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Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft - Steuern - Recht GmbH

[4]Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de/ abrufbar.

Print: ISBN 978-3-7910-4720-1 Bestell-Nr. 10460-0001
ePub: ISBN 978-3-7910-4721-8 Bestell-Nr. 10460-0100
ePDF: ISBN 978-3-7910-4722-5 Bestell-Nr. 10460-0150

Schlageter, Matthias

Vertriebsstrategien für nachhaltiges Umsatzwachstum

1. Auflage, September 2020

© 2020 Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft · Steuern · Recht GmbH

www.schaeffer-poeschel.de

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Produktmanagement: Dr. Frank Baumgärtner

Lektorat: Heike Münzenmaier

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Schäffer-Poeschel Verlag Stuttgart

Ein Unternehmen der Haufe Group

[7]Vorwort

Als ich die folgende Anekdote des berühmten Kommunikationswissenschaftlers Paul Watzlawick gelesen habe, musste ich instinktiv an zahlreiche Erlebnisse aus meiner Vertriebspraxis denken:

Eine Polizeistreife sieht einen angeheiterten Passanten, der suchend unter einer Laterne hin und her läuft. Darauf angesprochen, was er denn suche, antwortet der Mann: »Meine Schlüssel.« Die beiden Polizisten helfen ihm vergeblich beim Suchen, bis schließlich einer der beiden wissen möchte, ob er denn sicher sei, den Schlüssel genau hier verloren zu haben. Der Gefragte antwortet: »Nein, nicht hier, sondern dort hinten – aber da ist kein Licht.«

Wie viele Vertriebsführungskräfte empfehlen ihren Teams auch heute noch, einfach mal loszulegen, am besten mit viel zeitlichem Aufwand und persönlichem Engagement, der Rest finde sich dann schon – das hat ja bisher noch immer funktioniert? »Viel hilft viel« und »Was nicht wehtut, bringt nichts« sind dann oft die strategischen Leitplanken, innerhalb derer sofort losgelegt werden kann.

Das kann man so machen, muss man aber nicht.

Um nicht falsch verstanden zu werden: Ich bin absolut überzeugt davon, dass erfolgreicher Vertrieb immer durch ein gerüttelt Maß an Erfahrungswerten, Bauchgefühl und Engagement geprägt sein wird – aber eben nur zu einem gerüttelt Maß.

Ebenso überzeugt bin ich davon, dass ein effektiver und effizienter Vertrieb einer klaren und von Anfang bis Ende durchdachten Strategie sowie praxistauglicher Tools zu deren Umsetzung bedarf. Und wer sich bei der Entwicklung einer solchen Strategie vom Credo »Nachhaltiges Wachstum statt sofort mehr Umsatz« leiten lässt, hat schon mal die richtige Richtung auf dem Weg zu langfristigem Vertriebserfolg eingeschlagen.

Auf diesem Weg, den ich ebenfalls gegangen bin und den ich immer noch sehr gerne gehe, sind mir zahlreiche Veröffentlichungen rund um die Strategieentwicklung sowie der zugehörigen Instrumente begegnet. Vieles, was ich hierzu gelesen und gehört habe, war aus meiner Sicht richtig, spannend und lehrreich, und immer konnte ich etwas für meine Praxis als Verkäufer und Vertriebsführungskraft mitnehmen.

Dennoch müssen noch zu viele Verkäufer (mich in früheren Positionen meiner beruflichen Laufbahn eingeschlossen) so arbeiten, wie der Mann aus der Geschichte von Paul Watzlawick und die Kunden dort suchen, wo das Licht halt gerade hin scheint. [8]In vielen Gesprächen mit anderen Vertriebspraktikern ist mir über die Jahre hinweg aufgefallen, dass es in den Unternehmen entweder gar keine Vertriebsstrategien gibt, dass diese keinen hohen Reifegrad aufweisen oder dass es schlicht an der praktischen Umsetzung hapert.

Aber weshalb ist das so?

Ein Argument, das mir in diesem Zusammenhang immer wieder begegnet ist und das ich aus eigener Erfahrung ebenfalls nachvollziehen kann, findet sich oftmals in der kritischen Würdigung der in der Literatur vorgestellten Modelle und Instrumente: Sie sind durchdacht, methodisch einwandfrei und halten einer wissenschaftliche Prüfung auf jeden Fall stand. Versucht der Vertriebspraktiker dann, das beschriebene Vorgehen in seiner Vertriebsorganisation umzusetzen, stößt er schnell an die unternehmensspezifischen Grenzen. Ein typisches Beispiel dafür ist die fehlende Datenbasis, um ein neues Tool einsetzen zu können. Ein anderes Beispiel sind Prozesse, die an den Schnittstellen zum Vertrieb neu definiert werden müssten, was bei den betreffenden Abteilungen und Bereichen meist nicht auf große Begeisterung stößt.

Motiviert und getragen von der Idee, mit dem Vertriebsteam Spitzenleistungen zu erreichen, stand ich irgendwann selbst vor diesem Dilemma: Arbeiten wir uns an einer methodisch einwandfreien Umsetzung der in der Literatur beschriebenen Modelle ab, in dem Wissen, dass eine punktgenaue Implementierung aller Voraussicht nach von vornherein zum Scheitern verurteilt ist? Oder lassen wir alles, wie es ist, und begnügen uns aus dieser Erkenntnis heraus mit Mittelmaß?

Die Idee dieses Buches ist es nun, dieses nur auf den ersten Blick existierende Dilemma aufzulösen und ein Modell vorzustellen, das methodisch so hoch wie möglich ansetzt, um mit der Vielzahl an Organisationsformen kompatibel zu sein. Gleichzeitig gehen die Tools nur so tief wie nötig, um nicht zu sehr in die nicht oder nur schwer veränderbaren Gegebenheiten in den Unternehmen einzugreifen oder an einer unzureichenden Datengrundlage zu scheitern. Zusammengenommen ergibt sich ein Strategie-Baukasten, der leicht zu realisieren ist und dessen Tools einer rein praxisbezogenen Prüfung standhalten.

Zwei Zitate möchte ich Ihnen noch mit auf den Weg durch dieses Buch sowie zur Entwicklung und Umsetzung Ihrer neuen Vertriebsstrategie geben:

»Der Zufall begünstigt nur den vorbereiteten Geist« – das hat Louis Pasteur schon vor einem halben Jahrhundert gesagt und treffender kann man die Bedeutung der Entwicklung einer Vertriebsstrategie für vertrieblichen Erfolg nicht ausdrücken.

Mindestens ebenso wichtig ist deren konsequente Umsetzung, um nicht als Papiertiger zu enden. Kasper Rorsted, CEO des Sportartikelherstellers Adidas, hat in einem Interview mit dem Manager Magazin (Ausgabe 01/2020) gesagt: »Es reicht nicht, eine gute Strategie zu haben. Noch wichtiger ist, dafür zu sorgen, dass die Strategie auch umgesetzt wird«.

[9]In diesem Sinne lade ich Sie ein, Ihre bestehende Vertriebsstrategie mithilfe der beschriebenen Tools anzureichern und zu optimieren oder aufbauend auf der gesamten vorgestellten Systematik eine gänzlich neue Strategie zu entwickeln und umzusetzen.

Falls Sie in der Folge feststellen, dass Sie an der einen oder anderen Stelle methodisch tiefer gehen wollen und können, empfehle ich Ihnen einen Blick in die Werke anderer Autoren zu speziellen, ausgewählten Instrumenten für zukunftsgerichtetes Vertriebsmanagement. Eine subjektive Auswahl, die mir in der Praxis sowie beim Schreiben dieses Buches hervorragende Dienste erwiesen hat, finden Sie in den Quellenangaben.

Nun wünsche ich Ihnen viel Spaß beim Lesen und noch mehr beim erfolgreichen Anwenden der vorgestellten Modelle, Methoden und Tools und freue mich auf zahlreiche Rückmeldungen dazu.

Ihr

Matthias Schlageter

München, August 2020

[15]Abbildungsverzeichnis

Abb. 2.1: Strategieoptionen nach Porter
Abb. 2.2: Elemente und Phasen einer Vertriebsstrategieentwicklung
Abb. 2.3: Sales Funnel
Abb. 2.4: Zyklus der Markt- und Kundendefinition
Abb. 2.5: ABC-Kundenanalyse (in Anlehnung an Kleinaltenkamp 2011)
Abb. 2.6: Segmentierungskriterien und Segmente
Abb. 2.7: Priorisierungsmatrix
Abb. 2.8: Gabor-Granger-Methode (in Anlehnung an Frank Hälsig, 2019)
Abb. 2.9: Kundenbeziehungslebenszyklus-Analyse (in Anlehnung an Stauss, 2000)
Abb. 2.10: Priorisierungsmatrix/Bestandskunden
Abb. 2.11: Priorisierungsmatrix/Entwicklungskunden
Abb. 2.12: Priorisierungsmatrix/Investitionskunden
Abb. 2.13: Priorisierungsmatrix/Top-Kunden
Abb. 2.14: Produktlebenszyklus
Abb. 2.15: Drei Säulen des Key-Account-Managements
Abb. 2.16: Strategische Kundenentwicklungsmatrix
Abb. 3.1: Vertriebsstrategiematrix
Abb. 3.2: Vertriebsstrategiematrix/Überreden statt Verkaufen
Abb. 3.3: Vertriebsstrategiematrix/Abschlussschwäche
Abb. 3.4: Vertriebsstrategiematrix/Vertriebskampagne
Abb. 3.5: Strategieentwicklung in fünf Schritten
Abb. 3.6: Strategieanpassung bei Marktveränderungen – Frühwarnsystem
Abb. 3.7: Strategieanpassung bei Neuausrichtung
Abb. 3.8: Marktbearbeitungs-Perpetuum-Mobile
Abb. 4.1: Ansoff-Matrix als Instrument der strategischen Kundenentwicklung
Abb. 4.2: Priorisierungsmatrix bei Neukunden
Abb. 4.3: Priorisierungsmatrix/Investitions-Neukunden
Abb. 4.4: Priorisierungsmatrix/Top-Neukunden
Abb. 4.5: Priorisierungsmatrix/Entwicklungs-Neukunden
Abb. 4.6: Priorisierungsmatrix/Bestands-Neukunden
Abb. 4.7: Tourenplanung
Abb. 4.8: Tandem- vs. Pool-Lösung
Abb. 4.9: Neue Rolle des Innendienstes
Abb. 4.10: Tool-Unterstützung bei der Strategieumsetzung
Abb. 4.11: Selling Cycle nach Hofbauer (in Anlehnung an Hofbauer & Hellwig 2012)
[16]Abb. 4.12: Vertriebsprozess mit Fokus Ausschreibungen
Abb. 4.13: Aufbau eines Sales Management Office (SMO)
Abb. 4.14: Re-Priorisierung im digitalen Zeitalter
Abb. 5.1: Iterativer Regelkreis der Strategiesteuerung
Abb. 5.2: Sales-Dashboards

[17]1 Rahmenbedingungen und Herausforderungen bei der Entwicklung einer nachhaltigen Vertriebsstrategie

1.1 Flexible Strategien für disruptive Zeiten und Märkte

Bei langfristigem und nachhaltigem Vertriebserfolg geht es nicht darum, viele kurzfristige und damit auch kurzsichtige Abschlüsse zu bringen. Im Vordergrund steht, sich vom gelisteten Lieferanten zum strategischen Partner zu entwickeln, der nicht nur liefert, sondern sich als fachlicher Experte positioniert und gern gesehener Sparringspartner auf Augenhöhe ist.

Strategisches Management und damit auch das strategische Vertriebsmanagement bewegt sich innerhalb des gedachten Regelkreises aus Strategieformulierung, Strategieumsetzung sowie der Strategiekontrolle. Der Kreis schließt sich, sobald Informationen aus der Strategiekontrolle zu einer Anpassung der eingangs formulierten Strategie führen.

Googelt man den Begriff »Strategie«, trifft man rasch auf dessen Wortursprung. Er hat seine Wurzeln in der Kriegsführung und diente der Beschreibung der langfristigen Gesamtplanung einer Schlacht im Gegensatz zu den Taktiken, die der Erreichung konkreter und kurzfristiger Ziele dienten.

Auf meiner weiteren Recherche zu diesem Buch bin ich zudem auf eine sehr prägnante Definition des Begriffs »Vertrieb« gestoßen: »Der Vertrieb beinhaltet alle Aktionen, die dafür sorgen, dass der Kunde sein Produkt erhält.«

Fasst man beide Aussagen zusammen und erweitert sie um zusätzliche Aspekte, lässt sich daraus diese gleichermaßen griffige wie treffende Definition des Begriffs »Vertriebsstrategie« ableiten:

Eine Vertriebsstrategie umfasst die ertragsorientierte Gesamtplanung effektiver und effizienter vertrieblicher Aktivitäten eines Unternehmens auf dem Markt, die sicherstellen, dass der Kunde die gewünschten, für ihn nutzenstiftenden Leistungen über die für ihn relevanten Kanäle erhält und die gleichzeitig die Erreichung der Ziele des Kunden wie auch des Anbieters sicherstellen.

Tatsächlich steckt viel Wahres in dieser Definition:

Neigen Vertriebsorganisationen nicht allzu oft dazu, sich ohne Strategie in taktischen Einzelmaßnahmen zu verlieren, anstatt sich die Zeit zu nehmen, einen Schritt zurückzutreten, um erst einmal das große Ganze sehen und planen zu können?

[18]Sind wir nicht alle schon einmal (natürlich nur beinahe) der Versuchung erlegen, dem Kunden ein Produkt zu verkaufen, das er vielleicht nicht unbedingt oder zumindest nicht in dieser Konfiguration wünschte, nur um einen kurzfristigen Erfolg zu erzielen oder eine monetär vergütete Zielvereinbarung zu erreichen?

Und fühlt sich das Geschehen auf disruptiven, sich immer schneller wandelnden, oftmals hochkonkurrenzierten und gesättigten Märkten nicht manchmal wirklich wie das Geschehen auf einem Schlachtfeld an?

Für dieses insbesondere für Praktiker konzipierte Buch wird diese Definition den Anforderungen als Arbeitsdefinition mehr als gerecht und soll somit eine wesentliche Grundlage der folgenden Überlegungen sein.

Aber welches sind nun diese grundlegenden Veränderungen auf den Märkten, denen wir uns im Vertrieb heute und insbesondere morgen stellen müssen – oder besser: stellen dürfen? Denn sollten wir diesen Wandel nicht ganz bewusst annehmen und uns sogar darauf freuen? Und wie lässt sich angesichts dieser Entwicklungen eine nachhaltig tragfähige Vertriebsstrategie entwickeln?

Fach- und Führungskräfte müssen sich im Vertrieb der Zukunft als »Reiseleiter« ihrer Kunden auf deren gesamten Customer Journey begreifen. Diese Reise verläuft entlang der »Kontaktpunkte eines Kunden mit einem Unternehmen, einer Marke oder einem Produkt (z. B. über das Filialgeschäft, über ein Telefonat mit dem Kundenservice, über den Social-Media- oder Internetauftritt usw.) über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg, vom Marketing über den Vertrieb bis zum Kundenservice bzw. zu einer erneuten Kundeninteraktion zum Kauf eines anderen Produktes.« (Niehaus/Emrich 2016, S. 57).

Und als ganzheitlich agierender Tourguide Ihrer Kunden dürfen Sie Ihre Sichtweise nicht länger rein auf die Kontaktpunkte (Touchpoints) im Rahmen der Buying Journey des Kunden bzw. Ihrer Selling Journey beim Kunden beschränken. Der »Kunde 4.0« möchte sich deutlich stärker vernetzen, als das bislang bekannt war und erwartet worden ist. Er ist mithin bereit, Daten und Informationen preiszugeben, die es im Gegenzug auch zu seinem Vorteil und Mehrwert zu nutzen gilt.

Im Ergebnis schätzt der Kunde von heute und morgen einen Austausch auf Augenhöhe, er sucht Orientierung in der Reizüberflutung auf seiner Reise und Ideen, die sein Unternehmen erfolgreicher machen. Diese Ideen können im Rahmen von Vertriebskontakten entstehen, wie dies bislang der Fall war – also im Rahmen der Buying bzw. der Selling Journey. Auf seiner ganzheitlichen Customer Journey erwartet der Kunde 4.0 darüber hinaus einen kompetenten Informationsaustausch ohne vertriebliche »Hintergedanken«, beispielsweise, wenn er sich mit Ihnen auf Xing oder LinkedIn vernetzt, ein Whitepaper von der Homepage eines Unternehmens herunterlädt oder Blogbeiträge eines potenziellen Lieferanten liest.

[19]Aufgabe des Vertriebs ist es nun, diese Entwicklungen als Chance zu begreifen und sie in die Gesamtstrategie sowie in die kundenspezifischen Einzelstrategien zu integrieren. Damit verbunden ist ein neues Selbstverständnis in der Vertriebsorganisation. Der Account-Manager wird zum »Orchestrator, der kundenindividuell das richtige Maßnahmenbündel schnürt und die diversen kundenbezogenen Unternehmensprozesse koordiniert. Nimmt der Vertrieb diese neue Rolle an und erarbeitet sich entsprechende fachliche Kompetenzen, so positioniert er sich als strategisches Asset im Unternehmen.« (Binckebanck 2016, S. 306)

Damit geht eine Aufwertung des Vertriebsinnendienstes einher (vgl. Binckebanck 2016, S. 322). Das Anforderungsprofil an Innendienst-Teams entfernt sich zunehmend weg vom reaktiven Sachbearbeiter-Typen und hin zu hoch qualifizierten Methodenexperten. Im Fokus steht vermehrt die Fähigkeit, mit der Geschwindigkeit der technischen Entwicklungen Schritt halten zu können, neue Tools zu verstehen und hinsichtlich ihrer Relevanz für die eigene Vertriebsorganisation einzuschätzen und sie in die bestehende Prozesslandschaft zu integrieren.

Und wenn Sie und Ihr Team jetzt auch noch willens und in der Lage sind, das neue, digitale Teammitglied, das mit Künstlicher Intelligenz ausgestattet ist, willkommen zu heißen, sollten Sie für die Zukunft gewappnet sein. Denn: Laut einer durch das SAS Institute unterstützten Studie von Futurum Research aus dem Jahr 2019 werden bereits in zehn Jahren 67 % der Kundeninteraktionen von intelligenten Maschinen abgewickelt, die dann schon 69 % der zugehörigen Echtzeit-Entscheidungen zum Teil direkt während der Interaktion treffen (Sales Excellence, 12/2019, S. 7).

Um nicht falsch verstanden zu werden: Dieses Buch thematisiert nicht die Entwicklung einer reinen Digitalisierungsstrategie für den Vertrieb. Vielmehr steht die Entwicklung einer nachhaltigen und ganzheitlichen Vertriebsstrategie im Zentrum der Überlegungen, die die alte und die neue Welt im Vertrieb gleichermaßen berücksichtigt und integriert.

Eine Aussage, die mir in meiner beruflichen Laufbahn nicht nur im Zusammenhang mit vertrieblichen Fragestellungen regelmäßig begegnet ist, lautet sinngemäß: Wozu neue Methoden und Prozesse einführen, die dann ja doch nicht gelebt werden?

Ohne nun auf die Bedeutung und das Vorgehen eines professionellen Change Managements bei der Einführung neuer Instrumente in Unternehmen einzugehen, gibt es ein zentrales Erfolgsgeheimnis bei der Einführung des im Folgenden vorgestellten Methoden-Sets: Alle an der Entwicklung und Umsetzung der Vertriebsstrategie beteiligten Anspruchsgruppen im Unternehmen sollten Anteil daran haben. Unternehmenspolitische Aspekte sollten ebenso einfließen wie rein kaufmännische Fragestellungen. Schließlich muss das nicht zu unterschätzende Bauchgefühl erfahrenerer Vertriebsmitarbeiter gleichermaßen berücksichtigt werden.

Nur wenn sich alle Beteiligten in der gemeinsam entwickelten Vertriebsstrategie wiederfinden, werden sie nicht nur am gleichen Strang, sondern auch in die gleiche Richtung ziehen.

[20]1.2 Aufbau und roter Faden des Buchs

Leitgedanke allen vertrieblichen Handelns sollte die Frage sein, mit welchen Kunden und in welcher Intensität eine für beide Seiten ebenso ertragreiche wie nutzenstiftende Zusammenarbeit möglich ist. Im Umkehrschluss bedeutet dies aber auch, dass es Kundenbeziehungen gibt, in die besser weniger, im Extremfall sogar gar keine Ressourcen mehr investiert werden dürfen.

Was sich in der Theorie recht einfach liest, erfordert in der Praxis klare und manchmal durchaus schwierige, weil weitreichende Entscheidungen. Denken Sie nur daran, wie es sich anfühlt, dem Account-Manager, der einen Kunden über Jahre sehr gut und gerne betreut hat, die Entscheidung mitzuteilen, dass die Kundenbeziehung zu beenden ist – von der Kommunikation gegenüber dem Kunden einmal ganz schweigen.

Die im Folgenden beschriebene Systematik stellt sicher, dass Sie Ihre vertriebsstrategischen Entscheidungen künftig auf einer soliden, für alle Beteiligten transparenten und somit nachvollziehbaren Grundlage fällen. Diese umfasst vier Kernelemente:

Methodik zur Entwicklung einer Vertriebsstrategie

Wer die Wahl hat, hat die Qual – das gilt auch für den Vertrieb. Und der sieht sich oftmals einer zu großen, einer zu heterogenen oder einer zumindest auf den ersten Blick schwer zu differenzierenden Menge an potenziellen Zielkunden für das zu vermarktende Leistungsportfolio gegenüber.

Ausgehend von Überlegungen, wie die Grundgesamtheit der potenziellen Kunden innerhalb des relevanten Marktes segmentiert und anschließend je Segment priorisiert werden kann, werden segmentspezifische Kundenportfolios entwickelt.

Daran anschließend werden innerhalb dieser Segmentportfolios und darin wiederum je Priorisierungskategorie kundenindividuelle Vertriebsstrategien abgeleitet.

Im Sinne eines Gegenstromverfahrens ergibt sich auf diese Weise zum einen eine auf der Ebene von kundenindividuellen Priorisierungen entwickelte Vertriebsstrategie für jedes einzelne Kundensegment. Aggregiert über alle Segmente entsteht zudem parallel eine Gesamtvertriebsstrategie, die rückblickende Werte ebenso einbezieht wie potenzialorientierte, zukünftige Erwartungsgrößen.

[21]Instrumente zur Anpassung der Vertriebsstrategie an neue Rahmenbedingungen

In Zeiten sich schnell verändernder Rahmenbedingungen und disruptiver Märkte darf eine Vertriebsstrategie nicht in Stein gemeißelt sein. Sie muss vielmehr so angelegt sein, dass vertriebliche und damit unternehmerische Risiken beherrscht und gleichzeitig die sich bietenden Chancen genutzt werden können.

Als zentrales Instrument wird vor diesem Hintergrund ein ganzheitliches Vertriebsstrategie-Portfolio erarbeitet. Damit ist es möglich, ausgehend von einer Chancen- und Risiko-Abschätzung die einmal ausgearbeitete Vertriebsstrategie zu dynamisieren und an unterschiedliche Szenarien iterativ anzupassen.

Vorgehen bei der Umsetzung der Vertriebsstrategie in der Praxis

Kundenzufriedenheit ist für ein Unternehmen (überlebens-)wichtig, ich denke, da sind wir uns einig. Aber nicht um jeden Preis.

Neben der aus Kundensicht gern gesehenen optimierten Betreuung durch das Vertriebsteam gibt es auch die Sichtweise des Unternehmens bzw. des Unternehmers. Diese umfasst naturgemäß die Indikatoren Umsatz- und Ertragssteigerung. Mit der Ressourceneffizienz wird ein weiteres und sehr wesentliches Beurteilungskriterium für die nachhaltig erfolgreiche Umsetzung der Vertriebsstrategie eingeführt und in seinen wesentlichen Teilen beschrieben.

Zum rein zahlenbasierten Ressourcenmanagement gesellen sich organisatorische, prozessuale und digitale Themen. Im Fokus stehen hier unter anderem das bekannte Hunter-Farmer-Modell, die sich verändernde Rolle des Vertriebsinnendienstes in der Customer Journey, ein beispielhafter und ressourcenschonender Teil-Prozess im Vertrieb und nicht zuletzt die Auswirkungen der Digitalisierung auf den Vertrieb insgesamt.

Ausgewählte agile Methoden, die sich für den Einsatz in Vertriebsorganisationen insbesondere vor dem Hintergrund einer Effizienzsteigerung empfehlen, runden die Betrachtung ab.

Verfahren zur Steuerung der Vertriebsstrategie

Vertriebsziele zu erreichen ist motivierend, denn es bedeutet, erfolgreich zu sein. Diese motivierende Wirkung entfalten Zielsetzungen allerdings nur, wenn deren Zustandekommen für den Einzelnen nachvollziehbar ist, sie als erreichbar empfunden werden, und wenn auf deren Ausgestaltung Einfluss genommen werden kann – soweit die individuelle Sicht des Vertriebsteams.

Die Sichtweise der Unternehmensleitung geht naturgemäß über die rein vertriebliche Betrachtung hinaus. Sie definiert Unternehmensziele, aus denen die Vertriebsziele insgesamt und daraus wiederum die individuellen Ziele innerhalb des Vertriebsteams abgeleitet werden.

[22]Die Planung und Steuerung der Vertriebsstrategie unter Berücksichtigung beider Perspektiven in Form eines integrierten Top-down- und Bottom-up-Prozesses wird allen Beteiligten gerecht. Durch das iterative Vorgehen wird zudem sichergestellt, dass auf Planabweichungen frühzeitig und angemessen reagiert werden kann. Zudem wird auf diese Weise sichergestellt, dass Lerneffekte nach jeder Iteration automatisch in die Gesamtplanung einfließen.