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Jana S. Morgan

Göttliches Schicksal: Calliope


Dieses Buch ist für all jene, die sich schon einmal an einem Punkt in ihrem Leben wiedergefunden haben, an dem sie nicht weiterwussten und dann doch all ihren Mut zusammengenommen haben, um den Weg vor ihnen weiter zu bestreiten. Denn Aufgeben ist keine Option! „Calliope hat mich dieser Prüfung auch unterzogen.“ Jana S. Morgan


BookRix GmbH & Co. KG
80331 München

Prolog

Winzige, in rosafarbene Söckchen gehüllte Füße rutschten über den glatten Laminatboden, als das Mädchen viel zu schnell in ihr Zimmer rannte. Lachend sprang die Kleine in ihr Bett, schlüpfte unter die rosarote mit Einhörnern bedruckte Decke und bettete wartend ihre Hände auf dieser. »Mami«, rief sie mit glockenheller Stimme. »Ich bin fertig.«

»Zähne geputzt?«, fragte die Mutter aus der Küche, als sie die letzten Teller abtrocknete und in den Schrank zurückstellte.

»Jaaaaa.« Das kleine Mädchen grinste in freudiger Erwartung. Ungeduldig wackelte die Kleine mit ihren Füßchen unter der Decke. »Kommst du?«

»Ich bin doch schon da«, sagte ihre Mutter lachend und setzte sich auf die Bettkante. »Und jetzt mach die Augen zu, mein Schatz.«

»Erzählst du mir noch eine Geschichte? Sonst kann ich nicht einschlafen.«

Die Mutter schenkte ihr ein liebevolles Lächeln. Sie wusste, dass ihr kleiner Engel sehr gut einschlafen konnte, doch ihre Tochter liebte Gute-Nacht-Geschichten zu sehr. Zärtlich streichelte sie über das kastanienbraune Haar des Mädchens. »Welche darf es denn heute sein, mein Schatz?«

»Du weißt, welche.« Die Kleine kicherte in Vorfreude auf ihre Lieblingsgeschichte.

»Schon wieder?«

»Biiiitteeeee.« Sie lachte als ihre Mutter sie kitzelte.

»Also schön.« Die Frau Anfang dreißig räusperte sich und legte sich zu ihrer Tochter. Sie war ihr Goldstück, der sie nie etwas abschlagen konnte. Auch nicht den ständigen Wunsch nach immer derselben Geschichte. »Es war einmal eine wunderschöne Göttin. Mit langem, kastanienbraunem Haar, so wie deines.«

»Wie meins?«

»Ja, genau. Nur war es noch viel länger und wunderschön gelockt. Sie hatte Blumen in ihr Haar geflochten und ließ so jeden auf den ersten Blick erkennen, wessen Tochter sie war. Ihre Eltern waren Zeus, der Herrscher über die Götter und die Menschen, und Demeter, die Göttin der Fruchtbarkeit der Erde, des Getreides und der Saat. Und sie war für noch etwas verantwortlich. Weißt du noch, für was?«

»Die Jahreszeiten«, rief die Kleine freudig, sie kannte die Geschichte auswendig.

»Ja, Demeter sorgte auch für die Jahreszeiten. Doch in dieser Geschichte geht es nicht um Demeter, sondern um Kore. Es hieß, Kore habe die Schönheit der ganzen Welt. Und wer so schön war, der hatte auch Verehrer. Hades, der Gott der Unterwelt, verliebte sich in Kore und hielt bei Zeus um ihre Hand an. Zeus stimmte nicht zu, er lehnte aber auch nicht ab. Dies betrachtete Hades als Einverständnis. Er raubte Kore und verschleppte sie in die Unterwelt.« Die Mutter machte eine bedeutsame Pause und betrachtete das Mädchen mit einem liebevollen Blick.

»Erzähl weiter!«, forderte die Kleine und zupfte ungeduldig am Ärmel der Strickjacke ihrer Mutter.

»Sch…« Sanft streichelte diese ihrer Tochter über das weiche Haar. »Kore flehte um Erbarmen, doch Hades nahm sie mit sich und brachte sie in sein Reich. Als Demeter bemerkte, dass Kore verschwunden war, machte sie sich auf die Suche nach ihr. Doch sie konnte sie nicht finden. Demeter wandelte fortan als Mensch auf der Erde und trauerte. Schließlich erfuhr sie, dass Zeus von Kores Verschwinden gewusst hatte. Da ließ sie vor Trauer und Wut die Pflanzen verdorren. Das ganze Land verödete und nichts gedieh mehr.«

»Sie vermisste sie so sehr?«

»Ja«, antwortete sie ihrer Tochter. »Demeter war unendlich traurig und bat Zeus, mit ihr in die Unterwelt hinabzusteigen. Dieser wollte verhindern, dass Demeter noch mehr Schaden an der Natur und somit auch an den Menschen verursachte, und gab ihrer Bitte nach. Er stellte jedoch die Bedingung, dass sich Kore an das Gesetz der Moiren halten musste. Sie durfte in der Unterwelt nichts gegessen haben.«

»Und Kore war die ganze Zeit bei Hades.«

»Möchtest du die Geschichte weitererzählen? Ich weiß, dass du sie auswendig kennst.« Die Mutter grinste ihre Tochter an und tippte ihr auf die Nasenspitze.

Lachend verschwand die Kleine unter der Bettdecke, bis nur noch die Augen hervorlugten. Sie schüttelte den Kopf und kicherte. »Nein, du musst weitererzählen, Mama.«

»Also schön. Kore konnte nicht aus der Unterwelt fliehen und musste all die Monate bei Hades bleiben. Doch in dieser Zeit kam sie Hades näher und erkannte, dass er weit mehr als der Angst verbreitende König der Unterwelt war. Zeus und Demeter verlangten von Hades, dass er Kore freigab, und stellten die wichtige Frage, ob Kore etwas gegessen hatte. Hades und Kore verneinten.«

»Aber das hat sie doch getan!«

»Ja, das hat sie. Kore nahm in der Zeit, die sie bei Hades bleiben musste, heimlich im Obstgarten der Unterwelt vier Granatapfelkerne zu sich. Doch der Gärtner beobachtete Kore dabei. Er berichtete Hades, was er gesehen hatte. Der Verzehr der Granatapfelkerne hatte entscheidende Folgen für Kore und Hades. Demeter und Zeus wollten jedoch nicht wahrhaben, dass Kore in der Unterwelt bleiben musste und boten Hades einen Handel an, den er annahm. Kore durfte acht Monate des Jahres bei ihrer Mutter Demeter auf der Erde leben, während sie vier Monate bei Hades verbringen musste, je einen Monat für jeden Granatapfelkern, den sie gegessen hatte. Diese Zeit mit Kore konnte Hades niemand mehr streitig machen. Fortan war Kore bekannt als Persephone und wurde zur Herrscherin der Unterwelt neben Hades.«

Die Mutter wusste, wie die Geschichte weiterging. Sie kannte einigen von Persephones Taten als Königin der Unterwelt, doch davon würde sie ihrer Tochter nichts erzählen. So war die Geschichte gut für unschuldige Kinderohren. Alles Weitere würde sie vielleicht einmal erfahren, wenn sie älter war.

Die Mutter lehnte sich vor und küsste ihre Tochter auf die Stirn.

»Ich mag diese Geschichte«, murmelte das Mädchen und kuschelte sich mit schon geschlossenen Augen in das Kissen.

 

Kapitel 1

Bum.

Bum. Bum.

Ich stöhnte auf, als die E-Gitarren einsetzten und das mittlerweile schon vertraute Lied von Disturbed seinen Anfang nahm. Ich hatte den Titel lange Zeit nicht gekannt, doch seit einigen Tagen – oder Wochen? – lief es jeden Morgen um Punkt halb acht in der Wohnung über mir. Das Unverkennbare an diesem Lied war das eigenartige Geräusch, das der Sänger von sich gab. Eine Mischung aus Lachen und Schreien. Erst vor Kurzem hatte ich herausgefunden, dass das ein Markenzeichen war und in einigen Liedern der Band vorkam. Dabei hatte der Sänger doch eine glockenklare Stimme, wie man in der aktuellen Coverversion von The Sound of Silence von Simon & Garfunkel deutlich hören konnte. Dieses Lied mochte ich sogar. Vor allem die Originalversion. Das sollten meine Nachbarn zur Abwechslung mal spielen. Dann würde auch ich etwas relaxter aufwachen.

Ich rollte mich herum, zog mir die Decke bis über beide Ohren und versuchte mich zu entspannen. Wenigstens kurz, bevor auch mein Wecker klingelte und ich aufstehen musste. Etwa fünfzehn Minuten lag ich so da, in denen ich versuchte, den Liedtext von Down with the Sickness nicht mitzusingen.

»There is no turning back now. You’ve woken up the demon in me …« Ich schlug meine Faust in das Kissen, dann schüttelte ich den Kopf, ehe ich mich prustend aufsetzte. Ich konnte nicht verhindern, über mich selbst zu lachen.

Das war doch lächerlich.

Ich mochte diese Musik nicht! Es war eine Tortur, sie schon so früh am Morgen hören zu müssen. Aber ich konnte nicht leugnen, dass dieses Lied langsam zu einem Ohrwurm wurde. Ich wurde schließlich jeden Morgen davon geweckt …

Da ich nun einmal wach war, schwang ich die Beine aus dem Bett und schaltete meinen Wecker wieder aus. Vielleicht sollte ich mir angewöhnen, vor meinen Nachbarn aufzustehen. Das wäre sicherlich eine Überlegung wert. Allerdings würde ich dann auf wertvolle Minuten Schlaf verzichten. Doch keine so gute Idee …

Ich streckte mich ausgiebig, dann ging ich zum Fenster, um die Vorhänge beiseitezuziehen. Goldene Sonnenstrahlen blendeten mich. Ich wandte schnell das Gesicht ab, damit sich meine Augen langsam an die Helligkeit gewöhnen konnten. Ich zog mein zu großes Schlaf-T-Shirt aus und schlüpfte in saubere Unterwäsche und eine dunkelblaue Jeans. Meine Arbeitskleidung bestand aus einem einfachen schwarzen Top mit Firmenlogo.

Ich verließ mein Zimmer und wollte gerade ins angrenzende Bad gehen, als ich etwas klappern hörte.

Das Geräusch kam aus der Küche. Neugierig schlich ich auf leisen Sohlen den schmalen Flur entlang und seufzte erleichtert auf, als ich meine Mutter sah. Sie kniete auf dem Boden und suchte im hintersten Teil eines Schranks nach etwas. Normalerweise hatte ich am Morgen die Wohnung für mich, da der Job meiner Mutter früher anfing. Es überraschte mich, sie in der Küche zu sehen.

»Ach du bist es nur«, sagte ich und lehnte mich an den Türrahmen. »Was machst du hier, Mama?«

»Ich habe heute einen Arzttermin. Das habe ich dir doch erzählt«, murmelte sie in den Schrank hinein, der ihre Stimme zu einem Großteil verschluckte.

»Ach ja, stimmt. Das hatte ich schon wieder vergessen«, merkte ich an und nahm meiner Mutter die Schüssel ab, die sie blind nach hinten streckte. »Ist aber nur ein Kontrolltermin, oder?«

»Ja. Es geht mir gut, Callie. Mach dir keine Sorgen.«

»Okay.« Ich lächelte meine Mutter an. Es war ungewohnt, dass sie hier war. Doch obwohl ich ihre Gesellschaft genoss, würde ich gleich gehen müssen. Ich hing an ihr, so war es schon immer gewesen. Es hatte nur sie und mich gegeben. Seit ich denken konnte, waren wir zu zweit.

»Na komm, mach dich fertig«, sagte sie und nahm mir die Schüssel ab, die sie aus dem Schrank gekramt hatte. »Du sollst nicht meinetwegen zu spät kommen.«

»Werde ich schon nicht«, entgegnete ich und grinste sie frech an. Dennoch folgte ich ihren Worten und ging ins Badezimmer.

Es dauerte nur etwa zehn Minuten, dann war ich auch schon fertig. Mein langes kastanienbraunes Haar knotete ich mir fest an meinem Hinterkopf zusammen, damit es bei der Arbeit nicht störte. Ich betonte meine Augen mit etwas Mascara und betrachtete das Ergebnis zufrieden im Spiegel.

Als ich zurück in die Küche ging, stand meine Mutter an der Arbeitsfläche und bestrich eine Scheibe Brot mit Butter. »Möchtest du etwas frühstücken, Schatz?«

»Nein, danke, Mama. Ich frühstücke sonst auch nicht.« Nachdem ich die Worte ausgesprochen hatte, biss ich mir auf die Zunge. Das war unklug gewesen.

»Du solltest wirklich etwas essen. Das Frühstück ist die wichtigste Mahlzeit des Tages.«

Ich hatte meine Lippen synchron zu ihren Worten bewegt und mit den Augen gerollt, schüttelte dann aber lächelnd den Kopf.

Diesen Satz kannte wohl jede Mutter. Und jedes Kind reagierte mit einem Augenrollen, wenn sie nicht hinsah.

Meiner Mutter war ein anständiges Frühstück aber wirklich wichtig. Sonntags saßen wir immer in unserem kleinen, aber gemütlichen Wohnzimmer, der längliche Couchtisch voll mit allem, was der Kühlschrank anzubieten hatte, und sahen gemeinsam fern. Meist dauerte so ein Frühstück mehrere Stunden, doch es war unser Ritual am Sonntag, das ich um nichts in der Welt hätte verpassen wollen.

An diesem Morgen hatte ich dafür aber absolut keine Zeit. »Ich hole mir unterwegs etwas. Und falls du es vergessen hast, ich arbeite beim Bäcker. Verhungern werde ich gewiss nicht.« Ich lachte, als sich ein Bild in meine Gedanken schlich: meine Mutter. Augenrollend.

»Jaja, wie du willst.«

»Ich muss jetzt los«, sagte ich und griff mir meine Tasche, die auf einem der Küchenstühle lag. »Hab dich lieb, Mama.« Ich drückte meine Mutter und küsste sie auf die Wange. Dann schlüpfte ich in meine bequemen schwarzen Sneakers und verließ die Wohnung.

Als ich die Treppe des Mehrfamilienhauses hinunterging, kam mir Frau Rosenheim entgegen. Sie war eine schon deutlich ältere Frau und wohnte mit ihrer Pudeldame in der Wohnung unter uns, seit ihr Mann vor einigen Jahren verstorben war.

»Gute Morgen, Frau Rosenheim«, begrüßte ich sie fröhlich und streichelte auch Luna einmal über den Kopf, da sie sonst ganz schön eingeschnappt sein konnte. Das wollte ich natürlich nicht riskieren.

»Ein herrlicher Tag für einen Spaziergang, Kind«, sagte sie und winkte, als sie mit Luna vor ihrer Wohnungstür stand und an dem Schlüsselbund in ihrer Hand den richtigen Schlüssel suchte.

Frau Rosenheim nannte mich immer Kind. Entweder fiel es ihr schwer, sich meinen Namen zu merken, oder sie hatte Probleme damit, ihn richtig auszusprechen. Doch woran es auch lag, es störte mich nicht, wenn sie mich Kind nannte. Sie war eine nette alte Frau, der man das nicht übelnehmen konnte. Ich warf Frau Rosenheim noch einen Blick zu, die heute besonders lange brauchte, den Schlüssel in ihrer Handtasche zu finden.

»Ach, wie geht es deiner Mutter?«, fragte sie, als ich schon fast an der Haustür war. Frau Rosenheim steckte den Schlüssel in das Schloss ihrer Wohnungstür und lächelte.

»Oh, der geht es gut«, antwortete ich. »Sie schwärmt noch immer von Ihrem Zuckerkuchen.«

Frau Rosenheim lachte verlegen und öffnete ihre Wohnungstür.

Ich winkte ihr zum Abschied und verließ das Haus. Die Sonne blendete wie schon beim Aufziehen der Vorhänge, doch ich genoss die warmen Strahlen auf meinem Gesicht. Die Temperatur war angenehm, nicht kalt und auch nicht heiß. Bei diesem perfekten Wetter konnte der Tag nur gut werden.

Lächelnd ging ich die zwei Straßen bis zum Bahnhof von Nauen. Dort musste ich nur vier Minuten warten, da fuhr auch schon die Regionalbahn ein, die mich nach Berlin bringen würde.

Die Fahrt dauerte eine halbe Stunde, dann erreichte der Zug den Bahnhof von Spandau. Es war voll auf den Bahnsteigen und noch voller auf den Straßen. Ich reihte mich in die Menschenmasse ein. Busse fuhren ab oder hielten an, viele stiegen ein und ebenso viele aus. So war das Leben in der Großstadt. Hektisch. Turbulent. Schnell.

Die Bäckerei lag in der Altstadt von Spandau und war noch eine von den alteingesessenen. Es war die Treue der Kunden, die das Geschäft so lange am Leben erhalten hatte. Kein großer Investor, keine große Kette. Bäckerei Schwarz hatte noch Wurzeln, die weit in eine Zeit zurückreichten, in der es noch keine Ketten gegeben hatte. Hier buk man noch im Anbau hinter dem Laden. Alles wurde liebevoll per Hand zubereitet, dekoriert und im Laden vorne verkauft. Meist stand ich hinter dem Tresen, doch wenn Hilfe in der Backstube benötigt wurde, sprang ich auch gerne hin und her.

Ich verdankte Frau Schwarz so viel. Sie hatte mir eine Möglichkeit gegeben, um mich zu beweisen. Ich hatte ohne Ausbildung in der Bäckerei angefangen, und doch hatte sie mir eine Chance gegeben. Ich hatte hart an mir gearbeitet. Die Schule war mir nie so wichtig gewesen, doch für meinen Job tat ich alles. Ich liebte es, die glücklichen Gesichter der Kunden zu sehen. Oder das fröhliche Lächeln von Kindern, die ein süßes Brötchen bekamen und es sich gierig in den Mund stopften.

»Guten Morgen, Callie«, rief mir Frau Schwarz entgegen, als sie gerade ein weiteres Blech mit frischem Brötchenteig in den Ofen schob.

»Guten Morgen, Frau Schwarz«, begrüßte ich meine Chefin und ging hinter den Tresen. Von dort gelangte ich in ein Hinterzimmer, wo ich meine Sachen ablegen konnte. Ich band mir meine Schürze um und steckte mein Namensschild an mein Top. Auf ihm stand nur Callie. Früher hatte dort mein kompletter Name gestanden, doch mit seinen griechischen Wurzeln, brachte er die Kunden hin und wieder aus dem Konzept. Dann starrten sie mich an und überlegten, ob sie den Namen schon einmal gehört hatten, oder fragten sich, wie man ihn wohl aussprach. Calliope war kein geläufiger Name, nicht mal in der Großstadt.

Nur wenige Augenblicke später stand ich hinter dem Tresen und ging meinen Kolleginnen zur Hand. »War es heute Morgen voll?«, fragte ich Anna.

Sie war seit fünf Uhr hier, ebenso wie Frau Schwarz, doch beide wirkten fit und munter. Ich bewunderte sie für ihre Ausdauer und war froh darum, dass ich nicht so früh aufstehen musste.

»Es ging. Morgen wird es schlimmer.« Anna zwinkerte mir zu und bediente eine Kundin.

Sie hatte recht. Freitags und samstags, so kurz vor dem Wochenende, rannten sie uns den Laden ein. So war es immer.

Doch dieses Wochenende würden Frau Schwarz und Anna ohne mich auskommen müssen. Ich hatte am Sonntag Geburtstag und mir für diesen Anlass einen Tag Urlaub gegönnt. Ich wollte Zeit mit meiner Mutter verbringen. Zwar wusste ich noch nicht, was wir unternehmen würden, doch meine Mutter würde sich mit Sicherheit etwas Schönes ausdenken. Ich besann mich wieder auf die Arbeit, denn noch war das Wochenende nicht in Sicht.

Es war ein ganz typischer Tag in der Bäckerei. Am Vormittag waren die Rentner und Schüler unsere Kunden gewesen und zur Mittagszeit waren auch einige Berufstätige gekommen, die ihre Pause bei einem heißen Kaffee und einem Stück Kuchen oder einer belegten Schrippe verbrachten. Am späten Nachtmittag saßen dann die Schüler und Studenten bei uns und quatschten entspannt mit ihren Freunden. Die zehn Tische waren zu dieser Tageszeit meist alle belegt, weshalb wir ganz schön rotieren mussten, um sie schnell genug wieder abzuräumen und gleichzeitig die wartende Kundschaft zu bedienen.

»Darf es sonst noch etwas sein, Frau Meier?«, fragte ich die ältere Dame, die zu unseren treusten Kundinnen gehörte.

Ihr Haar war weiß, aber immer perfekt frisiert. Meist trug sie es als festen Knoten an ihrem Hinterkopf. Dadurch wirkte sie sehr streng, doch sie war ein herzenslieber Mensch.

»Nein, danke, das ist alles«, sagte sie und legte mir einen Fünfeuroschein auf den Tresen.

Ich kassierte ab und reichte ihr das Wechselgeld. »Einen schönen Tag noch«, erwiderte ich und sah mich auch schon nach dem nächsten Kunden um.

»Callie, kannst du abräumen?«, fragte mich Anna und deutete auf die zwei freien Tische, auf denen noch Teller und Tassen standen.

»Na klar.« Ich griff mir einen feuchten Lappen und die Plastikwanne, die wir zum Abräumen nutzten.

Als ich hinter dem Tresen hervortrat, fiel mir im Eingangsbereich jemand auf, der recht verloren dastand. Der junge Mann mit den schulterlangen, schwarzen Haaren sah sich um, bewegte sich aber kein Stück von der Stelle und versperrte anderen Kunden somit den Weg.

»Kommen Sie rein«, rief ich ihm zu und lächelte. Ich stellte die Wanne ab und strich mir eine Haarsträhne, die sich aus meinem Zopfgummi gelöst hatte, aus dem Gesicht. Als ich aufsah, war der junge Mann aus dem Eingangsbereich verschwunden. Ich wunderte mich darüber, dass er wieder gegangen war, doch plötzlich stand er vor mir. Ich zuckte zusammen, überspielte den Schreck aber mit einem weiteren Lächeln.

Sein Blick war durchdringend und mein Lächeln erstarb. Mit seinen dunklen Augen – waren sie tatsächlich violett? - hypnotisierte er mich geradezu. Ein Schauer nach dem anderen überkam mich und ich bekam eine Gänsehaut. Warum starrte er mich so an?

Ich räusperte mich und unterbrach den Blickkontakt. »Eine Sekunde, dieser Tisch ist gleich frei«, sagte ich und stellte die dreckigen Teller in die Wanne. Als ich nach den beiden Tassen greifen wollte, legte sich plötzlich eine Hand um meinen Unterarm.

Wieder zuckte ich zusammen und wollte instinktiv meinen Arm zurückziehen, doch es gelang mir nicht. Mit einer schier unmenschlichen Kraft wurde er an Ort und Stelle gehalten. Ich fragte mich, wie das möglich war, und starrte auf die schlanken Finger, die meinen Arm festhielten. Es tat nicht weh, doch sein Griff war so fest, dass ich gar nicht wusste, was ich tun sollte. Dann glitt seine Hand über meine Haut hinab zu meinem Handgelenk und dann zu meinen Fingern, die er umschloss. Seine Finger waren warm und der Kontakt war nicht unangenehm, die Situation fühlte sich dennoch falsch an.

Ich hob meinen Blick und starrte in violette Augen. In diesem Moment war ich mir sicher, dass sie tatsächlich diese Farbe hatten. Bestimmt trug er farbige Kontaktlinsen. Die verliehen ihm etwas Faszinierendes.

Doch nicht nur seine Augen zogen mich in einen Bann. Sein ganzes Gesicht hinderte mich daran, wegzusehen. Schmale Lippen, keine Spur von einem Lächeln, und doch war sein Gesichtsausdruck auf eine ganz besondere Art liebevoll. Dunkle geschwungene Augenbrauen, ebenso tiefschwarz wie sein Haar, brachten einen starken Kontrast zu seiner hellen Haut und den intensiven Augen, in denen ich mich eine Ewigkeit verlieren könnte.

Stand die Zeit still oder warum bemerkte niemand diesen eigenartigen Moment? Wie lange konnte ich diesen Mann anstarren ohne dass es merkwürdig aussah? Wie lange würde er meine Hand noch festhalten?

Doch gerade als ich über die Antworten nachdachte, ließ er mich los, machte auf dem Absatz kehrt und verließ die Bäckerei mit wehendem Mantel.

Ist es nicht viel zu warm für einen Mantel?, fragte ich mich und schüttelte verwirrt den Kopf.

Was für ein merkwürdiger Kerl. Unweigerlich dachte ich an einen Goth. Diese trugen immer schwarz, womöglich gehörten auch gefärbte Kontaktlinsen zu ihrem Auftreten.

Ich besann mich und wollte endlich nach den Tassen greifen, als mir auffiel, dass sich etwas in meiner Hand befand. Nicht kalt, sondern handwarm lag dort eine kleine Silbermünze. Feine Verzierungen waren eingeprägt worden und das Silber glänzte, als hätte man es erst frisch poliert.

Warum hatte ich diese Münze in der Hand?

Ich umschloss den Gegentand und lief aus der Bäckerei. Hektisch sah ich mich nach dem schwarzhaarigen Kerl um, doch ich konnte ihn nirgends entdecken. Warum um alles in der Welt hatte er mir eine Münze zugesteckt? Ich öffnete meine Hand und betrachtete sie. Sie sah alt aus, obwohl sie glänzte, und gehörte zu keiner Währung, die ich kannte.

Ich seufzte frustriert. Der Tag hatte so schön begonnen und nun so etwas?

»Callie? Alles okay?« Anna steckte den Kopf durch die halb geöffnete Tür.

»Ja, ja, alles okay«, sagte ich geistesabwesend und ließ die Münze in meiner Hosentasche verschwinden. »Ich dachte nur, ich hätte jemanden gesehen. Nicht so wichtig.«

 

Kapitel 2

Nach diesem merkwürdigen Ereignis kam die Routine zurück und schon bald würde ich meinen wohlverdienten Feierabend erreicht haben. Die Bäckerei schloss um achtzehn Uhr, dann mussten wir nur noch aufräumen und putzen. Die nicht verkaufte Ware würden wir am Vormittag verbilligt anbieten oder sie der Tafel spenden. Jeden Tag kam ein Mitarbeiter der Organisation und holte die gepackten Tüten ab. Das war etwas, was ich wirklich guthieß. Warum die noch guten Sachen entsorgen, wenn andere sich noch darüber freuten?! In unserer Wegwerfgesellschaft war das Spenden von Lebensmitteln in meinen Augen ein Schritt in die richtige Richtung. Ich verschloss die letzte der gepackten Tüten für die Tafel und stellte sie zu den anderen. Ich lächelte zufrieden. Das war ein gutes Gefühl.

Es war zum Glück noch hell, als ich mich auf den Heimweg machte. Ich schaute auf die Uhr und stellte fest, dass ich noch mehr als genug Zeit hatte, bis meine Bahn fuhr. So konnte ich mir Zeit lassen und gemütlich durch die Altstadt in Richtung Bahnhof schlendern. Ich schob die Hände in die Hosentaschen und ertastete die kleine Münze, die mir der Schwarzhaarige zugesteckt hatte. Ob sie eine bestimmte Bedeutung hatte? Warum hatte er sie mir gegeben? Man drückte doch niemandem, den man nicht kannte, eine Münze in die Hand, ohne auch nur ein Wort zu sagen!

Ich hätte die Münze auch einfach in den nächstbesten Mülleimer werfen können. Diese Möglichkeit hatte ich und doch fühlte sich der Gedanke falsch an. Ich berührte sie, fühlte die Struktur. Sie war rau auf der einen und glatt auf der anderen Seite. Sie zwischen meinen Fingern zu spüren, beruhigte mich auf eine eigenartige Weise.

Ich bekam den Weg zum Bahnhof kaum noch mit. Erst als ich auf einem freien Platz in der Bahn saß, bemerkte ich, dass ich die Münze in der Hand hielt. Ich hob sie hoch, betrachtete die Schnörkel, die vermutlich irgendein Muster ergaben, welches ich jedoch nicht erkennen konnte. Ich drehte die Münze, legte den Kopf schräg und doch blieb die Maserung ohne eine mir ersichtliche Bedeutung.

»Was soll’s«, murmelte ich und schob sie zurück in meine Hosentasche. Ich wollte nicht weiter über das Muster oder den Sinn dieser Münze nachdenken.


»Mama, ich bin zu Hause«, rief ich gut gelaunt, als ich die Tür aufschloss und mir - wie erwartet - ein herrlicher Duft entgegenkam.

»Schön, Schatz, das Essen ist auch gleich fertig«, antwortete sie aus der Küche.

Ich stellte meine Sachen ab, zog die Schuhe aus und huschte auf Socken zu meiner Mutter.

Sie stand mit dem Rücken zu mir am Herd und rührte in einem Topf herum. Ihr Haar war ebenso braun wie meines, doch deutlich kürzer. Sie trug es meist schulterlang und offen, nur manchmal steckte sie es mit einer Haarspange fest.

»Was gibt es denn?«, fragte ich neugierig und warf einen Blick über ihre Schulter.

Auf dem Herd vor ihr standen zwei Töpfe, in dem kleineren rührte sie gerade eine unheimlich intensiv riechende Tomatensoße um.

Mir lief sofort das Wasser im Mund zusammen. »Mhh, Spaghetti«, schwärmte ich. Ich liebte Nudeln. Ihre Form war mir fast egal. Sie brachte lediglich die Soße dazu, besser an der Nudel zu haften.

»Hast du Hunger? Dann können wir gleich essen«, sagte meine Mutter und machte sich daran, die Nudeln abzugießen.

Ich trat einen Schritt zurück, um ihr nicht im Weg zu stehen, und setzte mich an den kleinen Küchentisch, an dem tatsächlich nur zwei Leute Platz hatten. Unsere Wohnung war winzig und doch war sie gemütlich.

»Du kennst mich doch«, sagte ich und lachte. Ich grinste meine Mutter frech an, als sie einen Blick über ihre Schulter warf.

»Schon seit neunzehn, fast zwanzig Jahren«, konterte sie und lachte. »Deckst du den Tisch?«

»Na klar.«

Während meine Mutter die Soße geschmacklich abrundete, nahm ich zwei tiefe Teller aus dem Schrank und stellte sie auf den Tisch.

Nur kurze Zeit später saßen wir vor zwei reichlich gefüllten Tellern Spaghetti mit der selbstgemachten Tomatensoße nach dem Rezept meiner Großmutter.

Ich hatte meine Oma nie kennengelernt und doch erzählte meine Mutter sehr gerne von ihr. Durch die vielen Rezepte lebte sie in uns weiter. Meine Mutter beharrte immer wieder darauf, dass ich lernte, wie man diese ganzen Gerichte zubereitete, doch bisher konnte ich mich nicht fürs Kochen begeistern. Na ja, Nudeln würde ich wohl noch hinkriegen, aber sicherlich würde die Soße entweder grottig schmecken oder aus einem Glas kommen.

Ich lud meine Gabel voll und schob sie mir in den Mund.

Oh Mann, ist das lecker!

»Wie war dein Tag?«, erkundigte sich meine Mutter.

»Gut. Es war ein typischer Donnerstag.«

»Also etwas ruhiger als sonst«, stellte sie fest.

Ich nickte. »Ja, morgen wird es wieder turbulenter.«

»Dann pass auf, dass dir nicht wieder die Tassen runterfallen.« Sie grinste mich schelmisch an.

»Hey, das ist nicht fair. Das war mein erster Tag«, beschwerte ich mich. »Und außerdem ist mir das seitdem nicht wieder passiert.« Flüsternd fügte ich dann aber hinzu: »Zumindest nicht mit Tassen.« Ich wollte das aufsteigende Lachen unterdrücken, ich versuchte es wirklich, doch ich prustete los, verschluckte mich beinahe an den Spaghetti.

Meine Mutter lachte ebenfalls, bis ihr die Tränen kamen. »Du kleiner Tollpatsch.« Die Worte wären beinahe in ihrem Lachen untergegangen.

»Ach, das ist alles halb so wild«, sagte ich möglichst beherrscht, doch das kribbelige Gefühl in meinem Bauch kündigte einen erneuten Lachanfall an. Ich holte tief Luft. »Wie war es heute beim Arzt? Alles okay?«

»Ja, nur das übliche. Mein Blutdruck ist etwas zu hoch, aber er meinte, das wäre kein Grund zur Beunruhigung. Wir beobachten das. Die Blutwerte kommen nächste Woche.«

»Musst du dir dann nochmal freinehmen?«

»Nein, zum Glück nicht. Der Besprechungstermin ist am späten Nachmittag.«

Ich nickte und nahm einen weiteren Bissen Spaghetti. Zwar hatte ich schon mehr als genug gegessen, aber es war einfach zu gut, um aufzuhören. »Sag mir nächste Woche noch mal Bescheid, nicht dass ich nach Hause komme und du bist nicht da.«

»Sehnsucht?«, fragte sie und grinste.

»Immer, Mami.«


Nach dem Essen räumten wir gemeinsam die Küche auf und zogen dann ins Wohnzimmer um. Mit gut gefülltem Bauch ließ ich mich auf meine Seite des kleinen Ecksofas fallen und seufzte genüsslich. So mochte ich meinen Feierabend. Gutes Essen und dann ein gepflegter Fernsehabend mit meiner Mutter.

Für viele wäre das sicherlich nichts gewesen, manche hätten behauptet, ich müsse meine Jugend genießen und ausgehen, aber das war nichts für mich. Natürlich traf ich mich gerne nach Feierabend mit Anna, jedoch mieden wir Diskotheken und bevorzugten stattdessen kleine Bars. Die gemeinsamen Abende waren ruhige und gemütliche Runden mit flüchtigen Freunden.

Meine Mutter räusperte sich und holte mich damit in die Wirklichkeit zurück. »Hast du dir schon überlegt, was wir am Wochenende unternehmen wollen?«

»Nicht wirklich«, gestand ich und fummelte am Saum meines Tops herum.

Da schlug mir meine Mutter mit einem Mal lachend auf den nackten Oberarm. »Das passt sehr gut.«

»Aua«, protestierte ich, obwohl es nicht wehgetan hatte. Das Lachen meiner Mutter, so hell und klar, entlockte mir ein leises Kichern.

»Ich habe schon etwas geplant«, berichtete sie stolz und rieb mir grinsend über die Stelle am Arm, auf die sie spielerisch geschlagen hatte.

»Und was?«, fragte ich, doch meine Mutter hüllte sich in Schweigen. »Komm schon, sag es mir!«

Kleine Fältchen erschienen um ihre hellbraunen Augen, als sie versuchte, das breite Grinsen zu unterdrücken. »Nein. Es ist eine Überraschung.«

»Bitte. Ich werde nicht einschlafen können, wenn du es mir nicht sagst.« Einerseits mochte ich keine Überraschungen, denn ich war einfach zu neugierig, um auszuharren, bis es endlich so weit war. Andererseits fand ich es auch unheimlich toll, dass sich meine Mutter etwas für meinen Geburtstag ausgedacht hatte. Ich sah sie bettelnd an.

»Nein, nein, ich sage nichts.« Sie lachte erneut.

»Du weißt, dass das echt gemein ist, oder?«, murmelte ich und verschränkte die Arme vor der Brust. Ich benahm mich wie ein kleines Kind, das war mir bewusst. Sie hatte es schon früher nicht unbedingt leicht mit mir gehabt. Als alleinerziehende Mutter mit einem kleinen Wirbelwind als Tochter war sie immer gut beschäftigt gewesen.

Zärtlich streichelte sie mir über die Wange. »Es wird dir gefallen«, sagte sie und legte einen Arm um meine Schultern.

Ich lehnte mich an meine Mutter und schloss die Augen. Der Moment war schön und ich genoss ihn.

»Wenn ich deinen nächsten Geburtstag plane, werde ich dir nicht ein Wort verraten! Das verspreche ich dir«, flüsterte ich und fühlte, wie mein Bewusstsein wegdriftete.

»Tu das, mein Schatz«, hörte ich sie sagen und spürte ihre Hand auf meinem Haar.


Es war spät, als ich aufwachte. Der Fernseher lief noch, irgendein Kriminalfall wurde besprochen und die Ermittler tappten mal wieder im Dunkeln. Ich streckte die Beine aus, die ich gemütlich an den Körper gezogen hatte, und setzte mich auf. Ich nahm die Fernbedienung und schaltete den Fernseher aus.

Sofort herrschte Dunkelheit in unserem kleinen Wohnzimmer. Von der anderen Seite des Sofas drangen gleichmäßige Atemgeräusche an mein Ohr. Auch meine Mutter war offenbar eingeschlafen. Wie so oft, wenn der Fernseher lief und wir endlich zur Ruhe kamen. Dann wurden die Lider so schwer, dass das Sofa mit einem Mal wie das bequemste Bett wirkte. Apropos Bett, um noch ein paar Stunden ausgiebig zu schlafen, musste ich umziehen.

Ich rutschte ein Stück in Richtung meiner Mutter und legte ihr eine Hand auf die Schulter. »Mama, du solltest auch ins Bett gehen«, sagte ich ruhig.

»Hmmm.« Sie rollte sich von dem Rücken auf die Seite.

Ich lächelte sanft, als ich sie betrachtete. Wie friedlich sie schlief. Ich würde sie nicht wecken. Stattdessen nahm ich eine Decke und breitete sie über ihr aus. Vielleicht würde sie später erwachen und in ihr Schlafzimmer gehen. Oder aber sie schlief die ganze Nacht hier auf dem Sofa. Es wäre nicht das erste Mal.

»Gute Nacht, Mami«, flüsterte ich und ging auf leisen Sohlen in mein Zimmer. Ich zog noch die Vorhänge zu und schlüpfte aus meinen Sachen.

Als ich die Hose auf den Boden fallen ließ, erklang ein dumpfes, metallisches Geräusch. Erst als ich nach der Ursache tastete, erinnerte ich mich an die silberne Münze. Für einen kurzen Augenblick betrachtete ich sie, doch war ich zu müde, um weiter darüber nachzudenken. Ich ließ sie deshalb wieder in die Hosentasche zurückgleiten und schlüpfte ins Bett.

Meine letzten Gedanken, kurz bevor ich wieder einschlief, gehörten dennoch dieser mysteriösen Münze. Warum hatte dieser Mann sie mir gegeben?