Cover

Anja Hilling

Bulbus

FELIX BLOCH ERBEN

Verlag für Bühne, Film und Funk

Inhaltsangabe

Title Page

Personenverzeichnis

du und ich: das Gewitter

I. Bushaltestelle unten: der erste Kontakt

II. Gemischtwarenladen innen: Honig

Redaktionsbericht Teil 1 (die Bewohner)

III. Eisstockbahn: Eröffnung

IV. Pensione: Eingecheckt 1

V. Eisstockbahn: Zauber

VI. du und ich: Bewerbung

VII. Eisstockbahn: Wind

VIII. Haltestelle oben: Runter

IX. Im Bus: Showtime

Redaktionsbericht Teil 2 (Fremde)

X. Pensione: Eingecheckt 2

XI. Gemischtwarenladen innen: Kaffee

XII. Eisstockbahn: Leoparden

XIII. Pensione: Duschen

XIV. Eisstockbahn: Hinsehen

XV. Polizeirevier: Klage

XVI. du und ich: die Liebe der Polizistin

XVII. Gemischtwarenladen innen: Essig

XVIII. Eisstockbahn: Robben

XIX. Gemischtwarenladen außen: Holzhacken 1 (das Gefühl)

XX. du und ich: Haut

XXI. Gemischtwarenladen außen: Holzhacken 2 (die Hände)

XXII. du und ich: im Holz

XXIII. Eisstockbahn: der letzte Streit

Redaktionsbericht Teil 3 (die Temperatur)

XXIV. du und ich: die Umarmung

XXV. du und ich: der Kuss

Redaktionsbericht Teil 4 (die Entscheidung)

XXVI. Eisstockbahn: Gewinner

Über die Autorin

Über das Stück

Impressum

Personenverzeichnis

Amalthea
Manuel
Jutta Schratz, Einzelhändlerin
Der alte Markidis, Angestellter der Schratz
Albert Ross, Pensionsbesitzer
Rosa Landen, Polizistin

ORT

Am Fuße eines Berges: ein Dorf namens Bulbus

DIE PLÄTZE

Unter dem Eis:
du und ich

Über dem Eis:
Bushaltestelle oben / unten
Im Bus
Gemischtwarenladen außen / innen
Eisstockbahn
Pensione
Polizeistation

„for you I waited all these years“
(Coldplay)

du und ich: das Gewitter

Manuel

Wir sind hier unten. Echt weit unten.
Und es ist kalt. Arschkalt.
Um uns in uns über uns Eis.
Schön dass du da bist. Wirklich.
ICH LIEBE DICH

Amalthea

- - -

Manuel

Wenn man jemand liebt ist es schön auch mal eine Antwort zu kriegen.
Oder nicht.
Oder bin ich da zu anspruchsvoll zu egoistisch.
Sag was. Los. Irgendwas.

Amalthea

- - -

Manuel

ICH LIEBE DICH.
Bin ich so schwer zu verstehen.
Wenn du nicht zuhörst macht das keinen Sinn das alles.
Wir kennen uns doch noch gar nicht richtig.
Du bist so kühl.
Kalte Haut sagt man wärmt man am besten mit warmer Haut.
Weil es ist nicht so dass die warme Haut kalt wird es ist umgekehrt wart s ab.
Ich bin übrigens Manuel.
Ich liebe dich das hat mit deinem Rücken zu tun.
Ich erzähl dir was. Was von früher. Was Frühlingshaftes.
Ich erzähl dir das von den Kronzeugen.
Nicht abschalten ja. Mach jetzt nicht auf ich bin gar nicht da.
Ich spür das doch. Deine Aufmerksamkeit.
Dein Rücken.

Amalthea

- - -

Manuel

Gut.
Es ist Frühling. Mai. Der siebte Mai neunzehnhundertdreiundachtzig.
Ein Mann sitzt in Untersuchungshaft.
Der Mann gehört einem Zirkel an einer Vereinigung einer kleinen Gruppe.
Links wohl und etwas radikal.
Die radikalste Äußerung des Zirkels war ein Mord. Der Mord an einem Richter.
Der Mann in Untersuchungshaft hat einen Richter erschossen.
Drei Schuss. Einer ins Bein aus Versehen eher. Einer in den Hals. Einer ins Herz.
Etwas wahllos.
Die Waffe wurde nie gefunden.
Aber zwei Menschen können alles bezeugen. Wenn sie es tun. Alles bezeugen. Sind sie frei.
Kronzeugen.
Ein Mann und eine Frau. Sie haben ein Kind. Einen Sohn. Eine Familie sozusagen.
Der Sohn wird sechs in diesem Frühling.
Unten auf der Straße steht ein Streifenwagen. Kronzeugenschutz. Zum Wohl der Familie.
Die Kronzeugen sollen gegen den Mann aussagen. Den Mann. Der den Richter erschossen hat.
Die Kronzeugen wollen nichts sagen. Sie werden nicht. Wollen nicht.
Der Richter hat ihn sich verdient. Seinen Tod.
Die Kronzeugen gehören dem Zirkel an. Der kleinen Gruppe. Sie sind zu dritt. Mehr nicht.
Die Gruppe die Vereinigung der drei Personen heißt Glaukom.
Sie haben von dem Vorfall in der Zeitung gelesen.
Vier Männer haben einen griechischen Busfahrer angegriffen.
Der Busfahrer stand an der Endhaltestelle mit einer Camel im Mund.
Die Männer haben erst auf die Zigarette gezielt dann auf die Zähne.
Sie haben ihm vier Finger an jeder Hand gebrochen.
Seine Daumen haben sie mit einem Rosenkranz aus seiner Tasche zusammengebunden.
Irgendwann sagt einer von ihnen Adios Arschlochos.
Sie haben die Polizei gerufen. Und gewartet.
Die Polizei fand den griechischen Busfahrer in seinen Rosenkranz gebunden an der Endhaltestelle.
In seiner Tasche waren ein Messer und vier Reisepässe.
Es waren die Pässe der vier Männer.
Die Männer erzählten er hat sie bedroht dieser Grieche. Mit dem Messer.
Er wollte ihre Reisepässe ihre Identität könnte man sagen.
Sie. Die vier Männer hätten einen Betrüger erlegt.
Der Richter hat sich bei ihnen bedankt.
In der Verhandlung spürte der Grieche mit der Zunge das zarte Fleisch zwischen zwei Zähnen.
Seine Stimme wurde von einem Pfeifen begleitet.
Warum sollten sie mir acht Finger brechen und nicht die Rippen.
Einer der sich bedroht fühlt nimmt sich nicht die Zeit für einzelne Finger.
Einer der sich bedroht fühlt schlägt in die Vollen.
Das war die Logik des Griechen.
Der Richter ermahnte ihn. Na na da glaubt wohl einer er wär Sokrates.
Der griechische Busfahrer wurde des Landes verwiesen.
Die Logik des Griechen und die Antwort des Richters.
Das hat unseren Zirkel wachgerüttelt zur Tat schreiten lassen.
Der einzigen.
Sieben Stunden nach den drei Schüssen erfuhr das Ehepaar dass sie aufgeflogen waren.
Es ist der Tag vor der Vernehmung.
Morgen sollen sie aussagen. Die Kronzeugen. Gegen den Mörder des Richters. Gegen ihren wie sagt man.

Amalthea

- - -

Manuel

Gegen ihren Kompagnon. Sie wollen nicht aussagen. Werden nicht.
Sie überlegen.
Sie haben einen Sohn. Der Sohn wird sechs in diesem Frühling.
Am Tag vor der Vernehmung ist er fünf.
Der Sohn ist nebenan in seinem Zimmer über einem Buch eingeschlafen.
Ein Comic aus Russland.
Sie überlegen. Sie wollen eher sterben als aussagen. Eher sterben als. Eher sterben.
Sie beschließen sich zu töten. Und zwar gegenseitig.
Sie haben einen letzten Streit.

Der alte Markidis

Wir müssen es tun.

Jutta Schratz

Nein.

Der alte Markidis

Doch.

Jutta Schratz

Nein.

Der alte Markidis

Der Kleine wird stolz auf uns sein.

Jutta Schratz

Gut.

Der alte Markidis

Was. Gut.

Jutta Schratz

Ich mach s.

Der alte Markidis

Ach.

Manuel

Dann die Schüsse. Das Blutbad. Erst sie ihn dann sie sich.
Die Pistole hat einen Schalldämpfer. Keiner wacht auf. Auch der Sohn schläft weiter.
Als er aufwacht und zu ihnen geht. Zu seinen Eltern. Hat er eine Falte vom Comic im Gesicht.
Und Durst. Er ist aufgewacht mit einer Art Kratzen im Hals.
Er wird sechs in diesem Frühling. Er ist der Erste der seine Eltern sieht. Die Kronzeugen.
Er macht Licht. Es ist zwei Uhr. Nachts.
Wie jetzt. Zwei Uhr.
Merkst du was. Wie gut das tut mit der Haut.

Amalthea

- - -

Manuel

Dieser Moment.
Die Stille der Körper.
Das trockene Blut. Das die Körper in einer dunklen Brücke über den Holzboden verbindet.
Das alles schärft seinen Blick. Und zwar für immer.
Sein Blick wird detailliert zersetzend und kühl.
Photographisch könnte man sagen.