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Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

1.

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7.

8.

9.

10.

11.

12.

Glossar

Impressum

PERRY RHODAN – die Serie

 

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Nr. 2055

 

13 gegen Arkon

 

Der Imperator lässt sich feiern – die USO plant den Gegenschlag

 

von Andreas Findig

 

 

 

Pabel-Moewig Verlag GmbH, Rastatt

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Zu Beginn des Jahres 1304 Neuer Galaktischer Zeitrechnung, das dem Jahr 4891 alter Zeit entspricht, hat sich die Situation in der Milchstraße entscheidend verändert. Diese aktuelle Situation ist Resultat einer Entwicklung, die damit begann, dass sich die Liga Freier Terraner der Koalition Thoregon angeschlossen hat, einem Zusammenschluss friedliebender Völker aus sechs Galaxien.

Das Kristallimperium der Arkoniden unter dem machtgierigen Imperator Bostich I. hat sich in den letzten Tagen des Jahres 1303 NGZ verändert: Unter der Bezeichnung Göttliches Imperium versucht es nun, seine Macht über die Milchstraße auszudehnen. Es ist absehbar, dass Arkon bald seine Hand nach der Erde ausstrecken wird.

Perry Rhodan versucht seit langem, einen umfassenden galaktischen Krieg zu vermeiden. Jetzt aber sieht er sich einer weitaus größeren Bedrohung als bisher ausgesetzt. Aus den Bewusstseinen von 34.000 terranischen Monochrom-Mutanten und dem mit dem Anzug der Phantome ausgerüsteten Wrehemo Seelenquell entstand auf Arkon eine neue Wesenheit: die Superintelligenz SEELENQUELL.

Ein erster Versuch Perry Rhodans, dem Vorgehen SEELENQUELLS Einhalt zu gebieten, findet im Kreit-System statt: ein kombinierter Einsatz in der Unterwelt von Ertrus. Die eigentlichen Helden auf dem Schwerkraftplaneten sind 13 GEGEN ARKON …

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Perry Rhodan – Der Terranische Resident führt einen Risikoeinsatz auf Ertrus an.

Caar Vassquo – Der siganesische Oberstleutnant hat einen geheimen Befehl.

Subeat dom Cyllken – Der neue Tato von Ertrus hat Angst vor dem Gerichtsplaneten Celkar.

Bostich I. – Der Tai Maos des Göttlichen Imperiums ahnt nichts vom »Unternehmen Freischwimmer«.

Alexander Woodi – Der junge USO-Spezialist freut sich auf seinen Einsatz.

»I, I will be king

And you, you will be queen

Though nothing will drive them away

We can beat them, just for one day

We can be heroes, just for one day.«

(David Bowie: »Heroes«)

 

 

1.

Der Ritt auf dem Geysir

 

Klick.

»Die Gegenwart ist eine Momentaufnahme«, hatte der Terranische Resident bei seiner inzwischen legendären Vereidigung des ertrusischen Untergrundpräsidenten Kim Tasmaene in der Gor-Oase von Chug gesagt.

Der flach atmende Mann in dem altertümlichen Kontursitz, im Moment durch altertümliche, mechanische Sicherheitsgurte hart gegen die begrenzt strukturveränderliche Lehne gedrückt, konnte sich gut daran erinnern.

Er war dieser Resident.

So, wie er schon vieles andere gewesen war. Major der U.S. Space Force. Gründer der Dritten Macht und erster Administrator der Terranischen Weltregierung. Großadministrator des Vereinigten und des Solaren Imperiums. Erster Hetran der Milchstraße. Sprecher der Kosmischen Hanse. Ritter der Tiefe. Gänger des Netzes. Mitbegründer des Camelot-Projekts.

Und seit langem besonders eines: Zellaktivatorträger, potentiell unsterblich.

Name: Perry Rhodan. Gegenwärtiger Status: Resident der Liga Freier Terraner. Gegenwärtiges Alter: 2954 Jahre. Gegenwärtiger Aufenthaltsort: die enge, schwach erleuchtete Steuerkanzel eines tschirmaynischen Qolfim-Tauchboots, das in genau diesem Moment einen mehr als ungewöhnlichen Punkt passierte.

Den Scheitelpunkt einer 120 Meter hohen, spitzen Parabel im Inneren einer gischtumwaberten Heißwassersäule von 200 Metern Höhe und 60 Metern Durchmesser. Den schwerelosen Wendepunkt eines verwegenen, um nicht zu sagen irrwitzigen Kommandounternehmens.

Wie ein Projektil war die QOLFIM 1 aus dem überhitzten Hochdruck-Quellschacht des Gigant-Geysirs im Zentrum von Baretus hinausgeschleudert worden.

Wie ein nach Luft schnappender Putzerfisch in der Fontäne eines monströsen Wals.

Ein steuerloses Mini-U-Boot, das jederzeit gesehen oder geortet werden konnte, wenn die Berechnungen und Simulationen der QuinTechs nicht stimmten oder die Eruptionssäule der heißen Barkennto-Quelle ihre brodelnden Wasser- und Dampfmassen zuwenig gleichmäßig in die schwere und dicke Luft von Ertrus katapultierte.

Klick, machte etwas in Rhodans Hirn. Klick.

Seine dunkelblonden Haare standen steil in die Höhe.

Perry Rhodan hatte schon viele Momente wie diesen erlebt. Er war schon in viele im wahrsten Sinn des Wortes haarsträubende Einsätze gegangen, und er kannte dieses flaue Gefühl im Magen, das nicht nur von der kurzfristigen Schwerelosigkeit am Scheitelpunkt der Parabel herrührte.

Trotz seines Zellaktivatorchips war ihm schlecht. Die kleine Narbe an seinem rechten Nasenflügel juckte, und sein Magen schien immer noch höher hinaus zu wollen, während die QOLFIM 1 mit auf Minimalleistung geschaltetem Gravo- und desaktiviertem Andruckabsorber bereits zum Rücksturz ansetzte.

Klick.

Der tollkühne Ritt auf dem Geysir erinnerte Perry Rhodan an die rumpeligen Starts an der Spitze feuerspeiender Versuchsraketen, die er als Testpilot der U.S. Space Force absolviert hatte – noch vor dem historischen Flug mit der STARDUST, noch vor dem so folgenschweren Ersten Kontakt auf dem irdischen Mond. Dem Kontakt mit Arkoniden – Angehörigen desselben Volkes, gegen dessen neuerstandene und ins Monströse gewachsene Militärmacht dieser Einsatz hauptsächlich ging.

Augen zu und durch, dachte Rhodan. So wie damals. Wie schon so oft.

Und plötzlich, obwohl die gewaltige Schwerkraft von Ertrus schon bald wieder an ihm zerren würde, fühlte er sich leicht und losgelöst. Dieser Einsatz würde klappen. Weil er klappen musste. Die Spezialisten in Quinto-Center hatten alles so detailliert geplant, wie ein Risikoeinsatz eben geplant werden konnte. Die QOLFIM 1 stürzte nicht einfach blind in ihr Verderben – obwohl draußen beziehungsweise im bugseitigen Außenholo nichts als Gischt und weiße Dampfschwaden zu sehen waren.

Perry Rhodan atmete tief durch.

Hatte er nicht erst vor wenigen Monaten einen noch viel unglaublicheren Flug mitgemacht – auf dem Rücken eines Ti'Rakka Marix, über den feuerspeienden Vulkanen des Mattun Gor? Und hatte sich nicht genau damals etwas in ihm gelöst? Etwas sehr Altes und tief Sitzendes?

Es war noch nicht allzu lange her, dass er eben hier, auf Ertrus, die Wut wieder erlernt hatte. Dass er das Kämpfen wieder erlernt hatte. Und das Schreien …

 

*

 

Perry Rhodan schrie.

Es war kein hilfloses Schreien. Es war ein langgezogener Schrei der Entschlossenheit. Ein Kampfschrei. Ein Brüllen.

Der Erste Pilot Yilza Mpinder, die Zweite Pilotin Harisme U'Ikarte und die Maschinistin Ohlea Rohdeck stimmten in Rhodans Brüllen ein.

Leutnant Inch Ishery, Geologe und Orter der QOLFIM 1, und der venusianische TLD-Agent Cux Mineratt, Navigator und Bordphysiker, brachten lediglich ein grimmiges Krächzen zustande.

Das Qolfim-Tauchboot mit seinen all ihre Anspannung hinausschreienden und -krächzenden Insassen stürzte mit einer Beschleunigung von 33,42 Meter pro Sekundenquadrat in einer 60 Meter durchmessenden Säule aus heißem Wasser und Wasserdampf 120 Meter in die Tiefe.

Kurz bevor das Boot und der außen angedockte Spezial-Katsugo mit einer Geschwindigkeit von 300 Stundenkilometern auf die gischtende Wasseroberfläche aufgeschlagen wären, wurde in einem vorausprogrammierten Präzisionsmanöver für die Dauer einer Zehntelsekunde der Innenstrom-Gravojet aktiviert. Die mehrfach abgeschirmten, für denselben Sekundenbruchteil hochfahrenden Andruckabsorber hatten eine Bremsbeschleunigung von weit über 800 Metern pro Sekundenquadrat – oder knapp 90 Gravos! – zu neutralisieren.

Geschwindigkeit: null.

Fallhöhe: null.

Klick.

2.

Baretus nach dem Fall

 

Kreit ging nicht auf, Kreit rollte heran.

Nach einer kurzen und kalten Ertrus-Nacht von etwas mehr als fünf Stunden terranischer Standardzeit – oder dreieinhalb Tontas der arkonidischen Besatzer – schob sich ihr Glutball in einer Strahlenlawine aus Rot und Malve über den östlichen Horizont. Das Sonnenlicht, vielfach gebrochen in der dichten Atmosphäre, umbrandete die bizarre Skyline hoch aufragender Wolkentürme und ergoss sich über die glitzernden Sanddünen der Gelben Wüste, die wie ein zu Gold und Schwefel erstarrtes Meer bis dicht an die Ausläufer des Großraums Baretus heranreichte.

Im Westen, über dem düsteren, von rotglühenden Lavaadern durchzogenen Vulkanland des Mattun Gor, stand Jopprott, der Werftplanet, als schnell verblassender Stern am Himmel und wurde für einen kurzen Moment von der Silhouette eines hochfliegenden Ti'Rakka Marix verschluckt.

Unsere Luftwaffe, dachte Eutrom Facrelli und lachte lustlos auf. Die einzige, die wir noch haben.

Das geflügelte Ertrus-Nashorn – eigentlich ein exotischer Saurier, dessen Körper aus einem einzigen, vielfach verfalteten Fleisch- und Knochensegel bestand – schraubte sich höher in die bleichrote Luft, bis es durch nichts mehr von den Aschewolken zu unterscheiden war, die aus den Schloten der gewaltigen Schildvulkane bis hoch in die Stratosphäre geschleudert wurden.

Die junge Extremwelt Ertrus befand sich in Aufruhr – und der Aufruhr schien sogar die scheuen Ti'Rakka Marix erfasst zu haben. Früher, vor der arkonidischen Okkupation, waren die bis zu zehn Meter langen, drei Meter hohen und mit ausgeklappten Flügeln mindestens 20 Meter breiten Ungetüme nur selten zu sehen gewesen, und während der Dunklen Jahrhunderte unter Monos, dem auf ewig verfluchten Teufel in Terras Hallen, hatten sie sogar den Status von Fabeltieren gehabt.

»Flieg, Rakka, flieg!«, sang Eutrom Facrelli aus voller Kehle gegen den aus Südwest heranpfeifenden Morgen-Mistral – was bedeutete, dass ein tiefes Grollen das poröse Gestein seiner Aussichtshöhle in einer Steilwand des Buckligen Reiters erzittern ließ.

Princess, die eineinhalb Meter lange Riesenspitzmaus, die Eutrom auf unbestimmte Zeit in Pflege genommen hatte, machte einen erschrockenen Satz nach hinten. Eutrom hatte das noch nicht ganz ausgewachsene, mutterlose Herdentier der Spezies Sorex maximus ertrusis auf abenteuerlichen Umwegen von Eden Arukitch übernommen.

Der einsame Reporter und Gründer des Untergrundsenders »Radio Freies Ertrus« hatte Princess als neue Begleiterin auserwählt, nachdem ein Naat-Soldat seine bisherige Gefährtin, die Riesenspitzmaus Baroness, erschossen hatte. Aber Arukitch hatte sich nicht lange an Princess' Gesellschaft erfreuen können, denn schon bald hatten ihn die Arkoniden verhaftet. Vor kurzem, am 30. Dezember 1303 NGZ, war er nur knapp dem Vibratorschwert eines naatschen Henkers entgangen.

Die schwanzlose Riesenspitzmaus mit dem graublauen Fell und der torpedoförmigen Schnauze war eine Versprengte des Krieges. Ebenso wie Eutrom selbst. Versprengte waren auch alle anderen in der Rebellengruppe von Rubin Karek. Eutrom hatte sich Rubin aus Gründen angeschlossen, die nicht ausschließlich mit seinem Wunsch zu tun hatten, den Besatzern, die höchstwahrscheinlich seine ganze Familie ermordet hatten, zu schaden, wo er nur konnte.

»Ruhig, Princess, ganz ruhig!«, sagte Eutrom und justierte die vor seinem Kopf schwebende Holokamera per Blickschaltung um. Das Hightech-Gerät aus swoonscher Fertigung, das er ebenfalls von Mitarbeitern des ertrusischen Piratensenders erhalten hatte, zoomte auf Baretus zurück. Princess, die einen intensiven Geruch nach verfaultem Laubmoos verströmte, knuffte ihn zärtlich in den Oberschenkel. Sie stellte sich auf die Hinterpfoten und knabberte kurz an seinem langen, kupferfarbenen Haarzopf, bevor sie ihre Schnauze mit einem zufriedenen Schnaufer auf die kniehohe Felsbalustrade legte, die Eutrom von einem über 2000 Meter tiefen Abgrund trennte.

Von hier oben, aus den sturmumtosten Steilwänden des Buckligen Reiters, konnte Eutrom schon mit bloßem Auge den gesamten Großraum Baretus überblicken. Immerhin war der Horizont der 70.000 Kilometer durchmessenden Extremwelt weiter entfernt als auf Planeten geringerer Größe. Das halb verbaute, halb von Zonen kaum gebändigter Natur durchwucherte Areal erstreckte sich von der Gelben Wüste im Osten 350 Kilometer bis zu den Ausläufern des Mattun Gor im Westen. Nach Süden hin durchmaß der Großraum Baretus 120 Kilometer und lief in einer Hügellandschaft aus, die Eutrom an die dicht aneinandergedrängten Schädeldecken urzeitlicher Riesen erinnerte, die jetzt, in der Morgendämmerung, in einem fahlen Rot erglühten.

Bei genauerem Hinsehen entpuppten sich einige der »Riesenschädel« als arkonidische Schlachtschiffe der 1500-Meter-Klasse, die auf dem noch weiter südlich gelegenen Raumhafen niedergegangen waren. Zwei merklich niedrigere »Hügel« erstrahlten nicht in Rot, sondern in einem matten Blau und waren, wie Eutrom wusste, die in starke Paratrons gehüllten KOMEDUS-Rechnerschiffe – ein äußerst lohnendes, zur Zeit aber praktisch unerreichbares Ziel für den ertrusischen Widerstand.

Im Kontrollhologramm der winzigen Schwebekamera erschienen die bekannten Daten über die schwer bewachten Spezialschiffe, deren Aufgabe war, die bei der Schlacht um das Kreit-System zerstörte Großsyntronik ARBOSSA auf dem zweiten Planeten Jopprott zumindest teilweise zu ersetzen.

»Euch jagen wir auch noch in die Luft …«, knurrte Eutrom.

Er schaltete das abgeschirmte, eng konturierte Lampenfeld ab, das ihn bis jetzt umglüht hatte, und legte sein Vibratormesser und die Knochenschnitzerei, mit der er seit einer Stunde nicht weitergekommen war, auf die Felsenbalustrade.

»… und wenn wir dazu von unten kommen müssen«, fügte er hinzu.

Princess nieste ihre Zustimmung.

»Brav, Princess!«, sagte Eutrom und wühlte gedankenverloren im Nackenfell der Riesenspitzmaus. »Bist eben eine echte Ertruserin.«

Princess spuckte einen Brocken halbverdauten – und, wie es schien, halbverdorbenen – Laubmooses in den Abgrund und schickte einen Sirenenton hinterher, der die Stalaktiten der Aussichtshöhle gefährlich zum Schwingen brachte.

Anders gesagt: Sie piepste.

 

*

 

Im kämpfenden Untergrund zu sein bedeutete auf Ertrus, tatsächlich unter die Erde zu gehen.

Ertrus war eine geologisch junge Welt, deren Planetenkruste noch immer von heftigen tektonischen Verschiebungen durchlaufen wurde. Im Umfeld ertrusischer Städte, Industrieanlagen und Proteinfabriken musste der Untergrund mit leistungsstarken und tiefreichenden Kraftfeldprojektoren künstlich stabilisiert werden. Ohne solche energetischen Klammern riss die ertrusische Erde regelmäßig auf und bildete Spalten von Hunderten und Tausenden Kilometern Länge.

Besonders der große Äquatorialkontinent Baedhro mit den beiden Städten Baretus und Fin Calley war von einem dichten Netz solcher Verwerfungszonen durchzogen. An die aktiven Krater, die lavaführenden Röhrenhöhlen und unterirdischen Flüsse des Mattun Gor schlossen sich die Kavernen um Fin Calley an, die ihrerseits in das zerklüftete Höhlenlabyrinth und das zum Teil wasserführende Kanal- und Spaltensystem unter und um Baretus übergingen. Selbst der schroffe Gebirgszug des Buckligen Reiters machte keine Ausnahme – zumal er zusätzlich von den Minenschächten der Prospektoren durchlöchert war, die sich in mehr als zweieinhalb Jahrtausenden mit ihren Desintegratorfräsen in seine Eingeweide gewühlt hatten.

Ein so weitverzweigtes Netzwerk miteinander verbundener Hohlräume konnte im Bedarfsfall nicht nur einzelnen Widerstandsgruppen als Zuflucht und Operationsbasis dienen, sondern ganze Armeen verbergen. Und tatsächlich war die Partisanenarmee des Präsidenten der ertrusischen Résistance, Kim Tasmaene, im wahrsten Sinn des Wortes eine Untergrundarmee.

Hinzu kam, dass ein Volk, das so oft die leidvolle Erfahrung totalitärer Systeme gemacht hatte wie die Umweltangepassten der terranischen Subspezies Homo sapiens ertrusis, zwangsläufig eine lange zurückreichende Tradition im organisierten Widerstand hatte. Die Freiheitskämpfer des Jahres 1304 NGZ konnten zum Teil auf unterirdische Einrichtungen zurückgreifen, die noch unter der Terrorherrschaft der Cantaro und Hyguphoten oder sogar in den Zeiten des Carsualschen Bundes angelegt worden waren.

Eines dieser von den jeweiligen Obrigkeiten nie erfassten Verstecke war das hoch liegende Höhlensystem, das den Partisanen um Rubin Karek als vorübergehende Basis diente und neben mehreren tief in den Bergsockel hinabreichenden Kaminen einen nach außen führenden Schacht aufwies, der sich vorzüglich als Beobachtungsposten eignete.

Eben jenen Schacht, aus dessen schwindelerregend gelegener Mündung – knapp unter den am Buckligen Reiter auflaufenden Wolken – Eutrom Facrelli und die Riesenspitzmaus Princess auf Baretus hinabblickten.

Oder auf das, was von Baretus übriggeblieben war.

 

*

 

56 Kilometer durchmaß das kreisförmige Areal der Zentralstadt Baretus.

Hier hatte einst das Herz der Kreit-Koalition geschlagen. Hier hatte sich das logistische, wirtschaftliche und insbesondere das emotionale Zentrum für die 78 von Ertrusern und Ertruser-Abkömmlingen besiedelten Welten befunden, deren 64 in einer Raumkugel von annähernd 300 Lichtjahren Durchmesser liegende Sonnensysteme ein eigenständiges, mit der LFT assoziiertes Sternenreich bildeten.

Dies war Baretus, die Stolze, gewesen. Baretus, die Prächtige. Eine riesenhafte, ausladende, sinnverwirrende Metropole, durch die der Nullmeridian des Hochschwerkraftplaneten verlief – vielleicht sogar der Nullmeridian der ertrusischen Geschichte und des ertrusischen Selbstbewusstseins.

Elf Millionen der umweltangepassten Hünen hatten die titanische Stadt mit ihrem in der ganzen Galaxis berühmten Sternenkratzer und ihren Hunderte Meter in den Malvenhimmel emporragenden Aluminiumsäulen mit brodelndem Leben erfüllt. Brodelnd und ungebändigt wie die hochschießenden Wasser des Barkennto-Geysirs, um dessen dampfenden Quellsee Baretus im 21. Jahrhundert alter Zeitrechnung gegründet worden war.

Bis zum 4. Oktober 1303 NGZ, dem Tag, der als Tag des Sieges über die kristallimperialen Invasoren in die Geschichte von Ertrus eingehen hätte sollen und der nun für immer nur eines sein würde: der Tag, an dem die Bombe fiel.

Omir-Gos, die arkonidische Intervallbombe.

Omir-Gos, der hypermechanische Hammer vom Himmel, benannt nach einem mythischen Kristall.

Omir-Gos – im zynischen Slang der Militärs eine taktische und »saubere« Deeskalationswaffe.

Intervallbomben erzeugten intermittierende, überlichtschnelle und enggebündelte 5-D-Stoßfelder – sogenannte Hammerfronten –––von innen heraus.