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Un Amore Italiano

Zärtliche Stunden in Rimini

Italienischer Liebeskurzroman – Band 4

Liza Moriani

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Impressum:

Personen und Handlungen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt.

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Alle Rechte vorbehalten.

Erstauflage 2018

In sich abgeschlossener Liebeskurzroman der neuen Buchreihe

„Un Amore Italiano“ im Herzsprung-Verlag.

ISBN: 978-3-96074-040-7 – Taschenbuch

ISBN: 978-3-96074-131-2 - E-Book

Cover erstellt unter Verwendung von Bildern mit AdobeStock-Lizenz: © crisferra, © Jeanette Dietl und © simbos

Reisen Sie mit uns in das Sehnsuchtsland Italien und erleben immer wieder neue „Un Amore Italiano – Geschichten einer Liebe in Italien“.

Weitere Informationen zur Buchreihe

Herstellung und Lektorat: Redaktions- und Literaturbüro MTM

www.literaturredaktion.de

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Inhalt

Abschied

Ein letzter Gruß

Fahrt nach Rimini

Strandspaziergang

San Marino

Beichte am Bagno

Kraft schöpfen

Bologna

Mit Bedacht

Aufbruch

Die Autorin

*

Abschied

So viel Mitgefühl wie in den letzten Tagen hatte Hella schon lange nicht mehr erlebt. Freunde, Nachbarn, Verwandte, alte Arbeitskollegen – alle hatte ihre Aufwartung bei der Witwe gemacht, nachdem sie von Herberts Tod erfahren hatten. Oft hätte sich Hella in den letzten Jahren eine solch große Aufmerksamkeit gewünscht. Doch das Haus eines Todkranken betraten die Leute nicht gerne. So hatte die 65-Jährige oft viele Tage und Wochen alleine an der Seite ihres Mannes verbracht, dem sie vor fast vier Jahrzehnten ewige Treue geschworen hatte.

Jetzt, da Herbert in ihren Armen friedlich für immer eingeschlafen war, da kamen sie alle, um ihr Beileid auszudrücken und zu erzählen, wie sehr sie den Toten doch zu Lebzeiten geschätzt hatten. Komisch nur, dass Hella davon in den letzten Jahren so wenig gespürt hatte. Wären da nicht ihre Tochter Susanne und ihr Enkel Florian gewesen, die fast jeden Tag nach dem Rechten sahen, wäre Hella in den letzten Jahren sicherlich vollkommen vereinsamt.

***

Herbert war Hellas große Liebe gewesen. Die beiden hatten sich Anfang der 70er Jahre in einer Gaststätte in Hamm kennengelernt. Hamm war damals noch eine richtige Arbeiterstadt gewesen, mit vielen schmutzigen Straßen und heruntergekommenen Zechenhäusern. Die Innenstadt bestimmten drei große Kaufhäuser, die es heute längst nicht mehr gab, und Wahrzeichen der Stadt war nicht ein gläserner Elefant, sondern ein überlaufendes Bierglas einer meterhohen Bier-Lichtreklame gewesen. In einer der typischen Arbeitergaststätte dieser Zeit, in denen die Männer nach der Schicht ihr Bierchen und ihren Korn schlürften, waren sich Hella und Herbert das erste Mal begegnet. An der Musikbox, an der man sich, wenn man 50 Pfennige einwarf, eine Single auswählen durfte, die dann mit leichtem Gekrächze der alten Plattenspielernadel abgespielt wurde.

Gerade als Herbert an diesem Abend seine erste Münze eingeworfen hatte, trat Hella neben ihn. Und weil sie ihm gleich gefiel, fragte er sie: „Hast du einen bestimmten Musikwunsch?“ Dabei drückte er ihr ein Auge zu.

Hella, damals noch ein wenig schüchtern, schaute verlegen zur Seite.

„Sag schon“, bohrte Herbert gleich nach. „Sonst entscheide ich ... und dann gibt es einen fetzigen Song von Elvis!“

Die Musik dieser Schmalztolle allerdings mochte Hella nun gar nicht. Sie sprach kein Englisch und verstand deshalb nie etwas von den Texten, die gesungen wurden. Hella mochte schon damals Schlager ganz besonders gerne. Und so fasste sie sich nun ein Herz und sagte: „Wenn es in der Musikbox Michaela von Bata Illic gibt, dann wäre das prima.“

Herbert verdreht einmal die Augen, Schlager war nun so gar nicht seine Sache, drückte dann aber auf den Knopf für dieses eine Lied, das er natürlich kannte, denn Michaela, das sich bei Bata Illic immer wie ein Mikaela anhörte, wurde damals ständig und überall im Radio gespielt und durfte weder in der Hitparade noch in Ilja Richters Disco fehlen. Schließlich tat man für eine schöne junge Frau alles, sogar Bata Illic hören. Ihn schüttelte es kurz, als er A3, die Tastenkombination für Michaela, drückte und der Sänger bald darauf seine Weise von sich gab.

***

Von diesem Abend an war Hella Herberts Mädchen. Sie hatten sich, so oft es möglich war, getroffen, auch wenn Hellas Eltern nicht ganz mit dem Freund ihrer Tochter einverstanden waren.

Zwei Jahre nach ihrem Kennenlernen hatten die beiden – ganz romantisch in Weiß – in der Pauluskirche in Hamm geheiratet. Ihre erste kleine Wohnung lag in einem Mehrfamilienhaus in der Feidikstraße. Nach der Hochzeit hatte Hella ihre Arbeit als Industriekauffrau aufgegeben, um sich ganz ihrem Mann und ihrem Haushalt widmen zu können.

Herbert war schon damals als Lkw-Fahrer für eine heimische Spedition unterwegs gewesen und hatte es geschätzt, seine Hella zu Hause und nicht im Büro zu wissen. Die ersten Jahre ihrer Ehe war er oft wochenlang in ganz Europa unterwegs gewesen und Hella hatte ihn auf der ein oder anderen Tour gar als Beifahrerin begleiten können, was natürlich nicht gegangen wäre, wenn sie selbst berufstätig gewesen wäre.

Besonders gerne begleitete sie ihren Mann, wenn Herbert Richtung Italien fahren musste. Ein- oder zweimal hatten sie es sogar zusammen ans Meer geschafft, nur auf eine kleine Stippvisite, denn für mehr reichte die Zeit bei einer solchen Tour natürlich nicht.

„Irgendwann einmal machen wir hier in Italien richtig schön Urlaub“, hatte Herbert dann immer gesagt.

Dabei war es dann allerdings auch geblieben. Vier Jahre nach der Hochzeit war Tochter Susanne zur Welt gekommen, ein echtes Wunschkind, in das Herbert sein Leben lang vollkommen vernarrt gewesen war.

Und weil er seine kleine Familie so sehr liebte, hatte Herbert ein kleines Reihenhaus in einer alten Zechensiedlung in Werries gekauft und es in den Jahren nach und nach zu einem schmucken kleinen Heim für seine Lieben ausgebaut.

Ihr kleines Gärtchen hinterm Haus hatte Hella im Laufe der Jahre in ein schmuckes Paradies verwandelt. Hier pflanzte sie Blumen, Obst und Gemüse an, um so ein wenig zum Unterhalt der Familie beitragen zu können. In guten Jahren und bei reichlicher Ernte konnte sie für das ganze Jahr Gurken einlegen oder Marmelade einkochen, in deren Genuss oft genug auch die Nachbarn kamen, wenn es viele Erdbeeren und Pflaumen, Kirschen und Erdbeeren gegeben hatte.

Natürlich war das Geld bei der Familie immer knapp gewesen, denn nach Susannes Geburt war Herbert aus dem Fernverkehr ausgestiegen, um mehr Zeit für die Familie haben zu können. Er hatte zu einer Spedition gewechselt, die ausschließlich im Nahverkehr fuhr, Herbert wollte einfach nicht wochenlang von Frau und Kind getrennt sein, dazu liebte er die beiden viel zu sehr. Er wollte aber auch nicht, dass Hella arbeiten ging, das passte einfach nicht in sein Weltbild.

Und da er als Lkw-Fahrer kein Vermögen anhäufen konnte, blieb es in all den Jahren eben bei dem großen Wunsch, einmal richtig Urlaub in Italien machen zu können. Finanziell reichte es höchstens einmal für ein paar Tage an der Nordseeküste oder im Sauerland, aber das hatte die kleine Familie nie gestört. Die drei hatten sich und waren immer sehr glücklich miteinander gewesen.

Und später, als Susanne geheiratet hatte und bald darauf Enkelchen Florian das Licht der Welt erblickte, da waren alle zusammen rundum zufrieden mit sich und ihrem einfachen Leben gewesen.

***

Bis zu dem Tag, an dem die Ärzte bei Herbert Darmkrebs diagnostiziert hatte. Das war vor drei Jahren gewesen, kurz nach seiner Pensionierung.

Seinen Ruhestand hatten Herbert und Hella noch groß mit Freunden und Nachbarn, vor allen Dingen aber mit den ehemaligen Kollegen aus der Spedition bei einem zünftigen Grillabend gefeiert. Es war kräftig hergegangen an diesem Abend, Herbert hatte sich nicht lumpen lassen.

In den Tagen nach der Feier ging es Herbert nicht besonders gut, was die Eheleute aber vor allen Dingen auf den zurückliegenden, ausgelassenen Abend zurückgeführt hatte.

„In unserem Alter“, so hatte damals Herbert scherzhaft gesagt, „da steckt man so eine Sause eben nicht mehr so ganz einfach weg.“ Dann hatte er kein weiteres Wort darüber verloren.

Als es Herbert aber nach zwei Wochen aber noch immer nicht besser gegangen war und er immer wieder über Durchfall und leichtes Fieber geklagt hatte, hatte Hella ihren Mann zum Arzt geschickt.

„Du gehst jetzt zu Dr. Gelani“, hatte sie bestimmend gesagt. „Ich gucke mir das mit dir hier nicht noch länger an. Vielleicht hast du dir einen Virus eingefangen, der behandelt werden muss.“

Und obwohl Herbert Arztpraxen scheute wie der Teufel das Weihwasser, hatte er auf seine Frau gehört und sich einen Termin beim Hausarzt der Familie geben lassen.

Dr. Gelani hatte Herbert dann komplett auf den Kopf gestellt und etliche Untersuchungen angestellt – bis eines Tages tatsächlich die Diagnose feststand. Herbert hatte sich keinen Virus eingefangen. Er hatte Darmkrebs – und den bereits im fortgeschrittenen Stadium.

Mit einer solch niederschmetternden Information hatten Hella und Herbert nicht gerechnet. Mit einem Mal war ihr kleines Glück zusammengestürzt. Dabei hatten sich die beiden noch so viel vorgenommen für die Zeit des Ruhestandes. Sie wollten gemeinsam die Jahre ohne Arbeit, ohne Stress und Sorgen genießen.

Immerhin hatte es Herbert geschafft, mit seinem letzten Gehalt die letzte Rate für das alte, inzwischen sehr schmucke Zechenhäuschen in Werries zu bezahlen, nun waren sie schuldenfrei und konnten vielleicht tatsächlich einmal ihrem Traum von einer Italienreise verwirklichen.

Doch die schreckliche Diagnose durchkreuzte all ihre Vorhaben. Von nun standen keine Reisen oder sonstigen Ausflüge mehr auf dem Programm der Eheleute, sondern Termine bei Ärzten und in Krankenhäusern.

Nach einer ersten Chemotherapie hatten die behandelnden Ärzte Hella und Herbert recht viel Hoffnung gemacht, dass der Krebs besiegt sein könnte.

Doch schon ein halbes Jahr später kamen die Symptome zurück. Nun jagte ein Krankenhausaufenthalt den nächsten, doch irgendwann gab es keine Hoffnung mehr – Hella holte ihren Mann zum Sterben in ihr kleines gemütliches Heim. Nach Hause, wo ihre kleine Familie über so viele Jahre hinweg so glücklich gewesen war.

Hellas Pflege für ihren Mann war aufopferungsvoll. Tag und Nacht war sie für die Liebe ihres Lebens da, leistete ihm in guten und in schweren Stunden Beistand. Später, als Herbert das Bett nur noch unter schwersten Kraftanstrengungen verlassen konnte, unterstützte sie ein Pflegedienst bei den täglichen Routinearbeiten. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte Hella auch diese Pflege selbst übernommen. An manchen Tagen wurde sie dabei von Tochter Susanne unterstützt, da diese aber selbst berufstätig war, blieb viel an Hella hängen.

Florian, ihr Enkelsohn, hatte sich trotz seines jugendlichen Alters bereit erklärt, die Einkäufe und Besorgungen für seine Großeltern zu erledigen. Er war zwar erst 16 Jahre alt, aber hing mit einer großen Liebe an den Großeltern, seit sein Vater vor einigen Jahren mit einer anderen Frau das Weite gesucht und sich seitdem weder bei seinem Sohn noch bei seiner Frau Susanne je wieder gemeldet hatte.

Hella und Herbert hatten sich in den Monaten nach dem Verschwinden des Schwiegersohnes ganz besonders um den gerade Zehnjährigen bemüht, der seinen Vater anfangs schmerzhaft vermisst hatte, heute aber nur noch unendlich wütend auf seinen Erzeuger war. Das Wort Vater hatte er schon lange nicht mehr in den Mund genommen.

Und so war es für Florian selbstverständlich gewesen, jetzt, da seine Großeltern der Hilfe bedurften, die beiden jeden Tag nach der Schule zu besuchen, um nachzufragen, was er für sie erledigen könne.

Andere Hilfestellungen hatte Hella in den Wochen und Monaten des Todeskampfes ihres Mannes nicht gehabt. In den ersten Wochen nach seiner Diagnose hatten Freunde und Nachbarn noch immer einmal nachgefragt, wie es dem Patienten ginge. Doch auch diese Nachfragen hatten irgendwann einfach aufgehört.

Ein Haus, in dem der Tod Einzug gehalten hat, betraten Menschen eben nicht gerne.

*

Ein letzter Gruß