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Kurt Gallé

BILDUNGSDÄMMERUNG

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Printed in Austria

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1. Auflage 2019

www.braumueller.at

Lektorat: Johann Auer

Es dämmerte schon, aber sie
in ihrer Hütte merkten das nicht.1

Vorwort

Wir leben in einer Gesellschaft, die einerseits einen bis dato nie dagewesenen, hohen sozialen Standard gewährt, andererseits eine Dissozialität aufzeigt, die man in den letzten Jahrzehnten in westlichen Demokratien größtenteils als überwunden wähnte. Die Indizien zeigen sich plakativ in den täglichen Meldungen.

Die Antwort auf die damit einhergehenden Missstände wie mangelndes oder gar fehlendes Verantwortungs-, Unrechts- und Schuldbewusstsein, zunehmende Verrohung, misslingende Integration und kultivierte Unverbindlichkeit ist eine durch Werte geprägte Bildung. Nicht die Industrie 4.0, nicht überzeichnete Political Correctness, nicht ein Mehr an Kompetenzorientierung.

Es kann und wird in Zeiten moralischer und kultureller Bruchstellen kein Kontinuum unserer bisherigen gesellschaftlichen Entwicklung stattfinden, wenn wir uns nicht an einen der abendländischen Aufklärung verpflichteten Wertekodex halten, der bis dato ein bewährtes und sozial verträgliches Miteinander gewährleistet hat. Ein Bildungsansatz, der die Gesellschaft mit jenen Fähigkeiten und Fertigkeiten ausstattet, um im 21. Jahrhundert zu bestehen, muss dies zur Prämisse erheben.

Wenn Bildung dahingehend versagt, beginnt es zu dämmern und es wird um eine Gesellschaft finster. Dann sind dunkle Zeiten nahe.

Dafür, dass man dies erkennen und verstehen möge, ist dieses Buch geschrieben.

Der Aufbau des Buches ist ein offener, die Themen sind so angeordnet, dass sie, ausgenommen die Einleitenden Klärungen, in chronologischer Reihenfolge, aber auch x-beliebig und je nach Interessenslage gelesen werden können. Der Themenkomplex von Bildung ist vergleichbar mit einem Puzzle, in dem man immer offene Stellen vorfindet, so sehr man sich auch bemüht, es fertigzustellen. Diese zu minimieren, dient auch die am Ende des Buches vorgeschlagene Literatur. Es sind die Puzzleteile, die locker geworden sind und hinauszufallen drohen (um im Bild zu bleiben), die mein besonderes Interesse geweckt haben.

Es liegt nun mal in der Eigenart von Bildung, dass sie dynamisch ist, da der Adressat ein plastisches Wesen ist. Die Themenwahl ist dem vorherrschenden Zeitgeist geschuldet und bemüht sich, das Wesentliche zu erfassen, darzustellen, einer Analyse zu unterziehen und so weit als möglich zu bewerten, um das zu konturieren, was ich unter wertevoller Bildung verstehe und Ihnen, werte Leserinnen und Leser, nahebringen möchte. Sie merken, in der Anrede versuche ich in den meisten Fällen, beide Geschlechter anzusprechen. Da dies nicht immer der Fall sein wird, bitte ich Sie, hinsichtlich der geschlechtsspezifischen Bezeichnung Folgendes zu beachten: Es wäre umständlich, wollte man jedes Mal die Doppelform schreiben, und es ist optisch unschön und dem Lesefluss hinderlich, ein „I“ mitten in ein Wort einzufügen. Ich verwende deshalb zur besseren Lesbarkeit entweder die weibliche oder die männliche Sprachform – und wenn es passend ist, auch beide.

Ich wünsche Ihnen eine interessante Lektüre.

Graz, im August 2019

Inhalt

Vorwort

Einleitende Klärungen

Bildung – Annäherung an einen strapazierten Begriff

Es bedarf der Res publika

Fragwürdige Bildungsstandards

Abendstille überall – ein Resümee zur Schulentwicklung

Nun sag, wie hast du´s mit der Religion?

Ethik und Religion im Unterricht

Lehrer sein …

Mythos Kompetenzorientierung

Babylon lässt grüßen

Wenn Unbildung salonfähig wird

Von zerbrochenen Fenstern und brüchiger Moral

Selbstkonzept und Diskriminationslernen

Bildung 4.0

Plädoyer für eine wertevolle Bildung

Verwendete und weiterführende Literatur

Verwendete und weiterführende Webseiten

Anmerkungen (Endnotes)

Einleitende Klärungen

Als ich Anfang dieses Jahres mit der Reinschrift dieses Buches begann, wurde von der österreichischen Regierung das neue Bildungspaket vorgestellt. Fast möchte man seufzend feststellen: Ach ja, die Bildungskonzepte, und, ach ja, deren vorschnelle Protagonisten und ihre Gegenüber, die eifrigen Kritiker, meistens ideologisch verbrämt, egal ob von rechts oder links, von oben oder unten. Und nicht zu vergessen die Besserwisser, die als selbsternannte Experten das Wort reden. Also ausbildungsfremde Personen, die nie vor einer Klasse gestanden und deshalb von exzessiver Ahnungslosigkeit sind und illegitim als pädagogische Heilsbringer auftreten.

Es handelt sich dabei oft genug um „Teilzeitexperten“, deren einzige fachliche Kompetenz darin besteht, dass sie einmal selbst zur Schule gegangen sind oder Kinder haben, die eine solche besuchen. Sie übersehen dabei, dass ihnen, abgesehen von einer pädagogischen Ausbildung, eine der wesentlichsten Perspektiven zur Beurteilung der momentanen Bildungsmisere fehlt – nämlich das alltägliche schulische Geschehen aus der Sicht des „Nicht-Schülers“. Ihre Kommentare finden sich in diversen, vor allem jedoch in digitalen Medien. Ich muss sie nicht auflisten, sie sind uns bekannt – bildungspolitische Konfektion.

Die wahren Fachleute befinden sich vor Ort, das sind jene Frauen und Männer, die Tag für Tag in Kindergärten, Volksschulen, (Neuen) Mittelschulen und AHS ihren Dienst tun. Diesem Umstand wird bei Schulentwicklungsbestrebungen kaum Rechnung getragen, wie unter anderen Susanne Wiesinger2 aktuell aufgezeigt hat.

Hier wäre es längst an der Zeit, im Sinne von Top down und Bottom up die eher dahindämmernden Wechselwirkungsprozesse zwischen der genannten Basis und den dafür zuständigen universitären Fachabteilungen zu intensivieren.

Von den genannten Hemmnissen einmal abgesehen, entsteht realpolitisch durch Wahlen und potenzielle Machtwechsel eine mehr oder minder ausgeprägte Unbeständigkeit. Es kommt zu Personalrochaden der zuständigen und maßgeblichen, weil jeweilig gesetzgebenden Personen. Langfristige Zielstellungen sind aufgrund der sich teilweise widersprechenden Interessen von Elternvertretung, Gewerkschaft und Wirtschaft etc. schwer festzumachen – kurzum: Veränderung und Innovation, Schulentwicklung und Bildungsreform bleiben daher zwangsläufig Stückwerk.

Auf der fachlichen Ebene mit Mitsprachekompetenz haben wir es mit sachverständigen Personen zu tun, die absolute Autoritäten ihres Fachgebietes sind und ihre Standards etabliert haben. Sie sind mit ihrem Fachgebiet eng verbunden und werden es aufrechterhalten – und verteidigen, wenn man Elemente aus ihrem Fachbereich ausgliedern will, auch wenn der damit verbundene Inhalt nicht mehr zeitgemäß oder gar unnütz ist.

Parallel dazu finden sich eingebürgerte Strukturen oder, klarer ausgedrückt, Hindernisse, wenn es darum geht, gewohnte „Standards“ nachhaltig zu verändern. Zum einen zeigt sich da (vor allem in der Bildungspolitik, aber nicht nur hier) eine historisch gewachsene Trägheit. Daher ist es schwer möglich, Ziele, Standards und Curricula zu verändern, ohne das bereits bestehende und überbordende System noch mehr zu belasten.

Hier kommen wir unabdingbar zur Frage von Wertigkeit und Falsifikation – also was ist wann vonnöten und wovon können wir uns getrost verabschieden?

Und damit sind wir beim zentralen Anliegen dieses Buches: einer selektiven Auswahl notwendiger Lehr- und Lerninhalte sowie deren pädagogisch-didaktischer Umsetzung, die untrennbar mit den Bedingungen gegenwärtiger und daraus abgeleiteter zukünftiger Herausforderungen verbunden ist. Also einer Bildung, die den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts gerecht wird. Die Schwerpunktsetzung ergibt sich zwangsläufig aus den momentan vorherrschenden, dem Ethos entpflichteten gesellschaftlichen Bedingungen.

Die zentrale Folgeerscheinung der aktuellen gesellschaftlichen Bedingungen offenbart sich in einer schleichenden Entsolidarisierung, basierend auf einem fehlgeleiteten Verständnis von Freiheit, das sich egozentrisch ausbreitet und zur Unfreiheit des Gegenübers mutiert, in einer Gesellschaft, die ihren Bildungsauftrag dem Zeitgeist opfert und dabei sträflich vernachlässigt, was sie ihren Nachkommen und letztendlich sich selbst schuldig ist.

Gefordert ist dabei ein öffentliches Bewusstsein für die gegenwärtig vorherrschenden, dissozialen gesellschaftlichen Strömungen und ihren Konsequenzen: Da passieren fünf Frauenmorde in diesem noch nicht einmal drei Wochen alten Jahr 2019. Da rammt ein gerade mal siebenjähriger Schüler seiner Lehrerin ein Messer in den Bauch3, und an einer deutschen Brennpunktschule wird ein zehnjähriger Schüler bei einer Klassenfahrt von einem Gleichaltrigen vergewaltigt, während ihn zwei elfjährige Mitschüler festhalten4. In Österreich gab es innerhalb des Jahres 2017 (von der Dunkelziffer einmal abgesehen) insgesamt 836 Anzeigen wegen Körperverletzung an Schulen5.

Des Weiteren künden Headlines von einer Invasion der Barbaren und berichten von Tausenden jugendlichen Kurzurlaubern, die italienische Urlaubsorte zerstörerisch heimsuchten und so die italienische Exekutive in Dauereinsatz hielten6.

Und schlussendlich jener Vorfall, der für internationales Kopfschütteln sorgte, als Bergretter nach fünfstündigem Sucheinsatz durch brusthohen Schnee und unter Inkaufnahme von Lawinengefahr von den in Bergnot geratenen Schifahrern viermal angerufen und letztendlich von diesen beschimpft wurden, weil sie so lange warten hatten müssen7.

Auch im beredten Blätterwald der Sachliteratur finden sich vermehrt Hinweise für die der Bildung anzurechnenden gesellschaftlichen Tendenzen. Die Philosophen Liessmann und Precht sprechen von einer Praxis der Unbildung8 und orten einen Verrat des Bildungssystems an unseren Nachkommen9. Der Psychoanalytiker Maaz konstatiert, dass wir unausweichlich in die Narzissmusfalle10 geraten sind und alle momentanen Versuche, die vorherrschenden gesellschaftlichen Verhältnisse zum Besseren zu verändern, einem Stühlerücken auf der Titanic gleichen. Die promovierte Betriebswirtin Hartmann stellt fest, dass sich eine nicht leistungsbereite Pseudoelite breitgemacht hat, die den Arsch nicht hochkriegt11. Und eine Kollegin aus der Soziologie fragte mich unlängst: „Denken Sie nicht auch, dass wir es in unserer Gesellschaft, der es so gut geht, dass sie intakte Kleidung (gemeint sind vorwiegend Jeans-Hosen) künstlich abnutzt, mit einem Ausdruck beginnender Dekadenz zu tun haben?“

Und zu schlechter Letzt: Woher kommt es, dass die ungeschriebenen Gesetze „Das tut man nicht“ und „Das schickt* sich nicht“ ihre gelebte Gültigkeit verloren haben?

Die eben aufgelisteten Sachverhalte und die damit verbundenen Annahmen zeigen in ihrer breiten sozialen Streuung (die Liste ließe sich locker über zig Seiten fortsetzen) einmal mehr, dass es sich hier nicht um bedauerliche Einzelfälle handelt, sondern um eine Dynamik, der eine epidemisch anmutende Enthemmung innewohnt.

Die damit verbundene Frage, ob Europa nach und nach seine angestammte Identität verliert, würde ich heute nicht mehr ausnahmslos verneinen wollen.

Der ehemalige österreichische Vizekanzler und gegenwärtige Vorstand des Institutes für Mitteleuropa, Erhard Busek, hat diesen Umstand klar umrissen, als er meinte, dass Europa nun einmal die Summe aus alter griechischer Philosophie, römischem Rechtsdenken, jüdisch-christlichem Religionsverständnis, der Aufklärung und der Moderne sei12.

In Zeiten von Umbrüchen, Krisen und Radikalisierung in einem Europa, das nicht nur im geografischen Sinne grenzenlos geworden ist, bedarf es mehr denn je eines Wertekonsenses, der die Verhältnisse wieder ins richtige Lot bringt, die der Humanität geschuldeten Verhältnisse stabilisiert, in Ordnung bringt, was Politik und Gesetzgebung ungeordnet lassen, und nach den Auswirkungen dessen fragt, was Wissenschaft und Technik auf die reine Machbarkeit „herunterrechnen“.

Wir brauchen daher mehr denn je ein den Menschenrechten verpflichtetes, von Respekt und Verantwortung gekennzeichnetes, moralisches Minimum. Und sollte mir jemand die Frage stellen, was das mit Bildung zu tun hat, dann würde ich ohne zu zögern antworten: „Alles!“

*Welch ein Wort in dieser Zeit!

Bildung – Annäherung an einen strapazierten Begriff

Wenn ich den Titel dieses Kapitels so formuliert habe, dann mit der Absicht, die damit verbundene Zumutbarkeit aufzuzeigen. Es grenzt an eine Zumutung, sich mit dem inzwischen inflationär gewordenen und oft genug missbräuchlich gebeugten Begriff der Bildung und der damit verbundenen Semantik auseinanderzusetzen.

Es gibt jede Menge Definitionen und kluggemeinte Auslegungen, was Bildung erfüllen sollte. Vieles davon ist in der Theorie durchaus logisch und somit gut nachvollziehbar, jedoch, und das ist der springende Punkt, in der praktischen Umsetzung oft genug untauglich. Sie halten den realen und durch einen rauen Zeitgeist geprägten Bedingungen schon lange nicht mehr stand.

Bildung hat in erster Linie damit zu tun, für welches Menschenbild sich eine Gesellschaft entscheidet. Damit werfen wir die immerwährende Frage nach dem Ethos einer Gemeinschaft auf, also die Frage nach Moral, nach Sitte und Brauch eines Kollektivs.

Wir benötigen mehr denn je Orientierung, Verständigungsmittel, und müssen die uns gegebene Verantwortung wahrnehmen. Ohne diese drei Elemente sind eine Gesellschaft und die in ihr existierenden Individuen nicht frei, nicht stark, nicht lebenstauglich.

Daher möchte ich in diesem Kapitel dem unbedachten Gebrauch von Bildung ein geordnetes Verständnis gegenüberstellen, das sich mit dem Auftrag von Bildung im engeren Sinn beschäftigt – also in Zusammenhang mit Ausbildung; mit dem, was Schule leistet oder leisten soll – sich jedoch gleichermaßen davon distanziert, um die Auseinandersetzung mit dieser umfassenden Begrifflichkeit nicht auf ein Teilstück zu reduzieren.

Bildung ist auch durch die Schule von den anderen formenden Erlebnissen und Veranstaltungen getrennt worden. Sie war vor ihrer Institutionalisierung und Rationalisierung auf das gerichtet, was die ältere Generation der jüngeren in der Tat immer schuldet, nämlich Orientierung in der Fülle der möglichen Erfahrungen, die Einführung in die gemeinsamen Formen des Erkennens, also in die gewordene Kultur, und die gemeinsamen Regeln des Handelns – also in die gewollte Res publica* und die Verantwortung des Einzelnen in ihr.13

Zu Bildung gibt es unzählige Definitionen, die vom sophistisch geprägten, altgriechischen paidagogía (Erziehung, Unterweisung) über das humboldtsche Bildungsideal mit dem Anspruch auf Allgemeinbildung (Mündigkeit durch Vernunftgebrauch) und Pestalozzi (Anschauungspädagogik) bis hin zu gegenwartsbezogenen Auslegungen im Rahmen von reformpädagogischen Strömungen (Steiner, Montessori, Freinet etc.) und aktuellen Interpretationen (Kössler, Brezinka, Hentig etc. pp.) reichen.

All diese kann man nachlesen, und all diesen werden wir im Laufe der Auseinandersetzung mit dem Wesen von Bildung je nach Anlassfall mehr oder weniger Aufmerksamkeit schenken, wobei damit – und das möchte ich betonen – keine Wertung dieser achtbaren und für die Bildung unverzichtbaren Vertreter pädagogischer Strömungen verbunden ist.

Bildung ist somit nicht determinierbar, sondern verlangt, weil plastisch, immer einen gegenwartsbezogenen Interpretationsspielraum. Um die damit verbundene Vielschichtigkeit so gering wie möglich zu halten, nehme ich einige Anleihen aus dem Bereich des von Karl Popper14 begründeten kritischen Rationalismus. Dazu lade ich Sie, werte Lesende, auf folgendes Gedankenexperiment ein:

Sie befinden sich in einer zehntausend Quadratmeter großen, absolut dunklen Halle. Irgendwo in dieser Halle befindet sich ein schwarzer Zylinderhut. Ihre Aufgabe ist es, diesen Zylinderhut zu finden. Sie haben zwei Möglichkeiten: Sie laufen planlos durch die Gegend und hoffen, dass Sie über den Hut stolpern, oder Sie tasten sich systematisch von einer Wand zur gegenüberliegenden. Während sie den Raum Zentimeter für Zentimeter durchforsten, kommen Sie dem gesuchten Objekt immer näher. Auch wenn Sie den Hut noch lange nicht erreicht haben, so nähern Sie sich nicht nur, sondern schließen dabei automatisch aus, wo er sich nicht befindet – Sie falsifizieren.

Auf den Bildungsbegriff übertragen, bedeutet dies eine Annäherung an sein Wesen, indem wir ausschließen, was nicht auf ihn zutrifft. Dies wird uns befähigen, im weiteren Verlauf der Auseinandersetzung mit diesem Terminus technicus annähernd zu erfassen, was Bildung leisten kann und was nicht.

Die Vorbedingung dazu ist die Tatsache, dass der Mensch ein auf Formung angewiesenes Wesen ist, das vom ersten Tag seines Erdendaseins an der Bildung bedarf, und wenn wir uns die Frage stellen „Was bildet den Menschen?“, dann muss die Antwort wohl lauten: „Alles!“ Jede Begegnung, jede Form der Information, sei es durch systematische Lehre oder im zufällig scheinenden Prozess der Lebenserfahrung. Und mögen die Anlässe auch noch so gering erscheinen, sie sind Erlebtes.

*öffentliche Sache

Es bedarf der Res Publika

In Anlehnung an das afrikanische Sprichwort „Um ein Kind zu erziehen, bedarf es eines ganzen Dorfes“ gilt: Um unsere Nachkommen zu bilden, benötigt es den gesellschaftlichen Kontext, der für das in das Gemeinwesen hineinwachsende Einzelwesen meines Erachtens gegenwärtig nur zu marginal herangezogen wird.

Es bedarf der Res publika – es braucht also das öffentlich aktive Gemeinwesen.

Dazu ist vorerst einmal grundsätzlich festzuhalten, dass die Würde des Menschen nicht nur unantastbar, sondern auch die Basis abendländischer Sittlichkeit ist. All jene, die diesen Grundsatz leugnen oder verletzen, stellen sich außerhalb unserer Kultur. Darauf fußt auch Kants kategorischer Imperativ, der da lautet: „Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde15.“

Pädagogisches Ziel muss deshalb ein ganzheitlich angelegtes, der Öffentlichkeit verpflichtetes, interaktives Bildungsverständnis sein. Zur Stärkung von Individuum und Kollektiv, für ein selbstständiges und kooperatives Wirken in einem demokratisch normierten, den Menschenrechten verpflichteten Gemeinwesen.