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Fußnoten

Richard Alewyn, »Anatomie des Detektivromans«, in: Der Kriminalroman, hrsg. von Jochen Vogt, Bd. I: Zur Theorie und Geschichte einer Gattung, München 1971, S. 5272.

Volker Ott, »Der Kriminalroman«, in: Formen der Literatur in Einzeldarstellungen, hrsg. von Otto Knörrich, Stuttgart 1981, S. 217223, hier S. 218.

Ernest Mandel, Ein schöner Mord. Sozialgeschichte des Kriminalromans, übers. von Nils Thomas Lindquist, Frankfurt a. M. 1987, S. 11.

Johannes Hoffmeister, Wörterbuch der philosophischen Begriffe, Hamburg 1955, S. 640.

Ebd.

Elisabeth Brock-Sulzer, Friedrich Dürrenmatt. Stationen seines Werks, 3., erg. Aufl., Zürich 1970, S. 235.

Ott (s. Anm. 2), S. 219.

Ebd., S. 220.

Franz K. Stanzel, Typische Formen des Romans, Göttingen 111987, S. 40.

Ebd.

Stanzel (s. Anm. 9), S. 50.

Schüler Duden. Die Literatur, hrsg. von Gerhard Kwiatkowski, 2., überarb. und erg. Aufl., Mannheim/Wien/Zürich 1989, S. 24.

Ebd.

Richard Alewyn, zit. nach: Stanzel (s. Anm. 9), S. 36.

Der große Duden, hrsg. von Paul Grebe, Bd. 7: Etymologie, Mannheim/Wien/Zürich 1963, S. 569.

Duden.de (duden.de/rechtschreibung/henken; Stand: 31.10.2019).

Heinrich Goertz, Friedrich Dürrenmatt, Reinbek bei Hamburg 1987, S. 15.

Lutz Tantow, Friedrich Dürrenmatt. Moralist und Komödiant, München 1992, S. 103.

Ebd., S. 105.

Friedrich Dürrenmatt, zit. nach: Tantow (s. Anm. 18), S. 107.

Tantow (s. Anm. 18), S. 110.

Goertz (s. Anm. 17), S. 47.

Goertz (s. Anm. 17), S. 66.

Friedrich Dürrenmatt, Der Verdacht, Reinbek bei Hamburg 51964, S. 152.

Friedrich Dürrenmatt, Der Besuch der alten Dame, in: F. D., Komödien I, Zürich 61963, S. 346.

Ebd., S. 351.

Friedrich Dürrenmatt, Das Versprechen, Zürich 1958, S. 244.

Goertz (s. Anm. 17), S. 33.

Wolfgang Pasche, Interpretationshilfen. Friedrich Dürrenmatts Kriminalromane, Stuttgart/München/Düsseldorf/Leipzig 1997, S. 55.

Friedrich Dürrenmatt, Theaterprobleme, Zürich 1955, S. 43 f.

Über Wert und Nutzen literarischer Texte lässt sich trefflich streiten. Ein einhelliges Urteil wird selten oder nie zustande kommen. Verbindliche Wertmaßstäbe gibt es nicht und die Interessen von Leserinnen und Lesern sind sehr unterschiedlich. Umso bemerkenswerter ist, dass es dem Schweizer Autor Friedrich Dürrenmatt mit seinem Ein Roman Roman Der Richter und sein Henker – als Buch erstmals 1952 veröffentlicht – gelungen ist, eine ungewöhnlich große Zahl von Lesern anzusprechen, eine nachhaltige Diskussion anzuregen und einen dauerhaften Verkaufserfolg zu sichern. Die epische Gattung des »Kriminalromans« hat mit diesem Werk und den in kurzen Abständen folgenden Romanen Der Verdacht (1951/1952) und Das Versprechen (1958) eine deutliche Aufwertung erfahren.

Kriminalromane Kriminalromane, meist verkürzend und leicht abschätzig »Krimis« genannt, sind Produkte der neueren Literaturgeschichte. Literaturwissenschaftler glauben, in der 1841 erschienenen Detektivgeschichte von Edgar Allan Poe The Murders in the Rue Morgue die erste typische Kriminalerzählung erkennen zu können. Als wichtigstes Charakteristikum dieser neuen Erzählart galt die in ihr angelegte Spannung, die den Leser nicht mehr loslässt, bis ihm eine glaubhafte Lösung des Rätsels präsentiert wird. Diesem Rezept folgten später Arthur Conan Doyle, Edgar Wallace und andere. Durch sie wurde der Kriminalroman zu einer beliebten und massenhaft verbreiteten Literatur. Das war für Leser, die von großer Dichtung mehr als nur gute Unterhaltung erwarteten, zu wenig.

Gemeinsam ist den verschiedenen Arten und Unterarten der Gattung, dass die Geschichten inhaltlich und formal bestimmt sind von einem zugrunde liegenden Ausgangspunkt: Ein Verbrechen Verbrechen. Das lateinische Substantiv crīmen, das mit ›Anklage‹ und ›Beschuldigung‹ sowie mit ›Vorwurf‹, aber auch mit ›Schuld‹ und ›Verbrechen‹ übersetzt werden kann, ist Ausgangspunkt für die nachträgliche Gattungsbezeichnung. Das Adjektiv ›kriminell‹ und die verschiedenen Wortzusammensetzungen wie »Kriminalgericht« und »Kriminalpolizei« sind leicht als Ableitungen der lateinischen Bezeichnung zu durchschauen.

Autoren und Leser von Kriminalromanen mussten sich lange den Vorurteile Vorwurf gefallen lassen, dass sie sich gedanklich allzu sehr auf die Schatten und Nachtseiten des menschlichen und gesellschaftlichen Lebens einließen und dass sie sich allzu leichtfertig dem Einfluss des Bösen aussetzten.

Ein Hinweis, dass nicht der zugrunde liegende

Ein für die epische oder filmische Ausgestaltung geeigneter Fall sollte kompliziert, aber lösbar sein. Er sollte in der verfügbaren Lese- oder Sehzeit gelöst werden. Die Lösung sollte schlüssig und nachvollziehbar sein. Am Ende sollte die von allen akzeptierte Ordnung wiederhergestellt sein.

Ein Verbrechen – in den meisten Fällen ein Mord Mord – bildet das zentrale Ereignis dieser Art von Erzählungen, Romanen und Filmen. Eine Tat – genauer: eine Untat – wird begangen, wird bekannt und wird aufgedeckt. Um die geltende Ordnung wiederherzustellen, muss der Schuldige bestraft werden und muss dem Unschuldigen Genugtuung erwiesen werden. Dazu muss der genaue Tatbestand – die Tatumstände, aber auch die Vorgeschichte der Tat – festgestellt und die Gesetzeslage geklärt werden. Als Vertreter des Rechts sind Polizisten, Kriminalisten, Anwälte und Richter gefragt. Eine besondere Rolle kommt den ermittelnden Behörden – den Polizisten und dem Untersuchungsrichter – zu: Die Untat, die der Verbrecher begangen hat, soll durch Kriminalisten aufgedeckt und

Nicht durch den Erzählgegenstand, sondern durch die Formung ist eine Unterscheidung zwischen Kriminalroman und Kriminalroman oder Detektivroman?Detektivroman möglich und sinnvoll. Der Germanist Richard Alewyn beschrieb den Unterschied folgendermaßen:

»Der Kriminalroman erzählt die Geschichte eines Verbrechens, der Detektivroman die Geschichte der Aufklärung eines Verbrechens. Man kann jeden Kriminalroman auf den Kopf stellen und ihn als Detektivroman erzählen, und man kann umgekehrt jeden Detektivroman auf die Füße stellen und damit den ihm zugrunde liegenden Kriminalroman herstellen.«1

Der Detektivroman, der seine Artbezeichnung vom lateinischen dētegere (›aufdecken, enthüllen, offenbaren‹) herleitet, wendet sich vor allem an die Intelligenz des Lesers, der die Schlüssigkeit des Erzählvorgangs prüfen und kritisch betrachten soll. Der Kriminalroman – im engeren Sinn des Wortes – »erzählt die Geschichte eines Verbrechens unter besonderer Berücksichtigung der psychologischen (auch soziologischen) Disposition des Täters, seiner Tatmotive, des Tathergangs und der Tatfolgen. Der Detektivroman

Das unterschiedliche inhaltliche Interesse hat Folgen für die Formung: Der Kriminalroman erzählt meist in chronologischer Reihenfolge, vorwärts gerichtet; der Detektivroman setzt beim eingetretenen Fall ein, sucht – rückwärts gerichtet – die Voraussetzungen zu erkennen und – vorwärts gerichtet – den Täter dem Gericht zu überantworten.

Leserverhalten Leser, die sich mit einem intellektuellen Vergnügen daranmachen, den Detektiv bei seiner Arbeit zu begleiten und zu verfolgen, gleichen scharfsinnigen Rätselfreunden, die aus Andeutungen Schlüsse ziehen und an der Lösung der Aufgabe Freude haben. Dass es bei dem Spiel um Mord geht, wird nicht ernst genommen.

Wer hingegen die in einem Kriminalroman erzählte Geschichte als Abbild von Wirklichkeit zur Kenntnis nimmt, als aus der Wirklichkeit übernommenes Geschehen, dürfte entsetzt sein über das Böse in der Welt und Mitleid haben mit den unschuldigen Opfern. Er nimmt wahrscheinlich allzu ernst, was als Spiel gemeint ist.

Das Gegenstand von Kriminalromanen Verbrechen, d. h. das Brechen einer gebotenen Ordnung, bedeutet die »Auflehnung des Täters gegen den allgemeinen Willen des Rechts«3; der Täter, der »vor sich selbst wie vor der Rechtsgemeinschaft schuldig wird«, fordert »die Vergeltung als die notwendige Folge der Tat heraus«4.

Dass Verbrechen wie Mord und Totschlag als Motive eines Gedankenspiels und als raffiniert gestellte Rätselaufgabe benutzt werden, dass also »der Mord und die Entlarvung des Täters […] auf ein letztlich immer lösbares Rätsel reduziert wird«5, ist ein Vorwurf besorgter Soziologen und Pädagogen. Es könnte sich jedoch zeigen, dass sich auch der Vorwurf, im Kriminal- und Detektivroman werde leichtfertig und allzu spielerisch mit Verbrechen umgegangen, als Vorurteil erweist. Vom Autor gewählte literarische Gattungen und Gegenstände sagen noch nichts aus über die von ihm verfolgte Intention.

Ein Kriminalroman ist immer auch ein Figurenroman. Deshalb verbindet sich die Frage nach dem grundlegenden Verbrechen immer mit den Fragen nach dem oder den Verbrechern einerseits und dem oder den Verfolgern andererseits.

 

1. (S. 512) Am Morgen des 3. November 1948 wird Ulrich Der »Fall Schmied«Schmied, Polizeileutnant der Stadt Bern, von dem Polizisten Alphons Clenin in der Nähe des Schweizer Ortes Lamboing in einem blauen Mercedes tot aufgefunden und nach Biel, der nächsten Stadt, überführt. Schmieds Vorgesetzter, Kommissär Bärlach in Bern, ein welt- und menschenerfahrener Kriminalbeamter, »über sechzig« (S. 10) und »nicht mehr so ganz gesund« (S. 15), nimmt sich des Falles an, verfügt vorläufige Geheimhaltung gegenüber der Presse und besorgt sich aus der Wohnung des Toten eine »Mappe, die auf dem Schreibtisch lag« (S. 12) und die wichtig zu sein scheint.

 

2. (S. 1317) Im Gespräch mit seinem Vorgesetzten, dem Untersuchungsrichter Dr. Lucius Lutz, erklärt Bärlach, dass er zwar »irgendwen im Verdacht« (S. 14) habe, mehr jedoch nicht sagen könne. Zur weiteren Aufklärung des Falles bittet Bärlach um die Unterstützung des Kollegen Der Kollege Tschanz Tschanz, den man daraufhin extra aus »den Ferien im Berner Oberland« (S. 15) holt. Mit dem Polizisten Blatter fährt Bärlach zum Tatort

 

3. (S. 1823) Am nächsten Morgen meldet sich Tschanz, der »den gleichen Mantel wie Schmied und einen ähnlichen Filzhut« (S. 18) trägt, bei Bärlach, der ihm zwar die am Tatort gefundene Kugel zeigt, nicht aber »die Mappe Schmieds« (S. 18). Tschanz erklärt, aus Indizien bereits geschlossen zu haben, wie Schmied ermordet worden sei. Aus einem Kalender Schmieds wisse er außerdem, dass dieser häufig – so auch am Tag seiner Ermordung – bei einer mit Die Spur zu G G abgekürzten Person oder Institution eingeladen gewesen sei. Diese Spur wolle er verfolgen: Er plane, am gleichen Tag noch, »um sieben, zur selben Zeit wie das Schmied auch immer getan hat« (S. 22), nach Lamboing zu fahren. Zu seiner Überraschung will Bärlach ihn begleiten. Von seinem Verdacht, wer der Mörder Schmieds sein könnte, gibt Bärlach nichts preis.

 

4. (S. 2428) Tschanz holt Bärlach in dessen Wohnung ab. Tschanz wählt eine in den Augen Bärlachs »ungewöhnliche Route« (S. 26), die aber zwei Tage zuvor auch Schmied gefahren zu sein scheint. Jedenfalls erfährt Tschanz an einer Tankstelle, dass einer

 

5. (S. 2931) Während sie warten, erklärt Tschanz, er vermute, dass es an diesem Abend genau da »eine Gesellschaft gibt« (S. 29), wo sich Schmied am Abend vor seiner Ermordung aufgehalten habe. Tatsächlich fahren mehrere Autos an ihnen vorbei. Als sie ihnen folgen, stehen sie bald vor einem »Haus, von Pappeln umrahmt« (S. 30). Das auf dem Türschild abgebildete G steht für Vor Gastmanns Haus Gastmann, wie Tschanz aus dem Telefonbuch weiß und nun Bärlach gegenüber erklärt.

 

6. (S. 3241 Konfrontation mit von Schwendi 3839