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PROF. DR. VOLKMAR NÜSSLER

STARK
GEGEN
KREBS

Wie Sie mit der richtigen Ernährung vorbeugen, die Heilung unterstützen und neue Kraft schöpfen

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All denjenigen gewidmet, die sich für eine nachhaltige, gesunde und genussvolle Ernährung einsetzen.

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INHALT

VORWORT

EINLEITUNG

 

THEORIE

Die Gene sind Schuld? Wie entsteht Krebs?

Vorteil von ökologisch und artgerecht erzeugten Lebensmitteln

Nur wer kochen kann, kann sich gesund ernähren

Die Heilkraft der Superfoods – Mythos oder Wahrheit?

Nahrungsergänzungsmittel – verlockende Selbstoptimierung

Warum verwenden wir vegetarische, aber keine veganen Rezepte?

Zucker, Salz, Alkoholika – ein Problem?

Ernährung während der Krebstherapie

Vorsicht bei Antibiotika-Einsatz

Die Kraft der Lebensmittel

Durch Entspannung in die Kraft der Spannung

Bewegung

(Krebs-)Diäten

Fasten bei einer Tumorerkrankung – Ist das sinnvoll?

 

REZEPTE

Frühling

Sommer

Herbst

Winter

Basics

 

Register

Dank

Quellen

„DER MENSCH IST, WAS ER ISST.“

Im Jahr 1862 schrieb der bayrische Philosoph Ludwig Feuerbach den berühmten, in die Ideengeschichte eingegangenen Satz: „Der Mensch ist, was er isst.“ In jüngster Zeit wurde dieser Satz neu entdeckt und interpretiert, heute ist er aktueller denn je.

Der Religionskritiker Feuerbach wollte seinerzeit damit ausdrücken, dass der Dualismus zwischen Seele und Körper überwunden werden muss. Heute stellt der Satz einen wichtigen Denkanstoß für jeden dar, der das Thema „Essen“ in vertiefter und bewusster Weise behandeln will. Die Wahl unserer Nahrungsmittel hat nämlich nicht nur Auswirkungen auf Ernährung und Gesundheit, sondern auch auf Umwelt, Kultur, Wirtschaft, Technologie, Gesellschaft und unser gesamtes Miteinander.

Wir verspüren heutzutage wieder ein starkes Bedürfnis nach bewussten Entscheidungen und Wahlmöglichkeiten, was unsere Ernährung betrifft, denn dadurch definieren wir uns – sowohl in Bezug auf unser körperliches Wohl und unsere Gesundheit als auch auf eine harmonische Beziehung zu unserer Umgebung und allen Gliedern der Nahrungskette, aber auch, was Genuss und Geselligkeit anbelangt.

Ein bewusster und aufmerksamer Umgang mit den Lebensmitteln, die wir verwenden, bedeutet nämlich keineswegs, auf Genuss zu verzichten, und dieses Thema steht in dem vorliegenden Buch zu Recht im Mittelpunkt; wie die Gesundheit ist auch der Genuss ein Grundrecht aller Menschen, das wir einfordern sollten ohne Angst, als frivol oder oberflächlich zu gelten. Im Gegenteil: Glück, Freude und Harmonie müssen die Grundlage bilden für eine Zukunft, die eine Menge Herausforderungen an uns stellen wird. Große Aufgaben erwarten uns in einer Welt, die immer mehr vernetzt sein wird und zugleich die Menschen immer mehr trennt und loslöst.

Das Essen – von der Produktion bis zum Verzehr – ist ein komplexes Gebiet mit unendlich vielen Querverbindungen zwischen den einzelnen Disziplinen, von denen jede wiederum ein Teil verschiedener ökologischer und kultureller Systeme ist. Diese Komplexität sollten wir jedoch nicht fürchten, sie sollte vielmehr unser Bewusstsein dafür schärfen, wie unabdinglich persönliche und kollektive Prinzipien der Nachhaltigkeit sind, damit wir ein gesundes, genussvolles Leben führen können, ohne die nachfolgenden Generationen zu schädigen.

CARLO PETRINI

(Slow Food-Gründer)

ZURÜCK ZUR URSPRÜNGLICHKEIT

Für eine gute und gesunde Ernährung benötigt man keine mathematischen Formeln, dennoch ist es leider so: Viele von uns kennen kaum noch den ursprünglichen Geschmack von Lebensmitteln. Verwirrt durch Aromastoffe und Geschmacksverstärker ist die in jedem Menschen angelegte Befähigung, differenziert zu schmecken und wahrzunehmen, stark reduziert. Um die Schulung des Geschmacks ist es nicht nur bei Kindern kläglich bestellt. Obst aus der Dose schmeckt Groß und Klein oft besser als die schönen Früchte direkt vom Baum. Warum nur?

Entwicklungsgeschichtlich betrachtet ist der Geschmackssinn nichts anderes als ein Wächter am Eingang unseres Verdauungstraktes. Signalisiert er Gefahr, weil uns etwas widerstrebt oder einfach nicht schmeckt, sollte die Schleuse nicht passiert werden. Eine wunderbare Grundvoraussetzung für unsere Ernährung! Jedoch müssen wir feststellen: Weil das meiste, was wir zum Essen kaufen, schon vorgefertigt ist, wird die wahre Identität von Lebensmitteln oft nicht mehr erkannt. Wir haben die direkte und originäre Beziehung zur Herkunft unserer Lebensmittel verloren. In unserem Erleben gleicht der Erwerb von Lebensmitteln häufig dem Kauf von Gegenständen des täglichen Gebrauchs. Wir verlieren zunehmend die emotionale Beziehung zum Essen, weil es gar nichts Besonderes mehr zu sein scheint. Und wir bringen nicht mehr den nötigen Respekt für die Natur auf. Doch nur wer den Wert eines handwerklich gefertigten – und im besten Fall im Holzofen gebackenen – Brotes, eines frisch geernteten Freilandgemüses oder eines Stücks von einem artgerecht gehaltenen Tier zu schätzen weiß, nur wer gelernt hat, zu riechen und zu schmecken, und nur wer gut informiert ist, wird sich ganz bewusst für bestimmte Lebensmittel entscheiden und vor allem regionale und saisonale Erzeugnisse wählen.

ECKART WITZIGMANN

Jahrhundertkoch
(Für den Verein Food & Health)

Ganz entscheidend wäre auch, dass Familien wieder regelmäßig gemeinsam essen. Zumindest das Mittagessen am Sonntag könnte beispielsweise zur verbindlichen Zusammenkunft erklärt werden. Die Devise könnte lauten: rein in die kulinarische Geborgenheit, wie wir sie hoffentlich bei unseren Müttern und Großmüttern erfahren haben! Wenn wir früher etwas Zeit mit ihnen in der Küche verbracht haben, können wir den Geschmack der frisch gekochten, gerade auch einfachen Gerichte oder den Geruch frischen Brotes einfach nicht vergessen. So ist eine elementare Zutat für ein gutes Gericht natürlich die Liebe, mit der es zubereitet wird. Sie zeigt sich darin, dass auch einfachen Arbeiten wie dem Schälen, Schneiden und Rühren allergrößte Aufmerksamkeit geschenkt wird. Das geduldige Rühren ist zum Beispiel für ein cremiges und dennoch bissfestes Risotto unabdinglich. So ist gutes Essen transformierte Liebe, baut gleichzeitig viel Wissen über kulturelle Zusammenhänge auf und führt zu einem geradezu selbstverständlichen Respekt vor der Natur und Kreatur.

Das ist und war unsere Motivation, das Projekt von Professor Volkmar Nüssler zu unterstützen. Denn genau diesen Ansatz hat er mit der von uns gemeinsam entwickelten App und diesem Buch umgesetzt. Er versucht, in engagierter Weise diese einfachen, jedoch wichtigen Empfehlungen für die Patienten, aber auch für gesunde Menschen umzusetzen. Wir wünschen diesem Projekt eine breite Akzeptanz.

OTTO GEISEL

(Für den Verein Food & Health)

EINLEITUNG

Die Motivation, dieses Buch zu schreiben und unsere Koch-App zu entwickeln, waren die vielen Patientengespräche, die immer die gleichen Fragen aufwarfen: Was können wir aktiv tun, um unseren Heilungsprozess zu unterstützen? Da gibt es mindestens zwei klare Empfehlungen: Ernähren Sie sich gesund und bewegen Sie sich entsprechend Ihrer individuellen Lebenssituation!

Mit diesem Buch und der dazugehörigen App (HealthFood) vertiefen wir ganz pragmatisch das Thema „Ernährung“ und geben eine Anregung, auch die Bewegung in das neue Lebenskonzept einzubauen. Es besteht natürlich kein Zweifel darüber, dass sich erkrankte Menschen genauso ernähren sollten wie Gesunde – vor allem vielseitig und ausgewogen. Damit ist klar, dass die empfohlenen Rezepte für Gesunde genauso geeignet sind und zugleich der Prävention von Krebserkrankungen dienen. Schwerpunkte unserer Empfehlungen sind die Prävention und die sogenannte Sekundärprävention – mit anderen Worten: Sie sollen dazu dienen, Tumorerkrankungen zu verhindern oder, wenn der Tumor erfolgreich behandelt wurde, nach Möglichkeit ein Rezidiv (Rückfall) zu vermeiden. Die Rezepte sollen auch dazu dienen, Ihnen in der schweren Phase der Behandlung das Essen im wahrsten Sinne des Wortes wieder schmackhaft zu machen. In dieser Zeit sind es natürlich oft die Angehörigen, die gefordert sind, das Kochen zu übernehmen.

Die Prävention von Krebs ist eine der großen gesundheitspolitischen Herausforderungen unserer Zeit. Es ist mittlerweile erwiesen, dass eine gesunde Ernährung, körperliche Aktivität und eine reduzierte Körperfettmasse das Krebsrisiko verringern können. Laut dem World Cancer Research Fund (WCRF) könnten bis zu 30 % aller Krebserkrankungen durch eine gesunde Lebens- und Ernährungsweise verhindert werden. Es gibt zudem Schätzungen von Wissenschaftlern, dass Darmkrebserkrankungen bis zu 50 % zurückgehen könnten, wenn die Menschen eine krebshemmende Kost zu sich nehmen würden. Andere Studien weisen darauf hin, dass sich die Heilungschancen derjenigen, die bereits an Krebs erkrankt sind, durch diese Art der Ernährung verbessern können.

Wissenschaftliche Daten zeigen, dass nur ein kleinerer Teil der Krebserkrankungen erblich ist. Bedeutsamer sind Umweltfaktoren, die in vielen Fällen steuerbar sind. Dazu zählen zum Beispiel Rauchen, Infektionskrankheiten, ionisierende Strahlung, Industrieabfälle, Umweltverschmutzungen, Arzneimittel und vielerlei Aspekte der Ernährung, der körperlichen Aktivität und der Körperfettmasse. Allerdings muss gesagt werden, dass keine Studie oder Studienart beweisen kann, dass ein einzelner Faktor die ausschließliche Ursache für oder den absoluten Schutz gegen eine Krankheit darstellt (WCRF-Report 2007).

Wir wollen Ihnen mit diesem Buch eine Idee geben, wie Sie einen nachhaltigen Weg finden können, sich gesund, aber natürlich auch mit Genuss zu ernähren.

Gesunde Ernährung beginnt nicht beim Verzehr von Lebensmitteln. Gesunde Ernährung beginnt mit der Frage, wo und wie Lebensmittel produziert und verarbeitet werden. Und sie beginnt auch beim Begriff der Nachhaltigkeit. Das meint eine Ernährungskultur, die Genuss mit Verantwortungsgefühl und einem guten Gewissen verbindet. Frei nach dem Leitgedanken: die heutigen Bedürfnisse befriedigen, ohne die Befriedigung der Bedürfnisse kommender Generationen zu gefährden. Im Kapitel „Die Kraft der Lebensmittel“ werden wir auf diese Frage näher eingehen.

In Patientengesprächen ist eines ebenso schnell klar geworden: Das Kochen wird von vielen, wenn überhaupt, nur noch rudimentär beherrscht. Die Ursachen sind vielfältiger Natur, darüber zu philosophieren bringt wenig, deshalb haben wir dieser Schwachstelle etwas entgegengesetzt – dieses Buch und unsere App HealthFood. Warum sollte Mann/Frau das Kochen lernen? Nun, im Idealfall – und der sollte die Regel sein – verstärkt das Kochen den Genuss. Speisen, die unappetitlich aussehen oder nicht gut schmecken, werden nicht gegessen – selbst wenn sie noch so gesund sind. Nicht nur das Auge isst mit, sondern auch Nase, Zunge und Gaumen! Diese Sinneswahrnehmungen führen im Idealfall durch Förderung des Speichelfluss zu einer optimalen Verwertung der Nahrung. Qualitativ hochwertige Gewürze und frische Kräuter verstärken dieses Zusammenspiel noch. Die Kunst besteht darin, schmackhaftes, gesundes Essen zuzubereiten. Deshalb ist die Kochkunst kein Luxus oder eine überflüssige Zugabe. Erst sie entscheidet darüber, ob das Essen zur bloßen Nahrungsaufnahme degradiert wird oder einen wichtigen Beitrag zur Lebensfreude leistet. Ein schmackhaftes Essen in angenehmer Umgebung macht nicht nur Spaß, es ist zugleich der beste Beitrag zur Gesundheit. Die Qualität (und niemals die Quantität!) ist für das bewusste Genießen entscheidend und verhindert, dass die Lebensmittelaufnahme zu Missbrauch und Sucht führt. Und denken Sie daran: Menschen, die sich eine optimistische Lebensorientierung zu eigen gemacht haben und ihre Lebensfreude und Genussfähigkeit pflegen, leben gesünder. Der Genussmensch versteht es, aus Wenigem viel zu machen – und aus dem Alltäglichen etwas Einzigartiges.

Und: Sie als Köchin/Koch entscheiden über die Zutaten, die Zubereitungsart und die Menge an Fett, Zucker und Gewürzen, die verwendet wird. Auch das trägt maßgeblich zu gesunder Ernährung bei.

Dieses Buch versucht Ihnen Zugang zu einer Ernährung zu vermitteln, die die ökologische Lebensmitteproduktion als Basis einer nachhaltigen, gesunden Ernährung sieht und Ihnen das Kochen wieder im doppeldeutigen Sinne schmackhaft zu machen. Genuss, ausreichende Bewegung und geistige Entspannung sind weitere Eckpfeiler, die wir Ihnen nahebringen wollen. Die von uns genannten Studien sollen unsere Beweggründe unterstreichen, wohlwissend, dass eine ernstzunehmende Kritik an der wissenschaftlichen Evidenz von Ernährungsstudien zur Krebsprävention existiert.

Auch wenn eine eindeutige Dosis-Wirkung- Beziehung häufig schwer auszumachen ist und gerade beim Thema Ernährung noch weitere Aspekte als die reine Stoffaufnahme zu berücksichtigen sind, gibt es doch Erkenntnisse, die sich im Laufe Zeit gehalten haben! Wir möchten Ihnen Anregungen geben, um ihren individuellen Lebensstil, d.h. Essen mit Genuss und Bewegung sowie Entspannung mit Lust und Freude, trotz ihrer schweren Erkrankung, zu finden.

Es sei noch einmal ausdrücklich darauf hingewiesen, dass unser Ansatz, den Lebensstil, die Lebensqualität nach unseren Empfehlungen auszurichten beziehungsweise individuell zu realisieren, nicht die Empfehlungen Ihres behandelnden Hämatologen/Onkologen ersetzen, sondern optimalerweise ergänzen kann.

Wir hoffen, Ihnen mit unseren Bemühungen als pragmatische Helfer und Motivatoren zur Seite stehen zu können, und wünschen Ihnen viel Spaß beim Lesen, Lernen und Kochen!

THEORIE

DIE GENE SIND SCHULD? WIE ENTSTEHT KREBS?

Vorweg sei gesagt: Viele der Ursachen, die einem Tumor zugrunde liegen, sind bis dato noch nicht 100%ig verstanden. Im Folgenden sind deshalb die bisherigen Erkenntnisse zusammengetragen.

Die Entstehung eines Tumors beginnt im Allgemeinen mit dem unkontrollierten Wachstum einer entarteten Körperzelle. In den meisten Fällen entsteht in der Folge ein sogenannter Loci, ein Zellhaufen, der durch ein invasives Wachstum andere Zellen in der Umgebung verdrängt (siehe Abbildung). Es entwickelt sich ein Tumor, der in das angrenzende Gewebe hineinwächst. Im fortgeschrittenen Stadium bilden sich Blutgefäße, die den Tumor mit Nährstoffen versorgen und so sein Wachstum fördern (Neoangiogenese). Gleichzeitig können sich die Tumorzellen über Blut und Lymphbahnen in andere Körperorgane ausbreiten und ansiedeln, die sogenannte „Metastasierung“. [1]

WIE ENTSTEHT EINE ENTARTETE ZELLE?

Den Ursprung allen menschlichen Lebens bilden die Stammzellen, die auch embryonale Zellen genannt werden. Sie sind noch nicht auf eine Aufgabe spezialisiert. Ein Hauptcharakteristikum der Stammzelle besteht darin, dass sie sich durch Zellteilung selbst erneuern kann. Aus den Stammzellen werden im Zuge der Entwicklung des Embryos differenzierte Zellen, die fortan lediglich eine einzige Aufgabe übernehmen, zum Beispiel ein (Muskel-)Gewebe zu formen. Damit aus einer normalen Zelle eine Tumorzelle wird, muss dieser Vorgang umgekehrt werden, sie muss sich also wieder entdifferenzieren und zur allgemeinen Zelle ohne besondere Spezialisierung werden. Mit dieser Umwandlung der Zelle erhält die Tumorzelle auch wieder ihre ursprünglichen Eigenschaften zurück: Sie kann sich klonal vermehren, wobei gleichzeitig der normale Zelltod (Apoptose) verhindert wird. Sie kann sich fortan unkontrolliert weitervermehren.

DIE INITIATION – UND WAS DIE ERNÄHRUNG DAMIT ZU TUN HAT

Der Anstoß für die Verwandlung einer normalen Körperzelle zur Tumorzelle (Initiation) geschieht häufig durch eine Schädigung der Zelle von außen, die die DNA im Zellkern angreift. Das kann durch viele Ursachen geschehen: chronische Entzündungen, Chemikalien, Strahlung, Viren oder durch reaktive Sauerstoffspezies (ROS). Diese freien Radikale, wie sie auch genannt werden, entstehen unter anderem bei der Gewinnung zellulärer Energie aus Sauerstoff durch die Mitochondrien. Kommt die Balance zwischen Produktion und Ausscheidung der ROS ins Ungleichgewicht, können oxidative Schäden der Zelle die Folge sein. Eine mögliche Folge dieser Dysbalance ist die Entstehung von Tumorzellen. Glücklicherweise liegt zwischen der Initiation der Tumorzelle und dem Wachstum eines Tumors eine lange Zeitspanne, in der der angehende Tumor noch sehr verletzlich ist.

An dieser Stelle können wir mit unserer Ernährung eingreifen. Die Antioxidantien aus Lebensmitteln wie Obst und Gemüse können beispielsweise zur Verringerung der ROS beitragen und somit protektiv der Krebsentstehung entgegenwirken. Im Umkehrschluss heißt das, eine Ernährungsweise mit einer geringen Aufnahme an Antioxidantien könnte eine Tumorentstehung begünstigen. [2] Auch sekundäre Pflanzenstoffe, wie sie in Obst, Gemüse und Gewürzen vorkommen, können vor der Beschädigung der DNA schützen, indem sie Enzymaktivitäten regulieren und blockieren, die zur Tumorentstehung beitragen, Entzündungen entgegenwirken und die Zellteilung der mutierten Zellen verhindern sowie deren Zelltod einleiten. [3] Zudem unterstützen wir mit einer gesunden Ernährung unser Immunsystem, das wiederum bei der Inaktivierung von Krebszellen eine wichtige Rolle spielen kann. [4] Damit ein Tumor wachsen kann, muss er mit Nährstoffen versorgt werden. Aus diesem Grund besitzen Tumorzellen die Fähigkeit, die nahegelegenen Blutgefäße zum Wachstum zu animieren, um so über ein Netz aus neu gewachsenen Blutkapillaren mit dem Blutkreislauf verbunden und mit Nährstoffen versorgt zu sein. Diesen Vorgang nennt man Neoangiogenese. Auch hier können Nahrungsinhaltsstoffe Einfluss ausüben und den Vorgang der Neoangiogenese verhindern. [4] Nähere Einzelheiten werden im Kapitel „Die Kraft der Lebensmittel (S. 28)“ erörtert.

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AUCH FETTZELLEN BEEINFLUSSEN DIE TUMORENTSTEHUNG

Große Auswirkungen auf die Tumorentstehung hat auch das Übergewicht. Besonders Adipositas (Fettleibigkeit), definiert als ein BMI über 30 kg/m2, gilt als Risikofaktor für die Krebsentstehung. Neben seiner Aufgabe als Energiereserve, Wärmeregulation und mechanische Schutzfunktion ist das Fettgewebe auch ein endokrines, metabolisches Organ. Das bedeutet, es produziert Hormone und greift aktiv in den Stoffwechsel des Körpers ein. Wir unterscheiden vornehmlich zwei Arten von Fettgewebe: das subkutane (Unterhaut) Fett und das Viszeralfett, das die inneren Organe umhüllt. Besonders Letzteres wird mit einer erhöhten Insulinresistenz, der Lipolyse (Aufspaltung der Fette in freie Fettsäuren) und der Produktion entzündungsfördernder Zytokine (Proteine) in Verbindung gebracht. Durch die ununterbrochene Abgabe dieser Entzündungsmediatoren befindet sich der Organismus in einem Zustand einer permanenten unterschwelligen Inflammation, was wiederum die Entwicklung von Tumoren begünstig.

Jüngere Studien zeigen, dass Krebszellen in der Lage sind, Adipozyten (Fettzellen) in Pre-Adipozyten, also ihre Vorgängerform, umzuwandeln. Die daraus resultierende Energie kann zum Wachstum des Tumors verwendet werden. Die Adipozyten sind somit direkt an der Entstehung und Entwicklung von Tumoren beteiligt. [5]

GESUNDE ERNÄHRUNG IM KAMPF GEGEN DEN KREBS – WO BIETEN SICH HANDLUNGSMÖGLICHKEITEN?

Durch einen gesunden Lebensstil und eine gute Ernährung lässt sich im Schnitt ein Drittel aller Tumoren verhindern. [6] [7] Je nach Krebsart variiert diese Zahl. Eine besondere Aufmerksamkeit sollten wir hierbei unserem Darm widmen. Dieser hat direkten Kontakt mit all jenen Karzinogenen (Substanzen, die Krebs erzeugen oder fördern können), die wir über unsere Nahrung zu uns nehmen. Deshalb haben wir hier auch den größten Einfluss, um eine Krebsentstehung zu verhindern. Studien gehen davon aus, dass wir das Risiko, an einem Darmtumor zu erkranken, durch das Einhalten von vier bis sechs der insgesamt acht Empfehlungen der WCRF [4] um bis zu 58 % senken könnten:

Dennoch gilt: Bei der Entstehung von Krebszellen spielen viele Faktoren hinein. Neben dem Lebensstil können, wie bereits erwähnt, auch Viren (wie etwa beim Burkitt-Lymphom), chronische Entzündungen, Chemikalien, Strahlung und unsere Gene das Krebsrisiko beeinflussen. Auch Rauchen soll als Ursache einer Tumorentstehung Erwähnung finden. Es wird geschätzt, dass bis zu 85 % aller Lungenkrebsarten durch Rauchen verursacht sind. Das Risiko für andere Krebsarten erhöht sich ebenfalls durch einen regelmäßigen Tabakkonsum. [8] Welche Rolle unsere Psyche beim komplexen Krankheitsbild „Krebs“ spielt, werden wir im Kapitel „Durch Entspannung in die Kraft der Spannung“ (S. 42) noch ausgiebiger beleuchten.

image gesundes Körperfett (Gewicht innerhalb der Norm halten)

image ausreichend Bewegung (mindestens 30 Minuten pro Tag körperlich aktiv sein)

image Vermeidung von energiereichen Lebensmitteln und
gezuckerten Getränken

image vermehrter Konsum pflanzlicher Lebensmittel wie Gemüse, Obst oder Hülsenfrüchte

image Reduzierung tierischer Lebensmittel (besonders verarbeitetes Fleisch sollte vermieden werden)

image Verzicht auf Alkohol

image Reduktion von Salz und Vermeiden verschimmelter Lebensmittel (insbesondere Getreidesorten)

image Einschränkung des Konsums von Nahrungsergänzungsmitteln auf das Minimum

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VORTEIL VON ÖKOLOGISCH UND ARTGERECHT ERZEUGTEN LEBENSMITTELN

„Alles, was der Mensch den Tieren antut, kommt auf den Menschen wieder zurück.“ Pythagoras (griechischer Philosoph und Mathematiker, 582–496 v. Chr.)

Das Dilemma bei den Grundfragen, die unsere Ernährung betreffen, ist, dass zwar viele Hypothesen zum Thema „gesunde Ernährung“ geäußert, veröffentlicht oder in den Medien diskutiert werden, aber es für viele Annahmen keine wissenschaftlich signifikanten Beweise gibt. Daraus ergibt sich die Frage: Bräuchten wir nicht Studien, um zu beweisen, das ökologisch und artgerecht erzeugte Lebensmittel besser sind als konventionell erzeugte?

Nun wären solche Studien sicherlich sehr nützlich und aufschlussreich; in vielen Bereichen gibt es sie bereits beziehungsweise sind sie in Bearbeitung. Allerdings werden die meisten Ergebnisse wohl im günstigsten Fall der nächsten Generation zugutekommen, denn wissenschaftlich verwertbar sind in einem solchen Zusammenhang vor allem Langzeitstudien.

Doch in Wirklichkeit ist die Frage eine ganz andere. Nehmen wir an, wir hätten die Ergebnisse der Langzeitstudien vorliegen. Eine der Kernfragen wäre dabei: Welche Auswirkungen hätte eine Ernährungsweise, die Fleisch aus nicht artgerechter Tierhaltung und Obst, Gemüse und Getreide aus nicht ökologischem Anbau bevorzugt, auf die Gesundheit? Angenommen, das Resultat einer solchen Studie wäre, dass eine nicht bewusste, konventionell industriell orientierte Ernährung keine negativen Auswirkungen auf die Gesundheit hat. Wäre dann die Konsequenz daraus, dass man ungerührt weiter Tiere als Nahrungserzeugungsmaschinen behandeln und ausnutzen sowie die Böden auslaugen und mit Pestiziden vergiften darf, oder haben wir über unseren Selbsterhaltungstrieb hinaus noch eine ethische und gesellschaftliche Verantwortung für die Tiere und die Natur?

Die Überzeugung, dass aufgeklärte Menschen Verantwortung für die Umwelt (Flora wie Fauna) übernehmen müssen, ist der Grundgedanke einer zeitgemäßen, verantwortungsvollen Ernährungsberatung. Der Dreiklang „Gesundheit, Genuss, Verantwortung“ lässt nur eine Antwort zu. Die Grundlage einer gesunden Ernährung ist der Verzehr von ökologisch und artgerecht erzeugten Lebensmitteln. Der nächste Schritt – die Rezeptur beziehungsweise das Kochen – bedarf einer ebenfalls hohen Aufmerksamkeit und Sachkenntnis. Mit anderen Worten: Der erste Schritt kann durch den zweiten Schritt, das Kochen, ad absurdum geführt werden. Damit das nicht passiert, haben wir für unsere Patienten, aber auch für Gesunde die Koch-App HealthFood entwickelt.

Dennoch möchte ich nicht unerwähnt lassen, dass es durchaus wissenschaftliche Analysen darüber gibt, dass Biolebensmittel zum Beispiel mehr Vitamin C oder sekundäre Pflanzenstoffe wie Lycopin in Tomaten, Phenole in Karotten und Tomaten oder Glykoalkaloide und Polyphenole in Kartoffeln und auch ein Mehr an bestimmten Antioxidantien enthalten. [1] Bei Biomilch wurden insgesamt höhere Mengen an PUFA (mehrfach ungesättigte Fettsäuren) und an Omega-3-Säuren (bei unveränderten Omega-6 Mengen!) sowie an CLA (konjugierte Linolsäure), Vitamin E sowie Eisen ermittelt. [2]

In einer zweiten Analyse zeigte Średnicka-Tober (2016), dass in Biofleisch ebenfalls die Fettsäurezusammensetzung etwas besser ist (mehr PUFA, mehr Omega-3-PUFA). Die Ergebnisse im Fleisch waren nicht so deutlich wie bei der Milch. [3]

NUR WER KOCHEN KANN, KANN SICH GESUND ERNÄHREN

Wer kochen kann, bestimmt selbst die Auswahl der Lebensmittel und ist in der Lage, eine Rezeptur einzuschätzen und individuell umzusetzen. Dieser Vorgang erfordert Grundkenntnisse über Lebensmittel und natürlich auch eine gewisse Erfahrung beim Kochen, das allerdings keine Hexerei, sondern schlicht und einfach erlernbar ist. Wir haben die Koch-App und die Rezepte speziell für Sie entwickelt, um Ihnen Fertigkeiten und Tipps von den Besten ihrer Kunst zu vermitteln. Nun werden Sie sagen: Lernen von den Besten, den Sterneköchen, das ist doch viel zu kompliziert für den Hausgebrauch, viel zu hochgegriffen für einen Laien! Braucht es das denn überhaupt?

Ja, das braucht es!

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DIE PHILOSOPHIE DER SPITZENKÖCHE LÄSST SICH IN FOLGENDEN GRUNDSÄTZEN ZUSAMMENFASSEN:

image Verwendung frischer Zutaten aus ökologischer Gemüse-, Obst- und Getreideproduktion oder artgerechter Tierhaltung

image bevorzugte Verwendung von regionalen und saisonalen Lebensmitteln; oft besteht eine gute Zusammenarbeit mit Jägern oder hochwertigen Lebensmittel-Manufakturen, die Wildfleisch oder Fisch aus verantwortungsvoller Zucht anbieten

image gesundheitsbewusste Auswahl der Zutaten und der Zubereitungsarten

image Vereinfachung der Zubereitung

image Verkürzung der Kochzeiten

image Verzicht auf schwere, fettlastige Saucen und übermäßiges Salzen, Mehlschwitzen werden durch Fonds und Jus ersetzt, zum Würzen dienen frische Kräuter und Gewürze hoher Qualität, Zitronensaft oder qualitativ hochwertiger Essig

Die Bemühung dieser Köche, aus den genannten Lebensmitteln ein Essen zu kreieren, das all unsere Sinne berührt, also Genuss höchster Qualität erzeugt, hat wesentlich zu unserer Entscheidung beigetragen, mit diesen passionierten Köchen zusammenzuarbeiten. Denn es ist sonnenklar: Ein Essen kann noch so gesund sein, wenn es nicht schmeckt, verhallt jede Empfehlung ungehört! Durch das Kochen haben wir die Möglichkeit, die Nahrungsmittel noch schmackhafter darzubieten; die Rezepte der Sterneköche helfen uns, die gesunden Lebensmittel ideal zu verarbeiten und vor allem zu genießen.

Die Ergebnisse unserer Kochkünste sollten auf jeden Fall nicht nur gut schmecken, sondern auch appetitlich und ansprechend aussehen – dieser Aspekt ist wesentlich. Denn eben nicht nur das Auge isst mit, sondern auch Nase, Zunge und Gaumen. Erst diese Sinneswahrnehmungen führen durch Förderung der Sekretion zu einer optimalen Verwertung der Nahrung. Das ist die wissenschaftliche Erklärung dafür, dass der Genuss des Essens eine wesentliche Voraussetzung für die Gesundheit darstellt. Deshalb ist die Kochkunst kein Luxus oder schmückendes Beiwerk. Kochen ist eine kulturelle Leistung und damit in keiner Weise banal oder nebensächlich. Erst ihr Gelingen entscheidet darüber, ob das Essen zur bloßen Nahrungsaufnahme degradiert wird oder einen wichtigen Beitrag zur Lebensfreude leistet. Ein schmackhaftes Essen in angenehmer Umgebung macht nicht nur Spaß, es ist zugleich der beste Beitrag zur Gesundheit. Die Qualität (und niemals die Quantität!) ist für das bewusste Genießen entscheidend und verhindert, dass die Lebensmittelaufnahme zu Missbrauch führt.

Ein weiteres Anliegen unseres Projekts beziehungsweise der App ist, mit einem Vorurteil aufzuräumen: Die Sterneküche ist nicht automatisch eine Sache für Profi- oder Hobbyköche, die die Zeit und die Passion haben, stundenlang Menüs vorzubereiten. Es ist ein weit verbreiteter Irrtum zu glauben, die Sterneküche sei nicht alltagstauglich. Viele Rezepte sind schnell und ohne großen Aufwand nachzukochen – der beste Beweis dafür sind die positiven Berichte vieler Benutzer der App. Grundvoraussetzung ist lediglich eine positive Einstellung zum Kochen, was bedeutet, sich Zeit zu nehmen, dem Einkaufen und Kochen Bedeutung zu geben und dabei eventuell die Familie oder die Freunde einzubeziehen.

Eine Wertschätzung der Produkte und der Arbeit des Kochs oder der Köchin ist in diesem Zusammenhang eine ganz wesentliche Voraussetzung. Mit dieser Einstellung bekommt das Kochen eine ausschließlich positive Bedeutung. Die klassischen Gegenargumente „keine Zeit“ und „zu teuer“ sind relativer Natur. Zeit ist eine Frage der Organisation, viele Dinge lassen sich vorbereiten und viele Gerichte machen sich über die Garzeiten, die beispielsweise im Ofen nicht ständig überwacht und kontrolliert werden müssen, von selbst.

Niemand verlangt, dass Sie täglich ein Drei-Gänge-Menü kochen. Starten Sie am Wochenende mit Ihrer Umstellung, wenn Sie Zeit und Muße haben. Dass ein Biohuhn im Vergleich zu einem Huhn aus Massentierhaltung das Zwei- bis Dreifache kosten kann, sollte man aus Respekt für die eigene Gesundheit und aus Respekt gegenüber dem Tier akzeptieren. (Ein Huhn für 3,20 Euro ist eine Finte!) Die Priorität dieser beiden Kriterien sollte in unserer hochentwickelten Gesellschaft nicht mehr zur Debatte stehen.

Den Menschen, die diese neue kulinarische Richtung einschlagen wollen, empfehlen wir, anfangs eher einfache Gerichte auszuwählen. Kochen ist – wie vieles andere auch – Übungssache. Sie werden sehen, dass Sie mit der Zeit immer besser werden und sich auch mehr zutrauen können. Noch ein Ratschlag: Wenn Sie Ihr erstes großes Fest – zum Beispiel zur „Wiedergeburt“ – mit einem tollen Essen für Ihre Freunde zelebrieren möchten, überraschen Sie die Gäste nicht mit einem noch nie zuvor ausprobierten Rezept. Das Risiko, damit zu scheitern, ist zu groß. Und es wäre doch sehr schade, wenn Sie Ihre neu erworbenen Kochkünste im wahrsten Sinne des Wortes verbrennen würden.

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DIE HEILKRAFT DER SUPERFOODS - MYTHOS ODER WAHRHEIT?

[1]