platz) zusammenziehen (in einer Wartburg unterbringen); sie war da, weil noch gelenklos, äußerst unbeweglich, beinahe starr und jedem Angriff von vornherein preisgegeben. Als dann in Folge der neuen Hausordnungen (-verordnungen) gegen Charleston und Boston (im Goglimoglijahr 37) der kleinste Fuchstritt in der Öffentlichkeit mit hohen Geldstrafen belegt oder der Fuchstretende selbst auf lange Zeit in besonderen Häuschen festgehalten werden konnte, war damit auch schon die ganze Dixiebahn faktisch annulliert. Als Bahnkörper (Fahrdamm) bestand sie zwar nach wie vor, aber mit dem Dixie war es – weil nun auch in den Bars die Dixieländer stoppten – nixie. Von nun an hatte die Polizei ein extra scharfes Auge auf alle Jugendlichen, welche nachts im Charleston oder Boston zwischen den Häuschen hin- und herkursierten. In ihren Razzien kämmten sie die Straßen immer wieder nach Wichten ab, deren Kommen und Gehen jetzt auch noch zu Hause viel schärfer überwacht wurde als je zuvor. (Um sie wieder etwas seßhafter zu machen, wurden viele Wichte in ihren respektiven Elternhäuschen eine Zeitlang angebunden, auch mit Goglimogli [27, 37], den zu schlucken sie niemand mehr zwingen konnte, eingerieben.)

Die Dixiebahn war durch diese Maßnahmen bald nur noch ein Irrweg für alle Blauen ins Blaue, das heißt, wer nicht ganz und gar von ihr herunter und in die Gosse fiel, der schaukelte ziellos auf ihr herum, um dann halb ausgezogen (oft auch geplündert) und in dem Glauben, endlich wieder zu Hause zu sein, fremde Häuschenbewohner aus der Bettruhe zu klopfen. Zwecks Orientierung krakeelten, tanzten die Irrenden auch selbst mal einen Dixieländer, der aber – besonders weil keine Vorsänger, -tänzer (Wichte) korrigierend einwirkten – viel zu weit vom Original entfernt war (die Ton- und Gangart der Dixiebahn nicht mehr traf). Ohne Wacht (Wicht) wurden auch alle näheren Dixiebahnverbindungen in den Hausfluren jetzt immer öfter zu einem gestörten (gebührlich bestraften) Wagnis. Auf der Dixiebahn zeigte sich zuerst vereinzelt, später schon systematisch dann noch das Reichsauto, ein langer schwarzer Mercedes, der die Fuß(Fuchs-)gänger rücksichtslos anrannte, so daß fast alle unter seine Kotflügel und von dort in Kranken(Irren-)häuschen kamen. Damit die Dixiebahn nun auch in den Bars nicht mehr (zu sehr) aus dem Häuschen geriet, waren dort nach 37 bloß noch Ehepaare zugelassen.

Viele Wartburgen (meistens die, welche der Dixiebahn am nächsten lagen) verfielen damals ebenfalls dem Gesetz: Sie wurden (manche durch Verrat) eingenommen, geschleift, ihre Besatzungen wurden in die Häuschen zurück- oder, wenn das nicht mehr ging, in Zuchthäuschen abgeführt. Um und nach Goglimogli 37 gab es aber auch Wartburgen (-bürger), welche auf den Dixiebahnen und in verschiedenen, kleinen, umliegenden Dixieländern Stimmung für das Häuschen machten, so daß es bald aussah, als sei das Dixieland (links und rechts) Warteland auf das Häuschen. Alle diese Dixieländer und -bahnen kamen um 37 nacheinander wieder unter Dach und Fach. Der Goglimogli 27 erhielt 37 seine eisernen Unterlagen, das heißt, mit dem Goglimogli wurden jetzt schon Mündungen gepfropft zum Rührei(-n) weiterer Dixie(nicht mehr Warte-)länder und -bahnen in das Häuschen. Während der nächsten Jahre, die noch vergehen mußten, ehe die ersten Schüsse fielen, schrumpfte die Dixiebahn auf allen Leinwänden nach und nach auf den Nullpunkt zusammen, und auch aus Dixieland kam – weil man dort das Häuschen jetzt nicht mehr für sehenswürdig hielt – bald niemand mehr zu Besuch. Diese Jahre waren aber auch Jahre eines neuen unerhörten Aufschwungs von Charleston und Boston in den rechten Dixieländern, welche noch unbekümmert über die Aufrüstung der Häuschen seelenruhig (teils vielleicht auch ganz ahnungslos) ihre Fuchstritte verbesserten.

Dicht neben dem Goglimogli 27/37 existierte nun aber auch der welt- und privatgeschichtlich damals schon mindestens ebenso bedeutende und später noch viel bedeutungsvollere Goglimogli Nummer 17 (1917). Unter den vielen anderen Maximen des Goglimogli Nummer 17 ist die Abschaffung des Privateigentums von Häuschen hier am wichtigsten. Von linken Dixieländern erstmalig im Jahre 17 durchgeführt, bewirkte sie das meist freiwillige (in manchen Fällen vielleicht auch notgedrungene) Exil unzähliger Hausbesitzer in vor allem mitteleuropäischen (noch privat besessenen) Häuschen (weniger in rechten Dixieländern: in Charleston, Boston usw.). Alle diese vormaligen Hausbesitzer waren natürlich auch selbst wie aus dem Häuschen über ihr Schicksal und daher (wenigstens zuerst) ausnahmslos auf der Wartburg gegen den Goglimogli Nummer 17. Weil das Warten aber lange anhielt, zeugten manche vertriebene Hausbesitzer mit ihren Frauen (die auch teilweise aus demselben Häuschen waren) um 27, das heißt genau zu dem Zeitpunkt, als in gewissen Häuschen der Goglimogli gegen die Dixie- und Warteländer rechts und links losging, einen Wicht. Um 37 war der Goglimogli aller Wichte der vertriebenen Hausbesitzer mindestens privatgeschichtlich schon drei (Eier) Stockwerke hoch: 17-27-37. Er bezog sich auch nicht bloß auf ein, sondern gleich auf zwei grundverschiedene Arten von Häuschen: Durch Goglimogli Nummer (Wartburgsnummer) 17 einerseits auf das enteignete, irgendwo im linken Dixieland stehengelassene Urgroßelternhäuschen der Wichte mit dreistöckigem Goglimogli, und durch die Goglimoglis Nummer 27, 37 andererseits auf die immer antidixieländischer eingestellten Privathäuschen in Mitteleuropa, darunter Geburts-, Wohn- und Schulhäuschen der Wichte mit dreistöckigem Goglimogli.

In dem dreistöckigen Goglimogli waren die Goglimoglis außerdem noch, was ihre Ein- und Auslöffelungszeiten betraf, unterschiedlich: Der Ein- und Auslöffelungstermin von Goglimogli Nummer 17 für Wichte fällt zum Beispiel erst auf das viel spätere (Goglimogli-)Jahr 47, das heißt in eine Zeit, als der Goglimogli 27, 37 überall (wenigstens im großen und ganzen) schon ein- und ausgelöffelt war. Mit dem Goglimogli Nummer 17 hingen deshalb bis 47 nur sehr verschwommene Dinge zusammen, lauter Unsichtbarkeiten, in erster Linie natürlich das enteignete Häuschen im linken Dixieland voller Tanten und Verwandten, welches den Wichten mit dreistöckigem Goglimogli von ihren Eltern (den flüchtigen Hausbesitzern) immer wieder ans Herz gelegt wurde. Da nun aber die Wichte (Massennummer 172737) sich nichts Konkreteres darunter vorstellen konnten, war das Häuschen – trotz aller Bemühungen, es ihnen durch seine Sprache, Sitten und Gebräuche, Bilder- und Märchenbücher nahezubringen – für sie doch höchstens nur ein Luftschlößlein. Sie mußten ihre Phantasie blühen lassen, um es zu erreichen. Um 37 schickten manche Wichte mit dreistöckigem Goglimogli übrigens immer noch ab und zu Papierdrachen mit den besten Grüßen an das Luftgebilde (-bäude) in den Himmel. Unter den Wichten desselben Schlages gab es ferner welche (und gerade an einen von diesen knüpft unsere Geschichte an), die das Luftschloß näher kennenlernten, weil ihre Eltern (die flüchtigen Luftschloßherren) es in ihr Asyl (in ihre Wartburg gegen Goglimogli Nummer 17) mit eingebaut hatten.

Das erste, was diese Wichte von dem Luftschloß zu spüren bekamen, war seine außergewöhnlich hohe Lage über dem Meeresspiegel. Wenn zum Beispiel ihre Eltern riefen, mußten die Wichte, um diesen Rufen Folge leisten zu können, schwer und lange klettern. Natürlich erschienen sie immer mit erheblichen Verspätungen und wurden dafür von den Eltern, die den Höhenunterschied gar nicht wahrnahmen, gescholten oder verwalkt. Darüber hinaus war die Atmosphäre auf dem Luftschloß für die meisten Wichte zu dünn (stickig), so daß sie als Wickelkinder statt an Milch- an Sauerstoffflaschen nuckelten. Später (als Schulkinder) lernten sie, sich auf dem Luftschloß mit angehaltenem (in den Niederungen, das heißt außerhalb der Wartburg Nummer 17, geschöpftem) Atem zu bewegen, ungefähr so wie Taucher. Zweitens waren die Wichte in dem Luftschloß einem riesigen Schwindel ausgesetzt, der da nur etwas nachließ, wenn sie Kopf (auch Hand-)stand machten und sich überhaupt in allem, zu allem umgekehrt verhielten. Die Eltern, die wenigstens zuerst (bis zu und etwas nach dem Goglimoglijahr 27) völlig schwindelfrei waren und auch keinerlei Atembeschwerden auf dem Luftschloß hatten, glaubten, durch strengere Zucht in den Wichten eine höhere Anpassungsfähigkeit an ihre (luft-)häuslichen Verhältnisse ausbilden zu können (müssen). Daher sahen sich diese Wichte drittens schon sehr früh vor (beziehungsweise hinter) dem Schloß (im Sinn von Verschluß des Luftschlosses).

Aus solchen wichtigen Gefangenschaften half – weil die Luftschlösser (der Wartburgsnummer 17) für ihre Luftschloßgesellschaften (Luftschloßherren, -frauen, -kinder) das Schicksal selber waren – gewöhnlich nur ein Strick oder eine Strickleiter. Außerdem kam noch hinzu, daß die Luftschlösser (Wartburgsnummer 17) sich mit jedem neuen Goglimoglijahr weiter von der Erde entfernten und alle Rettungsleinen (-leitern) dementsprechend länger (schwerer fabrizierbar) wurden. Die Länge der Strickleiter für Wichte mit dreistöckigem Goglimogli betrug 1927 bis 1937 Stufen. Obwohl die Wichte alles nur irgend Mögliche dazu verflochten: Bettlaken, Handtücher, Hosenbeine, Schnürsenkel, Geduldsfäden (wenn vorhanden, auch Zöpfe ihrer Schwestern), war die Leiter objektiv doch immer viel zu kurz. Sie baumelte in halsbrecherischem Abstand über dieser Welt und so meistens auch bloß über dem Goglimogli 27 bis 37.

Um und nach 37 – ein auch nur halbwegs sicherer Fallschirm für Wichte aus Luftschlössern (der Wartburgsnummer 17) ist trotz Kosmonautik und Planetenumkreisungen bis heute noch nicht erfunden – fanden Landungen von Wichten mit dreistöckigem Goglimogli im Durchschnitt nur sehr selten statt. Auch der Versuch, das Luftschloß selbst zu senken, schlug den Wichten – weil nämlich ihre Eltern (wenigstens noch am Anfang) viel zu fest darin verklammert waren – fehl. Für die Senkung machten sie sich zwar so schwer (schwierig) wie möglich – um 37 wog mancher Wicht (mit dreistöckigem Goglimogli) durch die Schwierigkeiten, welche er seinen Eltern bereitete, oft mehr als eine Tonne –, aber in der Masse waren sie zu jener Zeit doch nur lauter Fliegengewichte und auf dem Luftschloß kaum zu merken. Die meisten dieser Wichte gewannen, als sie älter (später auch Eltern) wurden, das Luftschloß lieb, lieber, am liebsten und saßen (sitzen) mit in manchen Fällen enormer Überheblichkeit über allen anderen (reellen) Häuschen wohl bis an ihr Lebensende dort oben fest. Sehr viele machten sich aus dem Luftschloß dann letztlich noch eine Art Wartburg gegen den Goglimogli 27, der um 37 schon in den Waffen starrte, so daß es ratsamer erschien, darüber zu schweben, als darin zu leben. Gleich weit entfernt blieben (bleiben) diese Luftschloßbewohner dann natürlich noch von allen wichtigen Dixiebahnen zwischen Charleston und Boston. Sie wußten (wissen) keinen einzigen Fuchstritt und kannten (kennen) auch keine Dixieländer – was aber Faktoren sind, ohne die eine Wartburg gegen die Goglimoglis Nummer 17, 27, 37 usw. gar nicht zählt. Nur wo die (oder einer der) Eltern sich dem Luftschloß auf die Dauer nicht mehr gewachsen zeigten, verlor es langsam an Höhe, wurde zum Spielball gelegentlicher Windstöße, gondelte immer tiefer sinkend mal nach links, mal nach rechts, um endlich im Goglimogli 27 oder 17 (eher 27) klebenzubleiben. Alle diese gestrandeten (gelandeten) Luftschlösser sind nach kurzer Zeit von selbst geplatzt, und wer von ihren unglücklichen Insassen bis dahin nicht ausgestiegen war, der kam dabei entweder überhaupt ums Leben, oder er kam um sein Leben in Dixieland (auf der freien Dixiebahn nach Charleston oder Boston).

Um 37 ereignete sich der erste und bis auf weiteres einzige Strandungs(Landungs-)fall eines Luftschlosses (der Wartburgsnummer 17 Komma 27), das genau zehn Jahre später (47) explodierte. Die Henkersfrist war nicht zu kurz (in der Zeitspanne haben bekanntlich die vereinten Dixieländer von rechts und links über den Goglimogli 27 triumphiert), auf alle Fälle lang genug, damit der Wicht dieses Luftschlosses sich hier auf Erden umsehen, noch im Goglimogli 27 gute Dixiebahnen (nach Charleston, Boston) erschließen und in einer richtigen, allen modernen Ansprüchen gerechten Wartburg zum Kapitän befördert werden konnte. Das Luftschloß kam – hauptsächlich deswegen, weil die Eltern sich plötzlich nicht mehr darin vertrugen: Sie wollte leben, anstatt zu schweben, er, umgekehrt, lieber schweben, als in Goglimoglis, besonders im Goglimogli Nummer 27, zu leben – in immer rascherem Gleitflug herunter. In der Luft beschrieb es wilde Zickzacke. Wenn sie (die um jeden Preis auch trotz Goglimogli Nummer 17 zurück ins [enteignete] Häuschen wollte) das Steuerruder bekam, ging es nach links, wenn er (der den Goglimogli Nummer 17 viel zu bedenklich fand, um sich darauf einzulassen) das Ruder hatte, ging es nach rechts. Durch den Sturzflug änderte sich nicht viel: Das Luftschloß blieb territoriell, wo es gewesen war, das heißt, wenn auch nicht mehr im Luft-, so doch immerhin im Raum von Goglimogli 27. Es landete auch ziemlich unsanft, mit schweren Quetschungen an beiden Flügeln und der sicheren Aussicht auf ein langes (vielleicht ewiges) Dasein parterre. Die Notlandung stürzte alle Schloßbewohner, von diesen an erster Stelle aber die Eltern (Älteren), ins Unglück. Bei beiden offenbarten sich kurz darauf Symptome der fatalsten aller Krankheiten, welche das Heimweh (Weh um, nach, allgemein: von dem Häuschen) ist. Das Leiden war bei jedem allerdings nicht genau das gleiche. Bei ihm war’s ein Weh nach dem, um das Häuschen vor (ohne, unabhängig von) Goglimogli Nummer 17, ein Weh nach dem Luftschloß; bei ihr war’s ein Weh nach (um, von) dem Häuschen als Häuschen ohne Hinsicht auf den Goglimogli Nummer 17, der es füllte.

Wem ein Häuschen zu lange auf dem Herzen liegt, muß sterben. Von dem gestrandeten Ehepaar verstarb (verschwand) sie schon um 37 und er – sicher weil ihn das an und für sich doch viel leichtere Luftschloß drückte – erst zehn Jahre später (47).

Im Heimweh von beiden kam der Tod gleichermaßen von Heim und Weh. So hatte ihr Heim (Häuschen, gestrandetes Luftschloß) zum Beispiel den Gashahn, den sie auf-, und die Fenster (Türen), die sie (bei passender Gelegenheit: als niemand sonst daheim war) zumachte; es hatte aber auch einen anderen Hahn mit Goglimogli Nummer 17, den er nach 45, ohne länger der Gefährlichkeit dieses Goglimogli für sich Rechnung zu tragen, viel zu vorwitzig hin- und herbewegte.