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Nora Harp, Valentina Day

Liebesgeflüster

verloren - gefunden


Für meinen Lieblings-Ex-Chef der bald selbst erfahren darf, wie lustig es sein kann, Kinder zu haben. Wir vom Zirkel wünschen der jungen Familie alles, alles Gute und sämtlichen Eltern dieser Welt Nerven aus Stahl.


BookRix GmbH & Co. KG
80331 München

Wissenswertes

 

Liebesgeflüster

VERLOREN * GEFUNDEN

 

Nora Harp

 

 

Copyright: 2020 Nora Harp

Coverdesign: Dana Müller

Bildmaterial: Dana Müller & pixabay.com

Korrektorat/

Lektorat: Wortschatz – Berliner Autorenzirkel

 

Mitwirkende: www.autorenzirkel-wortschatz.de

Nora Harp

Valentina Day

Cora N. Lee

Elsa Bein

 

Alle Rechte vorbehalten.

Der Inhalt dieses Buches basiert nicht auf realen Geschehnissen. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen, sowie realen Handlungen, sind rein zufällig.

 

 

 

 

 

1. Kapitel

»Manno, gib das he-heer!«

Ich schmunzelte. Laut lachen durfte ich nicht, weil diese kleinen Streitereien nicht süß waren, sondern lästig. Das war zumindest die Meinung meiner Schwester. Die musste es wissen, sie war schließlich die Mutter der beiden Zauberwesen, die sich auf meinem Sofa um das Gamepad balgten.

»Ich, ich, ich bin dran, ich bin dran, ich bin dran!«, belehrte die sechsjährige Marlies ihren Bruder, schnappte sich das kabellose Pad und hechtete über die Sofalehne.

»Frühstück, ihr Racker! Kommt schon, ihr dürft helfen, den Tisch zu decken.«

 

»Mam, baff is wüüglich klasse, baff wia bei bia schlafn düüfn«, erklärte Marlies eine Viertelstunde später mit vollem Mund und spuckte ein paar Krümel über den Tisch. Zum Glück aß sie ein Brötchen und keine Cornflakes wie ihr Bruder, sonst hätte ich mir die Dusche an diesem Morgen sparen können. Der Besuch von Marlies und Jayke über die Sommerferien machte zwar großen Spaß, hatte aber auch seine Tücken. Immerhin hielt das viele Staubsaugen mich fit.

»Also, ihr Mäuse, wollen wir unser Spiel spielen?«, fragte ich. Das war unser morgendliches Ritual. Seit zwei Wochen holten wir nach dem Frühstück das Computerpad raus und lachten gemeinsam über die Anzeigen auf den Hamburger Seiten von verloren-gefunden-dot-com.

Die Seite hatte sich kaum aufgebaut, da giggelte Marlies auch schon los, zeigte mit dem Finger auf eine Anzeige und las vor: »Verloren – gute Laune. Abzugeben heute Abend bei Party-Klaus, ihr wisst schon wo. Dem ehrlichen Finder winkt eine Kühltruhe für die Bierchen, die er mitbringt.«

»Meiner ist besser!«

»Angeber!«, schimpfte die Kleine. Ihr Bruder beugte sich mit verschränkten Armen über das Pad und verkniff sich lange genug das Lachen, um die Anzeige vorlesen zu können. »Gefunden – Wind in den Weiden, neu, mit Bildern. Gefunden und abzuholen in der Hamburger Meile, Thalia.«

»Hihi, Wind gefunden!«, kiekste Marlies.

Die beiden lagen fast unter dem Tisch vor Lachen. Ich lachte mit und verzichtete darauf, sie darüber aufzuklären, dass dies eine Werbeanzeige vom Buchladen war.

Als ich selbst einen Blick in die Anzeigen warf, konnte ich ebenfalls punkten. »Der hier ist auch gut, da schmeißt ihr euch glatt weg, passt auf: Verloren – Einhornquietscheente – Abgabe heute zur Halbzeit der Antwort auf das Leben, das Universum und den ganzen Rest vor Marias Treppe, Bagdad.«

Ich schüttete mich fast aus vor Lachen über so viel Unsinn, deshalb dauerte es eine Weile, bis ich merkte, dass mich zwei Augenpaare vorwurfsvoll musterten. Mein irritiertes »Waaas?«, brachte mir nur noch mehr Missbilligung ein. Beide schüttelten traurig die Köpfe. Ich fühlte mich wie ein Schulkind, das nicht begriff, was es falsch gemacht hat.

»Die Arme«, jammerte Marlies.

Ich staunte sie nur hilflos an. Die Kleine erbarmte sich und klärte mich freundlicherweise auf. »Sie hat ihre Einhornquietscheente verloren, so was ist doch nicht lustig. Ich wäre total traurig. Bestimmt ist sie auch total traurig.«

Erleichtert atmete ich durch und streichelte meiner Nichte über den Blondschopf. »Aber Schatz, das ist doch alles nur Unsinn. So etwas Albernes wie eine Einhornquietscheente gibt es überhaupt nicht.«

Marlies sagte nichts. Sie starrte mich eine Weile an, stand dann auf und marschierte die Treppe hinauf in ihr Zimmer. Eigentlich war es meine Wäschekammer, aber das würde ich ihr erst sagen, wenn sie zu groß für das kleine Bettchen darin sein würde und ich sie umquartieren müsste.

Kurz darauf kehrte sie zurück und hielt mir demonstrativ einen bunten Gegenstand unter die Nase. Ich betrachtete das Beweisstück eingehend. Es war ungefähr so groß wie eine kleine Orange und knallgelb. Ich hätte es ohne Mühe als Badeente identifiziert, wären da nicht das Horn auf der Stirn und der verstörend bunte Pferdeschweif gewesen. Ich seufzte. »Ja, du hast recht. Eindeutig eine Einhorngummiente. Na schön, die gibt es also. Aber die Anzeige ist trotzdem totaler Quatsch.«

»Ist sie nicht«, machte sich Jayke plötzlich bemerkbar. Er hatte sich in der Zwischenzeit das Pad geschnappt und wild darauf herumgewischt. Ohne mich anzusehen, verkündete er beiläufig: »Der Finder soll die Ente um 21 Uhr am Jungfernstieg abgeben, beim Bäcker.«

»W…«, war alles, was ich herausbrachte, bevor Marlies mich mit riesigen, traurigen Augen anbettelte. »Du kannst ihr meine Ente bringen. Büüüüüte. Sie ist doch sonst soooo traurig.«

»Wie …« Immerhin kam ich zwei Buchstaben weiter als vorher, bevor Jayke mich unterbrach.

»Die Antwort auf das Leben, das Universum und den ganzen Rest ist laut Douglas Adams zweiundvierzig, die Hälfte von zweiundvierzig einundzwanzig. Meine Religionslehrerin sagt, dass Maria gemeint ist, wenn von der Jungfrau die Rede ist und da wir in Hamburg sind, kommt da wohl nur der Jungfernstieg infrage, oder?«

Eigentlich wollte ich fragen, woher er das alles weiß, aber mein Gehirn überholte mich und spuckte die Frage aus: »Was ist mit Kirchen?«

Der Hobbykryptologe schüttelte nur den Kopf. »Es gibt hier keine Kirche mit einer Bäckerei, die BackDat heißt, nur den U-Bahnhof.« Triumphierend hielt er mir das Pad mit dem Beweisfoto entgegen. Verdammtes Internet!

Ich glotzte ihn verdattert an. »Sag mal, lernt ihr so was heutzutage in der Schule?«

»Büüüüüte«, bettelte es wieder neben mir.

Ich war zwar beeindruckt von den deduktiven Fähigkeiten meines Neffen, wollte aber auch nicht, dass seine Mutter mir den Kopf abreißt, weil er die ganzen Ferien über nur auf einen Bildschirm gestarrt hatte. Also wurde es Zeit, ein ernstes Wort zu sprechen.

räum dein Zimmer auf

Ich konnte nicht genau einschätzen, ob das besser war, aber das würde ohnehin Marlies entscheiden. Die Kleine quietschte neben mir aufgeregt, schrie: »Oh, toll, ich hol meine Turnschuhe!«, und flitzte davon.

»Du hast sie ja nicht alle«, konterte ich eloquent.