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Impressum

 

 

Nina Bott

Ich bin eine Traumfrau – oder wie heißt das, wenn man immer müde ist?

eISBN: 978-3-95910-293-3

 

Eden Books

Ein Verlag der Edel Germany GmbH

Copyright © 2020 Edel Germany GmbH, Neumühlen 17, 22763 Hamburg

www.edenbooks.de | www.edel.com

1. Auflage 2020

 

Einige der Personen im Text sind aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes anonymisiert.

 

Text: Nina Bott mit Tanja Bertele

Projektkoordination: Julia Gommel-Baharov und Juliane Noßack

Vermittlung durch: Stephan Strauß, 31Media GmbH

Lektorat: Iris Rinser

Covergestaltung: Bianca Domula, affaire populaire

Covermotiv: © Mareike Klindworth

E-Book-Konvertierung: Datagrafix GSP GmbH, Berlin | www.datagrafix.com

 

Alle Rechte vorbehalten. All rights reserved. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

 

INHALT

 

 

Vorwort: Warum alle Mamas Heldinnen sind

Zwischen Krümel-Katastrophen und Stinkewindeln: Ein ganz normaler Tag im Leben einer ganz normalen Mama

Eins plus eins gibt drei: Von der großen Liebe zum großen Kinderglück

Jedes Ende ist ein Anfang: Wie aus unserer Familie eine Patchwork-Familie wurde

Ein Schicksalsschlag auf dem Weg zum Glück: Der letzte Schritt zu unserer Traumfamilie

Warum Familie mir so wichtig ist: Eine kleine Reise in meine Vergangenheit – mit all ihren Höhen und Tiefen

Patchwork ahoi! Einen Haufen Einzelteile hält man am besten wie zusammen? Mit ganz viel Liebe!

Vor der Kamera oder hinterm Wickeltisch? Beides, bitte! Vom waghalsigen Spagat zwischen Kindern und Karriere

Corona lässt grüßen: Wie eine unvorhergesehene Herausforderung uns zeigt, welche Dinge im Leben wirklich zählen

Wenn die Kaffeetassen fliegen und der Teekessel brennt: Haushalt will gelernt sein

Allein zwischen knurrenden Mägen: Wie man dafür sorgt, dass die Küche nicht zum Schlachtfeld mutiert

E wie Erziehung: Welcher Ansatz ist der richtige für mein Kind? Eine Frage, auf die es tausend Antworten gibt

Wer Kinder sagt, muss auch Keime sagen: Von Schniefnasen, Sportunfällen und anderen Unpässlichkeiten

Unterwegs mit Kind und Kegel: Warum Familienurlaub Chaos pur bedeutet – und das Schönste auf der Welt ist

Geteiltes Familienglück ist doppeltes Familienglück? Warum für Eltern in sozialen Netzwerken Vorsicht geboten ist

Kinder – und sonst so? Wie wir im Familientrubel die Balance behalten

Und zum Schluss … geht es weiter

Vorwort

Warum alle Mamas Heldinnen sind

Als ich 2015 mit Luna, meinem zweiten Kind, schwanger war, fing ich an, neben meinen TV-Projekten einen Blog zu schreiben, der sich rund ums Thema Muttersein drehte. Der Name? »Mutterrolle« – was sonst? Was als kleines Herzensprojekt begann, fand in der weiten Welt des Internets schon bald großen Zuspruch. Immer mehr Frauen lasen die Geschichten aus meinem Alltag als Mama, stiegen in die Diskussion ein und freuten sich über die an meinen eigenen Kindern erprobten Tipps und Tricks. Schnell war klar: Da draußen gibt es eine riesige Community an Müttern, die voll und ganz in ihrer Rolle als Mama aufgehen und alles dafür tun würden, um ihrem Nachwuchs eine wunderschöne Kindheit zu bereiten. Klar, welche Mutter möchte das auch nicht? Für uns Mamas steht das Wohl unserer Familie an erster Stelle – wir sind Tag und Nacht für unsere Lieben da und tun alles Menschenmögliche, damit unsere Kinder glücklich sind. Denn Kinderlachen ist das Allerschönste auf der Welt, und wir können gar nicht genug davon bekommen.

Was im Jahr 2020 auf uns zukommen würde, konnte ich damals, als ich meinen Blog startete, noch gar nicht ahnen. Ja, mir war schon immer klar gewesen: Mutter zu sein, ist neben all der Freude, die es bringt, auch immer mit großen Herausforderungen verbunden. Es ist harte Arbeit, die mit dem schönsten Geschenk der Welt belohnt wird: strahlenden Kinderaugen. Aber wo früher auch manchmal die Oma einspringen konnte und die Kinder tagsüber mehrere Stunden in der Schule oder Kita waren, sodass man als Mutter Zeit hatte, zu Hause in Ruhe den Haushalt zu schmeißen, die liegen gebliebene Arbeit abzuackern oder wichtige Einkäufe zu erledigen, war im März 2020 plötzlich alles anders. Innerhalb weniger Wochen bahnte sich das Coronavirus seinen Weg um die Welt und legte unseren Alltag, so wie wir ihn bis dahin geführt hatten, komplett lahm. Auf einmal war da nichts mehr mit Schule oder Kita, und den Großeltern durfte man sowieso auf keinen Fall zu nahe kommen, wenn man sie nicht unnötig gefährden wollte. Hilfe von außen war keine Option mehr, denn jeder Schritt, den wir draußen taten, stellte plötzlich ein Risiko dar, nicht nur für die Gesundheit unserer eigenen Familie, sondern auch für das Wohlergehen unserer Mitmenschen. Alles, was zuvor in der großen, weiten Welt stattgefunden hatte – unser gesamter Alltag als Familie –, spielte sich jetzt in unseren eigenen vier Wänden und der näheren Umgebung ab. Und auch wenn ich mich schon immer als Vollzeit-Mama verstanden hatte, sah diese Aufgabe nun, wo der Begriff »Vollzeit« wirklich ganz und gar wörtlich zu nehmen war und ich mich nicht mehr auf Hilfe von außen verlassen konnte, komplett anders aus. Zeitintensiver. Fordernder. Schwieriger. Eine Situation, die meine gesamte Power und Leidenschaft als Mama erforderte.

Noch nie war ich so intensiv Mutter gewesen wie in den folgenden Wochen. Gefühlt war ich nur noch mit Kochen und Putzen beschäftigt, und alle Zeit, die dazwischen blieb, verbrachte ich damit, die Bedürfnisse meiner Kinder so gut wie möglich zu erfüllen und ihnen zu erklären, warum unser Leben plötzlich so anders aussah. Warum dürfen wir nicht mehr mit Freunden spielen? Wieso trägt Papa eine Maske, wenn er rausgeht? Warum muss ich mir so oft die Hände waschen? All diese Fragen wollten beantwortet werden, und ich tat mein Bestes, um unsere Kinder so sanft wie möglich an unseren neuen Alltag zu gewöhnen, mit ganz viel Aufmerksamkeit und Liebe. Und dann, wenn sie abends im Bett lagen, erledigte ich all die Dinge, für die bis dahin keine Zeit gewesen war. Zum Beispiel die Arbeit. Denn trotz Corona gab es die ja immer noch. Man konnte immerhin nicht einfach so aufhören, Geld zu verdienen. Nachts fiel ich dann erschöpft ins Bett, um nur zwanzig Minuten später wieder aufzustehen und meinen kleinen Sohn zu stillen. Man wiederhole das Ganze ein paarmal, und tada – schon war der nächste Morgen da, und es war an der Zeit, mich voller Power in einen neuen Tag als Mama zu stürzen.

In dieser Zeit wurde mir eines klar: Wir Mamas sind Superheldinnen! Nicht nur jetzt, wo das Coronavirus unsere Welt auf den Kopf gestellt hat, sondern immer. Was Mütter in ihrem Alltag leisten, ist ganz großes Kino. Sie spielen zig Rollen gleichzeitig, sind immer wachsam und stellen die eigenen Bedürfnisse hintenan, um ihren Kindern alle Wünsche von den Augen abzulesen und für sie die beste Mama der Welt zu sein. Wir Mütter bekommen tagaus, tagein so viel geschafft, und als wahre Multitasking-Talente erledigen wir fast alles davon gleichzeitig. Wir kochen, putzen, waschen. Wir versorgen, trösten und erklären. Wir spielen, unterhalten und sammeln verloren gegangene Legosteine vom Boden auf. Wir stillen, singen Gutenachtlieder und verjagen böse Monster aus dem Kinderzimmer – oder die fiese Hexe aus Schneewittchen aus dem Spiegel im Badezimmer. Wir schlafen wenig und sind immer müde. Wir organisieren, improvisieren und stellen uns jedem Hindernis, egal ob es uns an unsere psychischen und physischen Grenzen bringt. Wir schenken Liebe, Lachen und Hoffnung und geben niemals, wirklich niemals auf. Und: Wir tun all das gern und würden es nicht anders wollen. Weil wir mit ganzem Herzen Mama sind.

Nein, Muttersein ist nichts, was man einfach so nebenbei erledigt. Es erfordert Durchhaltevermögen und Hingabe und vor allem ganz viel Liebe. Es ist ein Fulltime-Job, der unbezahlt ist und zu dem oft noch ein »richtiger« Job dazukommt. Denn ja, viele Mamas arbeiten doppelt und sind so ausgelastet, dass ihr Tag eigentlich 48 Stunden statt der üblichen 24 haben müsste, um alle ihre Aufgaben unterzubringen. Aber irgendwie kriegen sie es auch so hin. Weil sie müssen. Weil sie sich dafür entschieden haben. Weil man das als Mama einfach so macht – und zwar gern!

Nachdem ich die Welt des Bloggens für mich entdeckt hatte, war mir schnell klar, dass ich irgendwann mal ein Buch über meine große Leidenschaft, das Mamasein, schreiben will. Doch irgendwie kam ich nie dazu – na klar, als Mutter, die nebenher noch arbeitet, ist man ja auch immer beschäftigt. Nicht dass das jetzt anders wäre. Ich habe immer noch alle Hände voll zu tun, jetzt sogar noch mehr als früher. Aber ich finde, es ist nun einfach an der Zeit. So schlimm die Auswirkungen des Coronavirus auf unser Land und die gesamte Welt waren und immer noch sind, mir persönlich hat diese Krise zumindest noch mal deutlicher gemacht, wo die Prioritäten in meinem Leben liegen. Und meine Rolle als Mutter steht auf dieser Liste ganz oben. Das Allerwichtigste in meinem Leben sind meine Kinder. Ich bin Mutter mit Herz und Seele. Deshalb sage ich: Jetzt erst recht! Es ist Zeit, die Welt daran zu erinnern, was für einen wichtigen Job wir Mütter leisten und warum wir für diese Gesellschaft einfach unentbehrlich sind.

In diesem Buch will ich euch auf eine Reise durch mein Leben als Mama mitnehmen. Ich werde erklären, warum Familie für mich das Wichtigste auf der Welt ist, und meine persönliche Geschichte mit euch teilen. Ich erzähle von meinen Schwangerschaften, den Geburten meiner drei wunderschönen Kinder und den Rückschlägen, denen ich auf dem Weg zu meiner kleinen Traumfamilie begegnet bin. Von Ernährungsfragen über Urlaubskatastrophen bis hin zum Spagat zwischen Arbeit und Familie – ich lasse kein Thema aus, das zum Alltag einer Mama dazugehört, und teile jede Menge persönlicher Anekdoten, in denen sich viele von euch bestimmt wiederfinden werden. Das ist mir besonders wichtig. Denn obwohl es in den folgenden Kapiteln um mich geht, und ich natürlich allein meine Geschichte und meine persönliche Meinung wiedergebe, soll das hier ein Buch für alle Mamas sein. Ja, es stimmt, wir sind als Mütter alle verschieden, aber das Wichtigste haben wir alle gemeinsam: die Liebe zu unseren Kindern. Die folgenden Seiten widme ich daher allen Mamas da draußen, die jeden Tag den wichtigsten Job der Welt machen. Dieses Buch ist eine Ode ans Mamasein – in alltäglichen und nicht so alltäglichen Situationen, in Zeiten, in denen die Sonne scheint, und in Momenten, in denen absolute Krisenstimmung herrscht. Es ist eine Hymne an alle Mütter da draußen, die tagtäglich ihr Bestes geben und die Welt mit ihrer Liebe erfüllen. Dieses Buch ist ganz allein für euch.

In diesem Sinne: Viel Spaß beim Lesen!

Ein Schicksalsschlag auf dem Weg zum Glück

Der letzte Schritt zu unserer Traumfamilie

Mit den Hormonen nach der Geburt ist das ja so: Der ganze Körper wird nach dieser riesigen körperlichen Anstrengung mit so intensiven Glücksgefühlen durchflutet, dass man komplett vergisst, wie schmerzhaft und kräftezehrend so eine Entbindung eigentlich sein kann. Ehrlich! Alles, was die meisten Frauen nach dieser biologischen Meisterleistung spüren, ist diese unendliche Liebe, die sie für das neue kleine Wesen empfinden, das zehn Monate lang in ihnen herangewachsen ist und das sie nun zum ersten Mal in ihren Armen halten dürfen. Der große Rest, der neben diesem unbeschreiblichen Gefühl existiert, wird irgendwie ausgeblendet.

Das hat die menschliche Biologie ganz clever gelöst, wenn ihr mich fragt, denn ganz ehrlich: Welche Frau würde sich denn mehr als ein Kind wünschen, wenn ihnen die Geburt als eine einzige Strapaze im Gedächtnis bleiben würde? Stattdessen liegt man dann so da, völlig erschöpft und fertig, aber weil man diesen kleinen, süßen Säugling ganz dicht an sich gepresst hält, spürt man einfach nur ein alles überstrahlendes Glücksgefühl und denkt sich: Das würde ich immer wieder machen! So war’s zumindest bei mir, und zwar nach jeder einzelnen Geburt. Auch nach Luna. Noch bevor wir überhaupt unsere Sachen gepackt und noch am selben Tag unsere frisch geborene Tochter nach Hause gebracht hatten, meldete sich in meinem Hinterkopf schon ganz leise dieser Gedanke: Och ja, eines wäre ja schon noch schön …

Klar, nicht sofort, denn im Moment waren unsere Prioritäten ganz anders gelagert. Jetzt ging es erst mal darum, unser neues Familienmitglied willkommen zu heißen und uns an unseren neuen Alltag zu viert zu gewöhnen. Für Benni und mich als frischgebackene Eltern hieß das in erster Linie: Windeln wechseln, stillen (das machte natürlich ich, nicht Benni), die kleine Luna in den Schlaf wiegen und ihr auch sonst alle Bedürfnisse von den Augen ablesen, das Chaos im Haushalt in Grenzen halten, nebenher noch etwas Geld verdienen, das Essen und die Körperhygiene nicht vergessen und vor allem sehr, sehr wenig schlafen. Aber das war noch nicht alles, denn wir hatten ja schon ein Kind, und deshalb verbrachten wir auch sehr viel Zeit damit, uns um Lennox zu kümmern. Wir wollten ihm immer ein offenes Ohr schenken und ihn in alle Prozesse, die uns als Familie betrafen, miteinbeziehen, damit er auch ja nicht das Gefühl bekam, dass wir jetzt, wo Luna da war, keine Zeit mehr für ihn hatten. Zum Glück war Lennox gleich von Anfang an ganz hin und weg von seinem kleinen Schwesterchen und stand uns bei allen Herausforderungen, die es zu meistern galt, mit riesiger Einsatzbereitschaft zur Seite – der perfekte große Bruder eben.

Im Nachhinein kann ich sagen, dass uns diese Umgewöhnungsphase ziemlich gut gelang, aber wir hatten durch Flo und die Großeltern der Kinder auch unglaublich viel Unterstützung. Ein Kind zu bekommen, bedeutet schon einen Riesenhaufen Arbeit, zwei sind dann noch mal eine Extraleistung. Ich habe deswegen auch gehörigen Respekt vor allen Eltern, egal wie viele Kinder sie haben, und wenn ich vor jemandem einfach nur den Hut ziehen muss, dann sind das alleinerziehende Mütter und Väter. Es ist absolut beeindruckend, wie viel manche Eltern in ihrem ganz normalen Leben Tag für Tag leisten. Dafür bitte mal eine Runde Applaus!

Dass ich zu Hause auf so viel Unterstützung setzen konnte, ermöglichte es mir auch, nach und nach wieder mit der Arbeit anzufangen. Als Luna zehn Monate alt war, begann ich wieder, regelmäßig zehn Tage im Monat in Köln zu drehen. Sich um einen drei Monate alten Säugling kümmern und gleichzeitig vor der Kamera stehen? Unmöglich, wären Benni und seine Mama nicht immer an meiner Seite gewesen, um sich um die kleine Luna zu kümmern, während ich mit Drehen beschäftigt war. Dafür war ich ihr wirklich unendlich dankbar. In den Pausen gab ich der Kleinen dann die Brust, denn auch sie war genau wie Lennox ein Stillkind, das in ihrem ersten Jahr nur für ganz kurze Zeitintervalle von mir, ihrer Mama und einzigen Nahrungsquelle, getrennt sein konnte. Ganz schön viel, was ich auf einmal erledigen musste, aber ich genoss es aus ganzem Herzen. Die Arbeit beflügelte mich, und jede Sekunde, die ich nicht mit meiner Tochter verbringen konnte, sorgte dafür, dass ich mich später umso mehr auf sie freute. Dieser Spagat zwischen Arbeit und Familie ist nicht für alle Frauen das Richtige, und viele haben auch nicht die nötige Unterstützung, um das überhaupt so durchzuziehen – für mich klappte es zum Glück, und ich ging in meinen Verpflichtungen völlig auf.

Schon sehr bald hatten Benni, Lennox, Luna, Flo, die Großeltern und ich uns also in unserer neuen Routine, die oftmals gar nicht so routiniert war, sondern viel Improvisation erforderte, eingespielt. Wir waren ein super Team und genossen das Abenteuer Patchwork aus vollen Zügen, selbst wenn es manchmal Einfallsreichtum und definitiv eine gehörige Portion Organisationstalent voraussetzte. Und während Luna sich vom Baby zum Kleinkind entwickelte, dachte ich mir immer öfter: Hm, war es das jetzt? Oder sollen wir vielleicht doch noch mal …? Luna war zwar noch keine zwei Jahre alt, aber die Frage war berechtigt, denn ich war mittlerweile 39, und ewig hat man als Frau ja auch nicht Zeit zum Kinderkriegen. Wenn wir es mit einem dritten Kind probieren wollten, dann musste das also bald passieren! Glücklicherweise sah Benni das genauso. Auf meine Idee, es einfach darauf ankommen zu lassen, meinte er nur: »Wir haben das eine Kind geschaukelt, dann schaukeln wir auch zwei.« Damit war die Sache entschieden.

Ob ich überhaupt noch mal schwanger werden würde? Man sagt ja, dass die Fruchtbarkeit bei Frauen mit steigendem Alter deutlich abnimmt. Einen zu großen Kopf machte ich mir darum aber nicht. Wenn es passieren sollte, dann würde es passieren, und wenn nicht, dann eben nicht. Ich vertraute da voll und ganz dem Schicksal.

Und siehe da, schon bald darauf, im April 2017, blieb meine Periode aus. Das ging jetzt aber schnell, dachte ich mir, während ich im Badezimmer den Schwangerschaftstest auspackte, den ich mir schon vor ein paar Tagen vorsorglich gekauft hatte. Genauso wie bei den ersten beiden Schwangerschaften hatte ich auch dieses Mal schon vor dem Ausbleiben der Periode gemerkt, dass etwas anders war. Trotzdem war das Gefühl dieses Mal nicht so ausgeprägt, wie es das sonst immer gewesen war. Ja, ich fühlte mich schwanger – aber irgendwie nur ein bisschen. Das war komisch. Bildete ich mir das Ganze eventuell sogar nur ein? Ich war unsicher. Umso größer war die Freude, als die digitale Anzeige des Schwangerschaftstests ein paar Minuten später tatsächlich anzeigte: schwanger! Wahnsinn! Sofort übermannte mich eine Welle des Glückes. Überschwänglich fiel ich Benni in die Arme, der mit mir im Badezimmer gewartet und genauso gespannt auf den Schwangerschaftstest geglotzt hatte wie ich. Keine Ahnung, wie lange wir uns so hielten, was ich aber noch weiß, ist, dass Benni mir danach sofort anstandslos mein Lieblingsessen zubereitete, während ich auf dem Sofa sitzen und zuschauen durfte. Ja, schwanger sein kann schon klasse sein. Und dieses ganz besondere Schwangerschaftsgefühl, das würde bestimmt noch kommen!

Allerdings entwickelten sich die Dinge dann ganz anders. So richtig schwanger fühlte ich mich auch in den nächsten paar Wochen nicht, und in der siebten Woche bekam ich schließlich leichte Blutungen. Die hatte ich auch in meiner Schwangerschaft mit Luna ab und zu gehabt, deshalb dachte ich mir zunächst nicht viel dabei. Als die Blutungen am nächsten Morgen jedoch stärker wurden, setzte ein ungutes Gefühl bei mir ein. Irgendwas war hier nicht richtig, das sagte mir mein Bauch ganz deutlich.

»Willst du ins Krankenhaus fahren und das checken lassen?«, fragte Benni, während er über meinen Bauch streichelte.

Ich nickte. Da es ein Samstag war und die Arztpraxen zuhatten, war das unsere einzige Möglichkeit. So hatte ich mir dieses Wochenende zwar nicht vorgestellt, aber ich musste unbedingt wissen, ob mit meinem Baby alles in Ordnung war.

Nur wenige Stunden später bestätigten mir die Ärzte, was ich bereits befürchtet hatte: Der Ultraschall hatte Auffälligkeiten gezeigt, es bestand eine hohe Chance, dass sich der Embryo in meinem Bauch nicht weiterentwickeln und ich das Kind verlieren würde.

»Schauen Sie hier, die Fruchtblase sieht eingefallen aus«, erklärte mir der zuständige Gynäkologe anhand des Ultraschallbildes. »Ein Herzschlag ist auch nicht zu erkennen, aber das ist in diesem Stadium noch normal. In den nächsten Tagen wird sich entscheiden, ob das Baby eine Chance hat oder nicht. Wenn ich ehrlich bin, rate ich Ihnen jedoch, sich auf einen Abgang vorzubereiten.«

Ich schluckte. Obwohl ein kleiner Teil von mir sich so etwas schon gedacht hatte, war es noch mal etwas anderes, diese Worte tatsächlich aus dem Mund eines Arztes zu hören. Ich war geschockt, alles an mir fühlte sich irgendwie taub an. Dann also doch kein drittes Kind. Hoffnungen machte ich mir an diesem Punkt nicht mehr. Ich vertraute meinem Bauch, wie immer, und der sagte mir: Das würde nichts werden.

In den nächsten Tagen wurden die Blutungen immer stärker, bis es sich so anfühlte, als ob ich einfach ganz normal meine Periode hätte. Das war es also, dachte ich mir, und wusste nicht, wie ich mich dabei fühlen sollte. Ja, das Herz meines Babys hatte nie zu schlagen begonnen, aber dennoch war das, was hier gerade geschah, ein riesiger Verlust für mich. Ich hatte ein Kind verloren – ein Kind, auf das ich mich aus ganzem Herzen gefreut hatte, für das ich mir einen Namen überlegt hatte, dessen Zukunft ich mir in den buntesten Farben ausgemalt hatte … Und jetzt war es einfach weg.

Einige Tage später war ich auf einem Dreh, der auf einem Bauernhof fünf Stunden von Hamburg entfernt stattfand. Kurz vor Drehbeginn ging ich noch mal auf eines der Dixi-Klos, die für die Crew bereitgestellt worden waren. Hier ereilte mich eine böse Überraschung: Da war auf einmal so viel Blut! Oh Gott. Eigentlich hatte ich angenommen, dass es sich bei den Blutungen der letzten Woche bereits um den Abgang des Embryos gehandelt hatte, aber nun wurde mir mit einem Schlag klar, dass das nur die Vorboten gewesen waren. Das hier war die Fehlgeburt, ganz eindeutig. Mir wurde ein bisschen schwindlig, und ich musste mich setzen. Was sollte ich jetzt machen? In meinem Kopf rasten die Gedanken. Ich fühlte mich völlig hilflos. Auf so einen Moment bereitet einen niemand vor. Da sitzt man dann irgendwo mitten in der Pampa auf einem Dixi-Klo mit den Resten dessen, was eigentlich mal ein Baby hätte werden sollen, und möchte am liebsten nur heulen.

Zum Glück konnte ich ein paar Minuten später, nachdem ich den ersten Schock überwunden hatte, schon etwas klarer denken. Ich griff zu meinem Handy und rief meine Hebamme Sandra an.

»Du, Sandra, da ist auf einmal so viel Blut«, sagte ich mit zitternder Stimme. »Ich glaube, das ist die richtige Fehlgeburt. Was mache ich denn jetzt? Muss ich zum Arzt? Ich bin mitten auf einem Dreh am Arsch der Welt!«

»Erst mal ganz tief durchatmen!«, sagte sie. »Das viele Blut ist völlig normal, mach dir da gar keine Sorgen.« Mit sanfter Stimme erklärte sie mir, dass alles, was hier gerade passiert war, ganz normal war und es reichen würde, wenn ich am Abend, nachdem der Dreh abgeschlossen war, ins Krankenhaus ginge. »Alles wird gut, Nina«, versicherte sie mir. Sofort spürte ich, wie die Anspannung aus meinem Körper wich. Sandras weiche Stimme und ihre liebevolle Art waren Balsam für meine Seele und genau das, was ich in diesem Augenblick brauchte. Deswegen liebe ich sie so sehr, und sie wird für immer die Hebamme meines Vertrauens bleiben.

»Danke, Sandra«, hauchte ich ins Telefon. Mit noch leicht zittrigen Händen legte ich auf. Durch das Gespräch ging es mir schon viel besser. Ich war erst mal beruhigt, und der Schwindel hatte nachgelassen.

Aber was jetzt? Mir war sofort klar, dass ich die Überreste meines Kindes nicht im Klo runterspülen würde. Das kam gar nicht infrage. Für einige Menschen mochte das hier vielleicht nur ein toter Zellhaufen sein, aber für mich war es von dem Moment an, als ich wusste, dass ich schwanger war, mein Baby gewesen. Da war es auch völlig unwichtig, dass sein Herz niemals geschlagen hatte. Ich hatte einen riesigen Verlust erlebt, und um diesen Verlust zu verarbeiten, musste ich irgendwie Abschied nehmen.

In der Drehpause am Mittag stahl ich mich schließlich vom Set und grub auf einem Feld in der Nähe mit bloßen Händen ein kleines Grab, in dem ich die Überreste meines Babys beerdigte. Auf die frisch aufgeschüttete Erde steckte ich ein Blümchen. Das war meine Art, mich zu verabschieden. Es fühlte sich richtig an, und ich bin mir heute sicher, dass mir dieser »offizielle« Abschied dabei half, das Ganze besser zu verarbeiten. Für einige mag das vielleicht dick aufgetragen klingen, aber ich musste mit der Situation meinen Frieden schließen. Ich war davon ausgegangen, in einigen Monaten Mutter zu werden. Das würde nun nicht passieren. Mein Leben hatte sich innerhalb weniger Tage komplett verändert. Das war von außen zwar nicht zu sehen, aber in meinem Inneren spürte ich es ganz deutlich. Der Verlust hatte eine Wunde in meinem Herzen hinterlassen, und die musste nun heilen.

Noch am selben Abend ließ ich mich zurück nach Hamburg fahren, wo ich mich zusammen mit Benni sofort auf den Weg in die Klinik machte. Die Ärzte dort konnten zum Glück Entwarnung geben: So kräftezehrend die Fehlgeburt für mich emotional auch gewesen war, mein Körper hatte die Situation gut gemeistert, und es war kein weiterer Eingriff nötig. Erleichtert fuhren wir nach Hause. Nach diesem Tag wollte ich einfach nur ins Bett.

Auch in den nächsten Wochen kam es mir zugute, dass ich so eine liebevolle Familie hatte. Die Unterstützung, die ich von allen Seiten erfuhr, war einfach umwerfend, und meine kleinen Lieblinge Lennox und Luna zeigten mir jeden Tag aufs Neue, wie schön das Leben war, trotz des Verlustes, den ich gerade erlitten hatte. Ja, die Fehlgeburt war schlimm gewesen, aber wer weiß? Vielleicht hatte es so kommen sollen. Immer wieder erinnerte ich mich daran, dass ich mich zu keinem Zeitpunkt in den letzten paar Wochen so richtig schwanger gefühlt hatte. Das Kribbeln, das Herzklopfen – dieses ganz besondere Gefühl hatte gefehlt. Diese Schwangerschaft hatte sich komplett von den vorigen beiden unterschieden, und ich war mir sicher, dass es dafür einen Grund gegeben hatte. Je mehr Zeit verging, desto sicherer war ich mir: Es sollte einfach nicht sein, so traurig das auch war. Was mir besonders half, war die Tatsache, dass ich bereits zwei wunderschöne Kinder hatte. Wer weiß, wie ich mich gefühlt hätte, wäre das bei meinem ersten Kind passiert? Das wollte ich mir gar nicht ausmalen. Stattdessen beschloss ich, dankbar zu sein – für alles, was ich hatte, und für alles, was noch kommen sollte. Ich würde mich von diesem Schicksalsschlag nicht unterkriegen lassen, sondern positiv in die Zukunft schauen. Denn so vieles war ja noch möglich.

Die Fehlgeburt bedeutete für mich auch nicht, dass Benni und ich es mit dem Kinderkriegen lieber sein lassen sollten. Ganz im Gegenteil. Ich fühlte mich hoffnungsvoll und vertraute mehr denn je zuvor in mein Schicksal. Das hört sich superesoterisch an, das weiß ich, aber ich habe einfach schon immer eine so starke Intuition gehabt, die mir so oft den richtigen Weg gewiesen hat, dass ich im Laufe meines Lebens gelernt habe, meinem Bauchgefühl bedingungslos zu vertrauen. Das tat ich auch dieses Mal wieder. Für Benni und mich hieß das: Das Projekt Baby war noch nicht beendet.

Und tatsächlich fand ich mich fast genau ein Jahr später erneut auf einer Toilette wieder, einen Schwangerschaftstest in der Hand. Es war ein wunderschöner Frühlingstag, der nur dadurch ein wenig getrübt wurde, dass Benni und ich am Morgen einen riesigen Krach gehabt hatten. Das kam selten vor, denn mit mir lässt es sich nur schwer streiten, dafür bin ich als Mensch einfach zu verständnisvoll und harmoniebedürftig. Es war also wirklich was Ernsteres. Benni hatte sogar noch versucht, sich per SMS zu entschuldigen, aber ich hatte ihm die kalte Schulter gezeigt und die Nachricht ignoriert. Ganz schön fies. Ich war also wirklich angefressen, und das schafft so leicht keiner! Tatsächlich weiß ich heute gar nicht mehr, was Benni angestellt hatte, denn die Ereignisse, die sich als Nächstes abspielten, überstrahlten alle negativen Gefühle und Gedanken in meinem Inneren um ein Tausendfaches.

Es war früh am Morgen, und ich war gerade in meinem Hotelzimmer in Köln, als mich dieses seltsame Gefühl packte. In mir drin war es ganz warm, und ich fühlte mich total kribbelig – und dann hatte ich auch noch Megakohldampf. Das konnte doch nur eines bedeuten! Auf meinem Weg zu den RTL-Studios machte ich einen Abstecher in eine Apotheke, um einen Schwangerschaftstest zu kaufen. Jetzt aber schnell ab zum Sender! Da man für Schwangerschaftstests immer den Morgenurin benutzen soll, hatte ich mir den Gang zur Toilette an diesem Morgen nämlich bis jetzt verkniffen – und so langsam wurde es dringend! Im Studio angekommen, huschte ich sofort auf die Toilette. Mit vor Aufregung zitternden Händen riss ich die Packung auf und machte den Test. Und jetzt warten. Noch nie waren mir zwei Minuten so lang vorgekommen. Mein Magen knurrte, weil ich noch nichts zu Mittag gegessen hatte. Aß ich gerade vielleicht schon für zwei und war deswegen so hungrig? Ein paar Sekunden später brachte der Test Gewissheit: zwei Streifen. Schwanger! Wow! Ich heulte fast los vor Freude. Nicht nur wegen des Testes, sondern auch, weil ich es diesmal tatsächlich spüren konnte. In mir drin wuchs wieder ein kleines Wesen heran, und dieses Mal würde alles gut gehen, da war ich mir sicher. Auf meinen Körper war Verlass, und der signalisierte mir: Du bist absolut, hundertprozentig, bis in die Zehenspitzen schwanger!

Sofort zückte ich mein Handy und rief Benni an. Doch gerade jetzt ging er nicht ran. Mist! Meine Wut war wie weggeblasen, ich wollte ihm einfach die frohe Neuigkeit überbringen. Diesmal war es mir auch egal, ob es übers Telefon passierte, ich wollte meine Glücksgefühle einfach nur mit diesem besonderen Menschen teilen, der nun zum zweiten Mal Vater werden würde. In der nächsten halben Stunde rief ich ihn bestimmt zwanzigmal an, aber er war nicht zu erreichen. Bitte geh doch ran, flehte ich innerlich, aber ich musste mich noch etwas gedulden. Erst mal wurde ich nämlich wieder vor der Kamera gebraucht, denn der heutige Dreh war noch lange nicht im Kasten. Als wir ein paar Stunden später fertig waren und ich auf mein Handy schaute, war ich es, die zahllose verpasste Anrufe auf ihrem Display hatte. Sofort rief ich Benni zurück, und dieses Mal nahm er auch gleich ab.

»Was ist denn los? Ist alles okay?«, fragte er etwas ängstlich. Wahrscheinlich hing ihm noch unser Streit in den Knochen, den ich in der Zwischenzeit schon längst vergessen hatte.

»Mehr als okay!«, sagte ich überschwänglich. Da machte es auch bei Benni klick.

»Du bist schwanger!«, rief er. Ich konnte sein Herzklopfen quasi durchs Telefon hören.

»Jaaa!«

Unser Streit – worum es dabei auch immer gegangen sein mag – war damit vom Tisch. Ich fuhr an diesem Abend nach Hause und war einfach nur glücklich, von Benni im Arm gehalten zu werden. Wir würden Eltern werden, und Luna würde endlich das kleine Geschwisterchen bekommen, das wir uns für sie schon im letzten Jahr erhofft hatten.

Mein gutes Bauchgefühl behielt auch dieses Mal recht: In dieser Schwangerschaft verlief alles nach Plan, und schon wenige Wochen später konnte ich auf dem Ultraschallgerät meines Gynäkologen das Herz meines winzigen Babys schlagen sehen. Was für eine Erleichterung! Als mir der Arzt den Stichtag für die Geburt mitteilte, war er etwas baff. Es war dasselbe Datum wie in meiner letzten Schwangerschaft, in der ich das Kind verloren hatte – nur ein Jahr später natürlich. Das bestätigte mich noch mal in meiner Überzeugung, dass es beim letzten Mal einfach nicht hatte sein sollen, in dieser Schwangerschaft aber alles gut laufen würde. Das Schicksal hatte mir eine zweite Chance gegeben und wollte, dass ich dieses Kind bekomme. Kein Wunder, dass ich mich so super fühlte. Die Schwangerschaftshormone verliehen mir ein richtiges Strahlen, und ich fühlte mich nicht wie vierzig, sondern keinen Tag älter als 25.

Das änderte sich auch in den nächsten zehn Monaten nicht. Während mein Bauch wuchs und Benni und ich fleißig Lunas Spielzimmer in ein zweites Kinderzimmer umbauten, schwebte ich wie auf Wolken. Ich genoss die Schwangerschaft in vollen Zügen, freute mich über jedes Lebenszeichen und jeden Tritt in meinem Inneren und beantwortete voller Freude all die Fragen, die Luna mir neugierig über ihre zukünftige Rolle als große Schwester stellte. Anders als Lennox vor drei Jahren konnte sie es nämlich von Anfang an kaum erwarten, das neue Familienmitglied in ihre Arme zu schließen. Kein Wunder, sie hatte ja schon einen wahnsinnig tollen Bruder. Ein Geschwisterchen mehr konnte also nur Gutes bedeuten, nämlich noch mehr Spaß und noch mehr Liebe!

Wenn ich nicht gerade in Hamburg im Familienglück schwelgte und alles für die Ankunft von Kind Nummer drei vorbereitete, war ich etwa zwei Wochen im Monat in Köln zum Drehen – meist mit der gesamten Familie im Schlepptau. Seit mittlerweile zwei Jahren stand ich regelmäßig für das Promi- und Lifestyle-Magazin Prominent! als Moderatorin vor der Kamera und ließ mich auch von meinem immer größer werdenden Babybauch nicht davon abhalten, bei der Arbeit mein Bestes zu geben. Der Job als Moderatorin machte mir so großen Spaß, dass ich mich erst im Dezember 2018 in die Babypause verabschiedete – also einen Monat vor dem errechneten Geburtstermin im Januar.

Die letzten Wochen vergingen wie im Flug, denn es gab mehr als genug zu tun. Zuerst feierten wir mit ganz vielen Luftschlangen und Zuckerstreuseln Lunas dritten Geburtstag, ein paar Tage später war dann Lennox mit dem Kerzenausblasen an der Reihe. Dass mein Ältester schon 15 wurde, war für mich nur schwer zu begreifen – wann war das denn passiert? Als Mutter wird man da ja schon mal rührselig und muss sich ein Tränchen darüber verkneifen, dass die Kleinen so schnell groß werden. Heimlich natürlich, denn für Teenager gibt es nichts Schlimmeres als heulende Mütter. »Oh Mann, superpeinlich, Mama«, würde mein Sohn in so einer Situation wohl sagen. Aber viel Zeit für Melancholie blieb auch nicht, denn Lennox’ Geburtstagsparty ging fließend in ein rauschendes Weihnachtsfest mit der ganzen Familie über. Benni und ich, Lennox, Luna, Flo, diverse Großeltern und mein Bruder mit seiner Familie – alle meine engsten Vertrauten versammelten sich an diesen ganz besonderen Weihnachtstagen in unserem wohlig warmen Wohnzimmer, während ich hochschwanger und überglücklich in der Küche stand und Puderzucker auf Bratäpfeln verteilte. Konnte das Leben eigentlich noch schöner sein? Für mich lautete die Antwort eindeutig Nein.

… oder vielleicht nur ein ganz klitzekleines bisschen. Denn der Tag im Januar ein paar Wochen später, an dem das Baby in meinem Bauch sich plötzlich dazu entschied, eine Woche früher als erwartet das Licht der Welt zu erblicken, toppte meine persönliche Glücksskala noch mal. Als die Wehen einsetzten, saß ich mit Lennox und Luna gerade im Auto auf dem Rückweg vom Hamburger Isemarkt, wo wir frischen Fisch fürs Mittagessen gekauft hatten.

»Autsch«, sagte ich, während wir uns durch den zäh fließenden Verkehr quälten.

»Was denn?«, fragte Lennox.

»Ähm, ich glaube, das war eine Wehe.«

Mein Sohn machte große Augen. »Was? Hier?«

Ich lachte. »Keine Sorge. Vielleicht ist es auch nur Fehlalarm. Und selbst wenn: So schnell kriegt man eh kein Kind.«

Der Verkehr vor uns war mittlerweile komplett zum Erliegen gekommen. Na super – Stau. Der kam ja gerade wie gerufen. Während wir uns im Schneckentempo und mit vielen Pausen vorwärtsbewegten, meldete mein Bauch sich immer wieder. So richtig doll schmerzten die Wehen noch nicht, aber sie waren auf jeden Fall da. Ein Fehlalarm war das hier definitiv nicht.

»Du, Lennox, ruf mal Benni im Büro an und sag ihm, dass ich heute schon das Kind bekomme«, sagte ich zu meinem Großen. Aus irgendeinem Grund war ich nämlich schon wieder sauer auf Benni und wollte ihm die Nachricht nicht selbst überbringen. Wieso ich diesmal angefressen war? Das habe ich mittlerweile natürlich schon wieder vergessen. Typisch Nina!

Letztendlich war es aber auch egal, denn sobald Lennox Benni die frohen Neuigkeiten überbracht hatte und ich durchs Telefon leise die aufgeregte Stimme des werdenden Papas hörte, war auch auf meiner Seite aller Ärger wie verpufft. Wer hatte jetzt schon Zeit für Streitereien? Wir erwarteten immerhin ein Kind! Eine halbe Stunde später hatten Lennox, Luna und ich es endlich nach Hause geschafft, und nur zwei Minuten später kam auch Benni an. Überschwänglich fielen wir uns in die Arme – es scheint, dass nichts eine Versöhnung so sehr beflügelt wie ein Baby, das aus dem Bauch möchte. Auch gut!

»Sollen wir ins Krankenhaus?«, fragte Benni aufgeregt.

»Hm.« Ich schaute auf den Fisch, den ich gerade aus dem Auto geholt und auf der Küchentheke abgelegt hatte. »Also ich hab Hunger. Und das geht jetzt bestimmt eh noch ein paar Stunden …«

Und damit war es entschieden: Jetzt wurde erst mal gekocht und gegessen, ins Krankenhaus konnten wir dann immer noch. Nach zwei erfolgreich gemeisterten Geburten hatte sich bei mir eine gewisse Routine eingeschlichen, was das Kinderkriegen anging, und ich hatte vollstes Vertrauen in meinen Körper. Und der sagte mir, dass wir noch mehr als genug Zeit hatten, bis es richtig losging, und essen jetzt erst mal wichtiger war. In aller Seelenruhe machte ich mich also weiter an dem frischen Fisch auf dem Küchenbrett vor mir zu schaffen, während Benni neben mir einen leckeren Salat zubereitete. Wäre ja auch schade gewesen, diese Köstlichkeiten einfach liegen zu lassen, oder?

Am Ende war ich allerdings die Einzige, die sich das Essen so richtig schmecken ließ, denn alle anderen waren viel zu aufgeregt, um viel runterzukriegen. Vor Aufregung nichts essen? So was ist mir ja fremd. Außerdem war ich auch gar nicht wirklich aufgeregt, ich freute mich einfach nur total auf das, was jetzt kommen würde. Die Geburten meiner ersten zwei Kinder hatte ich mit jeder Faser meines Körpers genossen, deshalb war ich mir sicher, dass auch diese Geburt eine unglaubliche Erfahrung werden würde. Um ehrlich zu sein, konnte ich gar nicht erwarten, dass es endlich richtig losging!