Copyright© 2020 Urs Weth

  1. Auflage

Leicht überarbeitete und erweiterte Ausgabe der Sondernummer von

«Wirkstatt Schaufenster» mit dem Titel: «Einblicke in die Kunsttherapie»

 

Herausgeber: Wirkstatt-Verlag, Basel Autor: Urs Weth

Umschlaggestaltung: Wirkstatt-Design Illustrationen: Johanna Schneider ISBN: 978-3-9524677-5-6

Verlag: Wirkstatt-Verlag, Basel Druck in Deutschland

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Urs Weth

 

KUNST ALS THERAPIE

 

Gedanken zu einer spirituellen Kunsttherapie | Ein Résumé nach 25 Jahren

 

INHALT

 

 

 

KUNST ALS THERAPIE      3

INHALT      4

VORWORT      5

EINLEITUNG      7

GRUNDGEDANKEN      11

HEILUNGSFRAGE      16

ERKENNTNISFRAGE      21

HALTUNGSFRAGE      25

WISSENSFRAGE      29

THERAPIEFRAGE37 KUNSTFRAGE      62

BILDUNGSFRAGE      67

ZU GESUNDHEITSFRAGEN 79 VOM SINN DER BIOGRAFIE 92

 

VORWORT

In dieser kleinen Schrift gibt Urs Weth nach 25- jähri- ger Tätigkeit als Kunsttherapeut Einblicke in die Kunst- therapie. Er richtet sein Augenmerk auf die Heilungs- und Erkenntnisfrage, auf die Haltungs - und Wissensfrage, gibt Auskunft über Fragen zur Therapie und nimmt Stellung zur Kunst- und Bildungsfrage. Abschließend macht sich Urs Weth Gedanken über Fragen zur «Gesundheit», wie sie im heutigen Kontext aufgefasst wird.

Solche Selbst- Erfahrung, wie sie in diesen Aufsät- zen dargestellt werden, bedeutet den Schlüssel für jeden Kunsttherapeuten, der notwendig ist, um zum wirksamen

Handeln zu gelangen. Der Schritt zur Selbstwahrnehmung und Selbsterkenntnis ist in der therapeutischen Arbeit unerlässlich und ist Voraussetzung, um den anderen zu erkennen; da das Einfühlen in einen anderen Menschen immer nur über das eigene «Selbst» oder «Ich» gehen kann.

 

Diese Schrift richtet sich an alle Interessierten der Kunsttherapie, sowie an werdende Kunsttherapeuten und Kunsttherapeutinnen. Dabei versteht sich der Bericht we- der als Angabe von Methoden oder Ratschlägen, noch als Angebot von Lösungen, die einfach als Lerninhalt über- nommen werden - denn es gibt keine allgemeinen «Fälle», sondern immer nur individuelle Menschen.

Folglich kann es nicht ausreichen, sich lediglich auf fer- tige Konzepte zu verlassen, sondern es wird zunehmend notwendig sein, nach einem eigenen «intuitiven Weg» zu suchen.

 

Urs Weth beschreitet diesen Weg, der ihm eine neue Sichtweise des Menschen eröffnet. Es werden auf diese Weise Möglichkeiten offenbart, die ihm vorher - trotz oder gerade wegen allem Wissen - verborgen geblieben waren.

Kein Buch kann die Erkenntnis aus «reinem Herzen» ersetzen. Zu Vorstellungen und Wissen müssen Achtsam- keit und eigene Erfahrungen kommen. Die Kunst aber ist hier das Mittel, denn sie ist die Sprache, die den Menschen unmittelbar anspricht, weil sie lebendig in seine Seelentie- fen eindringen kann.

 

Johanna Schneider

 

EINLEITUNG

Die Methode meiner kunsttherapeutischen Tätigkeit richtet sich nach den Leitgedanken der Anthroposophie Rudolf Steiners. Ich bezeichne sie deshalb als eine anth- roposophische Kunsttherapie, weil sie sich an einer «Frei- heitswissenschaft» orientiert, deren zentrales Anliegen

es ist, die individuelle Menschenseele mit dem geistigen Weltganzen, also deren Herkunft, (rück-) zu verbinden.

 

In diesem Sinne ist es auch ein «religiöses» Anliegen, denn genau genommen heißt Religion, eine «Rückver- bindung» (re = wieder; ligere = binden) zu einem höheren Selbst im Menschen. Jede therapeutische Handlung ist eine heilige Aufgabe, denn aus dieser Kraft erwächst Hei- lung. Es liegt allerdings nicht am rein Inhaltlichen, wie der Zugang zu diesen Gedanken aufzufassen ist. Vielmehr ist es der Versuch, zu einem «neuen Wissen» hinzugelangen, welches sich nicht primär nach dem Lerninhalt richtet, sondern die selbsterlebte Erfahrung, ja gewissermaßen das Leben selbst, zum Erkenntnisorgan macht - und so letzt- lich heilsam ist!

 

Primäre Intention einer so verstandenen Kunsttherapie, ist also die Anerkennung einer höheren geistigen Instanz im Menschen, die man als «Ich» oder auch anders be- zeichnen kann. Deren Ausdrucksform prägt jede Individu- alität in der ihr gemäßen Art im physischen Erdendasein aus. Eine umfassende Methode muss aus meiner persön- lichen Sichtweise ihr Augenmerk voll und ganz und aufs konsequenteste nach der (freien) Individualität ausrichten.

 

Dabei ist der Zustand der «Freiheit» kein zum Vornherein gegebener, wie sich leicht nachvollziehen lässt. Vielmehr ist damit eine Zielrichtung intendiert, auf dem Weg dahin. Jede Maßnahme, die darauf ausgerichtet ist, Menschen zu

«heilen», muss deshalb auf das Ziel hin fokussiert sein, an dieses wahre Wesen (den eigentlichen Heiler in jedem Menschen) heranzuführen. Dabei wird die Freiheit miss- verständlich interpretiert, wenn sie zu einem «tun und lassen können, was jeder will» hinausläuft!

 

All diese Dinge, die sich als Ausdruck in den Handlun- gen, im Denken und im Fühlen zeigen, sind nichts anderes als Manifestationen einer zentralen Kraft, möge man sie als «Ich», «Selbst», «göttlicher Kern» oder anders bezeich- nen. Das daraus hervorgehende Menschenbild verwechselt dabei keineswegs die Individualität (Unteilbarkeit) mit dem egoistisch geprägten Persönlichkeitsmuster des Ty- pus-Charakters (der vielfältig ausgeprägt erscheint).

Trotz dieser Vielfältigkeit, lässt sich etwas erkennen, was durch diese subjektiv gefärbte Persönlichkeit hin- durch tönt (per sonare) - und sich lediglich im Besonderen seinen individuellen Ausdruck verschafft.

Um dieses dahinter liegende Zentrum muss es primär gehen. Sekundär, aber dennoch wichtig, erscheint - als Phänomen im Lichte einer Persönlichkeit - die besondere Prägung.

 

Folgende Gedanken Rudolf Steiners mögen zum besseren Verständnis dessen beitragen, was mir in den vergangenen 25 Jahren wichtig geworden ist: «Die Geis- teswissenschaften sind im eminenten Sinne daher Frei- heitswissenschaften. Die Idee der Freiheit muss ihr Mit-

 

telpunkt, die sie beherrschende Idee sein. Deshalb stehen Schillers ästhetische Briefe so hoch, weil sie das Wesen der Schönheit in der Idee der Freiheit finden wollen, weil die Freiheit das Prinzip ist, das sie durchdringt...

 

Man ersieht aus alledem, dass man eine wahrhafte Psy- chologie nur gewinnen kann, wenn man auf die Beschaf- fenheit des Geistes als eines Tätigen eingeht. Man hat in unserer Zeit an die Stelle dieser Methode eine andere set- zen wollen, welche die Erscheinungen, in denen sich der Geist darlebt, nicht diesen selbst, zum Gegenstande der Psychologie macht. Man glaubt die einzelnen Äußerungen desselben ebenso in einen äußerlichen Zusammenhang bringen zu können, wie das bei den unorganischen Natur- tatsachen geschieht. So will man eine «Seelenlehre ohne Seele» begründen. Aus unseren Betrachtungen ergibt sich, dass man bei dieser Methode gerade das aus dem Auge verliert, worauf es ankommt. Man sollte den Geist von seinen Äußerungen loslösen und auf ihn als den Produzen- ten derselben zurückgehen. Man beschränkt sich auf die ersteren und vergisst den letzteren…

 

Die einheitliche Seele ist uns ebenso erfahrungsgemäß gegeben wie ihre einzelnen Handlungen. Jedermann ist sich dessen bewusst, dass sein Denken, Fühlen und Wollen von seinem «Ich» ausgeht. Jede Tätigkeit unserer Persön- lichkeit ist mit diesem Zentrum unseres Wesens verbun- den…

Was sonst Intuition ist, wird hier (in der Psychologie) eben Selbstbetrachtung. Das ist bei der höchsten Form des Daseins sachlich auch notwendig. Das, was der Geist aus den Erscheinungen herauslesen kann, ist die höchs-

 

te Form des Inhaltes, den er überhaupt gewinnen kann. Reflektiert er dann auf sich selbst, so muss er sich als die unmittelbare Manifestation dieser höchsten Form, als den Träger derselben erkennen. Was der Geist als Ein- heit in der vielgestaltigen Wirklichkeit findet, das muss er in seiner Einzelheit als unmittelbares Dasein finden. Was er der Besonderheit als Allgemeines gegenüberstellt, das muss er seinem Individuum als dessen Wesen selbst zu- erkennen»

 

(Rudolf Steiner: »Grundlinien einer Erkenntnistheorie der goetheschen Weltanschauung« S. 121 ff.)

 

GRUNDGEDANKEN

 

Allgemeine Gedanken und Persönliches

 

Als junger, unerfahrener Therapeut, hatte ich mir nach der Ausbildung ein breites Arsenal von Werkzeugen, Methoden und Wissen angeeignet, welche nun auf ihren Einsatz warteten.

 

Ich hatte Modul um Modul abgespult und mir Grund- kenntnisse in vielen verschiedenen Bereichen erworben.

Ich hatte zudem viele Erfahrungen in der Begegnung mit Menschen gesammelt, die dazu beigetragen haben, das Gelernte in entsprechender Weise um- und einzusetzen.

Das gab zunächst ein gutes Gefühl, gerüstet zu sein.

 

Doch das war trügerisch.

Denn wird man endgültig in die praktische Tätigkeit entlassen, steht man, trotz alledem, vor vielen neuen Rät- seln. Man steht einzigartigen und unvergleichlichen Men- schen, Individuen gegenüber, die sich im Laufe der Jahre ein Stück weit in ihrem So-sein, wie sie waren, gefestigt und etabliert, vermutlich auch darin verbissen und verfan- gen haben. Oder man steht der rätselhaften Prägung, dem noch unausgereiften Charakter eines Kindes gegenüber, welches mit seinem großen Potenzial von Möglichkeiten, Wege zu seinem wahren Selbst, wenn auch unbewusst, sucht. Dieses Unterfangen wird durch viele Unpässlichkei- ten und Erschwernisse im Laufe des Lebens verbaut und verdrängt und entrückt immer mehr dem freien Blick.

 

Das Fehlende kompensieren

 

Ich selbst versuchte am Anfang stets, das Fehlende mit neuem Wissen zu kompensieren. Ich las unter anderem viele Bücher, die mir die Lösung des Rätsels «Mensch» zu enthüllen versprachen. Dies geschah in Bereichen vieler unterschiedlicher spiritueller und psychologischer Richtungen, durchaus auch außerhalb anthroposophischer Literatur.

 

Ich suchte das Eine in der Vielfalt, nur dass mir das Eine dadurch mehr und mehr entschwand. Auf dieser Suche stieß ich immer wieder auf neue und interessante Zusammenhänge, fand neue, revidierte Ideen und Konzep- te und entwarf daraus eine Art «Verlaufsblatt» des the- rapeutischen Prozesses. Ich übertrug so das neu erlernte akribisch in den therapeutischen Kontext.

Es sollte zu meinem «Wundermittel» werden, zum Zaubertrank, der mir verhelfen sollte, diese Vielfalt ir- gendwie unter einen Hut zu bringen. Es war mir in dieser Phase wichtig und hilfreich, so klar und bewusst wie möglich an den Therapieauftrag, der lange Zeit gleichwohl in seiner umfassendsten Weise und seinem wahren Kern schwammig blieb, heranzugehen.

Ich schrieb fleißig und diszipliniert meine Rapporte von jeder Stunde und dokumentierte den Verlauf gewissenhaft. Auf dem Erfahrungsstand dieses ganzen Lernprozesses, schrieb ich nach über 10 Jahren Tätigkeit das erste Buch:

«Lebendige Prozesse».1 Darin wurden das Umfeld und die so entstandenen Einsichten ehrlich und authentisch doku- mentiert und verarbeitet. Auch wenn in dieser Schrift der

Erschienen 2004 im Wirkstatt-Verlag, Urs Weth, ISBN: 978-3-9522879-0-3

 

wirkliche Durchbruch zum Essenziellen noch nicht gelun- gen ist, so wurde er durch die gewissenhafte und ringende Auseinandersetzung mit den Prozessen doch etwas klarer und breiter. Es fand sich eine umfassendere Sichtweise schon im Ansatz darin.

 

Das Rätsel «Mensch»

 

Trotzdem stieß ich wieder und wieder auf viele neue (Menschen-) Rätsel. Die «Fälle» (sprich Menschen), deren Diagnose ich zu kennen glaubte, verhielten sich nie genau so, wie es aufgrund einer Indikation zu erwarten war. Ich lernte aus Fehlschlägen heraus das Mysterium des Indi- viduums nach und nach immer besser kennen. Die Folge war, dass ich mich weniger auf die kreierten Verlaufs- blätter verließ und für mich einen intuitiven Weg suchte, der selbst weniger in das Wahrgenommene hinein inter- pretieren wollte. Dabei durchbrach ich eine Mauer, die mir bisher, trotz (oder gerade wegen) allen Wissens und aller «Erfahrung», unbekannt geblieben war. Es enthüllte sich allmählich ein «neuer Mensch» vor meiner Wahrneh- mung.

 

Die Frage nach «freieren Begegnungen» wurde tief be- rührt und verlangte allmählich nach Konsequenzen! Dabei rückte die Selbsterkenntnis an die erste Stelle der neu auf- tretenden Erfahrungen. Hieraus entstand etwa 7 Jahre spä- ter ein zweites Buch mit dem Titel: «Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz», welches später mit einem neuen Titel als 3. Auflage erschien als: «Selbstbeobachtung als soziale Kernkompetenz».2

Erschienen im Wirkstatt-Verlag, Urs Weth, 3. Auflage 2020, ISBN: 978-3-9524677-7-0