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Frank Beyer

Ashads Weg





BookRix GmbH & Co. KG
81371 München

Prolog

Das helle Licht der morgendlichen Sonne spiegelte sich in den Rüstungen zahlreicher Ordenskrieger. Aufgereiht verharrten sie vor dem großen Tempel und warteten angespannt auf das, was vor ihnen lag. Einer von ihnen schlug seine Axt in das Tempeltor. Holz splitterte, während sich die Öffnung langsam vergrößerte. Endlich gab das Tor nach. Wie auf ein Zeichen hin drangen die bewaffneten Kämpfer johlend in das Innere vor, erschlugen jeden, der sich ihnen in den Weg stellte, metzelten Bewaffnete wie Unbewaffnete nieder.

»Der Tod ist da! Flieht! Rennt um euer Leben!«, tönte es durch den Vorraum. Schwerter spalteten Schädel und schlitzten Bäuche auf – die wenigen Verteidiger waren hoffnungslos unterlegen.

Panisch drängten sich die Gläubigen zusammen, in der Hoffnung, Gnade zu finden. Das Gegenteil war der Fall, die "Schwerter der Götter" zeigten sich unbarmherzig.

Ihre lachenden Schreie ließen die Nacht erzittern.

»Sucht sie, jagt sie! Lasst keinen entkommen! Für uns gibt es nur den Sieg! Tod allen Ketzern!«, brüllte der Anführer der Paladine. Ein Tempelwächter sank vor ihm auf die Knie und bettelte verzweifelt um Gnade. Im nächsten Moment rollte sein abgeschlagener Kopf über den Boden, während sein Körper darnieder sank. Den todbringenden Hieb hatte er nicht einmal kommen sehen. Weitere Paladine strömten in den Tempel. Sie erschlugen jeden, den sie finden konnten. Todesschreie hallten durch die Gangfluchten, deren Boden getränkt war mit dem Blut der Gefallenen.

Eine dunkelhaarige, schlanke Frau in der hellen Robe einer Priesterin stand am Rand des Saals. Tränen gruben Spuren in ihr staubiges Gesicht, während sie das Geschehen fassungslos beobachtete. Hinter ihr erklang die vertraute Stimme des Hohepriesters.

»Davaya! Endlich bist du zurück. Ich war in Sorge. Schnell, folge mir!«

Er zog sie in einen Seitengang, der zu einem Lichthof führte. Dorthin hatten sich einige Frauen mit kleinen Kindern schutzsuchend zurückgezogen und kauerten zitternd am Boden.

»Uddin! Was passiert hier?«

Der Blick des kahlköpfigen, alten Mannes verhieß nichts Gutes. »Bei Ashad! Hast du getan, was ich dir aufgetragen habe?«

»Ja, Herr!« Die Stimme der Priesterin bebte kaum merklich.

»Ich nehme an, das ist kein Traubensaft auf deiner Robe? Was ist geschehen? Sprich die Wahrheit!«

Davaya entdeckte die Blutflecke auf ihrer Kleidung und schluckte schwer. Inständig hoffte sie, mit ihrer Notlüge durchzukommen. »Nein, das ist…es stammt von meiner Tochter. Ich war nicht willens, sie von Fremden töten zu lassen, sondern gewährte ihr einen schnellen Tod.«

»Ashad wird es dir danken«, entgegnete Uddin. »Ungleich wichtiger ist, ob du den Segen über dem Auserwählten ausgesprochen hast, damit Harkin ihn fortbringen kann. Sag es mir!«

Davaya senkte zögernd den Blick. Zuvor hatte sie den Leibdiener des Hohepriesters erstochen und seine Leiche in dem geheimen Fluchttunnel versteckt. »Ich habe abgewartet, bis die zwei verschwunden waren. Danach habe ich den Tunnel zum Einsturz gebracht, wie du angeordnet hast.« Uddin hob ihr Kinn mit spitzen Fingern. Sein stechender Blick ließ sie erschaudern. »Sprichst du wirklich die Wahrheit? Du weißt, nur durch den Segen ist er gefeit vor Ashads Weg.«

Vor ihrem geistigen Auge sah sie, wie der stumme Sklave Tiben ihr mit dem schlafenden Bündel auf dem Arm zum Abschied gewinkt hatte. »Alle Ausgänge nach draußen sind blockiert. Niemand kann ihnen folgen. Sie sind in Sicherheit.«

»Du hast dich als würdige Dienerin Ashads erwiesen«, lobte Uddin. Schwer atmend wandte er sich den Gläubigen zu, die ängstlich beieinandersaßen. Manche wimmerten, andere vertieften sich in Gebete. »Tische, Stühle, stellt alles vor die Tür, was sich bewegen lässt. Gemeinsam sind wir stärker als sie.«
Umgehend verbarrikadierten die Gläubigen den Eingang. Von draußen erklangen Schreie. Dumpfe Schläge an der Tür versetzten alle in Furcht. Das bemerkte auch Uddin. »Verzagt nicht, meine Brüder und Schwestern! Ashad steht uns bei in der Stunde der Not, die Ungläubigen erfahren ihre Strafe! Betet und euch wird Hilfe zuteil.« Er hob die Arme zum Gebet. Das Klagen der Leute verstummte. Im nächsten Moment verwandelte sich das Pochen an der Tür in ein Hämmern.

»Ashad! Erhöre deine Kinder!«, beendete der Oberpriester für alle deutlich hörbar sein Gebet und blickte zu Davaya. »Die Zeit drängt. Wir haben keine Wahl. Alles ist vorbereitet.«

Sie sah die Verzweiflung in den Augen der Gläubigen, als das Hämmern lauter wurde. Die Angreifer rückten näher. Bei all dem Durcheinander hoffte sie, das Fehlen ihrer kleinen Tochter bliebe unbemerkt. Plötzlich ragte das Blatt einer Axt aus der Tür hervor.

»Haltet den Saal! Wir müssen das Heiligtum schützen«, rief Uddin. Er nickte Davaya zu, ehe er eine bronzebeschlagene Tür aufschloss. Die Priesterin folgte ihm hinein und half, einen schweren Riegel vorzulegen. Skeptisch betrachtete er die Tür. »Lange hält die nicht. Hätten wir nur mehr Zeit gehabt.« Mit schnellen Schritten betrat er dem Gang zu einem Raum. Schweren Herzens folgte Davaya ihm in den Altarraum, dessen Wände mit rotem Marmor ausgekleidet waren. Am Kopfende des Raumes ruhte ein Bildnis von Ashad, gefertigt aus einem schimmernden schwarzen Gestein. Ehrfürchtig betrachtete Davaya die Skulptur in wallenden Gewändern. Je nach Blickwinkel erschien der Kopf weiblich oder männlich. Hinter sich hörte sie, wie der Oberpriester das Tor zum Gang verriegelte.

»Zum Altar!«, befahl er und zog sie mit sich zu dem gewaltigen schwarzen Steinblock. Ein in Leder gebundenes Buch mit einer goldenen Schließe lag darauf. »Für den letzten Ausweg benötige ich deine Hilfe.«

Erschrocken sah sie ihn an. »Das heilige Buch Ashads! Du sprichst von...«

»Ja, uns bleibt keine Wahl. Ich offenbare dir das letzte Mysterium von Ashad. Ihr Fluch kommt über die Ungläubigen, trägt ihre Rache in die Welt. Kein einziger Mensch wird von neuem an ihrer und seiner Macht zweifeln! Ihr Schicksal ist besiegelt, wie es das unsere ist.«

»Kann es tatsächlich ihr Wille sein, dass wir hier alle verrecken?«, flüsterte sie.

»Ashads Weg liegt vor uns! Tritt näher. Für das letzte Ritual benötige ich deine Kraft genauso wie die meine. Gib dich ihr und ihm vollends hin! Keiner wird überleben, um der Nacht zu trotzen.«

Davaya erkannte den Wahnsinn in seinen Augen, doch sie wusste, ihr blieb kein Ausweg. Tapfer trat sie vor. Mit starrem Blick beobachtete sie, wie Uddin eine geschwungene Klinge zückte, während er eine vertraute Formel intonierte. Die ersten Zeilen überhörte sie und vernahm mit Entsetzen das ihr unbekannte Ende des Liedes.

»…es ist der Weg, den Ashad schuf!«

Hinter sich hörte sie das Bersten von Holz. Die Eindringlinge waren nahe. Den Stich in ihren Hals mit dem rituellen Dolch spürte sie kaum. Langsam ging sie in die Knie, Wärme flutete ihren Körper. Sie wusste, dies war ihr Ende. Über ihr stand Uddin mit aufgeschlitzter Kehle, sein Blut tropfte auf den Boden. Aus seinem Mund drang ein grauenerregendes Röcheln. Davaya sah, wie er furchtlos den Paladinen entgegenwankte. Der erste von ihnen hackte Uddin einen Arm ab, der zuckend zu Boden fiel und auf die Eindringlinge zu kroch. Das letzte, was sie hörte, war der Schreckensschrei eines Paladins. Abermals erklang dieses schaurige Stöhnen. Eine wohltuende Schwärze umfing sie. Ihr war bewusst, Ashads Fluch würde den Paladinen keine Ruhe gönnen.

 

Kapitel 1

Ein Hornsignal ertönte und Hunde rannten aufgeregt kläffend umher. Augenblicklich brach Hektik in dem kleinen Dorf aus. Hühner flatterten aufgeregt über den Dorfplatz, Mütter brachten ihre Kinder in Sicherheit. »Schnell! Alle zum Haus! Du auch Vivanna«, rief ein untersetzter Mann mit lichtem Haar. Sein Weib, drei rothaarige Knaben und eine dunkelhaarige junge Frau eilten zu ihrer Hütte. »Was ist passiert?«, fragte Vivanna noch, der Mann drängte sie jedoch nach hinten. »Plünderer!«, erwiderte er nur kurz. »Radka steh uns bei«, flüsterte sie. Sowie derartige Gestalten im Dorf erschienen, hatte es selten Gutes zu bedeuten. Schnell sandte sie ein Stoßgebet zu ihrer Göttin und war froh, in Garwin einen sorgsamen Gatten zu haben.

Bei den anderen Hütten hielten sich gleichfalls Frauen wie Kinder verborgen. Die Männer standen mit Knüppeln oder bedrohlich anmutenden Werkzeugen wie Mistgabeln und Beilen bereit, um den Fremden die Lust am Räubern zu nehmen. Einer der Bauern besaß ein altes Schwert. Rostig, dennoch nicht zu unterschätzen. Garwin hatte sich vor seiner Familie postiert, einen gefährlichen Dreschflegel in der Hand. »Ich kenne euch Gesellen, kommt nur her«, zischte er leise. Im Augenwinkel sah er die dunkelhaarige Frau stehen. »Ich habe euch alle ins Haus geschickt«, herrschte er sie an. »Schnapp dir eine Schaufel und guck wenigstens grimmig, du Transuse.«

Vom Waldrand kamen drei Gestalten. Ihre Stiefel gruben sich in den vom Regen nassen Boden. Ohne Eile bewegten sie sich an den Ziegen und Schafen vorbei auf die Hütten zu. Der vorderste von ihnen lief mit erhobenen Händen. Über seinen Schultern ragte ein Schwertknauf über den kahlgeschorenen Schädel hervor. Eine Augenklappe zierte sein Gesicht.

»Was sind das für Kerle, Onkel?«, fragte die junge Frau neugierig, während sie den rissigen Holzstiel der Schaufel in den Händen wog.

»Das übliche Gesindel! Sie gieren nach Essen und Gold. Bleib dicht hinter mir, Mihna«, knurrte Garwin. Entschlossen umklammerte seinen Flegel. Die Gesichter der anderen Familienväter wirkten angespannt. Alle wussten, was auf dem Spiel stand und waren bereit, loszuschlagen, falls es notwendig war.

Der Anführer der Fremden nickte freundlich. Ein kleiner Mann hinter ihm hielt eine doppelköpfige Axt in den Händen. Der Wind verfing sich an seinem langen Bart, wehte zwei geflochtene Zöpfe zur Seite.

»Verdammt! Sie haben einen Zwerg! Was machen wir?«, erklang eine Stimme vom Nachbarhaus.

»Ruhig bleiben!«, gab Garwin keuchend zurück. »Womöglich sind sie harmlos und ziehen vorbei. Radka sei mit uns!«

Der Dritte der Fremden war ein Mann in langen Roben, der sich auf einen Wanderstab stützte. Aus dem Schatten seiner Kapuze hingen dunkle Locken heraus.

»Trag Frieden! Ist es erlaubt, näherzutreten?«, rief der Mann mit der Augenklappe. Selbstbewusst trat er nach vorne, noch ehe eine Antwort kam.

»Trag Frieden!«, wiederholte Garwin skeptisch den formellen Gruß und machte einen Schritt vorwärts. Seine Augen waren zu Schlitzen verengt. Drohend hielt er den Dreschflegel mit beiden Händen vor seiner Brust. »Was habt ihr hier verloren?« Den drei Fremden standen sie mit 17 Köpfen gegenüber, weshalb er sich gute Chancen für den Fall eines Kampfes ausrechnete.

»Mein Name ist Valgrind. Ich führe diesen kleinen Haufen hier an. Wir sind auf der Durchreise und suchen eine trockene Unterkunft für die Nacht.«

»Und verdammt, ein bisschen zu essen wäre angebracht. Er hier hat einen Beutel mit klingenden Münzen«, fügte der in der Robe hinzu und deutete auf den Mann mit der Augenklappe.

»Seid ihr auf Beute aus? Bei uns ist nichts zu holen. Wir wissen uns zu wehren.« Um seine Worte zu untermauern, schwenkte er seinen Dreschflegel.

»Keine Sorge, wir kommen von weit her und ziehen morgen weiter«, erklärte der Einäugige. »Dürfen wir bleiben?«

Garwin suchte den Blickkontakt zu den anderen Vätern. Ihnen gefiel der Gedanke nicht, bewaffnete Fremde zu beherbergen.

»Wieso sollten wir euch trauen?«, fragte Garwin argwöhnisch. »Wir könnten euch auch erschlagen und an die Schweine verfüttern.«

»Weil ich euren Angstschweiß rieche«, bekannte der Anführer der Fremden seelenruhig schmunzelnd. »Für mich wirkt ihr keineswegs wie Kämpfer. Glaubt mir, wir haben keinerlei Feindseligkeiten im Sinn. Der verdammte Krieg währt bereits viel zu lange. Wir sind den Gestank von Blut und Tod überdrüssig.«

Zögerlich senkte Garwin seinen Dreschflegel. »Nun gut. Radka möge uns beistehen! Ihr könnt in der Scheune schlafen, ich zeige euch wo. Gezahlt wird im Voraus! Mihna, gib deiner Tante Bescheid.«

»Möge euer Feuer niemals erlöschen!«, bedankte sich Valgrind. Garwin nahm die korrekte Grußformel der Gläubigen Radkas wohlwollend zur Kenntnis.

Später hatten die Fremden es sich in der Scheune bequem gemacht. Interessiert beobachtete Garwin, wie sie sich aus ihren Rüstungen schälten und ihre Stiefel ablegten. Fleckige Unterkleidung sowie mehrfach geflickte Socken kamen zum Vorschein. An der Wand lehnten die Axt und das gewaltige Langschwert, daneben lagen zwei verbeulte Helme.

»Wo zieht ihr hin? Euresgleichen hat bei uns nichts zu suchen«, erkundigte sich Garwin barsch. »Bei Radka, ihr seht mir wie Veteranen aus. Kämpfe gibt es keine mehr in der Gegend«

Der Zwerg grummelte unverständliche Worte in seinen Bart, die den Mann in der Robe auflachen ließen. »Hört! Hört!«

»Wüsste nicht, was es dich angeht«, meinte der Einäugige finster lächelnd, »aber du hast gut geraten. Fürwahr sind wir Söldner. Ich für meinen Fall bevorzuge es, uns als Schatzsucher zu bezeichnen. Meister Irvin hier«, dabei deutet er auf den Mann in der Robe, »hat viel in alten Schriften gelesen. Der kennt sich aus. Dummerweise lässt er ständig den Besserwisser raushängen.«

»Aus gutem Grund«, betonte der Angesprochene und verzog das Gesicht. »Hier im Westen ist eine Stadt der Vernichtung entgangen. Die suchen wir.«

»Eine Stadt?«, fragte Garwin erstaunt. »Nicht hier bei uns. Im Umkreis von mehreren Tagesreisen gibt es kein größeres Dorf. Ihr wisst schon, der Krieg.«

Erneut redete der Zwerg und Garwin verstand kein Wort.

»Recht hat er, unser kurzbeiniger Freund«, versicherte Valgrind. »Die Schätze seines Volkes sind gut versteckt. Danach suchen wir nämlich obendrein.«

»Und nach einem Heilmittel gegen das Altern«, ergänzte Irvin und spielte mit seinen dunklen Locken. »Damit verdienen wir einen elenden Haufen Gold, sage ich euch.«

Irritiert sah Garwin zu den feixenden Fremden. Zu spät verstand er, sie hatten sich über ihn lustig gemacht. Lachend schlug sich der Zwerg vergnügt auf die Schenkel. Nachdem er sich beruhigt hatte, erhob er sich und nestelte an seiner Hose herum. Langsam ging er auf das Scheunentor zu. Plötzlich machte er unvermittelt einen Hechtsprung zwischen die Heuballen. Im nächsten Moment tauchte er wieder auf mit einer dunkelhaarigen jungen Frau im Schlepptau. »Lass mich los, du tust mir weh!«

»Haste Freundschaft geschlossen, Xorbin? Wen haben wir denn da?«, spottete der Einäugige.

»Mihna!«, entfuhr es Garwin erschrocken. »Hast du heimlich gelauscht? Warum bist du nicht in der Hütte geblieben?«

Sie sah verschämt zu Boden. Feixend lockerte der Zwerg seinen Griff und gab ihr einen Schubs, woraufhin Mihna bäuchlings vor der Wand mit den Waffen zu liegen kam. Sie erschauderte, als sie rotbraune Flecken an den schartigen Waffen entdeckte.

»Weder richtig hübsch noch hässlich. Ich habe es lieber, wenn die Weiber das eine oder andere Pfund mehr auf den Rippen haben. Deine Tochter, nehme ich an?«, hakte Irvin nach.

»In der Art«, druckste Garwin herum. »Wir haben sie als Waise aufgenommen. Das arme Kind ist wirr im Kopf und oft nicht ganz bei sich. Ist zu nichts zu gebrauchen, andererseits ist auf den Feldern jede helfende Hand willkommen.«

»Habt ihr im Krieg gekämpft?«, fragte sie unvermittelt.

»Sind wir neugierig, häh? Gefällt mir.« Im Schein der Fackel wirkten die Narben auf dem Schädel des Einäugigen als würden sie sich bewegen.

»Ich? Nein, ähem, also«, stotterte sie und wich einen Schritt zurück, »Fremde sind bei uns selten. Woher kommt ihr? Wohin führt euch der Weg? Bringt ihr Kunde aus dem Osten?«

»Neuigkeiten aus dem Osten? Aus welchem Grund interessiert dich das?«, mischte sich der Mann mit den dunklen Locken ein. Mihna fiel auf, wie ebenmäßig seine Gesichtszüge und wie gepflegt sein Äußeres war. Geradezu ungewöhnlich für einen Mann.

»Was geht es dich an, von wo wir kommen? Los, erheitere uns.«

»Weil ich gerne alles über das Land im Osten erfahren möchte«, bekannte Mihna schüchtern. »Mein Bruder ist in den Krieg gezogen. Es heißt, er sei in den östlichen Baronien unterwegs. Eines Tages gehe ich dorthin und finde die Paladine. Ich will die großen Städte sehen.«

»Du meinst das, was davon übrig ist«, brummte Valgrind. »Durch den Bürgerkrieg ist das Land verheert. Diese vermaledeite Seuche ist überall. Wir waren dort, haben in etlichen Schlachten gekämpft. Dem Kriegsgott Lachlann gehuldigt und Kadifas Reich gefüllt, wie manch einer behaupten mag. Tote gab es im Überfluss. All das Elend, den Krieg, die Zerstörung haben wir leid. Glaub mir, das ist keine Gegend für ein junges Ding wie dich.«

Mihna erschauderte bei den Namen der Totengöttin. »Das kann nicht sein. Es geht um meinen Bruder Alwin. Er braucht meine Hilfe!«

»Deine was?«, erkundigte Valgrind in einer Mischung aus Erstaunen und Belustigung. »Was glaubst du, dort auszurichten? Wenn dein Bruder in den östlichen Baronien war, ist das doch Jahre her! Der Krieg ist lange vorüber. Falls er was ausgefressen hat, ist er unweigerlich schon lange Wurmfraß. Deine Paladine gehören der Vergangenheit an. Von denen gab es lange nichts zu sehen. Ich bezweifle, dass es die noch gibt.«

»Nein, nein«, beteuerte Mihna im Brustton der Überzeugung. »Ich weiß es, Alwin lebt. Er ist in den Krieg gegangen und gilt als vermisst. Ich schwöre euch bei Radka, er lebt noch!«

»Klar, er wartet auf dich«, spottete Irvin. Er kicherte in sich hinein, als er sah, wie sie zaghaft nickte. »Einem beschissenem Traum hängst du nach. Mehr nicht.«

Traurig ließ Mihna den Kopf hängen. »Ihr wart also im Osten? Wie ist es dort?«

»Anfangs in Udaria im Norden, später in Yekavar«, zählte Irvin auf. »Das war vor dem Bürgerkrieg. Die östlichen Baronien sind arg gebeutelt, fürwahr kein Vergleich mit euch im Westen. Einzig die verkackte Seuche hat ihnen schwer zu schaffen gemacht.«

»Sie war überall, nicht wahr?«, fragte sie betrübt. »Wohin zieht ihr?«

»Lass gut sein«, ging Garwin dazwischen. »Du hast unsere Besucher zu Genüge gelöchert.«

»Passt schon«, brummte Irvin. »Die Kleine ist eine hübsche Ablenkung. Gleichwohl sie verdammt neugierig ist. Warum sollten wir ihr unser Ziel nennen?«

»Weil wir kein Geheimnis daraus machen. Die Kleine darf ruhig wissen, was wir vorhaben«, fuhr sein Anführer ihn an. »Wir suchen unser Glück im Westen. Dort gibt es Beute für Kerle wie uns.«

Garwin winkte ab. »Weit kommt ihr nicht. Hinter den Hügeln und Wäldern beginnt der Todesstreifen. Glaubt mir, das ist kein guter Ort.«

Der Einäugige grinste breit in die Runde, der Zwerg ließ ein Glucksen erklingen. »Mich schreckt so schnell nichts. Ganz Asmana östlich von hier ist noch im Elend, die Baronien sind verwüstet. Glaub mir, ich habe viel gesehen und in vielen Schlachten gekämpft.« Für einen kurzen Moment fuhr er sich mit der Hand an seine Augenklappe. Eine vernarbte, rote Augenhöhle lugte hervor. »Vermutlich zu vielen. Aber ich weiß, was ich tue. Wir gehen in den Todesstreifen. Da gibt es eine Menge zu holen, für den, der Mut zeigt.« Er klopfe Irvin auf den Rücken. »Auch darüber hat unser Lockenkopf und Bücherwurm eine Menge gelesen.«

»Tut, was ihr nicht lassen könnt«, gab Garwin zurück. »Ich habe euch gewarnt. Dort ist ein böses Land, selbst wenn wir lange nichts mehr von dort gehört haben. Seht mein Mündel hier, unsere Mihna. Als kleines Kind ist sie von dort geflüchtet. Hat ihre Eltern verloren, das arme Ding. Nur mit Glück ist sie weggekommen. Wer weiß, was sich in der Gegend herumtreibt. Die Leute munkeln von üblen Machenschaften. Es ist ein Land ohne Wiederkehr.«

Valgrind und der Zwerg tauschten vielsagende Blicke aus.

»In alter Zeit gab es dort allerhand große Siedlungen. Die Menschen waren reich, stinkreich möchte ich meinen. Wer weiß, wie es dort heute aussieht!«, mischte sich Irvin in das Gespräch ein. »Mittlerweile sind Jahre verstrichen und solange keiner nachschaut, kursieren allerlei verschissene Gerüchte. Wo bleibt die Lust auf Abenteuer?«

»Mit derlei Firlefanz können wir hier nichts anfangen«, antwortete Garwin. »Meine Familie muss satt werden. An dem Todesstreifen haben wir kein Interesse. So ist es doch, Mihna. Mihna? Hörst du mich?« Er sah zu der jungen Frau, die mit glasigem Blick die Scheunenwand anstarrte.

 

Ohne eine Möglichkeit der Gegenwehr durchlief sie einen Wachtraum. Wie viele Male sie ihn in den letzten Jahren erlebt hatte, wusste sie nicht. Sie sah aus den Augen eines Anderen, ohne Kontrolle über den Körper. Gehüllt in eine schimmernde Rüstung hielt sie ein Schwert aus kaltem Stahl in den Händen. Zusammen mit anderen Kriegern kämpfte sie gegen einen erschreckenden Gegner. Männer, Frauen, sogar Kinder stellten sich ihr in den Weg. Mit ihrem Schwert erschlug sie einen nach dem anderen. Sie ignorierte die Todesschreie und die Ströme von Blut, die sich über den Boden ergossen. Hinter ihr erklang ein Ruf. »Paladine! Tötet die Ungläubigen! Lasst keinen entkommen!«

Die Paladine gruben sich mit ihren stählernen Waffen durch die Menschenmenge. Bald wateten sie über Leichen. Der Gestank nach Blut und Tod war allgegenwärtig.

Eine Frau ging vor Mihna um Gnade flehend auf die Knie. In ihrer Verzweiflung klammerte sie sich heulend an Mihnas Beine. Ein Paladin kam von der Seite und schlug der Frau den Kopf ab. Ihr Schädel kullerte zu einem Wasserbecken. Mihna trat an das Becken. Als sie das Visier ihres Helmes öffnete, erkannte sie im Wasser das Antlitz von Alwin. Ein junger Mann in Rüstung und Umhang trat auf sie zu. Als Mihna ihn ansah, fing er an zu lächeln. »Folge mir!« Er verschwand im Inneren des Tempels. Auf seinem Umhang entdeckte sie ein ihr nicht vertrautes Symbol von vier miteinander verschlungenen Schlangen, die eine Burg umgaben.

Anschließend geschah das Seltsame. Wie auf ein geheimes Zeichen hin erhoben sich alle Erschlagenen, rissen die Paladine zu Boden. Die gerüsteten Krieger waren vollkommen überrascht, ihre entsetzten Todesschreie schallten durch die Nacht.

Schweißgebadet und schwer atmend hielt Mihna sich an der Scheunenwand fest. Ihr Herz pochte unruhig. Vor ihren Augen verblassten die schrecklichen Bilder. Unzählige Male hatte sie diesen Wachtraum bereits durchlebt, daran gewöhnen konnte sie sich nicht. Sie war sich sicher, dies war ein Lebenszeichen ihres Bruders. Was immer er mit den Paladinen zu schaffen hatte, sie wollte es herauszufinden.

 

Wie aus weiter Ferne hörte Mihna Rufe. Verwirrt sah sie auf. Der Gedanke an ihren Bruder hatte sie in all den Jahren beschäftigt. »Ja, Garwin, was gibt es?«, fragte sie sichtlich verwirrt.

Mit sorgenvoller Miene sah ihr Onkel sie an. »Sind es die bösen Träume?«

Sie nickte unsicher. »Ja. Die Gedanken, mein Kopf, mir war ganz bang. Erst wie ein Flüstern, dann immer lauter. Ich war wieder ein Paladin. Wir...«

Unwirsch unterbrach er sie mitten im Satz. »Geh und sieh nach, wie weit deine Tante Vivanna mit dem Essen ist. Ich führe derweil ein Männergespräch.«

Widerwillig verließ kehrte die junge Frau zum Haus zurück. Sie beeilte sich, um nichts von den Geschichten zu verpassen, die die Fremden zweifelsohne zu erzählen hatten. Ihre Tante Vivanna rührte noch in einem Kessel und hieß sie zu warten. Ungeduldig sah Mihna zur Tür hinaus. »Was mag das für ein Männergespräch sein?«, ging es ihr durch den Kopf. Endlich war der Eintopf fertig. Mihna hatte schwer zu tragen, zumal sie sich mühte, nichts zu verschütten. An der Scheune angekommen, lauschte sie aufmerksam für einen Moment.

»Folglich ist es abgemacht?«, hörte sie den Anführer der Fremden fragen. Ihr Onkel antwortete kurz »Ja, das ist es.« Zugleich hörte sie das Klimpern von Münzen. Als sie die Tür zur Scheune aufschob, sahen die Männer sie erwartungsfroh an. Garwin saß zufrieden lächelnd in einer Ecke. »Verteil die Suppe. Nachher unterhalten wir uns«, verkündete er. »Ich habe Neuigkeiten für dich.«

Kapitel 2

Als Onkel Garwin seinem Mündel erzählte, was es mit den Neuigkeiten auf sich hatte, war Mihna aus allen Wolken gefallen. Fortan sollte sie mit den Fremden ziehen. Sie sah sich entweder als Sklavin oder im schlimmsten Fall als Dirne für die drei Fremden.

»Die zeigen dir die Welt und bilden dich aus. So eine Gelegenheit bekommst du kein zweites Mal, also nutze sie. Wir hingegen haben ein Maul weniger zu stopfen. Du hast ohnehin nie hierher gepasst«, hatte er ihr erklärt. »Ich habe einen guten Handel getroffen.« Das Funkeln in seinen Augen hatte sich in ihr Gedächtnis gebrannt. Sie war sich sicher, ihm war es einzig um das Geld gegangen, mit dem dieser einäugige Mann ihn gelockt haben musste. Nur wenig Zeit war ihr geblieben, um zu packen und sich von ihren Vettern sowie ihrer Tante zu verabschieden, die ihr ein wenig Wegzehrung zugesteckt hatte. Ihren Onkel hingegen hatte sie keines Blickes gewürdigt, zumal Valgrind zum Aufbruch gedrängt hatte.

Wohin der einäugige Anführer der Fremden sie führte, war ihr unklar. Soweit sie sich entsinnen konnte, lag jenseits des Waldes eine weite Hügellandschaft. Jahre zuvor war sie auf diesem Weg halb verhungert aufgegriffen worden. Ihre Erinnerung war seit geraumer Zeit verblasst. Was sie bei diesen Söldnern lernen sollte, blieb ihr schleierhaft. Entsprechend trübsinnig hing sie ihren Gedanken nach und schleppte sich mühsam voran.

»Zerbrich dir nicht dein hübsches Köpfchen, Küken«, riet Irvin mürrisch und klopfte ihr auf den Rücken. »Wir beißen dich nicht. Obwohl, bei unserem bärtigen Freund … sobald er Hunger hat, ist er schwer zu bremsen. Stimmt es, Herr Zwerg?«

Eingeschüchtert entfuhr Mihna ein »Radka bewahre mich!« Ängstlich sah sie zu dem Zwerg. Immerhin überragte sie ihn ein Stück weit, dafür war er mehr als doppelt so breit. Mit seinen muskulösen Armen umklammerte er eine Axt, fletschte die Zähne und knurrte, gefolgt von einem Lächeln. Zumindest war das ihre Vermutung, genau war es aufgrund der vielen Barthaare nicht zu erkennen. Schüchtern nickte sie. Ein paar Schritte später blieb sie wie angewurzelt stehen.

»Warum halten wir an? Schwächelst du?«, riss Valgrind sie aus ihren Gedanken.

»Nein«, antwortete sie seufzend. »Doch, ich bin hundemüde.«

»Ist das alles?«, fragte er und spuckte aus. »Die Sonne steht hoch am Himmel. Wir verlieren Zeit, wenn wir jetzt schon eine Rast einlegen. Uns steht noch ein langer Weg bevor, also gewöhn dich daran.«

»Mit diesem Weibsbild haben wir uns nichts als Ballast ans Bein gebunden«, beschwerte sich Irvin. »Die taugt nicht mal als Lastträger.«

»Halt dein vorlautes Maul!«, donnerte ihn sein Anführer an. »Andernfalls trägst du sie für die nächsten Stunden.«

Beleidigt entfernte sich Irvin ein Stück und gab vor, sich erleichtern zu müssen.

»Irgendwas bedrückt dich«, bemerkte Valgrind. »Das sehe ich dir an. Deshalb sag mir, was dich bedrückt oder schweig.«

»Es ist, weil…«, druckste die junge Frau herum und senkte den Blick. »Ich verstehe nicht, was ihr von mir wollt. Bei Radka! Habt ihr vor, mich zu entehren? Sagt es mir lieber gleich! Wieso habt ihr mich gekauft?«

»Dich gekauft?« Lauthals fing der Einäugige an zu lachen. »Wärst lieber bei deinem Ziehvater geblieben, häh?«

Er verzog das Gesicht zu einer Fratze. »Offenkundig hat er nicht mit dir gesprochen. Das obliegt also mir.« Räuspernd kratzte er sich an der Nase. »Du verdienst die Wahrheit. Lieber spät als nie.«

In dem Moment tauchte Irvin wieder auf und musterte sie verächtlich. »Dich entehren? Was denkst du von uns? Wir sind redliche Leute. Dein Onkel kennt dich verschissen noch mal besser als du denkst. Der Vorschlag stammt von ihm.«

»Wie?«, fragte Mihna verwirrt. »Was für ein Vorschlag?« Der nächste Satz von Irvin ging im Lachen der anderen unter.

»Glaubst du allen Ernstes, wir nehmen jemand wie dich ohne Bezahlung mit?«, spottete Valgrind. »Er schlug uns vor, dich mitzunehmen. Als ob wir ein halbes Kind gebrauchen könnten. Na ja, als er uns ein paar Silberlinge geboten hat, war die Sache klar.«

Die junge Frau sah ihn verblüfft an. »Du meinst, er hat euch bezahlt?«

»Aus welchem Grund sollte ich lügen?«, gab der Einäugige zu Bedenken. »Glaubst du etwa, du gefällst mir?«

»Sei ehrlich, Küken, du bist doch froh, deinem unweigerlichen Schicksal entkommen zu sein«, mischte Irvin sich ein. »Was waren deine Pläne? Deiner Göttin für Haus und Heim huldigen, irgendeinen Bauerntölpel ehelichen? Seine verkackte Brut austragen? Ist es das? Eine feine Zukunft hattest du vor dir!«

Mihna hatte einen Kloß im Hals. »Nein. Es ist anders, ich habe…«

»Nimm den Kerl nicht für voll. Der bildet sich was ein, weil er Magie gelernt hat, wie er immer behauptet«, warnte der Söldnerführer. »Lachhaft! Zurück zu dir. Hast du Angst?«

»Nein, niemals«, log sie tapfer. »Radka und die anderen Götter stehen mir bei. Warum fragst du?«

»Nur ein Narr kennt keine Angst. Uns steht eine weite Reise bevor. Mögen die Götter wissen, was vor uns liegt.« Er deutete auf seinen Schwertknauf. »Siehst du das hier? Mit dieser feinen Klinge habe ich etliche Männer getötet, die mir ans Leder wollten. Seit der Bürgerkrieg herrscht, ist ein jeder auf sich selbst angewiesen. Ich will meinen, du hast es mit uns gut getroffen. Wir machen eine brauchbare Söldnerin aus dir. Das ist es, was ich mit dir vorhabe. Entweder du lernst es oder du verreckst und dein Körper verrottet irgendwo am Wegesrand. Klar?«

Ehe Mihna antworten konnte, knurrte der Zwerg irgendetwas Unverständliches.

»Meister Zwerg hat recht«, ergänzte Valgrind. »Wie konnte ich das vergessen? Dir steht ein halber Anteil Beute zu. Manch Schatzsucher hat sich einen goldenen Arsch verdient. Wie gefällt dir die Aussicht?«

Mit großen Augen blickte die junge Frau auf. »Anteil? Du meinst, ihr bezahlt mich?«

Keiner der anderen konnte sich ein Grinsen verkneifen. »Kann vorkommen«, räumte der Söldnerführer ein. »Falls wir Beute machen, versteht sich. Keine Beute, kein Anteil. So läuft das bei uns.«

»Unser Einauge hat ein verdammt gutes Händchen für Beute. Darauf kannst du einen lassen«, meinte Irvin.

Unsicher studierte Mihna die Gesichter ihrer Begleiter. Sie wusste, es gab kein Zurück.

»Genug geplaudert«, unterbrach ihn Valgrind. »Auf geht’s, ich möchte bis Sonnenuntergang den Wald verlassen haben. Unsere Vorräte reichen nicht ewig. Irvin, erklär ihr das Notwendige. Du hörst dich doch gerne reden.«

Während sie weiterwanderten, erfuhr Mihna, was die anderen von ihr erwarteten. Auf seine rüpelhafte Art klärte Irvin sie über wichtige Dinge auf. »Eine Verständigung über Zeichen ist lautlos. Das entscheidet in manch Situation über Leben und Tod. Also achte auf dich, bevor dir irgendwer den Arsch aufreißt. Nebenbei bemerkt, hatte ich erwähnt, die arkanen Wege studiert zu haben?«

»Was bedeutet das?«, erkundigte sie sich schüchtern.

»Was bedeutet das«, äffte er sie nach. »Du hast verdammtes Glück! Du befindest dich in der Gegenwart eines Zauberers. Frohlocke und sonne dich in meiner Gegenwart. Über lange Jahre beschritt ich den Pfad der Magie. Zugleich habe ich viel über die Welt gelernt.«

Er plauderte eine Weile über die Vorzüge, ein Magier zu sein und erzählte danach über ihre anderen beiden neuen Gefährten.

»Unser Leitwolf hat in mehr Schlachten gefochten als er Finger hat. Er lebt noch, im Gegensatz zu manch anderem«, verdeutlichte der Zauberer. »Als der Krieg begann, ist irgendwas vorgefallen. Er redet nicht gerne darüber. Jedenfalls hatte er eine eigene Truppe zusammengestellt. Ich war der erste, der bei ihm angeheuert hat. Einen arkanen Künstler bei sich zu haben ist wie eine Garantie fürs Überleben. Das galt für den gesamten Haufen. Wir waren eine klasse Truppe.«

Mihna wunderte sich, vermied es aber, nachzufragen. Der Zauberer setzte seine Erzählung fort und schilderte, wie sie eines Tages auf eine Rotte Goblins gestoßen waren. Bisher war sie noch keinem dieser brutalen Kreaturen begegnet. Aus Erzählungen wusste sie, sie waren weit mehr als eine Geschichte, um kleine Kinder zu erschrecken. Mitten in der Wildnis waren die Söldner auf den Zwerg gestoßen, als er von einer Rotte Goblins um ein Haar den Bart gestutzt bekommen hatte. Sie befreiten ihn aus der misslichen Lage. Aus Dankbarkeit hatte er sich ihnen angeschlossen. Wie sich herausstellte, war er der letzte Überlebende seiner Sippe. Selbst wenn sie sich nie sicher waren, was in dem Kopf des stämmigen kleinen Kämpfers vor sich ging.

Unterwegs erwiesen sich ihre Begleiter als wortkarg, von den ständigen Flüchen von Irvin abgesehen. Abends lagerten sie im Nirgendwo. Die Männer vertrieben sich die Zeit mit Kartenspielen. Mihnas Anwesenheit schien ihnen egal zu sein und sie war zu schüchtern, um Fragen zu stellen. Einsam summte sie eine Melodie vor sich, woraufhin der Magier sie missmutig ansah. »Was ist das, Küken?«

Bei den paar Sätzen, die sie miteinander gewechselt haben, hatte er sie stets so genannt. Er schien Freude daran zu haben, wie unlieb ihr dieser Spitzname war. »Irgendein Lied«, antwortete sie zögerlich. »Ich habe es von meiner Mutter, glaube ich. Dazu gehört ein hübscher Reim. Magst du ihn hören?«

»Ich verzichte«, brummte er und widmete sich erneut den Karten. Traurig ließ Mihna den Kopf hängen.

»Sag ihn mir auf«, bat der Einäugige gutmütig. »Ein schönes Lied erwärmt einem das Herz.«
Freudig strahlte die junge Frau ihn an. »Das Lied geht so: Ich bin niemals allein, mein Herz ist rein. Sie werden immer bei mir sein.«

»Ist das alles?«, fragte er verwundert. »Die Melodie ist schön, doch finde ich es recht kurz.«

»Ob es weitergeht, weiß ich nicht«, gestand sie schwermütig ein. »Ich glaube, meine Mutter hat es mir beigebracht, damals, als ich…«

»Hah! Gewonnen!«, rief Valgrind und sammelte die Karten ein. »Eure Einsätze, meine Herren!« Während er die Karten neu mischte, beobachtete er, wie sie sich in eine Decke gewickelt niederlegte.

 

Während der kommenden Tage setzte der Magier seine mit derben Flüchen untermalte Einweisung fort. Mihna wusste nicht, wie sie sich all die Dinge merken sollte, geschweige denn, warum er ihr dermaßen viel erzählte. Mitten in seinem Monolog legte der Zauberer den Zeigefinger auf die Lippen. Verwundert sah Mihna sich um. Vor ihr lag lichter Wald, dahinter war eine freie Ebene zu erkennen. Der Zwerg deutete mit zwei Fingern auf seine Augen, danach in die Ferne. Valgrind reagiert sofort. »Ich habe sie auch gesehen«, flüsterte er. »Hier habe ich noch nicht mit ihnen gerechnet.« Er drückte der jungen Frau ein schartiges Schwert in die Hand. »Hier, damit du dich wehren kannst. Nun ist es an der Zeit, dieser Bande die wahre Liebe vorzustellen.«

Niemals zuvor hatte sie eine derartige Waffe in den Händen gehalten, dennoch griff sie zu und ließ den Arm sogleich sinken. Zu schwer war die Klinge. »Bande? Wieso Liebe?«, wunderte sich Mihna, ließ jedoch zu, dass der Söldnerführer sie hinter einen Baumstamm schob. Behutsam strich er über sein Schwert. »Meine Klinge hier nenne ich Liebe. Sie hat mich noch nie enttäuscht.«

Verblüfft sah die junge Frau ihn an. »Ein wunderlicher Name. Was erwartest du von mir?«

»Bleib wo du bist«, waren seine letzten Worte, bevor er den anderen hinterhereilte. Unsicher stand Mihna hinter dem Baum. Das Schwert vermochte sie kaum zu heben. Notgedrungen ließ sie es fallen und lunzte neugierig hinter dem Baum hervor. In einiger Entfernung erblickte sie ein paar zerlumpte Gestalten, die herumlungerten. Sie schienen nach etwas zu suchen schienen. Sobald sie die Angreifer auf sich zu rennen sahen, schrien sie auf, zückten Knüppel oder Speere. Valgrind schwang sein Langschwert und köpfte die erste der Gestalten noch im Laufen. Ihr Schädel kullerte noch ein paar Schritte, während der restliche Körper zu Boden sackte. Sogleich war der Zwerg heran. Er wirbelte mit seiner Axt, Blut spritzte. Zwei der Gestalten brachen stöhnend zusammen. Zu Mihnas Erstaunen schoss im nächsten Moment Feuer von der erhobenen Hand des Magiers auf einen Gegner zu und hüllte ihn ein. Schwarzer Qualm stieg zum Himmel, der Wind trug die Schmerzensschreie der Kreatur zu Mihna hinüber. Es roch nach verbranntem Fleisch. Sie sah, wie der letzte Gegner zu fliehen versuchte. Valgrind griff nach einem fallen gelassenen Speer und schleuderte ihn dem Fliehenden in den Rücken. Die Kreatur brach vorwärts stolpernd zusammen. Mit einem Satz war der Söldnerführer heran und spaltete ihr gekonnt den Schädel. Fluchend rieb er sich sein schmerzendes Knie. »Verdammt! Das ging noch mal gut. Eine dieser Mistkröten hat mich mit seiner Keule erwischt.«

»Das kannst du laut sagen«, meinte Irvin. »Uns fehlt ein Bogenschütze wie …«

»Halt dein Maul!«, herrschte Valgrind ihn an. »Uns fehlt keiner, wir vermissen niemanden.« Sein Blick fiel auf Mihna, die zögernd an Waldrand stand. Als er sie heranwinkte, schleifte sie das Schwert hinter sich her und kam näher.

»Was waren das für Wesen?« Sie erkannte ausgemergelte Gestalten in der Größe von Kindern. Ihre Haut war aschgrau und trug bunte Bemalung. Es stank geradezu nach Tod. Angewidert verzog Mihna das Gesicht. Sie hatte säuerlichen Geschmack im Mund, im nächsten Augenblick überkam sie der Brechreiz. Hinter sich hörte sie Valgrind lachen. »Goblins nennt man diese Aasfresser, die gibt es überall und nirgends, Machen nichts als Ärger«, war seine knappe Antwort.

Nachdem sie sich gefangen hatte, siegte ihre Neugier. »Wieso Ärger? Was war das mit dem Feuer?«

»Du warst Zeuge einer magischen Manifestation meinerseits«, schilderte der Zauberer frohlockend. »Da staunst du, was? Ich hatte bereits erwähnt, die Wege der arkanen Mächte studiert zu haben. Was du gesehen hast, war eine Auswirkung dieser Macht. Ach ja, Ärger machen diese zerlumpten Gesellen eine ganze Menge. Lässt du einen laufen, hast du schnell noch mehr an der Backe. Ihre Gefahr liegt in der Menge.« Er begann routiniert die Leichen zu durchsuchen und fand einen Ring. »Sieh an! Den braucht er nicht mehr. Mir kommt er gerade recht. Für einen Becher Wein und ein gebratenes Hühnchen reicht es.«

»Ihr plündert die Toten aus?«, fragte Mihna entsetzt. Erneut bekam sei einen säuerlichen Geschmack im Mund.

»Klar, alle machen das. Dem Toten ist er nutzlos. Wir tauschen ihn irgendwo gegen Essbares ein. Das ist der Kreislauf des Lebens.«

Mihna schauderte es. »Diese Welt erscheint mir ein schlimmer Ort zu sein.«

Valgrind spuckt aus. »Pah. Du weißt nichts.« Er säuberte seine Klinge an der Kleidung der Toten. »Liebe braucht Pflege, damit sie ein Leben lang hält.« Mit geschultem Blick begutachtete er die Leichen und den Lagerplatz. »Bei dir heißt es weit ausholen. Wie du hoffentlich weißt, gab es lange Jahre Krieg.«

»Ja, leider«, klagte sie. »Mein Bruder ging hin.«

»Wie viele andere«, setzte er seine Erklärung fort. »Machen freiwillig, andere gezwungen. Nach dem Krieg kam die Seuche. Sie hat ebenso viele Tote gebracht wie der Krieg.«

»Was ist das mit der Seuche?«

»Die Seuche hat Menschen verändert, hat sie wirr im Kopf gemacht«, beschrieb Irvin. »War eine götterverdammte Zeit!«

Mihna schluckte unwillkürlich. »Woher kam sie?«

»Das ist unklar.« Mürrisch drehte der Söldnerführer eine der Leichen um. »Nichts zu finden. Verdammt!« Er griff nach der Keule, wog sie in der Hand und warf sie achtlos beiseite. »Rückkehrer aus dem langen Krieg brachten die Seuche in die Dörfer. Sie war bald überall.«

Mihna rümpfte angesichts der Leichen die Nase. »Langer Krieg? Wie lange?«

»Erschreckend, wie wenig du weißt. Na ja, wahrscheinlich warst du zu klein dafür, noch zu jung. Es war der lange Krieg der Könige. Gute Zeiten für Söldner, schlechte Zeiten für Menschen.«

»Wieso schlecht?«

»Zu viele Tote. Der Krieg gegen das Königreich westlich von hier dauerte eine Ewigkeit.« Valgrind spuckte im hohen Bogen aus. »Sie rüsteten für eine große Schlacht. Allerdings waren sich die Heere nahezu ebenbürtig. Fast alle fanden in der Schlacht den Tod, Seuchen erledigten den Rest.«

Mihna dachte ängstlich an ihren Bruder. »Schrecklich. Was geschah dann?«

»Wie ich erwähnte, die Überlebenden haben die Seuche eingeschleppt«, betonte Valgrind. »Ganze Landstriche waren entvölkert. Es gab weder König noch Fürsten, geschweige denn regulären Soldaten, die für Ordnung sorgen konnten. Zum Glück gab es noch Söldner wie uns. Sieh einer an, ein Dolch. Rostig, aber noch zu gebrauchen.«

»Wie meinst du das mit Söldnern wie euch?«

Der Zwerg brabbelte glucksend einige unverständliche Worte.

»Gut gesagt«, meinte Irvin. »Wir dienen dem, der es sich leisten kann, uns zu bezahlen. Das macht uns Söldner aus. Die Schwierigkeiten machten es nicht leichter, selbst für einen Magier mit meinen Fertigkeiten.«

»Passt schon«, unterbrach ihn sein Anführer und humpelte zwischen die Leichen. »Es gilt das Recht des Stärkeren. Gold ist gut, Nahrung und Waffen sind wichtiger. Wusste ich es doch. Die Kerle hatten Vorräte.« Skeptisch roch er an dem Fleischklumpen. »Hmm, riecht ein bisschen wie Ratte. Schmeckt besser als man meint.«

»Was hat das alles mit diesen Goblins zu tun?«, wechselte sie schnell das Thema.

»Diese verkackte Bande lebt überall und ist zu nichts zu gebrauchen. Außer zum Töten«, fluchte Irvin. »Sie kommen angeblich aus den Bergen. Hat sich bewährt, sie zu erschlagen, sonst richten sie Unheil an.«

Unvermittelt drückte Valgrind Mihna den Dolch in die Hand. »Hier, bis wir was Passendes finden. Ich möchte dich nicht schutzlos wissen, wäre schade. Später zeige ich dir, wie man richtig damit umgeht. Kommt, wir brechen auf.«

Mit großen Augen nahm sie die Waffe entgegen. Sie lag schwer in ihrer Hand, das Leder am Griff war rau. Im Gegensatz den scharfen Messern, die sie für gewöhnlich zum Ausweiden von Hühnern nutzte, war der Dolch deutlich länger und robuster. Zwar war er schartig, gleichwohl deutlich leichter als das Schwert. »Wohin gehen wir eigentlich?«

»Habe ich doch gesagt, in den Todesstreifen«, war Valgrinds Kommentar.

»Wieso seid ihr überzeugt davon, dort Beute zu finden?«

»Du willst es genau wissen, was? Gefällt mir.« Der Söldnerführer lächelte grimmig. »Wissen wir nicht. Im Osten war außer Tod und Verderben nichts zu holen. Darum versuchen wir es im Westen. Mir schwebt vor, die Kriegskasse eines der Heere zu finden. Auf jeden Fall Beute, geplünderten Krempel, verlassene Dörfer, Ruinen von Städten. Irgendwo ist garantiert Gold zu finden. Oder Silber, Hauptsache, es glänzt.«

Zustimmend grunzte der Zwerg vor sich hin und lachte. Unsicher lächelte Mihna mit. Während sie den anderen hinterher trottete, dachte sie über die Erzählungen vom Krieg nach. Gegen Abend schlugen sie ein Lager für die Nacht auf. Valgrind versprach, am frühen Morgen jagen zu gehen. »Sofern mein Knie mitspielt, gibt es hier gute Aussichten sich mit Wildbret den Wanst vollzuschlagen, meint ihr nicht?«

»Keine Eulen mehr, die schmecken widerwärtig«, meckerte der Zauberer. »Ein feiner Rehbraten wäre genehm. Dazu gedämpftes Wurzelgemüse, eine Handvoll schmackhafte Kräuter und ein guter Wein.«

Xorbin lachte in sich hinein und hob zustimmend die rechte Faust. Mit der anderen Hand rieb er sich den Wanst.

»Du frisst, was ich fange. Deine ewige Jammerei kotzt mich an. Nicht jeder von uns ist eine verdammte Memme«, schimpfte Valgrind. »Richtet euch für die Nacht ein. Ich übernehme die erste Wache.«

»Darf ich mir dein Knie ansehen?«, fragte Mihna schüchtern.

»Häh?«

»Du bist verletzt, eventuell kann ich dir helfen. Zu Hause habe ich viel von Tante Vivanna gelernt.«

»Auch wie schmerzhaft der Keulenhieb eines Goblins ist?«

»Ähnlich wie der Huftritt eines Ochsen?«, erwiderte die junge Frau unsicher. »Darf ich? Deinem Knie wird Kühlung guttun. Ein nasser Umschlag wirkt Wunder. Leg es hoch.« Sie krempelte sein Hosenbein hoch, wischte mit der Hand über seine muskulöse Wade und legte sie auf einen Holzstamm. Widerstandslos ließ er sie gewähren und verspürte eine gewisse Linderung. »Könnte mich dran gewöhnen. Bist doch zu was Nütze«, bedankte er sich.

Sie schenkte ihm ein Lächeln und half dabei, das Lagerfeuer anzufachen. Als es brannte, merkte Mihna, wie müde sie von langen Laufen war. Valgrind half ihr mit einer Decke aus und zeigte ihr, wie sie es sich an einem Baumstamm halbwegs bequem machten konnte. Schnell war sie eingeschlafen. In den letzten Nächten war sie zu müde zum Träumen gewesen, diesmal konnte sie ihnen nicht entrinnen.

Sie war ein Kind und irgendwo tobte der Krieg. Ihr großer Bruder Alwin folgte zusammen mit zwei jungen Männern aus dem Dorf dem Ruf zu den Waffen. Viele Wochen blieben die Nachrichten aus. Eines Abends tauchte ein verdreckter und vor allen Dingen verschüchterter Mann auf. Unter Tränen berichtete er, es hätte furchtbare Kämpfe gegeben. Das Grauen sei über sie alle gekommen. Kurz darauf war der Fremde bewusstlos zusammengebrochen. Die Männer des Dorfes hatten sich zur Beratung zurückgezogen.

Zusammen mit einer dunkelhaarigen Frau blieb die kleine Mihna bei ihm. Wer die Frau war, wusste sie nicht, vermutete jedoch, es handelte sich um ihre Mutter. Aus irgendeinem Grund fehlte ihr jedwede Erinnerung.

Als sie dem Fremden den Dreck abwuschen, erwachte er. Die Frau verschwand, um frische Verbände zu holen. Unvermittelt zog der Fremde das Mädchen dicht zu sich heran. Seine Stimme war merkwürdig rau und heiser. Angestrengt stammelte er ein paar Worte. »Bist du…Schwester von Alwin?«

Erschrocken nickte sie stumm und sah den Fremden Lächeln. »Ich bin Walgrad. Habe…eine Botschaft für dich. Es geht ihm gut. Er ist…zusammen mit zwei Kameraden losgezogen. Eine wichtige Sache … erledigen.«

Wie gebannt hörte das kleine Mädchen ihm zu, versuchte sich jedes Wort zu merken. Sowie der Fremde seine Erzählung beendet hatte, fing er an zu röcheln. Seltsame Zuckungen liefen durch seinen Körper. Er stöhnte auf und fiel kraftlos in sich zusammen. Im nächsten Moment lag er still, seine blau geschwollene Zunge hing ihm aus dem Hals. Instinktiv wusste das kleine Mädchen, er war bei den Göttern. Als die Frau zurückkehrte, richtete sich der Fremde zähnefletschend auf und griff nach ihr. Mihna rannte schreiend nach draußen.

Herkunft der Seuche

Diese Aufzeichnungen dienen dem Sammeln der wenigen Tatsachen, welche über die Unbill bekannt ist, welche für gemeinhin als »Seuche« bezeichnet wird.

Erste Berichte über das Auftreten erreichten unser Kloster im dritten Monat des Sommers des 11. Jahres der Herrschaft seiner königlichen Majestät, Cunrad des Prächtigen. Die Angaben erwiesen sich als widersprüchlich. Auffällig ist die große Anzahl an betroffenen Soldaten, die im Krieg gegen das Königreich Tarkoha ihren Dienst am Vaterland verübten. Falls man Berichten Glauben schenken kann, ist die Seuche in einem der zahlreichen Heerlager ausgebrochen. Dem gegenüber steht die Aussage aus Teilen der westlichen Baronien, die ebenso den Ausbruch der Seuche meldeten. Der Verdacht besteht, Heimkehrer und Fahnenflüchtige hätten die Seuche verbreitet.

Manch ein Heimkehrer erzählte, die Seuche sei aufgetreten, nachdem der Feind mit Hilfe von Katapulten Leichen in unser Heer geschleudert hatte. Derlei Meldungen blieben unbestätigt von Seiten des Offizierskorps. Ungewiss ist, welche Orte von der Seuche verschont blieben.

(Auszug aus der Chronik der Siechen Brüder)