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George Kardinal Pell

Die Berufung wurde abgewiesen

Das Gefängnistagebuch

Band II

14. Juli 2019 bis 30. November 2019

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Originaltitel der amerikanischen Ausgabe:

Die Zitate aus dem Brevier von George Kardinal Pell stammen aus:

DIE BERUFUNG WURDE ABGEWIESEN

ISBN 978-3-9479313-1-6

INHALT

Zeittafel

21. Woche
Rückfall ins Heidentum

22. Woche
In Erwartung einer Abrechnung

23. Woche
Zeugenaussagen von Trittbrettfahrern

24. Woche
Die Verklärung

25. Woche
Die Liebe zum Geld

26. Woche
Die Berufung wurde abgewiesen

27. Woche
Den Kampf nicht aufgeben

28. Woche
Verborgene Kraft

29. Woche
Bekehrungen und Berufungen

30. Woche
Vor dem Obersten Gerichtshof steht viel auf dem Spiel

31. Woche
Der Sport ist ein Segen

32. Woche
Ermittlungen im Vatikan

33. Woche
In Vorbereitung auf das nächste Verfahren

34. Woche
Ein Justizirrtum

35. Woche
Die Finanzen des Vatikans

36. Woche
Heilige und Sünder

37. Woche
Vorsichtiger Optimismus

38. Woche
Mehr zu den Finanzen des Vatikans

39. Woche
Grundverschiedene Mentalitäten

40. Woche
Alles rächt sich

Anmerkungen

Der Autor

ZEITTAFEL

16. Juli 1996

Papst Johannes Paul II. ernennt Weihbischof George Pell zum Erzbischof von Melbourne, Australien.

26. März 2001

George Pell wird Erzbischof von Sydney, Australien.

21. Oktober 2003

Papst Johannes Paul II. ernennt Erzbischof Pell zum Kardinal.

25. Februar 2014

Papst Franziskus beruft Kardinal Pell in die neu geschaffene Position eines Präfekten des Wirtschaftssekretariats, das die Finanzen des Heiligen Stuhls und des Vatikans verwaltet.

29. Juni 2017

Die australische Polizei wirft Kardinal Pell mehrere lange zurückliegende sexuelle Übergriffe vor.

5. März 2018

Kardinal Pell, der alle Vorwürfe von sich gewiesen hat und freiwillig nach Australien zurückgekehrt ist, erscheint vor dem Magistrates’ Court in Melbourne zur Verlesung der Anklagepunkte.

1. Mai 2018

Nachdem einige Anklagepunkte fallen gelassen worden sind, entscheidet eine Richterin in Melbourne, dass der Kardinal sich für die übrigen vor Gericht verantworten muss.

2. Mai 2018

Die Fälle werden in zwei Verfahren aufgeteilt: Das erste soll sich mit Vorwürfen befassen, die auf die 1990er-Jahre zurückgehen, als Pell Erzbischof von Melbourne war.
Im zweiten Verfahren werden Vorwürfe verhandelt, die auf die Anfänge seines priesterlichen Dienstes in den 1970er-Jahren zurückgehen.

20. September 2018

Das erste Verfahren, das am 15. August 2018 begonnen hatte, endet damit, dass die Geschworenen sich nicht einigen können.

11. Dezember 2018

Das Wiederaufnahmeverfahren, das am 7. November 2018 begonnen hatte, endet mit einem Schuldspruch.

26. Februar 2019

Die Staatsanwaltschaft lässt den zweiten Teil der Beschuldigungen, die auf die 1970er-Jahre zurückgehen, fallen.

27. Februar 2019

Kardinal Pell kommt in Untersuchungshaft und wird ins Gefängnis gebracht.

13. März 2019

Kardinal Pell wird zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt.

5. bis 6. Juni 2019

Beim Supreme Court of Victoria wird über die Berufung verhandelt.

21. August 2019

Die Berufung wird mit 2:1 Stimmen abgewiesen.

10. bis 11. März 2020

Die Anhörung Kardinal Pells erfolgt durch den High Court of Australia am 10. März 2020. Am 11. März 2020 wird sie vertagt.

7. April 2020

Der High Court hebt mit 7:0 Stimmen alle bisherigen Urteile auf. Kardinal Pell wird aus der Haft entlassen.

21. WOCHE

RÜCKFALL INS HEIDENTUM

14. Juli bis 20. Juli 2019

Sonntag, 14. Juli 2019

Elija ist zurückgekehrt, nicht als Johannes der Täufer, sondern in Auszügen aus dem Buch der Könige, die im Brevier als erste Lesung in der nächsten Woche an der Reihe sind.

Er ist einer meiner Helden, Elija aus Tischbe aus dem 9. Jahrhundert v. Chr., »der Unruhestifter Israels«, der sich nicht nur Ahab, dem König Israels, entgegenstellte, weil er »tat, was böse war in den Augen des Herrn, mehr als alle seine Vorgänger«, sondern auch der noch furchtbareren Königin Isebel. Ich habe eine sehr schöne 200 Jahre alte russische Ikone des Elija in meiner Privatkapelle in Rom, und ich verehre ihn, weil er den Monotheismus gerettet hat, als er Gefahr lief, vom Heidentum, in diesem Fall von Baal, verdrängt zu werden. Gott erwählte Elija zusammen mit Mose, um den Alten Bund durch das Wunder der Verklärung darzustellen.

Es genügt nicht, auf eine sentimentale Weise nur vorübergehend spirituell zu sein, denn wir sind aufgerufen, den einen wahren Gott anzuerkennen und zu lieben. Das Vorhandensein oder Fehlen des Monotheismus führt im täglichen Leben zu gewaltigen Konsequenzen, wie wir in den westlichen Gesellschaften zu sehen beginnen, wenn Gott ausgeblendet wird. George Steiner war einer der brillantesten, wenn auch eigenwilligsten Intellektuellen des 20. Jahrhunderts. Er führte den tief sitzenden, zerstörerischen und wahnsinnigen Hass der Nazis auf das jüdische Volk auf die Tatsache zurück, dass Hitler und die Führungsriege des Nationalsozialismus als der wohl teuflischsten Bewegung in der Geschichte (nur Stalins oder Maos Kommunismus wären hier noch als Konkurrenten zu nennen) die Juden hassten, weil sie das auserwählte Volk waren, das den Monotheismus in die Geschichte eingebracht hatte. Das war zwar nicht die erklärte Absicht der Nazis oder die Begründung für ihre Verbrechen, aber für mich liegt darin etwas Wahres. Ihr Hass war blind, fanatisch und angetrieben von einer Macht, die noch größer war als ihr niederträchtiges Selbst.

Der erwähnte Abschnitt im Brevier erzählt den Beginn von Elijas Geschichte, als er Ahab gegenübertritt und ihm eine Dürre prophezeit. Er ist gezwungen zu fliehen, nicht zum letzten Mal, und wird von Raben am Bach Kerit ernährt. Dann versorgt ihn eine Witwe mit ihrem Sohn, die beide ebenfalls Hunger leiden, mit Essen, und zwar aus einem Topf mit Mehl und einem Krug mit Öl, die beide nicht versiegten. Obwohl sie selbst fast nichts mehr hatte, gab sie Elija auf seine Bitte hin etwas davon und wurde mit einem ständigen Nachschub des Vorrats belohnt, bis die Dürre endete.

Meine innere Uhr hat wie fast immer funktioniert, sodass ich nur den ersten Teil der Mass for You at Home verpasst habe, die wieder von Father Michael Kalka zelebriert wurde, der eine gute Predigt hielt, in der er die Moral als Grundlage des menschlichen Verhaltens thematisierte.

Premierminister Scott Morrison besuchte am vergangenen Wochenende die Hillsong-Konferenz1 und betete dort öffentlich, aber er war heute nicht anwesend, als Pastor Houston2 über den Regen in unserem eigenen Leben predigte und dabei wieder einmal auf ein bekanntes Muster zurückgriff, und zwar auf einen alttestamentlichen Text aus der Genesis. Die Gemeinde war anders als letzte Woche ein wenig lebhafter, und das größte Echo löste er aus, als er den »guten alten Kopfsalat« gegen diesen neumodischen Grünkohl verteidigte. In diesem Punkt hat er auch meine Stimme bekommen.

Joseph Prince3 thematisierte etwas Ähnliches, als er über »das Jahr des Spätregens« sprach. Untypischerweise stammte sein Text aus dem alttestamentlichen Buch Deuteronomium. Wie immer war seine Predigt christozentrisch, als er über die Ernte im Überfluss und den Schaden, den die Heuschreckenplagen in unserem persönlichen Leben anrichten, sprach.

Songs of Praise4 wurde wieder aus einer britischen Kirche, St John’s in Hackney, übertragen und von einem gemischten schwarzen Chor gestaltet, der Spirituals sang. Diese entwickelten sich unter den Zehntausenden Sklaven auf den Plantagen in Nordamerika aus den protestantischen Liedern von John und Charles Wesley und Isaac Watts. Diese schönen Lieder bewegen sich auf verschiedenen Ebenen mit einer religiösen, soziologischen, ja fast politischen Ausrichtung. Als Josua »die Schlacht um Jericho schlug, stürzten die Mauern ein«; sie sangen davon, dass »meine Prüfungen bald vorbei sein werden« und dass der berühmte Streitwagen sanft hin und her schaukelt, »um mich nach Hause zu bringen«.

Ein paar Übungseinheiten im Hof unter einem bedeckten Himmel und Nieselregen am Nachmittag. Danach erhielt ich dank des kooperativen Hauptwachtmeisters der Abteilung, die das persönliche Eigentum verwaltet, ein Verzeichnis über den angeblichen Bestand in meiner Zelle. Es war nicht ganz exakt, aber ich übergab zwei Bücher und zwei Ausgaben der Zeitschrift Quadrant an Kartya.5 Nach ein paar ruhigen Tagen haben wir jetzt einen lauten Schreier und Schläger hier, der sich mit kurzen Ausbrüchen bemerkbar macht. Aber er klingt nicht verzweifelt.

Elijas Leben und gewiss auch das Leben und die Hinrichtung des heiligen Thomas Morus zeigen, dass Morus recht hatte, als er 25 Jahre vor seinem Tod an seine Kinder schrieb: »Wir dürfen nicht erwarten, im Federbett in den Himmel zu kommen.«

Montag, 15. Juli 2019

Als ich gerade auf dem Weg zu meinem Hofgang war, um dort meine Übungen zu machen, hallten aus der Zelle, an der ich vorbeikam, gewaltige Schläge, die sich irgendwie feindselig anhörten. Im Laufe des Tages hörten wir immer wieder abwechselnd Attacken von solchen Schlägen und obszönen Schimpfwörtern. Der arme Mann muss sehr unglücklich sein. Der Wärter murmelte: »Das macht er mit seinem Kopf. Er ist krank.« Natürlich kenne ich die Ursache für seine Verzweiflung nicht, aber es ist möglich, dass die Nachwirkungen von Crystal Meth (Methamphetamin) der Auslöser für ein solches Verhalten sind. Der Wärter bestätigte auch, was ich vermutet habe, dass sie diejenigen, von denen sie annahmen, dass sie laut sein würden, am Ende des Traktes untergebracht hatten in einiger Entfernung von mir und den anderen »ruhigen« Gefangenen. Laut Schwester Mary6 könnte ich mich noch als Mustergefangenen qualifizieren.

Mein Neffe Nicholas war eine Stunde lang da, was sehr schön war. Er sah gut aus, obwohl er sagte, er sei müde. Sein Projekt, zusammen mit seiner Frau Julie ein neues Haus zu bauen, schreitet voran.

In der heutigen Lesung im Brevier ging es um die dramatische Geschichte des Wettstreits zwischen Elija, dem einzig verbliebenen Propheten des einen wahren Gottes, und den 450 Propheten, die Baal, dem Gott der heidnischen Sidonier, folgten (1 Kön 18,20–40). Es herrschte ein Ungleichgewicht der Macht wie zwischen David und Goliath. Elija provozierte den Wettstreit, indem er das Volk aufforderte, nicht länger »nach zwei Seiten zu schwanken« und sich zwischen Gott, dem Herrn, und Baal zu entscheiden. Die Bedingungen des Wettstreits sind bekannt: Jede Partei musste einen Stier schlachten, ihn zerteilen, die Stücke auf das Holz legen und Gott oder Baal anrufen, damit er Feuer herabschicke, um die Opfergabe zu verzehren.

Die heidnischen Propheten machten den Anfang. Stundenlang tanzten sie um den Altar und ritzten ihre Haut mit Schwertern und Lanzen auf, bis das Blut floss. Elija verspottete sie wegen ihrer Erfolglosigkeit und mutmaßte, dass ihr Gott vielleicht verreist oder eingeschlafen sei. »Doch es kam kein Laut, keine Antwort, keine Erhörung.«

Dann trat er selbst in Aktion, baute den zerstörten hölzernen Altar für das Brandopfer wieder auf und zog einen tiefen Graben rings um den Altar. Mit Wasser aus vier großen Krügen übergoss er dreimal das Fleisch und den Altar. Auch den Graben füllte er mit Wasser. Danach rief Elija zum Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs, er möge Feuer herabschicken, damit das Volk erkenne, dass er der Gott Israels und Elija sein Diener sei. Da kam das Feuer des Herrn herab und verzehrte das Brandopfer, das Holz, die Steine, die Erde und das Wasser im Graben.

In dieser Phase nahmen die Ereignisse eine unerwartete Wendung: Elija drängte seine neu gewonnenen Anhänger dazu, die erschöpften Propheten zu ergreifen und sie zum Bach Kischon zu führen, um sie dort zu töten. In jenen Tagen galt: »Der Sieger beansprucht alles für sich.«

Eugene ist seit den 1960er-Jahren ein Freund von mir. Er war bei meinen Gerichts- und Berufungsverhandlungen anwesend und schrieb mir auch regelmäßig Briefe. Heute hat er mir einen aktuellen Artikel aus der Tageszeitung The Australian von Greg Sheridan über die Briten gesandt, die immer nach etwas suchen, woran sie glauben können.7 Ich habe bereits erwähnt, wie sehr ich es vermisse, The Australian zu lesen, und ich hoffe, dass Rupert Murdoch (der Eigentümer und Herausgeber) effiziente Schritte unternommen hat, um sicherzustellen, dass die Zeitung auch nach seinem Rückzug noch lange erscheinen kann. Sollte die Zeitung eingestellt werden oder selbst wenn ihr Niveau stark sinken würde, wäre der Schaden für die öffentliche Meinung in Australien beträchtlich.

So wie das Judentum in alttestamentlichen Zeiten einem wechselhaften Schicksal ausgesetzt war, wie Elijas Geschichte es deutlich macht, so durchlebte auch das Christentum und der Katholizismus über die Jahrhunderte hinweg in verschiedenen Ländern und in der australischen Geschichte ein ständiges Auf und Ab. In vielerlei Hinsicht ist der Katholizismus in Australien seit den 1960er-Jahren zurückgegangen. Das Australien des frühen 19. Jahrhunderts war jedoch bekanntlich irreligiös und die öffentliche Feier der Messe war bis 1803 verboten.

Sheridan beschreibt sehr genau »den radikalen Verlust von Glauben und Sinn« in Großbritannien, ein Rückgang, der etwa 1920 einsetzte, skizziert aber auch »zaghafte Anzeichen eines Gegentrends«. Sind die lebendige katholische Gemeinschaft der Oratorianer in Brompton (Brompton Oratory) und die nahe gelegene anglikanische Gemeinde von Reverend Nicky Gumbel und ihr Alpha-Programm8, an dem weltweit etwa 26 Millionen Menschen teilgenommen haben, »wirklich ein Zeichen der Hoffnung, letztlich vielleicht gar eine Wende, oder gleichen sie eher überfüllten Rettungsbooten, die im Kielwasser eines sinkenden Ozeandampfers dümpeln?« Die Zeit wird es zeigen und Sheridan ist vorsichtig optimistisch. Mehr als 20 Millionen Menschen sind eine Menge.

Sheridan verschweigt die düstere Realität nicht. Er erwähnt zwar nicht, dass es in Großbritannien mehr gläubige Katholiken als Anglikaner gibt, weist aber darauf hin, dass sieben Prozent der 18- bis 29-jährigen Briten Anglikaner und sechs Prozent Muslime sind. Sheridan sieht dies als das Ende des nominellen Christentums. Ich hoffe nicht, dass dem so ist, denn ich habe eine große Sympathie für unvollkommene Christen.

Pater Gumbel hält den Niedergang des Christentums nicht für unvermeidlich, fortdauernd oder unumkehrbar, und es war tröstlich zu hören, dass 1750, noch vor der Erneuerungsbewegung der Brüder Wesley und von William Wilberforce9, 10 000 Prostituierte auf den Straßen Londons unterwegs waren, während 16 Menschen den Ostergottesdienst in der St Paul’s Cathedral besuchten.

Gumbel ist der Sohn eines konvertierten, ehemals säkularen jüdischen Flüchtlings, und er weiß, wie es ist, ohne Glauben zu leben. Er akzeptiert nicht, dass Menschen ein »letztes Ziel und einen letzten Sinn außerhalb unserer Beziehung zu Gott« finden können.

Gumbel ist ein Beispiel für einen Christen, der sich auf das Evangelium beruft, der zu einer transzendentalen Gotteserfahrung ermutigt, die Vergebung durch den Tod Jesu anbietet und Hoffnung und Sinn in einer ausgeprägten Gemeinschaft des Glaubens und des Vertrauens schenkt. Er bietet ein breit gefächertes Alpha-Programm für katholische Pfarreien an.

Viele Säkularisten vertreten die Meinung, dass die Sünde ein überraschend modernes Phänomen sei, gar ihre Erfindung, oder dass sie die erste Generation seien, die die Existenz der Sünde leugnen. Doch die Sünde geht weit über Ahab und Isebel zurück, tatsächlich bis zu Adam. Sie ist schon sehr alt. Echtes Christentum ist das Novum und nur ein Christentum, das auf dem Evangelium basiert, fördert das Wachstum.

Gott, unser Vater, wir beten darum, dass du uns sowohl die Arglosigkeit der Taube als auch die Weisheit der Schlange schenkst. Mögen wir weise genug sein, um zu Ungläubigen in einer Weise zu sprechen, die sie verstehen können, und bescheiden genug, um uns daran zu erinnern, dass die Antworten stets in den Lehren und der Person Jesu zu finden sind.

Dienstag, 16. Juli 2019

Während meines ersten Hofgangs, der für 8.45 Uhr am Morgen festgesetzt war, rief ich Tim O’Leary10 an, um ihn zu bitten, Pater Alexander Sherbrooke11 in London meine Glückwünsche zum Sieg Englands bei der Kricket-Weltmeisterschaft zu übermitteln und ihm auszurichten, dass die Scham, die ich empfunden habe, als ich ins Gefängnis gebracht wurde, ähnlich groß war wie diejenige, als England Australien im ersten Halbfinale vom Platz fegte. Tim erzählte auch, was für ein fantastisches und enges Spiel das Finale zwischen England und Neuseeland gewesen sei und wie anständig sich die Kiwis nach der knappsten aller Niederlagen benommen hätten. Er sagte, dass dies alles gut für den Sport und gut für das Kricket gewesen sei. Das Finale wurde nicht im Free-TV übertragen, sodass ich es verpasst habe und nur erfuhr, dass England ein enges Spiel gewonnen hat.

Schwester Mary kam vorbei und wir haben unsere wöchentliche kurze Andacht gehalten und sie brachte auch die heilige Kommunion mit. Die Predigt von Schwester Mary McGlone12 bewies, dass sie immer noch in bester Form ist, aber auch ein bisschen negativ gegenüber Anwälten. Ich verabschiedete mich von Schwester Mary mit der Bemerkung, dass wir uns nächsten Dienstag wieder sehen würden, war mir aber nicht sicher, ob sie am Dienstag überhaupt kommen könnte.

Mit meinem Leseprogramm komme ich voran, aber langsam. Als Father Peter Joseph13 mich besuchte, erzählte ich ihm, dass ich gerade Hobbes’ Leviathan lese. Seine prompte Reaktion war: »Es ist unlesbar, nicht wahr?« Das Buch wurde 1651, etwa 50 Jahre nach Shakespeare geschrieben. Ich lese gerade einen Nachdruck der Originalausgabe, und es ist ein hartes Stück Arbeit. Ich habe mein tägliches Quantum auf zehn Seiten plus reduziert und hoffe, dass ich die Lektüre bis zum Ende meines Gefängnisaufenthalts beendet haben werde. Ich bin ungefähr auf Seite 80 des eigentlichen Leviathan-Textes angelangt, und Hobbes legt immer noch, getreu den eigenen Prinzipien, seine Definitionen genau dar.

Nachdem ich Krieg und Frieden beendet hatte, das hier monatelang meine Bettlektüre war, habe ich dieses Buch durch Peter Browns Through the Eye of a Needle: Wealth, the Fall of Rome, and the Making of Christianity in the West, 350–550 AD14 ersetzt, ein immenses, 750-seitiges Werk, das zudem ungemein lehrreich ist. Meine Vorlesungen über die Geschichte der frühen Kirche kamen immer gut an, wenn ich auf Brown zurückgreifen konnte. Ich übernahm seine Methode, die Sachverhalte in der Antike dadurch zu erklären, dass sie mit zeitgenössischen Ideen und Institutionen verglichen und kontrastiert wurden. Brown ist immer wieder erhellend, zum Beispiel wenn er behauptet und dabei James Bury15 zitiert, dass Konstantins Bekehrung »die kühnste Tat war, die je von einem Autokraten unter Missachtung der großen Mehrheit seiner Untertanen vollbracht wurde«. Ich habe mich einmal während einer Tischrede im North American College in Rom (in dem amerikanische und australische Seminaristen für das Priesteramt ausgebildet werden) öffentlich gefragt, ob wir in der Geschichte je einen chinesischen Konstantin erleben werden. Ich hoffe es jedenfalls.

Heute Morgen fühlte ich mich etwas schwindlig und fragte mich, ob dies darauf zurückzuführen sei, dass mein Blutdruck niedriger war. Die Krankenschwestern untersuchten mich, indem sie mich abwechselnd sitzen und aufstehen ließen. Die Messwerte waren niedrig, aber in Ordnung. Im Laufe des Tages ging es mir langsam besser, sodass ich meinen Hofgang machen konnte. Draußen war es bewölkt gewesen.

Während ich dies gegen 17.00 Uhr schreibe, nachdem im Gefängnis vor 30 Minuten der Nachteinschluss stattgefunden hat, unterhalten sich ein paar Gefangene lautstark über ihre Zellen hinweg, wie es manchmal geschieht. Jemand auf meiner Seite des Trakts macht dem mit einem wütenden Geschrei ein Ende. Als ich gestern von meinem nachmittäglichen Hofgang zurückkam, gab es einen ähnlich dramatischen Ausbruch, lautes, obszönes Geschrei und Schlaggeräusche, ein Anzeichen für Missmut, aber keines für tiefstes Leid. Ein Wärter murmelte nur: »Nun, das wird es nicht in die Top Ten schaffen.«

Schwester Mary hat die Geschichte von X. über die früheren Haftbedingungen bestätigt, und auch S., der Direktor des Melbourner Untersuchungsgefängnisses, kam darauf zurück, indem er erklärte: Als er vor 30 Jahren als Gefängniswärter in Castlemaine begann, waren in einer Zelle sechs Gefangene untergebracht, die nur einen offenen Eimer für ihre Notdurft während der Nacht zur Verfügung hatten, und es gab in den Zellen kein fließendes Wasser.

Vor einiger Zeit sandte mir Sue Buckingham, die treibende und inspirierende Kraft von David’s Place (in Sydney), eine Kopie ihres Emmaus Newsletters. David’s Place ist eine Gemeinschaft der »am meisten an den Rand gedrängten Menschen«. Sie treffen sich wöchentlich zur Feier der Messe. Es werden auch Ausflüge unternommen und die Freunde unterstützen sich im Allgemeinen gegenseitig. Sie sind arm. Es ist eine katholische Gruppe, die für alle offen ist. Ich habe sie unterstützt und jeweils einmal pro Jahr besucht, um mit ihnen die Messe zu feiern. In diesem Newsletter widmete Sue ihren Leitartikel meiner Verteidigung und schrieb eine Reihe freundlicher Dinge, unter anderem: »Ich zweifle nicht daran, dass hier ein äußerst schweres Unrecht geschehen ist – dass er unschuldig ist.«

Auch ich mache mir wie Pater Alexander in Soho Sorgen darüber, dass die Kirche den Armen nicht so nahe ist, wie wir es sein sollten. Ein echtes Bemühen, für soziale Gerechtigkeit einzutreten, ist wichtig, aber es ersetzt nicht den Einsatz an der Seite derjenigen, die dafür kämpfen, wie Sue es tut. Sue befindet sich zusammen mit ihren Freunden im Herzen der Kirche. Ich habe einmal öffentlich einem Sprecher der Gemeinschaft vom heiligen Vinzenz von Paul widersprochen, als er behauptete, sie hätten ein gutes Verhältnis zur Kirche. Das ist nicht der Fall, beharrte ich. Ihr mögt gute Beziehungen zu den Bischöfen haben, aber ihr seid darüber hinaus ein lebendiger Teil der Kirche. Ihr verkörpert die Kirche. Als emeritierter katholischer Erzbischof und als Bruder in Christus bin ich deshalb stolz auf Sue und alles, was sie tut, und dankbar für die Gebete der Gemeinschaft für mich und für ihre mutige Verteidigung.

Gott, unser Vater, wir bitten dich, dass wir uns immer an das Kapitel 25 des Matthäusevangeliums erinnern, in dem dein Sohn Jesus erklärt, was am Jüngsten Tag des Gerichts geschieht, wenn der Menschensohn kommen wird, um endgültig die Schafe von den Böcken und die Guten von den Bösen zu trennen.

Mögen wir zu der Überzeugung gelangen, dass wir Christus selbst helfen, wenn wir den Hungrigen, den Durstigen, den Fremden, den Nackten, den Kranken und den Gefangenen helfen, und mögen wir unseren Glauben in die Tat umsetzen.

Mittwoch, 17. Juli 2019

Gestern Abend sah ich die letzten zwei Stunden einer dreiteiligen Serie über das von Präsident Kennedy in den 1960er-Jahren angestoßene amerikanische Programm, einen Menschen zum Mond zu bringen. Das gelang am 15. Juli 1969, also diese Woche vor 50 Jahren. Das Ereignis fand während der Sommerferien statt, als ich in Oxford an meiner Doktorarbeit schrieb. Da ich während der ganzen Ferien arbeitete, war ich zu beschäftigt, um viel davon im Fernsehen mitzubekommen.

Die Serie war gut gemacht, und sie hat mir sehr gut gefallen, sodass ich alle drei Teile angesehen habe. Ich glaube kaum, dass ich diese Serie im Fernsehen verfolgt hätte, wenn ich nicht im Gefängnis gewesen wäre. Die Landung bleibt eine atemberaubende technologische Meisterleistung, motiviert durch den Ehrgeiz, die Flagge der Vereinigten Staaten auf dem Mond zu platzieren, bevor die Sowjets ihre Flagge dort aufstellen konnten.

Der Kalte Krieg war für die meisten Australier eine ernste Angelegenheit und ganz gewiss für einen eingefleischten Antikommunisten wie mich, einen Bewunderer von Bob Santamaria16 und Premierminister Bob Menzies17. Ich erinnere mich daran, wie ich zehn Jahre zuvor, 1959, während meines letzten Jahres am St Patrick’s College18 in Ballarat eines Abends in den zentralen Innenhof hinausging, um die Umlaufbahn des russischen Satelliten Sputnik zu beobachten. Ich war beunruhigt und ein wenig besorgt darüber, dass sie dies vor der freien Welt geschafft hatten. Wir haben ihre Stärke damals überschätzt, bevor Reagan und Thatcher und der große Papst Johannes Paul II. zusammen mit der polnischen Solidarność-Bewegung die westliche kommunistische Welt zu Fall brachten. Das kam unerwartet.

Bald nachdem ich 1987 zum Weihbischof von Melbourne ernannt worden war, besuchte ich ein internationales Symposium zum Thema »Russland und der Kommunismus«. Nur ein einziger Redner, der Melbourner Intellektuelle Frank Knopfelmacher, behauptete, die Russen seien jetzt sehr schwach und das Fest sei fast vorbei. Ich erinnere mich, dass ich nach seinem Vortrag beim Morgentee mit einigen der Redner aus Übersee zusammensaß und sie sich sehr abschätzig über ihn äußerten. Ich hoffte, dass er recht hatte, war mir aber keineswegs sicher. Papst Johannes Paul II. sagte, er sei zuversichtlich, dass der Kommunismus gestürzt werden würde, aber er hätte sich nie träumen lassen, dass dies ohne Blutvergießen erreicht werden könnte. Einige Jahre später unterhielt ich mich mit Knopfelmacher und erinnerte ihn daran, dass er der einzige Redner bei dem Symposium gewesen sei, der recht behalten hatte. »Natürlich«, antwortete er.

Ein weiterer Grund dafür, dass ich diesem Ereignis im Jahr 1969 keine größere Aufmerksamkeit schenkte, war, dass ich die Ausgabe einer so riesigen Summe, damals 24 Milliarden Dollar, die heute wahrscheinlich 75 bis 100 Milliarden Dollar betragen würde, nicht guthieß.

Mein Tag ist gut verlaufen mit zwei Hofgängen und einer Übungsstunde in der Turnhalle. In der Turnhalle fragte ich nach einem Basketball und mir wurde gesagt, Basketbälle seien nur am Wochenende verfügbar. Mit meiner mir eigenen schlichten und direkten Art antwortete ich, dass dies Unsinn sei, da ich bei meinen beiden vorherigen Besuchen in der Halle einen Basketball benutzt hätte. Ich glaubte nicht, dass ich eine Chance hatte, einen Ball zu bekommen, aber meine Antwort sorgte dafür, dass ich doch einen bekam.

Tim O’Learys Umschlag traf mit ein paar deprimierenden Artikeln über die Amazonas-Synode und das kirchliche Leben auf dem chinesischen Festland ein, ebenfalls Chris Friels19 Zusammenfassung von Milligans20 Buch mit über 8 000 Wörtern. Dies alles habe ich mit großem Interesse gelesen.

Wir scheinen nur einen wirklichen Schreier in unserem Trakt zu haben, auch wenn es heute Morgen gegen 2.00 Uhr einen Tumult gab. Dieser Häftling macht sich nicht regelmäßig bemerkbar, sondern er gibt die meiste Zeit in einer heiteren Art unflätige Dinge von sich, indem er sich ähnlich wie ein greinendes Kind verhält, bei dem jeder Erwachsene weiß, dass es nicht ernsthaft in Not ist.

Es überrascht nicht, dass Isebel über die Niederlage und den Tod der Baalspropheten wütend war und drohte, am nächsten Tag mit Elija das zu tun, was er mit ihnen getan hatte. Wir erfahren, dass Elija, als er das hörte, »um sein Leben lief«, zunächst irgendwohin in die Wüste, eine Tagesreise von Beerscheba entfernt, wo er auf wundersame Weise gespeist wurde, bevor er 40 Tage und 40 Nächte lang zum Gottesberg Horeb wanderte.

Dort stellte er sich auf den Berg und der Herr zog an ihm vorüber. Ich vermute, dass der gute Gott dort Elija und uns das Wesen seiner Göttlichkeit zeigte. Gott war nicht im heftigen Sturm, »der die Berge zerriss und die Felsen zerbrach«, nicht im Erdbeben und nicht im Feuer, sondern in »einem sanften, leisen Säuseln«. Und Elija hörte es und sprach zu Gott, dass er trotz all seiner Bemühungen der einzige noch verbliebene Prophet des Herrn, des Gottes der Heerscharen, sei. Aber das reichte aus, denn Gott sandte ihn aus, um Hasaël zum König über Aram, Jehu zum König von Israel und Elischa zu seinem Nachfolger zu salben (1 Kön 19,9–18).

Jesus wurde ohne großes Aufsehen in einem Stall in Bethlehem geboren. Anders als Mose und Buddha wuchs er nicht in privilegierten Verhältnissen auf. Er wurde wie ein Sklave – fast unbeachtet – in Jerusalem getötet. Eine leise Stimme.

Der heilige John Fisher21 sagte der Obrigkeit die Wahrheit, ganz wie Elija. Als Märtyrer war er der einzige englische Bischof, der den Versuch Heinrichs VIII. zurückwies, sich zum Oberhaupt der Kirche von England zu machen. Dies ist ein Teil der Predigt, die er in dem Jahr, bevor Heinrich VIII. König wurde, gehalten hat:

Herr, entsprechend deiner Aufforderung, das Evangelium allen Menschen auf der ganzen Welt zu verkünden, bitten wir dich, erwecke Männer [und Frauen], die sich für ein solches Werk eignen. Die Apostel waren nur weicher und formbarer Ton, bis sie durch den Heiligen Geist hart gebrannt wurden. Guter Herr, behandle du nun in gleicher Weise deine kämpfende Kirche; verwandle und mache den weichen und formbaren Ton zu hartem Stein; richte in deiner Kirche starke und mächtige Säulen auf. Amen.

Donnerstag, 18. Juli 2019

Es war ein annehmbarer Melbourner Wintertag: bewölkt, aber nicht düster, kein Regen und maximal 15° C. Er war nicht vergleichbar mit einem Wintertag in Ballarat. Als ich 1985 aus Ballarat nach Melbourne kam, empfand ich die Winter in Melbourne als angenehmen Gegensatz.

Im Laufe des Tages gab es viel Geschrei, aber nur sehr wenig zeugte von echter Not. Aus zwei Zellen floss Wasser in den Gang, als ich daran vorbeikam. Der Wärter erklärte, dass die Gefangenen absichtlich die Toiletten verstopft hatten, um eine Überschwemmung zu verursachen: Unfug zu machen ist ein Zeichen des Protestes. Er musste etwa 40 Liter Wasser aufwischen. Letzte Nacht hörte ich während lautstarker Diskussionen, wie ein Gefangener sagte, er würde sich ablenken, indem er Papierknäuel in die Toilette werfe. In der Einzelhaft lebe ich ziemlich behütet und kann froh sein, dass ich lesen, schreiben, beten und Briefe empfangen kann, ohne Umgang mit einem sicherlich interessanten Querschnitt durch die verschiedensten Menschentypen mit allen Vor- und Nachteilen zu haben. Ich will die Situation keineswegs romantisieren, da ich mit ziemlicher Sicherheit mit einem Angriff rechnen müsste, wenn ich mich hier frei bewegen könnte.

Der Höhepunkt des Tages war der Besuch von Robert Richter22, der von Paul23 begleitet wurde. Er ist weiterhin mit dem Fall beschäftigt und geht einigen spektakulären Spuren nach. Es wird spannend sein zu sehen, wo dies hinführt, und es widerspricht nicht Friels Szenario. Anscheinend war der Vater des einen Chorknaben Polizist und J.24 wohnte 1998 vier Monate lang bei ihm, als sie angeblich mit Drogen handelten.

Die Briefe kommen weiterhin an, und ich habe nun einen schönen Stapel davon, aus dem ich in meinen Tagebuchaufzeichnungen zitieren kann. Ich erhielt ein Gebetsversprechen von einer Karmeliterschwester aus Schweden und eine faszinierende Seite von einer Barmherzigen Schwester aus Irland, die einmal im Jahr 300 Meilen weit reist, um mitzuhelfen, die Anbetung des Allerheiligsten in der Church of the Assumption in Wexford zu organisieren. Als sie in der Kirche war, sah sie einen älteren Mann, der inständig betete. Als er ging, legte er einen Zettel neben den Tabernakel. Auf dem Zettel stand, dass er für mich um Gebete bat. Weiterhin war meine Adresse darauf notiert für diejenigen, die Briefe schreiben wollten. So schrieb mir Schwester Therese am 1. Juli, dem Festtag des heiligen Oliver Plunkett, des letzten irischen Märtyrers von 1681, einige Zeilen der Ermutigung (mit dem Vermerk, dass sie »mich die ganze Zeit in ihren Gebeten mitgetragen habe«).

Die Leiterinnen der Katholischen Frauenliga von Victoria senden regelmäßig Gebete und Briefe und der letzte enthielt 14 Gebetskarten der Dienerin Gottes, Schwester Mary Glowrey. Schwester Mary wurde in Westaustralien in der Diözese Ballarat geboren, gehörte zu den ersten Frauen, die in Victoria ein Medizinstudium abschlossen, war Mitbegründerin der Katholischen Frauenliga und ging dann als Ordensschwester nach Indien. Dort arbeitete sie weiterhin als Ärztin, nachdem sie von Papst Pius XI. eine Sondergenehmigung dafür erhalten hatte. In Indien wurde das Betreiben ihrer Heiligsprechung stark unterstützt. Dort hatte sie die Indian Catholic Health Association gegründet, heute ein riesiges Netzwerk aus Gesundheitszentren, Krankenhäusern usw. Die Zahl der Katholiken in Indien, einer kleinen Minderheit, ist nur etwas geringer als die Gesamtbevölkerung Australiens. Schwester Mary ist einer Heiligsprechung würdig und ich hoffe, dass die Diözese Ballarat sich hinter dieses Anliegen stellt, denn diese Heiligsprechung könnte ihr, wie uns allen, einen gewissen Schub im Glauben bringen. Ich bin mir nicht sicher, ob ich mit den Gebetskarten viel oder überhaupt etwas ausrichten kann, aber bei Gottes Vorsehung weiß man ja nie, wofür sie gut sein können. Ihr Bruder, Pater Glowrey, war ein freundlicher alter Geistlicher am Loreto College in der Dawson Street, Ballarat, an dem ich meine Schulausbildung begann.

Elijas Leben und seine unmittelbare Zeit finden im Brevier ihre Fortsetzung. Ahab und Isebel sind ein schreckliches Paar, und wir lesen von ihrer Begegnung mit Nabot aus Jesreel, der das Pech hatte, einen schönen Weinberg neben Ahabs Palast zu besitzen, den Ahab kaufen wollte. Als Nabot sich weigerte, diesen zu verkaufen, verkroch sich Ahab in sein Bett und wollte nicht mehr essen. Isebel kam und war sehr verärgert, tadelte ihn für sein unkönigliches Verhalten und versprach, eine Lösung zu finden. Sie sorgte dafür, dass Nabot fälschlicherweise beschuldigt wurde, Gott und den König gelästert zu haben. Er wurde für schuldig befunden und zu Tode gesteinigt.

Nun befahl Gott Elija, aus seinem Versteck in den Bergen herauszukommen, um Ahab zur Rede zu stellen und ihn zu bestrafen, was er auch prompt tat. »Hast du mich gefunden, mein Feind?«, rief Ahab in Elijas Gegenwart verblüfft aus. Der Prophet bejahte und drohte, Unheil über ihn zu bringen und ihn hinwegzufegen.

Im Gegensatz zu seiner Frau, die standhaft in ihrem Heidentum blieb, tat Ahab Buße und ging niedergeschlagen umher. Der Autor des Buches der Könige würdigt zwar seine Demut, spricht aber nicht ausdrücklich von Reue, sondern vielmehr von dem an Elija ergangenen Wort des Herrn, die Strafe nicht an Ahab selbst, sondern erst am Haus seines Sohnes zu vollziehen (was für einen Vater nur wenig Trost bedeutet). Ahab war ein Tyrann und ein Feigling, aber er erkannte Elijas Autorität an und er schien auch einen Funken Glauben besessen zu haben.

Das Gebet, mit dem wir schließen, befasst sich nicht mit den Nabots dieser Welt, sondern spricht von der Situation, in der die meisten von uns sich die meiste Zeit befinden.

Ein wenig Kopfschmerzen, ein wenig Kummer,

die kleinen alltäglichen Sorgen,

kleine Prüfungen und Ärgernisse,

die uns auf unserem Weg bedrängen.

Lasst uns also nicht durch Ungeduld

die Schönheit des Ganzen trüben,

sondern aus Liebe zu Jesus alles

in der Stille unserer Seele ertragen.

Freitag, 19. Juli 2019

Zwar fährt Elija erst in der morgigen Lesung im Brevier in seinem feurigen Wagen zum Himmel empor, dafür aber sind heute interessante Abschnitte aus De Mysteriis (»Über die Mysterien«) vorgesehen, eine solide Unterweisung des heiligen Ambrosius über die Sakramente, die mittlerweile zum festen Bestand des katholischen Denkens gehört. Als ich in Oxford studierte, wurde dieser Text häufig bei den Prüfungen der anglikanischen Priesteramtskandidaten abgefragt, und in diesen mittlerweile längst vergangenen Zeiten lasen die meisten Studenten der Geisteswissenschaften in Oxford auch Gibbons Decline and Fall of the Roman Empire25, das den Triumph des Christentums und der Barbarei darstellt. Mein Doktorvater, Prof. S. L. Greenslade, Inhaber des Lehrstuhls für Kirchengeschichte, pflegte regelmäßig ein paar Vorlesungen zu diesem Thema zu halten, um Gibbons Einseitigkeit auszugleichen. Rodney Starks The Rise of Christianity26, die wirksamste Entgegnung auf Gibbon, die ich gelesen habe, kam erst 30 Jahre später heraus.

Das Gefängnis wurde am frühen Nachmittag 45 Minuten lang abgeriegelt, weil zwei Wärter angegriffen worden waren, und es wurde eine Mitarbeiterversammlung zu einer Besprechung und Diskussion einberufen. Ich hörte draußen in Trakt 8 einen Hund winseln, aber es gab keinen Tumult. Meine Vermutung ist, dass irgendein Gefangener verlegt worden ist, vielleicht auch einer oder die beiden, die für die Überschwemmung verantwortlich waren. Bis jetzt ist alles ruhig, kein Lamentieren und auch keine Diskussionen.

Der Tag war kalt, aber klar und frisch, nur leichte Wolken am Himmel. Ich stellte drei Seiten mit den Gedanken zu Friels Zusammenfassung von Milligans Buch zusammen, die noch mit den Ergebnissen des Urteils und der Untersuchungen in Einklang gebracht werden müssen. Mein Freund Joseph, der Jurist, schrieb wieder und fügte den Dubliner Text des Vortrags von Richard Rex (aus Cambridge) über Hilary Mantels historische Romane über Thomas Morus und Thomas Cromwell bei27, den mein irischer Freund, Father Tom McGovern, besucht und mir davon berichtet hatte. Es ist, wie ich annehme, nicht überraschend, dass viele meiner Freunde gemeinsame Interessen verfolgen. Mehr zu Josephs Briefen (drei im letzten Monat etwa) in einem Tag oder so.

Letzte Woche kam eine Karte von Father Eamonn O’Higgins vom Priesterseminar der Legionäre Christi in Rom an zusammen mit einem schön gedruckten Bildband, der die Aufnahmen der vierten Tour des St. Peter’s Cricket Club des Vatikans nach England im Juli letzten Jahres beinhaltet (Father O’Higgins ist der Manager und zugleich der Geistliche des Teams). Die Königin ist mit ihnen zusammen auf der vorderen Umschlagsseite abgebildet, und Papst Franziskus ist auf der rückwärtigen Umschlagsseite mit einer Mütze des St Peter’s Cricket Club zu sehen. Während ich der stolze Schirmherr bin, ist das Team das geistige Kind von John McCarthy, dem damaligen australischen Botschafter im Vatikan, und das Ergebnis seiner außergewöhnlichen Hartnäckigkeit und Überzeugungskraft.

Sie spielen regelmäßig gegen das Team Archbishop of Canterbury’s XI und das Team Windsor Castle und traten 2018 gegen ein Commonwealth-Team und gegen ein Team des britischen Parlaments an. Die Queen hat sie jedes Jahr empfangen, und beim ersten Spiel »Rom gegen Canterbury« in England waren so viele anglikanische und katholische Bischöfe gemeinsam anwesend wie seit Jahren nicht mehr. Sie haben gegen muslimische Mannschaften gespielt und die ganze Initiative ist ein großer sozialer, ökumenischer und interreligiöser Erfolg.

Mein regelmäßigster Briefschreiber ist ein Langzeitgefangener, der seit Jahrzehnten im Gefängnis sitzt. Er ist hochintelligent, sehr belesen, schreibt viele Briefe und kennt das Gefängnisleben in- und auswendig. Ich glaube, er hilft ziemlich vielen Gefangenen mit juristischen Ratschlägen.

Er tröstet mich und versichert mir, dass Gott an meiner Seite sei, und dabei hat er das Thema entfaltet, dass so, wie der gute Schächer am Kreuz erkannt habe, dass Jesus zu Unrecht verurteilt worden war, so würden auch viele Straftäter erkennen, dass ihre Verurteilung zu Recht bestehe, und sie seien zutiefst davon überzeugt, dass die Bestrafung von Unschuldigen falsch sei. Er weist auf die Ironie der Situation hin, dass die »angeblich Ehrlosen das Unrecht erkennen können – aber die sogenannten Ehrbaren nicht«.

Der Schwerpunkt in seinem Brief lautet dahingehend, dass »das, was Ihnen widerfahren ist, für alle in der Gesellschaft auf den unterschiedlichsten Ebenen sehr gefährlich ist«. Im Gebet ist er zu der Überzeugung gekommen, dass ich freigesprochen werde und dass dies eine Gelegenheit sein sollte, um »eine Grenze zu ziehen«, und für die kirchlichen Autoritäten eine Chance, einen klareren Kopf im Erkennen und Zurückweisen falscher Anschuldigungen zu behalten, im Kampf gegen »eine Welle von Lügen, denen erlaubt wird, zur Wahrheit zu werden«. Über die Jahre, so schreibt er, sei er oft »erstaunt gewesen darüber, wie Menschen dazu kommen können, glühend an ihre Lügen zu glauben«.

Die falschen Anschuldigungen gegen mich sind nicht einzigartig, wie die Ereignisse in den USA und in England gezeigt haben. So wie es falsch war, Anschuldigungen instinktiv und ungeprüft zurückzuweisen, so ist es ungerechtfertigt, wenn gesagt wird, dass Anschuldigungen nicht genauestens untersucht und nicht juristisch überprüft werden müssen. Dies ist eine komplizierte und schwierige Angelegenheit, da viele Priester und Lehrer das Gefühl haben, dass das Pendel zu weit gegen die Unschuldsvermutung ausgeschlagen hat. So wie es bei denjenigen, die die Untersuchungen vornehmen und die Urteile sprechen, der Weisheit und des Unterscheidungsvermögens bedarf, so ist von ihnen auch Mut gefordert, damit sie unabhängig vom Druck der öffentlichen Meinung ihre Arbeit erledigen können.

Mein Gefängnis-Briefpartner ist nicht mehr katholisch, nachdem er von einem Melbourner Gemeindepriester abgewiesen wurde. Er hatte dem Priester erzählt, er sei gerade aus dem Gefängnis gekommen, und noch bevor er fortfahren konnte, wies der Priester ihn hinaus, weil er dachte, dass er Geld wollte. In Wirklichkeit wollte er zur Beichte gehen. So ist das Leben.

Es gibt gerade etwas Lärm in unserem Trakt (gegen 18.00 Uhr), aber es sind nun andere Stimmen. Ein paar Verse aus Psalm 69 der heutigen Lesehore scheinen passend zur Situation:

Was ich nicht geraubt, das soll ich erstatten.

Du, Gott, kennst meine Torheit,

meine Verfehlungen sind dir nicht verborgen.

Nicht sollen zuschanden werden durch mich,

die auf dich hoffen, Herr, Gott der Heerscharen,

nicht sollen durch mich beschämt werden,

die dich suchen, du Gott Israels.

Samstag, 20. Juli 2019

Mein besonderes Interesse an Elija geht auf meine Tage als junger Priester zurück, als ich die Sonntagspredigt über die Verklärung des Herrn vorbereitet hatte. Anfangs fand ich das Thema nicht einfach und ich erinnere mich, welchen Eindruck es auf mich machte, als ich einen deutschen Priester traf, der eine 300-seitige Dissertation über das Ereignis geschrieben hatte!

In vielerlei Hinsicht ist die Lebensgeschichte des Elija höchst interessant, aber warum hatte unser Herr ihn ausgewählt, um bei seiner Verklärung die Propheten zu repräsentieren, während Mose das Gesetz repräsentierte? Elija hatte nichts geschrieben. Von Jesaja, Ezechiel und Jeremia wurden diesbezüglich wahre Kunstwerke hinterlassen. Meine Schlussfolgerung war und ist, dass sein Beitrag zur Erhaltung des Monotheismus einzigartig war und dass dies seine Gewalttätigkeit sowie die Tatsache, dass er nichts Schriftliches hinterlassen hat, überwog.

Elischa begleitete Elija, als der nach Bet-El, Jericho und an den Jordan reiste, um sich auf seinen Abschied vorzubereiten. Elija fragte, ob er etwas für ihn, seinen Nachfolger, tun könne, und Elischa antwortete: »Möchten mir doch zwei Anteile deines Geistes zufallen.« An Selbstvertrauen mangelte es ihm also nicht, denn sollte er nur ein halb so großer Prophet wie Elija werden, würde das ausreichen. »Du hast etwas Schweres erbeten«, entgegnete Elija. »Wenn du siehst, wie ich von dir weggenommen werde, wird es dir zuteilwerden. Sonst aber wird es nicht geschehen.« Und Elischa sah, wie Elija in einem von Pferden gezogenen feurigen Wagen zum Himmel emporfuhr. Elischa hob den Mantel auf, der Elija entfallen war, schlug mit ihm auf das Wasser des Jordans, das sich teilte, und überquerte ihn. Daraufhin kamen die Prophetenjünger aus Jericho herbei und verehrten ihn, weil Elijas Geist auf ihm ruhte.

Da ich nie damit gerechnet habe, dass ich einmal etwas über dieses Ereignis schreiben würde, habe ich keine diesbezüglichen Exegeten gelesen, weder gläubige noch nicht gläubige, um mir ein vertiefendes Verständnis davon anzueignen. Es würde mir dennoch nie in den Sinn kommen, das Ganze einfach als exotische Mythologie abzutun. Ein paar Dinge können mit Sicherheit gesagt werden. Elija verbrachte einen guten Teil seines Lebens auf der Flucht, um sich dem Zugriff feindlicher Mächte zu entziehen, wenn er nicht gerade Könige salbte oder diese zurechtwies. Seine Auffahrt zum Himmel war eine spektakuläre Demonstration göttlicher Bestätigung.

Elija wurde für seinen Glauben verfolgt, für seinen Monotheismus, den er mit Hingabe verteidigte. Die Monotheisten waren zu einer winzigen Minderheit zusammengeschrumpft, aber er ging in den wesentlichen Sachverhalten keine Kompromisse ein, und deshalb wagten dann natürlich auch viele Gläubige oder Halbgläubige, die eingeschüchtert worden waren, als Reaktion auf seine Unerschrockenheit hervorzutreten und sich zu bekennen.

Das sollte auch uns eine Lehre sein. Diejenigen von uns, die die Kirche lieben, sind betrübt über den Rückgang der Zahl der sonntäglichen Messbesucher und die formellen Kirchenaustritte, die oft eine Folge davon sind, dass das Licht im Leben der Menschen eingetrübt ist oder sie die christliche Lehre über Vergebung, Sünde, Leben, Leiden, Familie oder Sexualität ausdrücklich ablehnen. Das sind traurige Entwicklungen, gegen die wir auf jede mögliche Weise kraft unserer eigenen Natur und kraft dessen, was diese übersteigt, Widerstand leisten müssen. Manchmal haben auch unsere eigenen Sünden diesen Exodus beschleunigt.

Aber es gibt noch eine andere, schlimmere Erklärung dafür, nämlich dass heidnische Lehren in die offiziellen Lehren der christlichen Kirchen einfließen und diese ersetzen. Der Monotheismus zerrinnt in Spiritualität, Respekt vor Mutter Erde und in der Wiederentdeckung der alten heidnischen Religionen. Vergebung, eine weitere Lehre des westlichen Christentums, die wir überboten zu haben glauben, wird als Schwäche abgelehnt. Danach ist Christus nicht der Sohn Gottes, der die korrupten Geldwechsler aus dem Tempel vertrieben hat, sondern ein freundlicher und toleranter Lehrer oder, schlimmer noch, ein Schwächling, der sich kreuzigen ließ. Das Leiden hat keine Bedeutung. Moralische Autonomie, manchmal auch der Primat des Gewissens genannt, ersetzt die Zehn Gebote, und Selbstbestätigung oder Selbstbestimmung verdrängt das Naturrecht. Und die wunderbare Zusammenstellung der christlichen Lehren über das Leben, die Familie, die Ehe und die Kinder wird als Hassrede betrachtet, die nicht verbreitet werden darf, insbesondere in Bezug auf die Sexualität, Fortpflanzung und Liebe.

Ein solcher Virus wird sich in der katholischen Kirche nicht durchsetzen, aber er ist noch nicht eliminiert oder auch nur eingedämmt worden. Tragischerweise wird er oft selbst von Christen verbreitet, die glauben, dass die Kirchen, wenn sie nicht einige oder mehrere dieser Lehren annehmen, sich modernisieren und mit der Zeit gehen, weiter in Vergessenheit geraten werden.

Einer ähnlich hitzigen öffentlichen Debatte musste sich auch die Kirchenleitung im späten Römischen Reich stellen. Viele heidnische Intellektuelle und Meinungsführer waren der Auffassung, dass die christlichen Lehren das Weströmische Reich geschwächt und verraten hätten, sodass es dann schließlich unter den Angriffen und Invasionen der barbarischen germanischen Stämme zerfiel. Und deshalb sei es auch heute für die Christen, besonders in Westeuropa, das Vernünftigste, sich von ihren antiquierten Vorstellungen zu verabschieden, die mit der Moderne unvereinbar seien, zum Wohle der Gesellschaft und um des Überlebens der Kirchen willen.