Dolmetschen im Medizintourismus

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Katia Iacono

Dolmetschen im Medizintourismus

Anforderungen und Erwartungen an DolmetscherInnen in Deutschland und Österreich

Narr Francke Attempto Verlag Tübingen

Inhalt

Fußnoten

1.1 Begriffsdefinition und -abgrenzung

Illings Definition baut auf der Studie von Parsons (1967: 71) auf.

Dabei stützt sich Quast auf Rulle (2004: 133). Sowohl Quast als auch Berg verwenden in ihrer Terminologie keine gendergerechte Sprache.

Für die österreichische Rechtsordnung kann §3 Abs 4 in Verbindung mit §2 ÄrzteG 1998 herangezogen werden.

1.2 Die wirtschaftliche Bedeutung des Medizintourismus

Weltweit betrachtet befinden sich die führenden medizintouristischen Zieldestinationen in Südostasien (vgl. Kirsch 2017: 8).

Eines der Hauptprobleme bei der Erforschung des Medizintourismus liegt vermutlich in der uneinheitlichen Verwendung der Begriffe Gesundheits- und Medizintourismus. Je nach Definition variieren die zu analysierenden Daten sehr stark – und mit ihnen die Ergebnisse der Studien.

Ein Beispiel für eine gute Vernetzung im Medizintourismus ist die endogap Klinik für Endoprothetik im Klinikum Garmisch-Partenkirchen in Deutschland (vgl. Cassens 2013: 58). Hier werden gelenkersetzende chirurgische Eingriffe durchgeführt. Durch die Zusammenarbeit mit Hotels aus der Umgebung kann für die Unterbringung der Begleitpersonen gesorgt werden.

Neben den Fachabteilungen der Kliniken, den WissenschafterInnen, PatientInnenvermittlerInnen, Botschaften und der Hotellerie nennt Kirsch unter anderem auch externe DolmetscherInnen sowie ÜbersetzerInnen.

Das für die Volkswirtschaft relevante Gesamtvolumen sollte deutlich höher sein, da zu den medizinischen Ausgaben noch weitere Aufwendungen (Transport, Übernachtungen, Einkäufe und weitere Dienstleistungen der PatientInnen und ihrer Begleitpersonen) für die Dauer des Aufenthaltes dazukommen.

1.4 Beweggründe für medizinische Reisen

Anzuführen wären hier außerhalb des europäischen Kontinentes etwa medizintouristische Reisen zwischen den USA und Mexiko, Singapur und Malaysia, Ruanda und Burundi (vgl. Connell 2015).

1.5 Das medizintouristische Angebot

Der Terminus Produkt wird in Quasts Studie sowie in der vorliegenden Studie nach Kotler et al. (2011) definiert und daher mit Dienstleistung gleichgesetzt.

1.5.2 Dienstleistungskette im Medizintourismus

Viele PatientInnen reisen nicht alleine und unternehmen in der Zeit, die nicht für die medizinische Behandlung vorgesehen ist, auch touristische Aktivitäten (Connell 2011: 170).

1.6 PatientInnentypen

An dieser Stelle soll darauf hingewiesen werden, dass Mainil zu den KritikerInnen des Begriffs Medizintourismus gehört. Wie einige andere WissenschafterInnen bevorzugt er den englischen Terminus transnational patient mobility.

1.8 Ethik und Medizintourismus

Vgl. dazu auch Connell 2011: 162.

2.1 Medizin und Kommunikation

Wenn PatientInnen eine Reise auf sich nehmen, um eine auswärtige ärztliche Praxis oder ein ausländisches Krankenhaus aufzusuchen, ist es sehr wahrscheinlich, dass sie zuvor bereits einige ÄrztInnenbesuche mit Vordiagnosen hinter sich gebracht haben (vgl. Reisewitz 2015: 28).

Adherence bezieht sich auf die Einhaltung einer ärztlich verschriebenen Therapie. Der früher oftmals verwendete Begriff compliance wird immer häufiger durch adherence ersetzt, da er auf einer weniger paternalistischen und daher weniger autoritären Beziehung zwischen ÄrztInnen und PatientInnen basiert (vgl. Koerfer/Albus 2015: 117).

2.1.1 Die Beziehung zwischen ÄrztIn und PatientIn

Obwohl die partizipative Entscheidungsfindung zum Maßstab geworden ist, wird sie nicht von allen PatientInnen bevorzugt (vgl. Bührig/Meyer 2015: 310). Dies kann auf kulturbedingte und sprachliche Faktoren, aber auch auf persönliche Präferenzen zurückgeführt werden. Generell nimmt beim Umgang mit den verschiedenen PatientInnen die Kommunikationsfähigkeit der ÄrztInnen eine wichtige Rolle ein (vgl. Bührig/Meyer 2015: 311).

2.1.2 Institutionelle Kommunikation und Struktur der medizinischen Gespräche

In Abb. 2 liegt der Fokus auf der medizinischen Kommunikation in den rein medizinischen Abteilungen des Krankenhauses. Aus diesem Grund finden nicht medizinische Beteiligte keine Berücksichtigung.

2.1.3 Gesprächsformen und Textsorten der medizinischen Kommunikation

Eine ausführliche Systematik der ÄrztInnen-PatientInnen-Interaktionen bietet Nowak 2010.

In Crezee (2013: 44f.) findet sich eine Auflistung möglicher Fragen, die den PatientInnen in diesem Zusammenhang gestellt werden können.

In der sprachwissenschaftlichen Literatur (vgl. u.a. Busch/Spranz-Fogasy 2015) wird häufig davon ausgegangen, dass die Fragen der ÄrztInnen immer bewusst formuliert werden und eine bestimmte Form aufweisen. Andererseits sollten auch jene sprachwissenschaftlichen (vgl. u.a. Sator/Jünger 2015) oder medizinischen (vgl. u.a. Hladschik-Kermer 2015) Publikationen nicht außer Acht gelassen werden, in denen fehlende Kommunikationsfähigkeit der ÄrztInnen sowie eine Marginalität der kommunikativen Kompetenz in der medizinischen Ausbildung behandelt werden.

Ausführliche Informationen zu Aufklärungsgesprächen und den Herausforderungen beim Dolmetschen finden sich z.B. in Meyer 2000 und 2006.

In diesem Zusammenhang sollte darauf hingewiesen werden, dass in vielen Studien zur verdolmetschten medizinischen Kommunikation die untersuchten DolmetscherInnen Laiendolmetschende sind.

Eine Ausnahme ist Crezee (2013: 64ff.), die sich in ihrem Buch zum Medizindolmetschen ausführlich mit dem Aufnahmevorgang auseinandersetzt.

Als Ausnahme kann das Aufnahmegespräch gesehen werden, das auch vom Empfangspersonal in der ärztlichen Praxis oder im Untersuchungslabor geführt werden kann.

Im Rahmen des Aufnahmegesprächs werden außerdem ein Anamnesegespräch mit dem Krankenpflegepersonal und ein Anamnesegespräch mit einer/einem InternistIn, in denen der gesundheitliche Zustand der/des PatientIn ermittelt wird, geführt.

Im Fall von Minderjährigen unterschreiben in der Regel die Eltern (vgl. Crezee 2013: 89).

Rechtlich ist das Verfassen eines ärztlichen Briefs nach einer ambulanten Untersuchung oder Behandlung nicht klar geregelt (vgl. Möller/Makoski 2015).

2.1.4 Ethnomedizinische Aspekte

So darf man sich in Europa über Kopfschmerzen beschweren, aber nicht, wie in Malaysia oder Südchina üblich, darüber, dass „sich sein Penis in den Körper zurückzieht“ (Lalouschek 2008: 32).

Laut Bechmann (2014: 221) sind diese Ausdrücke auf die Beobachtung zurückzuführen, dass insbesondere südländische PatientInnen „zu einer oft ungewöhnlich starken und globalen Schmerzäußerung neigen“.

2.2 Sprachbarrieren im Gesundheitswesen

Eine weitere systematische Untersuchung ist jene von Bischoff und Loutan (2004), die sich mit den Sprachbarrieren in den Schweizer Krankenhäusern auseinandersetzt. Bischoff und Loutan (2004: 181) stellen in ihrer Studie fest, dass nur 14% der Krankenhäuser häufig DolmetscherInnen einsetzt. In den meisten Fällen wird entweder auf die Verwandten der PatientInnen (79%) oder auf das medizinische Personal (75%) sowie auf das nicht medizinische Personal (43%) zurückgegriffen.

Über 85% der PatientInnen sind türkischer Herkunft, 10% stammen aus anderen Ländern und nur ca. 5% der PatientInnen sind Deutsche (vgl. Parmakerli 2009: 159).

In diesem Zusammenhang ist zu beobachten, dass ForscherInnen aus anderen Disziplinen (vgl. u.a. Hoefert 2008, Reisewitz 2015, Bialk-Wolf et al. 2017) vermehrt dazu neigen, sich ausschließlich auf die Relevanz der Fachsprache oder des Fachwortschatzes zu konzentrieren und dabei andere Kompetenzen wie beispielweise die Kenntnisse der institutionellen Kommunikation und ihrer Abläufe vernachlässigen (vgl. zu den Kompetenzen Kadrić 2011: 27).

Die Studie von Locatis et al. (2010) untersucht die dolmetschvermittelte Kommunikation mit 241 spanischsprachigen PatientInnen in 24 US-amerikanischen medizinischen Einrichtungen.

2.3 Rollen und Aufgaben der DolmetscherInnen in der Kommunikation

Dies gilt insbesondere für den deutschsprachigen Raum, wo außerhalb von Konferenzsettings häufig nicht ausgebildete Dolmetschende eingesetzt werden.

2.4 Sichtbarkeit der DolmetscherInnen

Eine umfassende Auseinandersetzung mit der Koordination seitens der DolmetscherInnen findet sich in Baraldi/Gavioli 2012.

2.5 Forschung zum Dolmetschen im Medizintourismus

An dieser Stelle muss angemerkt werden, dass die von Kaspar berücksichtigten dolmetschenden Personen nicht ausschließlich ausgebildete SprachdienstleisterInnen sind.

Lee beschreibt medical tourists als jene Menschen, „who visit Korea for economical and advanced medical services“ (Lee 2015: 443).

Die Dolmetschausbildung wird von den PatientInnen nur teilweise als wichtig erachtet – wie auch in anderen medizinischen Settings.

In diese Tabelle fließen auch die Funktionen des ÄrzInnen-PatientInnen-Gesprächs nach Bechmann (2014: 178ff.) mit ein.

Meistens sitzen die DolmetscherInnen zusammen mit den PatientInnen (und ihren Begleitpersonen) im Warteraum der medizinischen Institution und dolmetschen nur bei konkretem Bedarf.

2.6 Professionelles translatorisches Handeln im Medizintourismus

Das Endprodukt der Translation kann insofern als kreativ bezeichnet werden, als dabei „das sach- und kulturbezogene Wissen aktiviert und eigenständige Texte unter Verwendung des analytisch-synthetisch-evaluativ bereitgestellten Materials produziert“ werden (Kadrić 2009: 26).

Alle an der Interaktion beteiligten AkteurInnen können als KundInnen der DolmetscherInnen betrachtet werden. Vor diesem Hintergrund ist zu bedenken, dass jede KundInnengruppe bestimmte Erwartungen an die DolmetscherInnen und an deren Dienstleistung stellt (vgl. 3.1). Insbesondere die Erwartungen der Vermittlungsinstanzen unterscheiden sich in mancher Hinsicht von denen anderer KundInnen: Pünktlichkeit und eine reibungslose Auftragsabwicklung können für sie wichtiger als die translatorische Kompetenz der DolmetscherInnen sein (vgl. Ozolins 2007: 125).

Neben den mit ihren AuftraggeberInnen vertraglich vereinbarten Verpflichtungen sollten DolmetscherInnen als ExpertInnen ebenso gegenüber den anderen an der Interaktion beteiligten Personen bestimmte Verpflichtungen einhalten. Für Mitglieder von Berufsverbänden ist in diesem Zusammenhang der jeweilige Ethikkodex ausschlaggebend. So nennt der österreichische Berufsverband UNIVERSITAS in seiner Ehrenordnung folgende Verpflichtungen: Unvoreingenommenheit, Pünktlichkeit, Qualifikation und Verschwiegenheit (vgl. UNIVERSITAS 2017). Der bundesdeutsche Berufsverband BDÜ (vgl. BDÜ 2014) fügt darüber hinaus die Pflicht hinzu, „Missverständnisse und falsche kulturelle Schlussfolgerungen aufzuklären“.

3 Erwartungen und Anforderungen an DolmetscherInnen

So definiert Risku (2016b: 44) eine Anforderung als „Bezeichnung für eine Voraussetzung […], die für das kontinuierliche, situativ adäquate Erfüllen einer Aufgabe notwendig ist“.

3.1.1 Erwartungen an die Qualität der Leistung

Für ihre Untersuchung hatte Bühler (1986) 16 Qualitätskriterien definiert, die sowohl die sprachliche (wie z.B. logischer Zusammenhang oder grammatikalische und terminologische Korrektheit) als auch die außersprachliche Dimension der Textproduktion (wie z.B. ein sicheres Auftreten oder eine angenehme Stimme) berücksichtigten. Anhand des entwickelten Fragebogens bestimmten 47 AIIC-Mitglieder, welche Kriterien für die Qualität der Dolmetschleistungen wichtig waren. Die Schlussfolgerung aus der Studie lautete, dass DolmetscherInnen und ZuhörerInnen die gleichen Erwartungen haben.

Während Inhaltstreue, logischer Zusammenhang und terminologische Korrektheit von beiden Gruppen als wichtige Kriterien betrachtet wurden, wurden zum Beispiel die restlichen Kriterien von den NutzerInnen als weniger relevant eingestuft.

Eine der bekanntesten Replikationen ist jene von Collados Aís et al. (2011), die zu ähnlichen Ergebnissen kommt.

Als relevanteste Kriterien wurden eine vollständige und simultane Wiedergabe, rhetorische Fähigkeiten sowie eine lebendige und angenehme Stimme (vgl. Moser 1996: 8) erwähnt.

3.1.2 Erwartungen an das Aufgabenprofil und an die Kompetenzen

Diese stellt eine Art Dolmetschpool dar, der Menschen mit unzureichenden Französisch- oder Englischkenntnissen den Zugang zur medizinischen Versorgung ermöglichen soll.

Eine weitere Erkenntnis aus dieser Studie ist, dass sich die PatientInnen von den DolmetscherInnen nicht nur erwarten, dass sie das Gesagte wiedergeben, sondern auch dass sie Erklärungen zu institutionellen Abläufen liefern.

3.2.1 Dolmetschkompetenzmodelle

Kalinas (2002: 126f.) Fokus liegt zwar auf dem Bereich des Konferenzdolmetschens, die meisten Kompetenzen sind aber unabhängig vom Dolmetschmodus von großer Relevanz.

3.2.2 Sprach- und Kulturkompetenz

Neben der aktiven Beherrschung der Muttersprache(n) und Fremdsprache(n) soll laut Kadrić (2009: 214f.) ferner explizites Wissen über die Sprache und deren Verwendung vorhanden sein.

3.2.4 Vorbereitungs- und terminologische Kompetenz

In diesem Zusammenhang soll hervorgehoben werden, dass den DolmetscherInnen im Bereich Medizin nicht immer ausreichend Vorbereitungsmaterial zur Verfügung gestellt wird.

Dies erscheint insbesondere in Anbetracht der Tatsache relevant, dass DolmetscherInnen von MedizinerInnen manchmal fehlende Kompetenz hinsichtlich medizinischer Inhalte und medizinischer Fachsprache vorgeworfen wird. Aus diesem Grund wird für Dolmetschungen im medizinischen Bereich manchmal das mehrsprachige medizinische Personal den DolmetscherInnen zur Überwindung von Sprachbarrieren im Gesundheitswesen vorgezogen (vgl. Bialk-Wolf et al. 2017: 77).

3.2.8 Businesskompetenz

Tipton und Furmanek (2016) plädieren für eine vierte Phase, die sie in-between events nennen und die in der Zeit zwischen den Untersuchungen erfolgt.

Neben Risku (2016a) fließen in das erstellte Dolmetschmanagementmodell auch die Erkenntnisse von Kutz (2010: 287ff.) hinsichtlich der Vorbereitung auf einen Dolmetschauftrag, die Erkenntnisse von Tipton und Furmanek (2016: 117ff.) betreffend die Einteilung der Interaktionen sowie eigene Erkenntnisse, die aus der für die vorliegende Studie durchgeführten Beobachtung gewonnen wurden, mit ein.

Dabei sollen die Vorschriften der am 25.05.2018 in Kraft getretenen neuen Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) eingehalten werden, die medizinische Daten als sensible Daten behandeln.

In der Literatur zu dolmetschvermittelten medizinischen Gesprächen werden üblicherweise drei Möglichkeiten der Raumpositionierung der DolmetscherInnen geschildert: neben den PatientInnen, neben den ÄrztInnen oder anderen VertreterInnen der medizinischen Institution sowie in der Mitte, zwischen den Parteien. Jede der drei Raumpositionen lässt Spielraum für eine bestimmte Interpretation hinsichtlich der DolmetscherInnenrolle offen. Für welche Raumposition sich die DolmetscherInnen entscheiden, wird letztendlich von verschiedenen Faktoren wie der Dolmetschart und -medialität beeinflusst: Beim Flüsterdolmetschen wird zum Beispiel die Nähe zu den PatientInnen gesucht (vgl. Felgner 2009: 61), beim Videodolmetschen stehen hingegen kaum Möglichkeiten zur Positionierung zur Verfügung. Des Weiteren finden DolmetscherInnen oft bestimmte Raumkonfigurationen vor Ort vor, die sie nicht verändern können. Die Anzahl an Menschen, die sich im Untersuchungsraum befinden, beeinflusst ebenfalls die Raumpositionierung (vgl. Felgner 2009: 60). Sind mehrere Personen an der medizinischen Kommunikation beteiligt, ist es umso wichtiger, dass die DolmetscherInnen den Überblick über die gesamte kommunikative Situation bewahren. Auch die körperliche Verfassung der PatientInnen ist ein eminenter Faktor (vgl. Felgner 2009: 60): Rollstuhl oder Gehhilfen, Seh- oder Hörbehinderungen können die Entscheidung der DolmetscherInnen, sich an einer bestimmten Stelle im Raum zu positionieren, beeinflussen.

Weitere Konsequenzen wie das Entstehen eines Entfremdungsgefühls bei Ferndolmetschszenarien werden in Havelka 2017 genauer beschrieben.

4.1.1 Die teilnehmende, verdeckte Beobachtung

Zwecks der Transparenz wird der Ausdruck Dolmetscherin/Autorin immer dann verwendet, wenn die Dolmetscherin und die Autorin der vorliegenden Studie die gleiche Person sind. In allen anderen Fällen (z.B., wenn die InterviewpartnerInnen Bezug auf DolmetscherInnen im Allgemeinen nehmen) wird die Bezeichnung DolmetscherInnen verwendet.

An dieser Stelle muss präzisiert werden, dass nicht die Menschen, sondern ihre Erwartungen und Wünsche Gegenstand der Beobachtung darstellten, wodurch die verdeckte Beobachtung aus ethischer Sicht vertretbar erschien. Allerdings musste auf die Beschreibung der GesprächsprotagonistInnen sowie des Beobachtungsfeldes verzichtet werden, um die Privatsphäre aller Beteiligten zu wahren. Darüber hinaus wurden fast die Hälfte der beobachteten PatientInnen und alle beobachteten VertreterInnen der medizinischen Institution im zweiten Teil der Forschungsphase interviewt. Im Vorfeld war ihnen mitgeteilt worden, dass die von ihnen angefragten und in Anspruch genommenen Leistungen beobachtet worden waren.

Wie in Kapitel 3 beschrieben, ist diese Gliederung darüber hinaus mit der Einteilung der California HealthCare Interpreting Association vergleichbar, die zwischen pre-event, event/interaction time und post-event unterscheidet (vgl. Tipton/Furmanek 2016: 117).

Die medizinischen Reisen wurden in unterschiedliche Typen eingeteilt. Auf die Typen und deren Unterschiede wird in Kapitel 5 näher eingegangen.

In diesem Fall wurde nach einer/einem DolmetscherIn für Italienisch verlangt, obwohl die Muttersprache der Begleitpersonen Rumänisch war, da die Begleitpersonen bereits seit Jahren in Italien gelebt hatten, der italienischen Sprache mächtig waren und die Krankengeschichte der/des betroffenen PatientIn auf Italienisch kannten.

4.1.2 Die ethnografischen Interviews

Ein Interview wurde auf Wunsch der interviewten Person auf Spanisch geführt.

F steht für Fachpersonal und umfasst die beteiligten vier Ärzte, die Krankenschwester und die Mitarbeiterin aus dem Praxismanagement.

Aus diesem Grund wurde auch auf Mehrfachauswahlfragen (vgl. Atteslander 2010: 146) verzichtet, die eher für eine schriftliche, stärker strukturierte Befragung passend erschienen. In ersten Testinterviews wurde der Einsatz von Mehrfachauswahlfragen getestet, allerdings kritisierten die interviewten Testpersonen dieses Frageformat: Sie hatten das Gefühl, die Autorin erwartete von ihnen nur bestimmte Antworten und wollte nichts von ihren persönlichen Erfahrungen hören.

Auslassungen aus technischen Gründen oder auf Wunsch der InterviewpartnerInnen.

Aus diesem Grund wurden keine Nennungen gezählt.

4.2 Phase 2 – Expertinneninterviews

Es wurden 15 Dolmetscherinnen interviewt. Ein Interview konnte nicht für die vorliegende Studie berücksichtigt werden, da sich im Nachhinein herausstellte, dass die betroffene Dolmetscherin nicht im Medizintourismus tätig war.

In diesem Zusammenhang war es nicht von Bedeutung, ob die Dolmetscherinnen bislang nur für dieselbe/denselben PatientIn oder für mehrere unterschiedliche PatientInnen gedolmetscht hatten.

Diese Kategorie wurde nach dem gleichnamigen Lehrgang am Postgraduate Center der Universität Wien (vgl. ZK 2017) benannt, bei dem der Fokus auf neue Medien und technikbasierte Systeme für das Dolmetschen (unter anderem im Gesundheitswesen) gelegt wird.

4.3 Phase 3 – Online-Erhebung

In diesem Fall wurde LimeSurvey so konfiguriert, dass das Ausfüllen der Erhebung pro IP-Adresse jeweils nur einmal gestattet war.

4.4 Gütekriterien der Studie

Dies ist auch in Abb. 5 ersichtlich. Hier ist Phase 1 lediglich mit Phase 2 verbunden: Aus Phase 1 entspringt nämlich keiner der Pfeile, die die Forschungsphasen direkt mit den Forschungsfragen verbinden.

5.2.1 Vor der medizinischen Reise

Im Laufe der Interviews von Phase 1 stellte sich heraus, dass das Team von Arzt 1 für manche Sprachen mit einer Dolmetschagentur zusammenarbeitete. Lediglich für Italienisch und einige andere Sprachen wurde direkt mit DolmetscherInnen kooperiert.

Hierbei handelt es sich um eine Reise, die nach dem Beobachtungszeitraum erfolgte. Das Videodolmetschen ersetzte in diesem Zusammenhang nicht das klassische Dolmetschen vor Ort, sondern wurde als zusätzlicher Service angeboten, um die Machbarkeit der Behandlung im Voraus zu eruieren.

Bei Vorliegen eines gültigen E112(S2)-Formulars kann das Krankenhaus in Österreich einen Teil der Kosten (in der Regel die Kosten für die Unterbringung) über den Auslandsfonds der Gebietskrankenkasse abrechnen, die ihrerseits die Kosten der ausländischen Sozialversicherung weiter verrechnet. Weitere Kostenstellen (z.B. betreffend Labor, Anästhesie und OP-Honorar) sind in der Regel von den PatientInnen privat zu tragen (Aufzahlung für die WahlärztInnenbehandlung).

Nach dem Beobachtungszeitraum wurde z.B. für eine/einen PatientIn gedolmetscht, die/der sogar eine weitere Bescheinigung durch die italienische Botschaft in Wien vor dem operativen Eingriff im Ausland benötigte. In diesem Fall musste die Botschaft ein Zertifikat über die Rechtsform des für die beabsichtigte Behandlung gewählten Krankenhauses ausstellen, das von der italienischen Sozialversicherung benötigt wurde, um die Machbarkeit einer direkten Rückerstattung der Kosten zu eruieren.

Während der Durchführungszeit von Phase 1 und Phase 2 war die Datenschutz-Grundverordnung der Europäischen Union noch nicht in Kraft getreten. Aus diesem Grund bestand noch kein Bedarf an einer gesonderten Einwilligung durch die PatientInnen zur Verarbeitung und Archivierung sensibler Daten.

5.2.2 Während der medizinischen Reise

Die PatientInnen von Arzt 1 konnten solche PatientInnenbögen mithilfe der Mitarbeiterin im Herkunftsland verstehen und ausfüllen.

5.2.3 Nach der medizinischen Reise

In Fall 25 führten einige Missverständnisse dazu, dass die Begleitpersonen die Dolmetscherin/Autorin und nicht das Team des Arztes kontaktierten.

5.3 Interviews: Rahmenbedingungen

Dabei handelte es sich um eine dolmetschende Begleitperson der/des PatientIn, die diese/n schützen wollte und ihr/ihm daher den Inhalt des Gesprächs vorenthielt.

Im Beispiel F03, 47–47 erzählt der interviewte Arzt eine Episode, in der er eine dolmetschvermittelte Kommunikation, an der ein anderer Arzt beteiligt war, beobachten konnte.

An dieser Stelle soll angemerkt werden, dass die erwähnte Dolmetscherin während eines Notfalls im Krankenhaus via Telefon zugeschaltet wurde. Es handelte sich dabei um eine nicht geplante medizinische Reise, sondern um eine Spontanbehandlung, bei der die Dolmetschung aus der Ferne erfolgte. Sowohl der Modus als auch die fehlende Vorbereitungsmöglichkeit könnten für das Auftreten von Kommunikationsproblemen ausschlaggebend gewesen sein.

In diesem Fall war Italienisch nicht die Muttersprache der dolmetschenden Person.

Diese Frage wurde den PatientInnen dieser Studie nicht gestellt, da die meisten von ihnen nicht über ausreichende Fremdsprachenkenntnisse verfügten, und es aus diesem Grund unmöglich erschien, dass sie sich ohne Dolmetschvermittlung mit den VertreterInnen der medizinischen Institution verständigen könnten.

An dieser Stelle soll daran erinnert werden, dass das Leistungspaket von Arzt 1 eine/einen DolmetscherIn umfasste. PatientInnen durften daher das Beratungsgespräch mit dem Arzt nicht ohne DolmetscherInnen führen. Nur wenn keine ausgebildeten DolmetscherInnen oder dolmetschenden Personen aus dem medizinischen Bereich verfügbar waren, wurde auf dolmetschende Bekannte oder Familienangehörige zurückgegriffen.

5.4 Interviews: Erwartungen an die Qualität und Leistungen

Bei diesem Dolmetschauftrag ließ sich die Dolmetscherin/Autorin durch eine Kollegin vertreten. Das Auto wurde von den Begleitpersonen in einer Parkverbotszone abgestellt, was dazu führte, dass das Auto abgeschleppt wurde.

6.1 Rahmenbedingungen: Dolmetschen im Medizintourismus

Die EU-Datenschutzgrundverordnung trat erst nach Führung der Expertinneninterviews in Kraft. Mittlerweile müssen DolmetscherInnen in der Medizin weitere Schritte im Rahmen der Aufzeichnung von PatientInneninformationen unternehmen, da diese Informationen sowohl persönliche als auch sensible Daten gemäß der DSGVO darstellen und deren Verarbeitung und Speicherung eine ausdrückliche schriftliche Einwilligung benötigen.

6.2 Aufgabenprofil der DolmetscherInnen im Medizintourismus

Ähnliches wurde auch in Phase 1 beobachtet.

6.3 Zufriedenheit mit der Dolmetschtätigkeit im Medizintourismus

D08 war die einzige interviewte Dolmetscherin, die in einer Stadt mittlerer Größe in Österreich lebte.

7.1 Demografische und allgemeine Daten

Die/der DolmetscherIn mit Wohnsitz in Italien begleitete PatientInnen nach Österreich oder Deutschland.

Die Antworten werden in der Form wiedergegeben, in der sie von den Befragten verfasst wurden.

Die Angabe des Fachgebiets „Medizin“ könnte z.B. sowohl auf die Dolmetschtätigkeit in der ÄrztInnen-PatientInnen-Kommunikation als auch auf die Konferenzdolmetschtätigkeit hinweisen.

7.2.1 Beschreibung der Dolmetschtätigkeit im Medizintourismus

Die starke Präsenz von Italienisch als Arbeitssprache in Zweig 1 der Online-Erhebung dürfte vermutlich auf das Netzwerk der Autorin sowie auf die Wahl des Schneeballeffekts als Methode für die Verbreitung des Umfragelinks zurückzuführen sein.

Psychologie stellt im engeren Sinne keinen medizinischen Bereich dar. Die Konzeption der Antwortmöglichkeiten für dieses Item wurde aber auf Basis der typischen Benennungen für Krankenhausabteilungen erstellt, zu denen auch die klinische Psychologie gehört.

7.2.2 PatientInnen

Dabei beinhalten die Originalangaben nicht nur die Namen einzelner Länder, sondern auch geografische Regionen und/oder politische und wirtschaftliche Ländergruppen.

Die Frage wurde bewusst allgemein formuliert, um die DolmetscherInnen nicht zu beeinflussen. In der Folgefrage wurden mögliche Unterschiede, die in den Expertinneninterviews angegeben worden waren, zur Auswahl angeboten.

7.2.3 Dolmetschmodus und Angebot

Die Antwortmöglichkeit „Dolmetschen“ dürfte keine 100% erhalten haben, da aufgrund der Mehrfachantwortmöglichkeit vermutlich manche DolmetscherInnen vergaßen, den Punkt „Dolmetschen“ zu selektieren.

7.2.4 Herausforderungen und Kompetenzen

Von jenen DolmetscherInnen, die ihre Zufriedenheit mit den erzielten Honoraren als 1 und 4 einstuften, äußerte niemand den Wunsch, die Businesskompetenz auszubauen.

7.3.1 Beschreibung der Dolmetschtätigkeit

Dass Italienisch auch in Zweig 2 so stark vertreten war, könnte – wie bereits für Zweig 1 vermutet – auf die Verbreitung der Online-Erhebung durch den Schneeballeffekt zurückzuführen sein, da sich im Netzwerk der Autorin viele DolmetschkollegInnen mit Italienisch als Arbeitssprache befanden.

Die Antworten werden wie für Zweig 1 der Online-Erhebung in der Form wiedergegeben, in der sie von den Befragten verfasst wurden.

7.3.2 Medizintourismus

Warum die Antwortmöglichkeit „Dolmetschen“ nicht 100% erhielt, könnte auf die Mehrfachantwortmöglichkeit der DolmetscherInnen zurückzuführen sein. Dass einige DolmetscherInnen keine Dolmetschleistung im Medizintourismus anbieten, sollte eine weniger wahrscheinliche Erklärung darstellen.

8.1 PatientInnen und Institutionen

In diesem Zusammenhang stellt sich allerdings die Frage, ob dies auch ein Spezifikum des medizinischen Bereichs im Allgemeinen ist.

8.2 Dolmetschaufträge im Medizintourismus

Dolmetschpools werden üblicherweise von Nichtregierungsorganisationen betrieben und bieten kostengünstige Dolmetschdienstleistungen für Menschen mit Migrationshintergrund an.

8.4 Implikationen für die Didaktik sowie die transdisziplinäre Zusammenarbeit

Hier ging es konkret um Studierende des Masterstudiums „Dolmetschen“ sowie des Studiums „Medizin“ im dritten und vierten Semester.

8.5 Implikationen für praktizierende DolmetscherInnen und Berufsverbände

Siehe dazu auch Kirsch (2017: 28).

Einleitung

DolmetscherInnen, die die Kommunikation zwischen PatientInnen und medizinischem Personal aus unterschiedlichen Sprach- und Kulturräumen dolmetschen, leisten einen wichtigen Beitrag zum Erfolg der medizinischen Beratungen bzw. Behandlungen und minimieren etwaige Risiken, die aufgrund von Missverständnissen entstehen können. In den meisten Fällen zielt die verdolmetschte Kommunikation darauf ab, anderssprachigen Menschen, die der Sprache des Landes, in dem sie leben, nicht mächtig sind, Zugang zum Gesundheitswesen zu ermöglichen. Es handelt sich hierbei in der Regel um Menschen mit Migrationshintergrund der ersten oder zweiten Generation, die die Landessprache nicht oder nicht ausreichend beherrschen, um ein medizinisches Gespräch vollständig zu verstehen. In unserer globalisierten Gesellschaft gibt es aber auch Situationen, in denen PatientInnen nicht im Land der medizinischen Institution, die sie aufsuchen, wohnhaft sind. Sie reisen aus medizinischen Gründen in ein anderes Land, um sich dort einer Behandlung zu unterziehen. Innerhalb der Europäischen Union werden solche Reisen durch die Richtlinie 2011/24/EU geregelt. Diese Mobilität von PatientInnen wird in der Fachliteratur mit verschiedenen Termini bezeichnet, die häufigsten im deutschsprachigen Raum sind Medizintourismus, Gesundheitstourismus und PatientInnenmobilität. Für die vorliegende Studie wurde aufgrund ihrer Verbreitung im deutschsprachigen Raum die Bezeichnung Medizintourismus gewählt.

In dieser Studie wird davon ausgegangen, dass das Dolmetschen in medizintouristischen Settings einzigartige Merkmale hinsichtlich der Dolmetsch(dienst)leistung aufweist und sich daher vom Dolmetschen in anderen medizinischen Settings unterscheidet. So setzt die Inanspruchnahme der benötigten medizinischen Leistung eine Reise in ein anderes Land voraus, deren Organisation mit Mühen und Aufwand verbunden ist. Darüber hinaus benötigen viele PatientInnen sowohl von den VertreterInnen medizinischer Institutionen als auch von den DolmetscherInnen zusätzliche Dienstleistungen organisatorischer Natur, um die medizinische Reise überhaupt bewältigen zu können. Der finanzielle und organisatorische Aufwand einer solchen Reise beeinflusst die Erwartungen der PatientInnen an die Behandlung sowie an das medizinische Personal und nicht zuletzt an die DolmetscherInnen. Dies führt wiederum zu einer Veränderung des Anforderungsprofils der DolmetscherInnen. In der vorliegenden Studie wird der Medizintourismus in den Zielländern Österreich und Deutschland untersucht. Die Wahl dieser beiden eher höherpreisigen medizintouristischen Zielländer, die über eine gute bis sehr gute medizinische Infrastruktur verfügen, wurde aus folgenden Gründen getroffen: Auf der einen Seite ist davon auszugehen, dass die Bereitschaft, Dolmetschservices in Anspruch zu nehmen, und die Erwartungen an alle beteiligten AkteurInnen – auch an die DolmetscherInnen – höher sind, wenn hoch spezialisierte und zumeist kostspielige medizinische Behandlungen angestrebt werden; auf der anderen Seite verfügte die Autorin aufgrund ihrer Dolmetschtätigkeit bereits über einen Zugang zu medizintouristischen Settings in Österreich.

 

Die Forschungsfragen der vorliegenden Studie lauten wie folgt:

  1. Wie sieht das translatorische Betätigungsfeld jener DolmetscherInnen aus, die in Deutschland und Österreich im Medizintourismus arbeiten? Was ist anders im Vergleich zum klassischen medizinischen Dolmetschen?

  2. Welche Erwartungen und Anforderungen werden von PatientInnen und ÄrztInnen an DolmetscherInnen im Medizintourismus gestellt? Welche zusätzlichen Kompetenzen benötigen sie dafür (z.B. Managementkompetenzen, unternehmerisches Denken, spezifisch medizintouristisch-institutionelles Wissen)?

  3. Inwieweit wären DolmetscherInnen bereit, diesen Erwartungen und Anforderungen gerecht zu werden? Wären sie bereit, außertranslatorische Aufgaben zu erfüllen und die dazu nötigen Kompetenzen zu erwerben?

 

Dabei werden Erwartungen wie folgt verstanden:

Als Anforderungen werden in Anlehnung an Risku (2016b: 44) die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Dolmetsch(dienst)leistung und somit hauptsächlich Kompetenzanforderungen verstanden.

 

Die Theorie des translatorischen Handelns (vgl. Holz-Mänttäri 1984) und der pragmatische bzw. soziologische dolmetschwissenschaftliche Ansatz (vgl. u.a. Wadensjö 1998 und Roy 2000) bilden den theoretischen Rahmen der vorliegenden Studie. Im Sinne des translatorischen Handelns werden DolmetscherInnen als ExpertInnen verstanden, die den Bedarf ihrer BedarfsträgerInnen analysieren und verbalisieren, ihnen eine bedarfsgerechte Dienstleistung anbieten und zur Erreichung komplexer Ziele mit anderen ExpertInnen, wie z.B. dem medizinischen Personal, zusammenarbeiten. In ihrem translatorischen Handeln treten DolmetscherInnen als selbstbewusste ExpertInnen auf und wählen ihre Strategien mit dem Ziel, Verständigung zwischen den GesprächsteilnehmerInnen zu ermöglichen. Sie sind keine unsichtbaren AkteurInnen: Sie koordinieren die Gespräche, damit alle Beteiligten zu Wort kommen, und klären Missverständnisse, die ungeklärt zu erheblichen medizinischen Folgen führen könnten (vgl. u.a. Baraldi/Gavioli 2012). Sie vertreten also die Interessen aller Beteiligten, ohne persönliche Vorteile anzustreben und sind somit allparteilich (vgl. Kadrić/Zanocco 2018).

Forschungsziel der vorliegenden Studie ist die Untersuchung des Dolmetschens im Medizintourismus unter Berücksichtigung seiner rechtlichen, wirtschaftlichen und translationswissenschaftlichen Besonderheiten. Aus rechtlicher Sicht werden der rechtliche Rahmen, die PatientInnenrechte und ÄrztInnenpflichten beleuchtet. Aus wirtschaftlicher Sicht wird der Medizintourismus als neues Marktsegment für DolmetscherInnen untersucht; im Fokus steht die Analyse des Angebots an translatorischen und außertranslatorischen Dienstleistungen. Aus translationswissenschaftlicher Perspektive wird das Augenmerk auf den Situationskontext und seine Unterschiede zu anderen medizinischen Settings – auch hinsichtlich der Bedürfnisse und Erwartungen der Beteiligten sowie der Anforderungen an die DolmetscherInnen – gelegt.

Die Auseinandersetzung mit den Aufgaben und Arbeitsbedingungen der DolmetscherInnen im Medizintourismus ist sowohl für den translationswissenschaftlichen Diskurs als auch für curriculare und didaktische Überlegungen sowie die weitere Entwicklung des Berufsbilds von Relevanz. Die Erfassung und Beschreibung der Erwartungen der am Situationskontext beteiligten AkteurInnen sowie der Anforderungen an die DolmetscherInnen helfen, zusätzliche Kompetenzen, welche DolmetscherInnen auf dem Markt benötigen, zu identifizieren und ein umfassendes Kompetenzprofil zu erstellen. Dadurch soll angehenden DolmetscherInnen ein Berufsbild präsentiert werden, das aufgrund der hohen Erwartungen der PatientInnen und VertreterInnen der medizinischen Institutionen in vielen Fällen eine Erweiterung der Dienstleistungen und eine Veränderung der klassischen Aufgaben und Kompetenzen für DolmetscherInnen mit sich bringt.

Die vorliegende Studie geht zuerst näher auf den Medizintourismus ein, da dieser den Rahmen der analysierten dolmetschvermittelten Kommunikation bildet. In Kapitel 1 folgt auf eine begriffliche Definition des Terminus Medizintourismus eine Auseinandersetzung mit den Besonderheiten des Medizintourismus aus rechtlicher, wirtschaftlicher und ethischer Sicht. In diesem Zusammenhang werden die grundlegenden Merkmale der betroffenen PatientInnen wie ihre Beweggründe beleuchtet. In Kapitel 2 liegt der Fokus auf dem Dolmetschen in medizinischen und medizintouristischen Settings. Neben einem kurzen Überblick über translationswissenschaftliche Untersuchungen des medizinischen Dolmetschens wird auf die Besonderheiten der medizinischen und nicht medizinischen Kommunikation im Medizintourismus sowie auf das professionelle translatorische Handeln von DolmetscherInnen eingegangen. Kapitel 3 beinhaltet eine erste theoretische Auseinandersetzung mit den Erwartungen und Anforderungen an DolmetscherInnen in medizinischen und medizintouristischen Settings. Dieser Vorstellung folgt in Kapitel 4 die Erläuterung der in der Studie angewandten Forschungsmethoden, in deren Rahmen auf die einzelnen Forschungsphasen des Forschungsdesigns eingegangen wird. Die weiteren Kapitel der Arbeit beschäftigen sich mit der Analyse der Erkenntnisse aus der ethnografischen Feldforschung (Kapitel 5), den qualitativen Expertinneninterviews (Kapitel 6) und der explorativen Online-Erhebung (Kapitel 7). In Kapitel 8 folgt eine Zusammenfassung aller erlangten Erkenntnisse und der sich daraus ergebenden Schlussfolgerungen für Forschung, Didaktik und Beruf. Die zwei Anhänge enthalten Auszüge aus der Forschungsdokumentation wie die Dokumentation der Bildung der induktiven und deduktiven Kategorien für die Inhaltsanalyse der Interviews.

Eine abschließende Anmerkung zur verwendeten Sprache. In der gesamten Studie werden die Termini DolmetscherInnen und Dolmetschende nicht als Synonyme verstanden. Als DolmetscherInnen werden Menschen mit einschlägiger Ausbildung, die im Sinne des translatorischen Handelns im Kooperationsgefüge als ExpertInnen auftreten, bezeichnet: Meist sind es ausgebildete DolmetscherInnen oder Personen, die über viel Dolmetscherfahrung verfügen und/oder an einer Qualifizierungsmaßnahme teilgenommen haben. Die Bezeichnung Dolmetschende wird hingegen für Menschen ohne einschlägige Ausbildung und Erfahrung verwendet. Darüber hinaus wurde aus ethischen Gründen beschlossen, bei der Darstellung und Analyse der empirischen Daten auch das Geschlecht der vulnerabelsten InterviewpartnerInnen zu anonymisieren (die/der PatientIn statt die Patientin oder der Patient), um diese zusätzlich zu schützen.

1 Medizintourismus als Marktsegment für DolmetscherInnen

Der Begriff Medizintourismus beschreibt ein Phänomen, das zwar in seiner derzeitigen Ausprägung jung und wenig erforscht ist, dennoch reicht die Idee bzw. das Konzept, eine medizinische Reise zu unternehmen, weit in die Vergangenheit zurück. So zog bereits im alten Griechenland die Stadt Epidaurus Leidende aus dem Mittelmeerraum an, die im Thermalwasser der heiligen Stätte des Gottes Asklepius Linderung suchten (vgl. Quast 2009: 14). Generell waren die PilgerInnenfahrten zu den Asklepieia, ehemaligen wichtigen griechischen Heilstätten, die sowohl über ein Sanatorium als auch über einen Tempel verfügten, sehr beliebt. Im heiligen Tempel verbrachten die Reisenden mehrere Nächte in der Hoffnung, dass Asklepios ihnen im Traum die richtige Diagnose stellen oder eine erfolgreiche Behandlungsmethode verraten würde. Ebenso beliebt waren die Reisen zu Thermal- und Badeorten (vgl. Quast 2009: 14), mit denen eine Linderung verschiedener Krankheiten beabsichtigt wurde. Medizinische Reisen bildeten fortan eine Konstante der Geschichte und wurden aus unterschiedlichen Beweggründen unternommen.

1.1 Begriffsdefinition und -abgrenzung

Der Medizintourismus wurde in der Translationswissenschaft bis jetzt nur am Rande erwähnt (vgl. Tipton/Furmanek 2016: 114, Angelelli 2019: 32). Die in den vergangenen Jahren an den österreichischen Universitäten in Wien und Graz verfassten Masterarbeiten (vgl. Ivașcu 2014, Muršič 2015, Chistyakova 2016, Slavu 2017, Weissenhofer 2017, Horová 2018) zeigen jedoch erstes Interesse junger ForscherInnen am Dolmetschen in diesem Marktsegment. ForscherInnen aus den Bereichen Tourismus, Medizin, Wirtschaft und Marketing haben sich hingegen bereits der Erforschung des Medizintourismus gewidmet. Die verschiedenen Ansätze vorhandener Forschungsarbeiten finden sich nicht nur in den verwendeten Bezeichnungen Medizintourismus und Gesundheitstourismus, sondern auch in deren Definitionen wieder, die je nach Verständnis der zugrundeliegenden Begriffe Medizin, Gesundheit und Tourismus