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Anja Hilling

Sinn

FELIX BLOCH ERBEN

Verlag für Bühne, Film und Funk

Inhaltsverzeichnis

Title Page

Personenverzeichnis

I. Augen: Phöbe und Fred

1.

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16.

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II. Nase: Tommi und Karl

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14.

III. Haut: Jule und Jasmin

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IV. Ohren: Albert und Natascha

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18.

19.

20.

21.

V. Zunge: Beate und Laurent

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19.

20.

21.

Über die Autorin

Über das Stück

Impressum

Personenverzeichnis

Phöbe

Fred

Tommi

Karl

Jule

Jasmin

Albert

Natascha

Beate

Laurent

I. Augen

Phöbe und Fred

1.

Fred
Phöbe hat blaue Augen
Nur manchmal. Unter gewissen Umständen.
Sonne Fieber und auch Angst.
Da werden ihre Augen plötzlich türkis.
Phöbe
Das stimmt. Aber Fred.
Der weiß das nur vom Hörensagen.
Fred
Aber es stimmt.
Phöbe
Ja.

2.

Fred
Eine Gartenparty.
Der Sommer ist hoch. August.
Tommi hat Geburtstag.
Tommi hat sie eingeladen.
Tommi. Endlich.
Er hat gesagt. Ich werd achtzehn am Freitag.
Fred legt auf. Hat er gesagt. Im Garten ab neun. Und bring eine mit.
Sie hat das alles gewusst.
Das mit der Party der Uhrzeit.
Dass es zu wenig Mädchen gab bisher.
Sie wusste dass Tommis Vater Bäcker war.
Drei Filialen hatte ein Haus mit Garten und eine weißblonde Freundin.
Sie wusste dass Tommi Raucher war seit einem Jahr.
Dass Tommi seinen besten Freund verloren hat in diesem Jahr. Karl.
Dass Tommi einmal ein Mädchen geschlagen hat. Jasmin.
Sie hat Karl nur vom Sehen gekannt. Jasmin nur vom Sport.
Aber sie wusste. Da war ein Geheimnis in Tommi. Und eine Traurigkeit.
Und das gefiel ihr sehr.
Sie wusste einiges über Tommi.
Nur von Fred hatte sie noch nie gehört.
Phöbe
Tommi hat mich am Arm berührt.
Er hat mich eingeladen und dabei am Arm berührt.
Fred
Phöbe hatte das alles schon durchgespielt.
Tausendmal.
Nur etwas spektakulärer.
Sie hat über alles mit Tommi gesprochen.
Über die Schule das Rauchen die Traurigkeit.
Über alles in jeder Tonlage in allen Positionen.
Schwimmend als Mondlichtgäste im Teufelssee.
Laufend im Sand.
Atemlos nach einem Sturz im Januarschnee.
Er hat ihre Augen mit dem See verglichen in dem sie schwammen.
Ihre Haut mit dem Schnee in dem sie lagen.
Und sie.
Sie hat dann ihre Finger auf seine Lippen gelegt.
Und immer. Immer hat er sie dann ganz unvergleichlich geküsst.
Tommi.
Als er sie eingeladen hat war sie ein wenig enttäuscht.
Von seinen Schweißfingern den dreckigen Nägeln.
Auch die Stimme hat sie sich anders vorgestellt.
Und seine Kippe hat er ihr auf den Schuh geschmissen.
Phöbe
Aus Versehen.
Fred
So ist das mit Tagtraumfreunden.
Phöbe
Ich hab getan was ging.
Seit drei Monaten hatte ich nie mehr als zwei Pickel im Gesicht maximal fünf am Rücken.
Mein Haar konnte seit sieben Monaten auf die Länge dieser Party hinwachsen.
In den Pony hab ich eine einzelne blonde Strähne gefärbt.
Rotes T-Shirt weiße Jeans.
Ich sah aus wie ein Erdbeereis
Ich wollte Tommi schon so lange.
Ich wollte mit ihm zusammen sein. Vor aller Augen in alle Ewigkeit.
Ich wusste es wäre anders. Anders als gedacht. Aber auch das wäre schön.
Ich wollte das wirklich.
Dass das wahr wird mit Tommi und mir.
Fred
Mit Fred hat sie nicht gerechnet.
Sie hat nicht mal von ihm gewusst.
Phöbe
Hätte ich das. Von ihm gewusst. Er hätte mich kalt gelassen.
Mit seinen dünnen Armen dem dämlichen Pferdeschwanz wieher wieher.
Das muss man ihm doch sagen. Dass das scheiße aussieht so ein blonder Schwanz.
Er weiß es doch nicht

3.

Fred
Bevor Tommi die Tür öffnet sieht Phöbe ihr Schlüsselbein leuchten im Fenster der Eingangstür.
Tommi hat ein Brötchen in der Hand und einen Hauch von Wurst im Atem.
Er sagt. Hallo Beate.
Phöbe
Ich hab Beate mitgenommen. Beate ist gut für so was.
Sie sitzt gern allein in Ecken raucht Gras ohne Tabak.
Sie will nichts mit mir zu tun haben und ich nichts mit ihr.
Das respektieren wir beide.
Dass Tommi sie zuerst begrüßt hat fällt ihr nicht mal auf.
Fred
Als Phöbe allein ist mit Tommi für einen Moment versucht sie ein Gespräch.
Phöbe
Das dann ist dein Zuhause.
Fred
Schön. Sagt sie.
Phöbe
Luxus.
Fred
Tommi sagt. Komm rein. Oder raus. Die Party ist draußen. Ich muss zum Grill.
Phöbe
Tommi muss Schnitzel wenden.
Fred
Er ist dort wo er immer ist.
Kilometer von ihr entfernt.
Er steht zwischen den Gästen raucht ohne Filter.
Den Blick auf Höhe seiner Finger.
Phöbe kennt das Bild. Sie findet es traurig und auch schön.
So steht er. Im Schulhof vorm Kiosk in der U-Bahn.
Und jetzt steht er hier und macht keinen Unterschied.
Phöbe schließt die Augen zaubert ihn weg.
Vom Grill von den Gästen. Hin zu sich.
Als Tommi sich wirklich in ihre Richtung bewegt.
Nimmt sie zum ersten Mal die Musik wahr.
Meine Musik.

4.

Phöbe
Elektronisch. Langsam.
Der DJ steht hinter einem schwarzen Pult unter der Kastanie.
Die Musik gefällt mir sehr.
Fred
Tommi geht nicht zu Phöbe.
Er geht zu seinem Vater.
Phöbe
Der Bäcker steht hinter mir.
Er ruft etwas quer durch den Garten. Einen Namen.
Fred
Meinen Namen.
Phöbe
Fred.
Fred
Ich lächle. Er ist mein Onkel. Da lächelt man.
Phöbe
Der Blick des DJs ist hoch. Viel höher als wir.
Ich denke. Vielleicht steht er auf einer Wurzel.
Fred
Als ich mein Glas hebe. In Richtung meines Onkels.
Da fällt Phöbe Tommis Geburtstag ein.
Phöbe
Ich hab das genau überlegt.
Erst dachte ich ein Buch. Dostojewski vielleicht.
Dann. Ein Gutschein. Theater. Vielleicht mag der so was.
Jetzt ist in der Tasche eine Flasche.
Tequila.
Braun.
Vier Orangen und auch Zimt.
Fred
Der Bäcker geht und Phöbe.
Phöbe hat Tommi im Nacken.
Sie streckt ihn.
Den Nacken die Wirbelsäule und ganz sanft dreht sie sich um.
Phöbe
Ich dreh mich um und Tommi ist mit anderen Dingen beschäftigt.
Fred
Partybrötchen.
Phöbe
Er nimmt den Teig raus knetet ihn wirft ihn.
Kleine Kugeln jetzt auf den DJ.
Der DJ rührt sich nicht.
Er wird beschossen und bewegt keine Wimper.
Fred
Das ist nur Brot.
Brot stinkt nicht und tut nicht weh.
Phöbe
Eine Kugel fällt in seine Armbeuge.
Er lässt sie da. Kurz. Dann isst er sie auf.
Fred
Was hast du gedacht.
Phöbe
Ich hab gedacht. Zart. Er ist zart.
Aber seine Haare sehen scheiße aus.
Fred
Als sie Tommi die Flasche gibt. Sagt er. Tequila ist gut.
Phöbe
Tequila fehlt immer. Sagt er.
Fred
Die Orangen und den Zimt lässt sie in der Tasche.

5.

Phöbe
Tommi geht weg. Aber nur um mir einen Teller zusammenzustellen.
Kotelett und Würstchen.
Fred
Das mit dem Fleischteller. Das müsste sie freuen.
So nah war sie ihrem Traum noch nie gekommen.
Phöbe
Aber ich freu mich nicht.
Ich weiß nicht was passiert ist.
Die Musik hat sich verändert. Die Melodie die Bässe.
In der Kastanie geht eine Lichterkette an.
Ich seh hin.
Ich denke. Das dann ist Fred.
Sein Gesicht ist blau. Im Monitorlicht.
Sein Blick aber fliegt drüber weg.
Über den Monitor über die Klappstühle.
Könnte es sogar über die Hecke schaffen aufs Nachbargrundstück sein Blick.
Wenn nicht ich da stehen würde.
Getroffen würde.
Von der stillen Strecke seines Blicks.
Er lächelt nicht. Keine Bewegung. Nur seine Finger schieben Schalter runter und rauf.
Seine Augen sind hell und kalt.
Fred
Tommi kommt mit Kotelett zurück.
Phöbe
Würstchen kommen später. Sagt er.
Fred
Aber du. Du siehst mich an. Nicht ihn.
Phöbe
Du bist es. Der mich ansieht.
So ein Blick.
Da wird mir schlecht von.
Fred
Den Teller hast du trotzdem genommen.
Phöbe
Das dann ist Fred. Das sag ich zu Tommi.
Woher kennt ihr euch. Frag ich ihn. Und Tommi. Tommi lacht.
Fred
Das ist mein Cousin. Sagt Tommi. Wir sind verwandt was denkst du denn.
Phöbe
Ich denke. Er kommt sich toll vor auf seiner Wurzel. Dein Cousin.
Ich glaube. Er starrt mich an.
Das sag ich Tommi.
Ganz ehrlich.
Fred
Tommi lacht. Er sagt. Ja klar. Fred starrt dich an.
Dann nimmt er sie an der Hand und das.
Das war nicht so wie es sein sollte.
Sein Griff zu lasch. Zwischen ihren Zähnen ein Kotelettfaden.
Sie sollte glücklich sein.
Aber sie wird nur jemandem vorgestellt.
Phöbe
Fred.

6.

Fred
Tommi sagt. Fred. Das ist Phöbe.
Und ich.
Phöbe
Du lächelst. Dein Lächeln ist blau hinter einem Computer.
Dein Blick ist gesenkt jetzt nicht mehr hoch.
Als ob du müde wärst oder verlegen
So jemand wie dich hab ich noch nie gesehen.
Ich kann nicht glauben dass du mich nicht ansiehst.
Jetzt. Wo es erlaubt wäre.
Ich kann nicht aufhören auf deine Wimpern zu sehen.
Dicht und hell. Hasenwimpern.
Fred
Tommi sagt. Phöbe denkt du starrst sie an.
Aber eigentlich. Sagt Tommi. Eigentlich ist sie es. Die dich anstarrt.
Phöbe
Und das. Das macht dich so stolz.
Fred
Ja.
Phöbe
Er hebt den Blick. Fred.
Und die Stille seiner Augen fließt und flutet hinter meinen Schläfen.
Ich könnte kotzen.
Ich werfe den Kotelettknochen an den Stamm der Kastanie.
Ist der blind oder was.
Bist du blind oder was.
Fred
Tommi geht.
Er sagt. Ich lass euch mal allein.
Phöbe sieht ihn eine Kippe aus der Tasche ziehen oder ein Brötchen und es ist ihr ganz egal.
Sie sieht zu mir.
Sie legt mir eine Hand auf den Arm. Fest nicht sanft.
Ihre Finger sind fettig ihre Stimme laut.
Phöbe
Das dann ist eure Art von Humor oder was.
Das dann findet ihr witzig.
Fred
Lass mich mal in Ruh. Ja.
Phöbe.
Phöbe
Er sagt meinen Namen. Und seine Stimme ist freundlich.
Fred
Holst du mir was vom Grill.
Ich find da ja nicht hin.
Phöbe
Ich glaub dir kein Wort.
Fred
Sie macht einen Schritt auf mich zu.
Sie ist mir ganz nah. So nah dass ihr Atem durch meine Wimpern fegt.
Phöbe
Welche Farbe hat mein T-Shirt.
Fred
Ich muss hier auflegen. Ich hab zu tun.
Phöbe
Viel Glück mit dem Grill.
Fred
Rot.
Phöbe
Genau. Rot du Arsch.
Fred
Rot wie Liebe Rosen Tomaten.
Hat man mir erzählt.
Phöbe
Hör auf.
Fred
Hör du auf.
Phöbe
Mein T-Shirt ist rot.
Fred
Geraten.
Phöbe
Du bist nicht witzig.
Fred
Was willst du.
Einen Hund einen Stock. Einen Computer der spricht mit mir.
Phöbe
Du bist blind. Richtig blind.
Fred
Morgen leg ich im Bergdorf auf.
Phöbe
Wo ist das denn.
Fred
Das fragst du mich.
Phöbe
Du kannst mich mal.
Fred
Kommst du.
Phöbe
Nein.
Fred
Du musst unbedingt kommen.
Phöbe
Ob ich komm oder nicht.
Du würdest mich sowieso nicht erkennen.
Fred
Du könntest Hallo sagen.
Phöbe
Hallo.
Fred
Ich würde dich immer erkennen.
Phöbe
Welche Farbe haben meine Augen.
Fred
Keine Ahnung.

7.

Phöbe
Ich habe blaue Augen. Manchmal auch türkis.
Das sind Schmuckstücke meine Augen. Die muss man gesehen haben.
Meine Augen. Die sind das Schönste an mir.
Schon immer.
Selbst als ich noch Pickel hatte und fettiges Haar und dicker war.
Selbst da haben die aus meinem Gesicht gefunkelt.
Haben mir Schönheit versprochen.
Mich mit Märchenweisheit bestochen.
Prinzessin.
Jedes Märchen braucht schlechte Phasen.
Phasen. In denen das Schöne sich Zeit nimmt.
Bis es sich von innen nach außen kehrt.
So sind die. Meine Augen.
Blau türkis und verheißungsvoll.
Fred. Er hat keine Ahnung davon.
Alle Welt bleibt an meinen Augen hängen.
Wird eingezogen von ihrem Ozeanstrahl und er.
Er sagt. Blau.
Blau wie Himmel wie Schlümpfe wie Bodenfeuer.
Blaues Essen fällt ihm nicht ein.
Und Türkis.
Türkis lässt sich schwer beschreiben da hört es auf.
Weiter kommen wir nicht.
Meine Augen sind schön.
Für ihn sind sie Verschwendung.
Seine Augen.
Ich sag ihm. Grell. Fast farblos.
Wenn es dich interessiert. Aschblau taubenblau fast grau.
Er ist enttäuscht.
Ich hab gelogen.
Was ich eigentlich sagen wollte.
Ich wollte sagen. Deine Augen sind hell.
Heller als meine heller als Licht.
Deine Augen sind das Hellste was ich je gesehen hab.
Sie ziehen mich nicht rein.