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Texte und Studien
zur österreichischen Literatur- und Theatergeschichte
Band 5

Franz von Heufeld

Lustspiele

Herausgegeben
und mit einem Nachwort von
Johann Sonnleitner

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Verlag Lehner

 

 

 

Die Haushaltung nach der Mode.

Oder

Was soll man für eine Frau nehmen?

Ein Lustspiel

von drey Aufzügen.

 

 

Auf der kaiserl. königl. privil. deutschen Schaubühne aufgeführt.
Wienn, zu finden bey Joh. Paul Krauß, Buchhändler, nächst der kais. königl. Burg. 1765

Personen.

Herr von Hienzendorf.

Frau von Hienzendorf.

Fräulein Gretel, ältere Tochter.

Fräulein Mimi, jüngere Tochter.

Herr Wahrmund, Hienzendorfs Schwager.

Herr Damon, Liebhaber der Fräulein Mimi.

Herr von Chemise, Liebhaber der Fräulein Gretel.

Herr Bernhardel, Hienzendorfs Pupill.

Mamselle Fanchon, die Gouvernantin.

Eine Köchin.

Ein Bedienter.

Der Ort der Handlung ist ein gemeinschaftliches Zimmer in Hienzendorfs Hause.

Erster Aufzug.

Erster Auftritt.

Fräulein Mimi, und hernach Fräulein Gretel.

 

MIMI (indem sie sich in dem Zimmer wohl umsieht). Endlich bin ich einmal einen Augenblick allein. Der Papa ist ausgegangen, die Mama läßt sich ankleiden, das ist gut: nun habe ich die schönste Gelegenheit und Zeit genug, den Brief von meinem Amanten zu lesen. (Zieht einen Brief aus der Tasche) Das ist doch recht verdrüßlich! Immer muß ich wen auf dem Halse haben, keinen Augenblick kann ich allein seyn. (liest) ..

GRETEL (für sich). Was seh ich? Meine Schwester! das ist gewiß ein Billet doux! da muß ich dahinter kommen. (schleicht sachte zu ihr hin, sieht eine Weile in den Brief) „Getreuester Verehrer Damon.“ (Mimi erschrickt, und will den Brief verbergen) O! verbirg den Brief nur nicht, ich hab ihn schon gesehen.

MIMI. Ich bitte dich, meine liebe Schwester! verrath mich nur nicht.

GRETEL. Expresse will ich’s der Mama sagen, weil du gar kein Vertrauen auf mich hast.

MIMI. Ich bitte dich um alles in der Welt, thue mir doch diesen Streich nicht, ich will dir alles sagen, verrath mich nur nicht!

GRETEL. Aber, wie kannst du dir denn einfallen lassen, daß ich dir was zuwider thun werde? von mir hast du gar nichts zu befürchten; aber, verdrüßen thut’s mich recht in der Seele, daß du gegen mich so mißtrauisch bist.

MIMI. Du, ich bitte dich recht schön um Verzeihung, meine liebe Schwester! ich hätte dir ja alles gesagt, aber ich habe nur erst selbst wollen wissen, was mir Herr Damon schreibt.

GRETEL. Itzt sagst du es, weil ich dir hinter deine Heimlichkeiten gekommen bin.

MIMI. Nein; gewiß, ich hätte dir alles anvertraut. – – Sey nur nicht böse!

GRETEL. Ich will es dir glauben. Aber du mußt doch jemand Vertrautern haben, als mich, der dir die Briefe zubringt.

MIMI. Ach nein; gestern Abends hat ihn mir Herr Damon, als er von hier weggieng, und mir die Hand küßte, ohne daß es jemand wahrnahm, in die Hand gedruckt.

GRETEL. So! Ihr macht eure Sache recht fein. Ich habe schon lang gemerkt, daß ihr einander gern sehet, ohngeachtet du es mit allem Fleiß zu verbergen suchtest.

MIMI. Was soll ich denn thun? ich habe ja noch nie mit Herrn Damon recht reden können; du weißt ja selbst wohl, daß mich die Mama keinen Augenblick mit ihm allein läßt: und hieraus kann ja Herr Damon wohl abnehmen, daß sie unserer Liebe zuwider ist.

GRETEL. Merkst du denn nicht, wen sie dir zum Mann geben will?

MIMI. Das kann ich ohnmöglich wissen.

GRETEL. Mir kömmt vor, sie hat dir den Bernhardel zum Bräutigam bestimmt.

MIMI. Den Bernhardel! mich trift der Schlag; ehe ich den nehme, ehe geh ich ins Kloster.

GRETEL. So weit wird es hoffentlich nicht kommen.

MIMI. Das ist ja gar ein abgeschmackter Mensch.

GRETEL. Er hat aber Geld. – – Freylich wäre mir Herr Damon auch lieber. Doch du hast ja den Papa auf deiner Seite, und er mag ja den Damon recht wohl leiden.

MIMI. Was wird mir das helfen? Der Papa muß ja thun, was die Mama will, er traut sich ja nicht einmal ihr zu widersprechen.

GRETEL. Deswegen mußt du nicht gleich verzweifeln.

MIMI. Du hast gut reden, du giltst alles bey der Mama. Dein Amant, der Herr von Chemise kann zu dir kommen, wenn er will, da sagt sie nicht ein Wort darwider.

GRETEL. Warum macht’s Herr Damon nicht auch so, wie es der Herr von Chemise macht? Er soll ihr schön thun, er soll ihr schmeicheln wie dieser.

MIMI. Wenn er es auch thun will, so ist’s ihr nicht recht; sie macht ihm ja gleich Gesichter, daß er völlig confus wird.

GRETEL. Was willst du aber itzt thun?

MIMI. Das weiß ich selbst nicht.

GRETEL. Du wirst ihm doch wohl eine Antwort geben?

MIMI. Freylich, möchte ich ihm gerne antworten, aber wie stelle ich es an, daß ich vor der Mama sicher bin. Ich fürchte sie, wie die Hölle.

GRETEL. O! die ist leicht zu betrügen.

MIMI. Ich trau ihr aber nicht recht. Mir fällt was ein, liebste Schwester! Ich bitte dich recht schön, thue mir doch den Gefallen, und mach du mir eine Antwort an Herr Damon.

GRETEL. Ich?

MIMI. Ja du; du hast mehr Freyheit, als ich; auf dich giebt sie nicht so sehr acht, du kannst es ohne alle Gefahr thun.

GRETEL. Das ist ja recht artig! ich soll in deinem Namen Liebesbriefe an deinen Amanten schreiben? wird auch dieses wohl dem Herrn Damon anständig seyn?

MIMI. Was weiß er, ob es meine, oder deine Hand ist? Man kennt unsere Schrift ohnehin nicht von einander; und wenn er es auch erfährt, so werde ich mich schon zu entschuldigen wissen. Ich bitte dich recht schön, liebe Schwester!

GRETEL. Meinetwegen! damit du siehst, daß ich es gut mit dir meyne, so will ich für dich eine Antwort machen.

MIMI. Nu ja, thue mir diesen Gefallen.

GRETEL. Aber was soll ich ihm antworten?

MIMI. Schreib ihm nur, daß ich ihn gern habe, und – – was du halt meynst, daß er thun solle, um sich bey der Mama einzuschmeicheln.

GRETEL. Ich werde einmal was aufsetzen, wenn es dir nicht recht ist, so kannst du darzu-, oder wegthun, was du willst.

MIMI. Es wird mir schon recht seyn. Wenn Herr Damon sich heut hier einfindet, werde ich schon die Gelegenheit abpassen, ihm die Antwort zuzustellen.

GRETEL. Wohl denn; ich gehe also; bleib du indessen hier! Wenn die Mama zu nahe kommen sollte, so gieb mir nur ein Zeichen.

MIMI. Gut! wenn du mich husten hörst, so denke sicher, daß es Zeit ist, dich in acht zu nehmen, und darnach kannst du dich richten.

GRETEL. Ich werde gleich wieder da seyn. (geht ab)

MIMI. Mach es nur kurz.

Zweyter Auftritt.

Fr. Mimi allein.

 

MIMI. Das ist doch recht verdrüßlich, wenn man gar so eingeschränkt leben muß. Nicht einen Augenblick Freyheit. – – Ich möchte fast verzweifeln. Den ganzen Tag habe ich entweder die Mama, oder die Mamsel auf dem Hals. – – – Da kömmt schon wieder wer! O! das ist der Bernhardel, der kommt mir just zur gelegnen Zeit. – – Den will ich mir bald wieder vom Halse schaffen.

Dritter Auftritt.

Fr. Mimi und Bernhardel.

 

BERNHARDEL (spielt im Herausgehen auf einer Maultrommel, und als er die Fr. Mimi gewahr wird). Ach! Gehorsamer Diener, Fräulein Mimi.

MIMI. Ihre Dienerin, Herr Bernhardel!

BERNHARDEL. Wie geht’s? wie befinden Sie sich?

MIMI. Gut.

BERNHARDEL. Wie haben Sie geschlafen heunt Nacht?

MIMI. Gut.

BERNHARDEL. Hat Ihnen nichts geträumt?

MIMI. Das sind wohl närrische Fragen.

BERNHARDEL. Närrisch? Nu, so wollen wir gescheid reden. – – Was giebt’s neues?

MIMI. Was weiß ich!

BERNHARDEL. Ich weiß aber was, – – – das ist was, das ist wohl was rechts neues!

MIMI. Was denn?

BERNHARDEL (lachend). Sie werden es schon wissen?

MIMI. Ich weiß nichts.

BERNHARDEL. Ah, gehen Sie, gehen Sie, verstellen Sie sich nicht.

MIMI. Was soll es denn seyn?

BERNHARDEL (lachend). Ich gratulir, ich gratulir.

MIMI. Sie sind nicht gescheid.

BERNHARDEL. Es ist aber wohl gescheid. Hochzeit, Hochzeit, Hochzeit.

MIMI. Nu, was soll das heißen?

BERNHARDEL. Eine Hochzeit wird werden.

MIMI. Wenn Sie nicht vernünftig reden wollen, so gehe ich.

BERNHARDEL. Nein, das wäre nichts; just Sie müssen da bleiben, es geht Sie an.

MIMI. Mich?

BERNHARDEL. Ja, – – Sie sind eine Braut.

MIMI. Ich eine Braut?

BERNHARDEL. Die Leute sagen es.

MIMI. Das wäre keine üble Zeitung. (Es könnte doch was dran seyn.) Wo ist denn der Bräutigam?

BERNHARDEL. Ach! itzt kommen wir auf das feine. Wer meynen Sie wohl, daß es ist? rathen Sie einmal!

MIMI. Das kann ich ohnmöglich errathen; ich kann mir den ganzen Bräutigam nicht einbilden.

BERNHARDEL. So bilden Sie sich den halben ein.

MIMI. Sie treiben nichts als Possen.

BERNHARDEL. Ey ja wohl, Possen! Es ist keine Fopperey.

MIMI. Wenn Sie mir es also nicht sagen wollen, so lassen Sie es bleiben.

BERNHARDEL. Sagen thue ich’s nicht gleich; – – darein helfen will ich Ihnen ein bißl, aber Sie müssen es errathen.

MIMI. Nu, so helfen Sie mir denn darein! Wie denn? Wie heißt er, wie sieht er aus?

BERNHARDEL. Er heißt – – – nein, das sag ich nicht; aber, wie er ausschaut: er ist nicht groß, und auch nicht klein; – – in meiner Person; ein hübscher feiner junger Mensch, der – – der – – rathen Sie einmal, wer es ist?

MIMI. Noch kann ich nicht darauf kommen, wer es seyn soll?

BERNHARDEL. Ein ansehnlicher Mensch; er gilt recht viel bey der Frau Mama.

MIMI. Hum! Ist es vielleicht der Herr von Chemise?

BERNHARDEL. Wie?

MIMI. Der Herr von Chemise?

BERNHARDEL. Nein.

MIMI. Aber, was ist er denn? was kann er?

BERNHARDEL. Essen – – trinken – – lustig machen.

MIMI. Wenn er sonst nichts kann, so muß er ein dummer Teufel seyn.

BERNHARDEL (lachend). Angepumpt, ich bin’s.

MIMI. Sie sind es?

BERNHARDEL. Es ist so.

MIMI. Wer hat Ihnen das gesagt?

BERNHARDEL. Ihre Mama.

MIMI. Meine Mama? und wann hat sie es Ihnen gesagt?

BERNHARDEL. Gestern nach dem Nachtessen, wie ich habe wollen schlafen gehen, so habe ich ihr die Hand geküßt, und hab gesagt: ich wünsche Ihr Gnaden eine ruhsame Nacht; da hat sie gesagt: ich bedanke mich, mein lieber Bernhardel, ich wünsche Ihnen auch so viel, schlafen Sie gesund, und lassen Sie sich die Zeit nicht lang werden, hat sie gesagt, Sie werden so nicht lang mehr allein schlafen, hat sie gesagt, ich werde Ihnen bald eine Frau geben, hat sie gesagt, ich merke wohl, hat sie gesagt, daß Sie meine Mimi gern sehen, sie soll Sie haben, Sie müssen mein Schwiegersohn werden, hat sie gesagt.

MIMI. Das hat sie Ihnen gesagt?

BERNHARDEL. Sie hat mir noch eine Menge gesagt, ich habe aber nicht alles merken können. Vor lauter Freuden habe ich nicht gewußt, was ich thue. Die ganze Nacht habe ich kein Aug zum andern gebracht; ich habe die halbe Nacht vermaultrummelt.

MIMI. (Ohnmöglich kann ich glauben, daß meine Mama dieses ernstlich soll gemeynt haben.) Aber die Mama sagt ja allezeit: sie wolle mich nicht ehender heyrathen lassen, als bis meine Schwester einen Mann hat, weil sie älter ist; warum gibt sie Ihnen denn nicht diese?

BERNHARDEL. Ihre Schwester mag ich nicht. Sie sind hübscher, und gefallen mir weit besser.

MIMI. Das ist mir gar nicht lieb; und wenn soll denn die Hochzeit werden?

BERNHARDEL. Das weiß ich nicht. Meinetwegen heut lieber, als morgen.

MIMI. Sie werden es auch in Ewigkeit nicht wissen.

BERNHARDEL. Ah! es wird so lang nicht mehr anstehen.

MIMI. Und ich sage Ihnen, daß in Ewigkeit nichts daraus wird.

BERNHARDEL. Warum nicht?

MIMI. Darum, weil ich Sie nicht mag.

BERNHARDEL. Wenn’s aber die Mama schaft, so müssen Sie mich wohl mögen.

MIMI. O sie wird mich nicht zwingen wollen, einen Menschen zu heyrathen, der mir von Natur aus zuwider ist; ehe wollt ich mein Lebetag ledig bleiben.

BERNHARDEL. Es wird sich schon weisen. Glauben Sie denn, ich bin so gar dumm? Meynen Sie etwan, ich merke es nicht, warum Sie mich nicht leiden können? – – Der Damon, nicht wahr? (sie erschrickt) der wäre halt der rechte? wird nichts daraus. – –

Vierter Auftritt.

Fräulein Gretel und die Vorigen.

 

GRETEL. Herr Bernhardel! was zanken Sie mit meiner Schwester?

MIMI. Eben recht! sieh nur einmal, was er mir für Grobheiten anthut. Ich habe ihm gesagt, daß ich zum Sterben in ihn verliebt sey, und da sagt er mir ins Gesicht: er möge mich nicht.

BERNHARDEL. Das ist nicht wahr.

MIMI. Ich habe ihn auf den Knien gebethen, er soll mich heyrathen; er aber giebt mir auf die gröbste Art zur Antwort: ich wäre ihm nicht schön genug, und er wolle durchaus keine andere zur Frau haben als dich.

BERNHARDEL. Ey so lüg.

GRETEL. Aber warum wollen Sie denn meine Schwester nicht? Sie ist schöner, als ich.

BERNHARDEL. Das ist erlogen, das hab ich nicht gesagt.

MIMI. Da hörst du es selbst, daß er sagt: ich sey nicht so schön wie du.

BERNHARDEL. Zum Teufel, das hab ich nicht sagen wollen.

GRETEL. Aber Sie werden ja das nicht läugnen, was ich in meine eigene Ohren gehört habe.

BERNHARDEL. Halten Sie mich für einen Narren, oder was ist es? (lachen beede) Ich glaube gar, Sie wollen mich foppen. – – Es braucht kein Lachen.

MIMI. Warum sind Sie ein solcher Hienz, und lassen sich foppen.

BERNHARDEL. Das ist schlecht genug! Wenn ich auch ein Hienz bin, so bin ich doch ein Mannsbild, wenn Sie erlauben, und das ist genug.

MIMI. So ein Mannsbild und keines ist gleichviel.

BERNHARDEL. Ich glaub, es verdrüßt Sie, daß ich auf der Welt bin?

MIMI. Wegen meiner hätten Sie nicht dürfen auf die Welt kommen.

BERNHARDEL. O! vielleicht wären Sie noch einmal froh, wenn Sie mich haben könnten. Wer weiß, ob Sie nicht überbleiben. Schreyen Sie nur nicht zu laut.

MIMI. Und wenn Sie das einzige Mannsbild auf der Welt wären, so möchte ich Sie dennoch nicht. Lassen Sie mich mit Fried, Sie haben hier nichts zu thun, scheren Sie sich fort, ich brauche Sie das ganze Jahr nicht.

BERNHARDEL. So? Sie schaffen mich fort? Es ist ein Wort, ich geh, – – aber – – es ist schon recht, Sie werden es schon sehen. (ab)

Fünfter Auftritt.

Gretel und Mimi.

 

MIMI. Dem Himmel sey Dank, daß wir ihn nur einmal vom Halse haben.

GRETEL. Aber! ums Himmelswillen! was treibst du mit ihm? Du weißt, daß er alles bey der Mama gilt. Gewiß wird er wieder eine Schwätzerey machen, und denn wirst du deine Noth haben.

MIMI. O, ich werde es ihm noch weit ärger machen, wenn er mich nicht mit Fried läßt. Hast du die Antwort an den Damon fertig?

GRETEL. Hier ist sie, (giebt ihr solche) ich hoffe, du wirst damit zufrieden seyn. – – Ich habe sie in der Eile so gut gemacht, als es mir möglich war. – – Wie gefällt’s dir? – –

MIMI. Gut (liest fort) – – recht gut, ich danke dir von Herzen; es könnte nicht besser seyn. Nun will ich geschwind meinen Namen hinschreiben. Hier auf des Papa seinem Schreibtische ist Dinte und Feder. (Setzt sich mit dem Rücken gegen die Thüre, legt Damons Brief vor sich) Ich werde gleich fertig seyn.

GRETEL. Mach nur geschwind. (nimmt ein Buch vom Tische)

Sechster Auftritt.

Frau von Hienzendorf und die Vorigen. Frau von Hienzendorf tritt durch die mittlere Zimmerthüre herein; als Mimi die Thüre gehen hört, steckt sie ihren Brief geschwind ein, hat aber nicht mehr Zeit, Damons Brief zu verbergen, und erschrickt sehr.

 

FR. V. HIENZEND. (zur Mimi). Was schreibst du da?

MIMI (verwirrt). Nichts Mama! – – Ich hab nur wollen ein Lied abschreiben.

FR. V. HIENZEND. Laß sehen! (nimmt Damons Brief vom Tische) Das ist ja ein Brief!

MIMI. Ja Mama!

FR. V. HIENZEND. Ha? Warum lügst du denn, Mensch! (giebt ihr eine Maulschelle)

GRETEL. Es ist ein Brief, der Bernhardel hat ihn hingelegt.

FR. V. HIENZEND. Wer? Der Bernhardel hat ihn hingelegt? Gleich gesteht mir’s! Von wem ist der Brief? – – Wollt’s nicht reden? Gleich hau ich einer jeden einen Schilling herunter, daß das Blut herunter lauft. Von wem ist der Brief?

MIMI. Ich bitte um Verzeihung, ich will alles sagen?

FR. V. HIENZEND. Red bald, oder ich drehe dir den Hals um.

MIMI. Er ist vom – – Damon.

FR. V. HIENZEND. Ja, vom Damon?

GRETEL. (Ich wollte wetten, der Bernhardel hat uns verschwätzt.)

FR. V. HIENZEND. Drum kannst du den Bernhardel nicht leiden! Nun wart, ich werde dich lehren, ohne der Mutter ihr Wissen eine Amur zu machen, du Druschl! Gleich scheer dich in dein Zimmer.

MIMI. (Das ist ein fataler Streich!) (geht ab)

Siebenter Auftritt.

Frau von Hienzendorf und Gretel.

 

FR. V. HIENZEND. Und du bist auch mit verstanden! Ich hätte geglaubt, du thätest mir alles sagen, und nicht mir zum Verdruß deiner Schwester kuppeln.

GRETEL. Ich bitte die Mama unterthänig: – – es ist ja nichts unrechts; der Damon ist ja ein honnetter Mensch.

FR. V. HIENZEND. Ey! was verstehst du. Der wär mir grad der Rechte.

GRETEL. Er ist ja ein braver Mensch, und aller Orten gern gesehen.

FR. V. HIENZEND. Meinetwegen mag ihn die ganze Welt gern haben, ich mag ihn halt nicht, er gefällt mir nicht, und ich will ihn absolute nicht in meiner Familie haben.

GRETEL. Es ist ein Unglück für ihn, daß er just der Mama nicht gefällt.

FR. V. HIENZEND. Das geht dich nichts an, und ich rathe dir’s, red mir kein Wort mehr vom Damon, sonst werde ich dich watschen, daß dir die Suppen herunter rinnt.

GRETEL. Ich kann ja schweigen, wenn’s die Mama schaft. (schlägt das Buch auf, das sie in der Hand hat)

FR. V. HIENZEND. Ja, ich rathe dir’s. – Hast schon wieder ein Buch in der Hand? Was ist das für ein Buch?

GRETEL. Es sind die moralischen Briefe zu[r] Bildung des Herzens.

FR. V. HIENZEND. Was? ein Briefbuch? drum treibt ihr so schöne Sachen. (reißt ihr’s aus der Hand) Hab ich euch nicht schon viel hundertmal verbothen, Bücher zu lesen? Ich will das Teufelszeug gleich zum Fenster naus werfen. (tritt zur Scene und wirft es von sich)

GRETEL. Nicht, Mama! es gehört nicht uns.

FR. V. HIENZEND. Da liegt mir wenig dran, wem es gehört.

GRETEL. Es gehört dem Herrn Damon.

FR. V. HIENZEND. Desto besser; just das ist mir recht. Der will euch solche Narretheyen in Kopf setzen? das gieng mir noch ab. Was braucht ihr zu lesen? thut’s gescheidere Sachen. Lern lieber einmal Quadrillspielen, du großes Thier! alleweil Bücher! lauter unnütze Possen habt ihr im Kopf. Erst neulich habe ich dir befohlen, du sollst mir das dalkete Buch von der englischen Pamela wegthun, und itzt bist schon wieder mit einer neuen Kinderey da.

GRETEL. O! heunt ist sie wieder übels Humors, es ist gar nichts mit ihr zu reden.

FR. V. HIENZEND. Wenn nur kein Buch in der Welt wär! Das müssen wohl recht schlechte Leut gewest seyn, die die Dalkerey aufgebracht haben. – – Ich möchte nur wissen, ob denn der Damon gar nichts gescheiders zu thun weiß als Bücher zu lesen? Allezeit hat der Narr die Säcke voller Bücher. Wenn er’s endlich nur für sich behielte, so gieng’s noch an; aber, daß er noch anderer Leut ihre Kinder damit verführen will, das ist schlecht.

GRETEL. (Wenn sie einmal ins Greinen kommt, so nimmt es nie kein Ende.)

FR. V. HIENZEND. Ich wollt, daß er und seine Bücher alle beym Schinder wären. Ich werde aber schon staubaus machen. Nur möchte ich itzt wissen, wer denn dem Mädel die Brief zuträgt? das müssen ja recht gottlose Leut seyn!

GRETEL. Es ist niemand, Mama! Herr Damon hat ihr ihn gestern selbst gegeben.

FR. V. HIENZEND. Ach! Das kann nicht seyn. Ich werde das ganze Haus examiniren, und komm ich dahinter, daß es eines von meinen Leuten ist, so jag ich’s die Minuten aus dem Haus.

GRETEL. Ich weiß es gewiß, es ist so, wie ich gesagt habe.

FR. V. HIENZEND. Halt’s Maul! das glaub ich nicht; ich werde schon drauf kommen. Du! marschir auch in dein Zimmer!

GRETEL. (Wie bin ich so froh, daß ich wegkomme.) (ab)

FR. V. HIENZEND. Der Bernhardel soll zu mir kommen.

Achter Auftritt.

Hienzendorfin allein.

 

FR. V. HIENZEND. (sieht den Brief um und um an). Schaut’s mir nur, das Mädel fangt auch schon an zu caressiren, und ist kaum vierzehn Jahr alt; sie meint, es muß seyn, daß sie einen Mann hat; das wär mir lieb! Die Menscher sollen warten, wie ich hab warten müssen. – – – Ich bin so jung nicht gewest, wie mich meine Mutter hat heyrathen lassen, ich hab gleichwohl noch einen Mann gekriegt. – – Aber wie es itzt zugeht, das ist nicht erlaubt. Wenn die Mädeln noch am Weisbandel gehen, so machen sie schon verliebte Augen auf die Mannsbilder, als wenn sie sie durchschießen wollten. – – Meine Mädel, die schlagen mir gar nicht nach; ich weiß nur nicht, es ist, als wenn ich nicht ihre Mutter wär. – – – Wie ich geheyrath hab, bin ich noch eine Unschuld gewest, itzt möchten die kleinsten Flitschen fast heimlich ersticken, wenn sie ein Mannsbild sehen; das ist ja aus der Weis.

Neunter Auftritt.

Frau von Hienzendorf und Bernhardel.

 

BERNHARDEL. Da bin ich, was schaffen Ihr Gnaden?

FR. V. HIENZEND. Seynd Sie da; das ist gut. Itzt bin ich dahinter kommen, warum Sie mein Mädel nicht lieben kann? Sie sollen’s aber gleichwohl haben.

BERNHARDEL. Ich wollt’s wohl schier errathen, warum?

FR. V. HIENZEND. (zeigt ihm den Brief). Da, sehen Sie, was ich da hab?

BERNHARDEL. Nu, was soll’s seyn?

FR. V. HIENZEND. Ein Brief ist es.

BERNHARDEL. Ein Brief? von wem?

FR. V. HIENZEND. Von dem saubern Herrn Damon.

BERNHARDEL. Von Damon? Ja drum geht der Weeg so krum[m]. Was steht denn drinn?

FR. V. HIENZEND. Das weiß ich nicht.

BERNHARDEL. Haben ihn denn Ihr Gnaden nicht gelesen?

FR. V. HIENZEND. Nein, – – ich kann nicht lesen. Deswegen hab ich Sie rufen lassen, daß Sie mir ihn vorlesen sollen.

BERNHARDEL. Das ist gut! – – Ich kann auch nicht lesen!

FR. V. HIENZEND. Nicht lesen?

BERNHARDEL. Nein, so weit bin ich noch nicht gestudirt.

FR. V. HIENZEND. Nicht?

BERNHARDEL. Ich geh ja noch nicht auf die Nuniversität. Aber buchstabiren kann ich aus der Perfection.

FR. V. HIENZEND. Nu, so buchstabiren Sie mir ihn halt.

BERNHARDEL. Gleich. Ich muß mich erst schneutzen, sonst sieh ich nichts. – –

FR. V. HIENZEND. Sind Sie bald fertig?

BERNHARDEL. Den Augenblick. Nur her! – –

FR. V. HIENZEND. So fangen Sie doch einmal an.

BERNHARDEL. Itzt fang ich an: a – ll all, – e – r – , er, aller, aller – l – i – li – allerli – ebst – ebst, allerliebst – e – s – es – allerliebstes, allerliebstes. (schöpft Athem)

FR. V. HIENZEND. Da haben wir’s, daß [es] ein verliebter Brief ist. Wenn schon der Anfang so ist, wie wird’s erst weiter kommen. – – Buchstabiren Sie nur so weiter!

BERNHARDEL. Allerliebstes, allerliebstes! Das war ein langes Wort.

FR. V. HIENZEND. Nur weiter, nur weiter.

BERNHARDEL. A – r – a – fra – u – l – ul – fraul – e – i – n ein – Fräulein.

FR. V. HIENZEND. Fräulein wird’s heißen.

BERNHARDEL. Ist wahr, es sind zwey Strichl drauf. – – Soll ich noch einmal anfangen?

FR. V. HIENZEND. Das Ding geht mir alles zu lang her; gehen Sie, lassen Sie mir das Stubenmensch herkommen.

BERNHARDEL. Das ist wahr, die kann lesen wie eine Hex: gestern hat sie mir eine langmächtige Historie aus des Fortunatus Wünschhütel vorgelesen; das ist gespaßig!

FR. V. HIENZEND. Das ist ein gescheides Buch! solche Bücher hör ich schon gern lesen, aber die verfluchten Briefbücher kann ich nicht ausstehen.

BERNHARDEL. Ja Ihr Gnaden, das Hütl möchte ich haben, da wollt ich Rand anstellen.

FR. V. HIENZEND. Ja, wer weiß, wo es itzt ist; gehen Sie nur, lassen Sie mir das Stubenmensch herkommen, daß ich doch weiß, was in dem Brief steht?

BERNHARDEL. Ich geh schon. (im Abgehen) Wann ich nur das Hütl hätt? (ab)

Zehnter Auftritt.

Frau von Hienzendorf, hernach Herr von Hienzendorf.

 

FR. V. HIENZEND. Wenn ich doch nur lesen könnt! Ich habe das Deichselszeug nicht erlernen können. (sieht den Brief um und um an) Ich glaub gar, das Ding ist wälsch; – – ich kenne keinen Buchstaben. – – Da kommt mein Mann, das ist mir just recht, der wird ihn schon lesen. Grüß dich Gott, Dattl!

HR. V. HIENZEND. (In einem Mantel eingeschlagen, einen Capaun in der Hand, und einen Salat in der Daschen, indem er den Mantel ablegt). Nu, weil sich der Herr von Chemise auf Mittag hat ansagen lassen; so hab ich ein Bratl und einen Salat nach Haus getragen.

FR. V. HIENZEND. Du hast wohl einen gescheiden Gedanken gehabt.

HR. V. HIENZEND. Man muß es in die Kuchl hinaus geben, daß es gut zugericht wird. Ich bin curios, wie die neue Köchin, die sich heunt gemeldet hat, kocht. Geh trag’s naus!

FR. V. HIENZEND. Was? ich? Ich soll’s in die Kuchl tragen? bin ich dein Kuchelmensch?

HR. V. HIENZEND. So trag ich’s halt naus. – – Was hast da für eine Schrift?

FR. V. HIENZEND. Es ist keine Schrift, es ist ein Brief vom Damon.

HR. V. HIENZEND. An mich?

FR. V. HIENZEND. Nein, denk nur, mein Schatz! was sich der Mensch untersteht, er schreibt der Mimi einen verliebten Brief, und will mir das Mädl verführen.

HR. V. HIENZEND. Verführen? das glaub ich nicht, daß der Damon so was im Sinn hat.

FR. V. HIENZEND. Ich muß halt schon wieder unrecht haben. Lies nur, du wirst es schon sehen. Ich hab das Mädl dabey dertapt, sie hat auf Händ und Füßen zittert, und so kann wohl nichts gut’s drinn stehen.

HR. V. HIENZEND. Das ist keine Folge. Sie wird halt erschrocken seyn, weil sie weiß, daß du gleich – –

FR. V. HIENZEND. Ey; wer ein gutes Gewissen hat, darf nicht erschröcken. Lies nur! du wirst es schon sehen, daß ich recht habe.

HR. V. HIENZEND. Das wollen wir gleich sehen. (liest)

Allerliebstes Fräulein! Da mir dero Frau Mama alle Gelegenheit benimmt, mit Ihnen allein zu sprechen, so bleibet mir kein anderes Mittel übrig, Ihnen den Zustand meines Herzens zu entdecken, als daß ich mir die Freyheit nehme, es schriftlich zu thun. Angebethetes Fräulein! Ich liebe Sie auf das zärtlichste; Sie können mich durch dero Gegengunst zum glücklichsten Menschen von der Welt machen. Darf ich es wohl hoffen? Ihr Herr Papa scheinet mir nicht abgeneigt zu seyn, aber, o Himmel! Ihre Frau Mama schlägt alle meine Hofnung nieder. Bin ich wenigstens so glücklich, nur Ihnen nicht zu mißfallen; so bitte ich Sie inständig mich doch zu belehren, was ich zu thun habe, um mich bey Ihrer Frau Mama in Gnaden zu setzen. Ich brenne vor Verlangen auf Ihre Antwort, und küsse Ihnen tausendmahl die Hände. Ihr getreuester Verehrer Damon.“ Nu, hast es itzt gehört?

FR. V. HIENZEND. Nu? ist das nichts? Tausendmal die Händ zu küssen?

HR. V. HIENZEND. Das schreibt er ja nur. – – Da find ich nichts, daß er das Mädl verführen will. Der ganze Brief sagt nichts anders, als daß er in sie verliebt ist.

FR. V. HIENZEND. Ist das nicht genug? Was hat er mit dem Mädl für Heimlichkeiten?

HR. V. HIENZEND. So geht’s, wenn man den jungen Leuten keine Freyheit läßt. Hab ich’s dir nicht schon oft genug gesagt? Wenn sie einmal verliebt sind, so hilft alles Hüten nichts, sie wissen sich schon zu helfen.

FR. V. HIENZEND. Das ist übel genug. Wenn auch das Mädl nichts hat sagen wollen, so wäre es seine Schuldigkeit gewest an mich zu kommen.

HR. V. HIENZEND. Ich bild mir ein: er hat ehender wissen wollen, ob sie ihn gern hat, und ob er ihr anständig ist?

FR. V. HIENZEND. Ey, warum soll ich’s als Mutter nicht zu erst wissen? Warum kommt er nicht an mich? Er soll zuerst wissen, ob er auch mir anständig ist? Der muß mir auch gefallen, der meine Tochter haben will.

HR. V. HIENZEND. Aber du därfst ihn ja nicht heyrathen.

FR. V. HIENZEND. Das thut nichts, er muß mir aber gleichwohl auch gefallen.

HR. V. HIENZEND. Nu Nu!

Eilfter Auftritt.

Bernhardel und die Vorigen.

 

BERNHARDEL. Das Stubenmensch ist nicht zu Haus, Ihr Gnaden! Sie muß sich wohin gewunschen haben.

FR. V. HIENZEND. Ich brauch sie nicht mehr.

BERNHARDEL. Aha! Wird ihn der Herr Vetter schon gelesen haben.

FR. V. HIENZEND. Freylich hat er ihn gelesen.

BERNHARDEL. A propos, machen Ihr Gnaden doch, daß mir der Herr Vetter Gerhab ein bißel ein Geld giebt, ich habe keinen Kreutzer.

HR. V. HIENZEND. Was sagt er, was will er haben?

FR. V. HIENZEND. Du sollst ihm ein wenig ein Recreation-Geld geben.

HR. V. HIENZEND. Ey, was braucht er Recreation-Geld? hat er nicht alles, was er braucht?

FR. V. HIENZEND. Man braucht ja immer zu einen Kreutzer auf ein Kipfel, auf ein Obst, oder zu was anders.

BERNHARDEL (zur Frau in der Still). Eine Pfeifen möchte ich nur gern kaufen.

FR. V. HIENZEND. Geh, gieb ihm ein wenig was! Er kann ja nicht einmal seinen Rock flicken lassen.

HR. V. HIENZEND. Warum zerreißt er alles, der Rambsamperl! Ich hab ihm das Kleid erst fast neu von meinem Leib gegeben.

BERNHARDEL. (Und hat’s schon 6 Jahr getragen.)

HR. V. HIENZEND. Warum flickst du ihm’s denn nicht?

FR. V. HIENZEND. Ich werde für andere Leute arbeiten, da kann er lang drauf warten.

HR. V. HIENZEND. Du darfst es nicht umsonst thun; ich werde es schon in die Rechnung setzen.

FR. V. HIENZEND. Ey was! halt dich nicht auf, gieb was her!

HR. V. HIENZEND. Ich gieb nichts her; der Mensch ist ein Verschwender; ich hab ihm erst die vorige Woche einen Siebner gegeben, den hat er in drey Tagen angebracht. – – Ich werde ihm alleweil Geld geben.

Zwölfter Auftritt.

Die Vorigen und ein Bedienter.

 

DER BEDIENTE. Ihr Gnaden! Herr Damon ist im Vorzimmer, er möchte Ihr Gnaden gern seine Aufwartung machen.

BERNHARDEL. (Muß just itzt der daher kommen. Ich hab meine Sach so gut eingefädelt gehabt, itzt krieg ich wieder nichts.)

FR. V. HIENZEND. Wer ist da? der Damon?

DER BEDIENTE. Ja, Ihr Gnaden!

FR. V. HIENZEND. Ich brauch ihn nicht, er soll nur wieder gehen.

HR. V. HIENZEND. Ach! Das schickt sich nicht. Er soll herein kommen.

FR. V. HIENZEND. Sagt nur, wir seyen nicht zu Haus.

HR. V. HIENZEND. Warum sollen wir uns verläugnen!

FR. V. HIENZEND. So sagt ihm, wir wären essen.

HR. V. HIENZEND. Das geht wieder nicht, er weiß ja, daß wir so früh nicht zum Essen gehen.

FR. V. HIENZEND. Nu, so sag ihm, er soll sich fortscheeren.

HR. V. HIENZEND. Das wär noch besser. Ich bitt dich um alles in der Welt, fang mir doch keine neue Historie an. (zum Bedienten) Er sey Patron.

DER BEDIENTE. Was Ihr Gnaden schaffen. (will abgehen)

HR. V. HIENZEND. He! nehmt gleich den Kapaun mit, tragt ihn in die Kuchl; die Köchin soll ihn gut braten. Der Salat muß sauber geputzt und gewaschen werden; anmachen werd ich ihn schon selbst.

DER BEDIENTE. Ganz recht, Ihr Gnaden! (ab)

Dreyzehnter Auftritt.

Die Vorigen.

 

HR. V. HIENZEND. Man muß nichts dergleichen thun, als wenn man was vom Brief wüßte.

FR. V. HIENZEND. Ich werde thun, was mir beliebt.

HR. V. HIENZEND. Ich bitt dich ums Himmelswillen; kannst dich denn nicht verstellen? thue es doch mir zu gefallen.

FR. V. HIENZEND. Was hab ich nöthig, mich gegen Leut zu verstellen, die keinen Respect für mich haben, und mir nichts als Intricken spielen?

HR. V. HIENZEND. So überwind dich nur eine Minuten lang, es wird dich ja das Leben nicht kosten.

FR. V. HIENZEND. Laß du nur mich gehen.

HR. V. HIENZEND. Mein Schatz! ich bitt dich um alles in der Welt, schweig nur diesmal still, thu nichts dergleichen, (zum Bernhardel) und Er, laß Er sich nichts merken.

BERNHARDEL. Herr Vetter! ich sag kein Wort.

FR. V. HIENZEND. Ich weiß schon, was ich zu thun hab.

HR. V. HIENZEND. St – St! itzt kommt er.

Vierzehnter Auftritt.

Die Vorigen und Damon.

 

DAMON. Ich bitte mir nicht ungnädig zu nehmen, wenn ich vielleicht Ungelegenheit verursache.

HR. V. HIENZEND. Gehorsamer Diener!

DAMON. Ich komme nur, Ihnen meine Aufwartung zu machen, und – –

HR. V. HIENZEND. Gehorsamer Diener.

DAMON (indem er sich der Frau von Hienzendorf nähert, welche ihm den Rücken kehrt). Und mich zu erkundigen, wie sich Ihro Gnaden befinden? und Ihnen die Hand zu küssen.

FR. V. HIENZEND. (zieht die Hand zurück). Es ist nicht nöthig.

DAMON. Ihre Gnaden erlauben doch, daß ich Ihnen meinen Respect bezeuge.

FR. V. HIENZEND. Ey, was Respect! Von falschen Leuten laß ich mir keine Hand küssen.

BERNHARDEL. So küssen Sie ihr den Ellenbogen.

DAMON (verwundert). Himmel! Was hat das zu bedeuten?

BERNHARDEL (tritt zu Damon). Man muß nichts dergleichen thun, als wenn man was wüßte.

DAMON. Was sagen Sie?

BERNHARDEL. Man muß nichts merken lassen, wegen dem Brief an die Mimi.

DAMON. Was? sollte vielleicht – –

HR. V. HIENZEND. Nu, wie geht’s denn, Herr Damon?

DAMON. Ihnen aufzuwarten; es gieng mir schon ziemlich gut, wenn ich nur nicht immer so unglücklich wäre, dero Frau Gemahlin zu mißfallen.

FR. V. HIENZEND. Das ist mein mindester Kummer.

DAMON. Ganz gewiß ist mein Schreiben in ihre Hände gekommen. (zur Frau von Hienzendorf) Ich aber bin ganz untröstlich, daß ich mit aller Mühe, die ich mir gebe, und mit aller Ehrfurcht, die ich für Euer Gnaden trage, dennoch dero Gewogenheit nicht erhalten kann.

HR. V. HIENZEND. Das bilden Sie sich nur ein; meine Frau hat Sie recht gern.

FR. V. HIENZEND. Es ist gar nicht nöthig, daß du statt meiner redest. – – Ich – –

HR. V. HIENZEND. (Ich bitte dich um’s Himmelswillen, fange mir keine Historie an.)

FR. V. HIENZEND. Ey! Was braucht’s da viel Ceremonien zu machen.

HR. V. HIENZEND. Nehmen Sie es nicht übel, Herr Damon, man kann nicht immer von gutem Humor seyn. Bey einem Hauswesen giebt’s alleweil Verdrüßlichkeiten.

FR. V. HIENZEND. Ja, wenn mir nur fremde Leute nicht den größten Verdruß machten!

DAMON. Eure Gnaden werden doch – –

Funfzehnter Auftritt.

Die Vorigen, Herr von Chemise.

 

FR. V. HIENZEND. (welche den Chemise eintreten sieht, freudig). O! Herr von Chemise! seyn Sie mir willkommen!

CHEMISE. Euer Gnaden unterthänigster Diener. (küßt ihre Hand etlichemal)

FR. V. HIENZEND. Das freut mich von Grund meines Herzens, daß ich das Vergnügen habe, Sie zu sehen.

CHEMISE (immer noch die Hand küssend). Unterthänigster Knecht, meine gnädige Frau!

FR. V. HIENZEND. Wo bleiben Sie denn so lange? Warum sind Sie nicht eher gekommen?

CHEMISE. Ich bitte unterthänigst, mir gnädig zu pardoniren, daß ich nicht eher aufgewartet. (zu Herrn von Hienzendorf) Dero gehorsamster Diener, Herr von Hienzendorf!

HR. V. HIENZEND. Ein Diener, Herr von Chemise!

CHEMISE (zu Damon). Votre serviteur, Monsieur Damon!

DAMON. Dero Diener!

CHEMISE (zum Bernhardel). Junger Herr! guten Morgen.

BERNHARDEL. Guten heunt, Herr von Chemise!

CHEMISE (zum Bernhardel). Sie sind halt immer lustig.

BERNHARDEL. Ich weiß nichts bessers zu thun.

CHEMISE. Gut! das gefällt mir.

BERNHARDEL. Mir auch.

FR. V. HIENZEND. Nu, so reden Sie doch mit mir.

CHEMISE. Eure Gnaden werden doch nicht ungnädig nehmen, daß ich mich auf den Mittag eingeladen?

FR. V. HIENZEND. Es ist mir eine Gnade, Sie bey mir zu bedienen.

CHEMISE. Herr von Hienzendorf! pardonniren Sie meine Kühnheit.

HR. V. HIENZEND. Es ist mir eine Ehre, wann Sie wollen mit Hausmannskost vorlieb nehmen.

FR. V. HIENZEND. Sie wissen, daß Sie alle Tage Patron sind.

CHEMISE (küßt die Hand). Eure Gnaden haben unendlich viel Gnaden für dero unwürdigen Diener. Speist Herr Damon auch hier?

HR. V. HIENZEND. Wann er es will so gut haben wie wir, so mache ich mir eine Freude draus.

FR. V. HIENZEND. Ach nein, wir haben ja keinen Platz, unser Tisch ist zu klein.

DAMON. (Das ist doch recht unhöflich.)

CHEMISE. Aber, wo sind denn die Fräulein?

FR. V. HIENZEND. Sie sind in ihrem Zimmer.

CHEMISE. Warum sind sie denn nicht da? Ich will sie herholen.

FR. V. HIENZEND. Nein, lassen Sie es! sie haben nichts da zu thun.

CHEMISE. Das wäre wider alle Kleiderordnung; sie müssen auch bey uns seyn. (geht ins Zimmer hinein, ab)

FR. V. HIENZEND. Lassen Sie es doch!

BERNHARDEL. Der thut, was er will.

Sechzehnter Auftritt.

Die Vorigen.

 

DAMON. (Ich bin vor Verdruß fast außer mir; ich weiß nicht, was ich thun soll? diesem kecken Menschen ist alles erlaubt.)

FR. V. HIENZEND. (zu ihrem Manne). Mein Schatz! es wird bald Zeit zum Essen seyn.

HR. V. HIENZEND. Hat’s doch noch nicht eins geschlagen.

FR. V. HIENZEND. Was schadet es denn, wenn wir auch früher zum essen gehen.

HR. V. HIENZEND. Wenn nur die Köchin gleich anrichten kann.

FR. V. HIENZEND. Man muß sie halt fragen.

BERNHARDEL. Mich hat’s schon vor drey Stunden gehungert.

DAMON. (Ich merke wohl, sie möchte mich gerne vom Halse haben.) Ich will Euer Gnaden nicht abhalten, ich werde schon ein anders mal die Ehre haben aufzuwarten.

FR. V. HIENZEND. (als wenn sie abgehen wollte). Ich werde gleich fragen lassen, ob die Köchin anrichten kann?

HR. V. HIENZEND. Was eilst du denn heute so?

FR. V. HIENZEND. Es fängt mich an entsetzlich zu hungern; der Magen thut mir so weh, daß ich nimmer länger aushalten kann. (will hineingehen)

BERNHARDEL. Und mir ist mein Magen zusammengeschrumpft als wie eine alte Schweitzerhosen.

Siebenzehnter Auftritt.

Die Vorigen, Herr von Chemise und beyde Fräulein.

 

FR. V. HIENZEND. Was führen Sie denn itzt die Mädeln heraus? wir gehen ja gleich essen.

GRETEL. O, es ist noch nicht einmal aufgedeckt.

FR. V. HIENZEND. Was weißt denn du?

CHEMISE (die Mimi bey der Hand ziehend). So gehen Sie doch, meine schöne Fräulein! – – (zur Frau von Hienzendorf) Wir können ja noch eines discuriren, bis wir zu Tische gehen.

FR. V. HIENZEND. (die Mimi, welche auf Damons Seite zu stehen gekommen, mit der Hand auf die andere Seite weisend). Geh du da herüber.

DAMON. (Das war wieder eine artige Höflichkeit.)

FR. V. HIENZEND. (zur Mimi). Du hättest schon können in deinem Zimmer bleiben.

CHEMISE. Nicht doch, Ihro Gnaden: das wäre ein grausamer Fehler: Ich habe, foi d’honnet homme, ohnehin allen Gewalt brauchen müssen, sie heraus zu bringen. – – (zu Mimi, indem er ihr die Hand küßt) Aber, mein charmantes Fräulein! was fehlt Ihnen? Warum sind Sie so betrübt?

FR. V. HIENZEND. Lassen Sie sie gehen.

CHEMISE. Bin ich vielleicht Ursache, daß Sie – –

MIMI. Ach nein!

CHEMISE. Je nun, mein Engel! so – –

FR. V. HIENZEND. Lassen Sie sie mit Frieden, reden Sie nichts mit ihr!

GRETEL (zum Chemise). Ich sehe wohl, mein Herr! Sie bekümmern sich weit mehr um meine Schwester, als um mich.

CHEMISE. Nehmen Sie es mir doch nicht übel, mein allerliebstes Fräulein Gretchen! Ich kann dieses schöne Gesicht ohnmöglich betrübt sehen.

GRETEL. Hm! was geht Sie das an?

BERNHARDEL. Ich werde sie gleich lachen machen. (geht zu ihr hin)

DAMON. (Was für Thorheiten!)

CHEMISE. Ach mein Engel! (zur Gretel) ich habe ein mitleidiges Herz, und mir thut es in der Seele weh, wenn ich ein so charmantes Kind mißvergnügt sehe. – – Sie befinden sich doch wohl?

GRETEL. Zu dero Befehl.

CHEMISE (küßt ihr die Hand). O! das freut mich in der Seele.

DAMON. (Mich läßt man hier stehen, als wenn ich nicht im Zimmer wäre.)

FR. V. HIENZEND. (zum Chemise). Sie sind halt ein Mensch von Lebensart.

CHEMISE (küßt ihr die Hand). Eure Gnaden sind meine gnädigste Frau.

FR. V. HIENZEND. So sollten alle jungen Mannsbilder seyn.

CHEMISE (küßt ihr wieder die Hand). Eure Gnaden sind die Gnade selbst.

FR. V. HIENZEND. Solche Leute habe ich gerne; Leute, die aufrichtig sind; die keine Intriguen spielen.

DAMON. (Itzt denkt sie einmal auf mich.)

BERNHARDEL. Mir wird die Zeit lang.

FR. V. HIENZEND. Leute, die Lebensart haben, die da wissen, wie man mit Frauenzimmer umgeht, kurz: Sie sind ein vollkommenes Muster aller jungen Mannspersonen.

CHEMISE. Ihr Gnaden! – – – (die Hand küssend) Ihr Gnaden – – sind die liebenswürdigste – – die vollkommneste – – die vernünftigste Dame!

DAMON. (O! der niederträchtige Schmeichler!)

GRETEL. Herr von Chemise! Sie vergessen völlig auf mich.

FR. V. HIENZEND. Kannst du nicht warten, bis ich mit ihm ausgeredet habe, du Flitschen!

CHEMISE (zur Gretel). Ah! mon Ange. Ich bethe Sie an, (küßt ihr die Hand) ich bin Ihr ewiger Verehrer.

GRETEL. Und ich vollkommen die Ihrige.

DAMON. (Ich weiß nicht, träumt mir, oder wache ich.)

BERNHARDEL. Mir wird die Zeit alleweil länger.

FR. V. HIENZEND. Was stehen wir hier? gehen wir in mein Zimmer. Kommen Sie, Herr von Chemise! Kommen Sie mit mir!

CHEMISE. Ihro Gnaden haben zu befehlen. Die Fräulein gehen ja auch mit?

FR. V. HIENZEND. Das ist ganz natürlich. Es wäre wider das Etiquette, wenn die Töchter nicht bey ihrer Mutter wären. (zur Mimi) Du! geh voraus, – – – schau mir nicht um! (Mimi geht ab)

CHEMISE. Ich habe die Ehre, Euer Gnaden zu bedienen. (reicht ihr und der Gretel die Hand. Gehen ab, ohne dem Damon ein Compliment zu machen)

BERNHARDEL. Die Zeit ist mir wiederum eine ganze Elle länger geworden. Ich werde ein wenig die Luft verändern, bis wir zum essen gehen. (ab)

Achzehenter Auftritt.

Herr von Hienzendorf und Damon.

 

DAMON. (Wenn alle Liebhaber so viel Gedult haben müssen, wie ich, so – –)

HR. V. HIENZEND. (welcher während der vorigen Scene in seinen Schriften umgeklaubet). Wollen Sie hinein spatzieren?

DAMON. Ach nein; ich bleibe Ihnen verbunden. Ich sehe wohl, daß ich bey dieser Gesellschaft ganz überflüssig wäre. Ich will Sie nicht länger mehr incommodiren.

HR. V. HIENZEND. Ganz und gar nicht.

DAMON. Erlauben Sie mir nur noch ein Paar Worte.

HR. V. HIENZEND. Auf alle Weis, wenn’s auch hundert sind.

DAMON. Aus den Reden und dem Betragen der Frau Gemahlin nehme ich ab, daß ihr mein Schreiben, welches ich der Fräulein Tochter übergeben, muß in die Hände gekommen seyn?

HR. V. HIENZEND. Ja!

DAMON. Sie werden daraus ersehen haben, daß es im geringsten nichts wider den Wohlstand oder die guten Sitten enthält.

HR. V. HIENZEND. Gar nichts.

DAMON. Ich setze dahero das Vertrauen auf Ihre Billigkeit, daß Sie die Liebe, die ich zu dero Fräulein Tochter trage, für kein Verbrechen halten werden, und – –

HR. V. HIENZEND. Das ist mir nie eingefallen.

DAMON. Und daß Sie von mir überzeugt seyn werden, daß meine Absichten ehrlich sind?

HR. V. HIENZEND. Daran habe ich nie gezweifelt.

DAMON. Wie glücklich bin ich noch! daß ich mit einem Manne zu thun habe, dessen Aufrichtigkeit mich hoffen läßt, meine Wünsche erreichen zu können. Mein werthester Herr von Hienzendorf! ich entdecke Ihnen mein ganzes Herz. Ich liebe Ihre Fräulein Tochter auf das zärtlichste, ich bitte, ich beschwöre Sie, seyn Sie unserer Liebe nicht zuwider.

HR. V. HIENZEND. Ich habe nichts darwider. Sie sind ein rechtschaffener braver Mensch; aber! – – das Mädel ist noch zu jung.

DAMON. Das sehe ich selbst gar wohl ein; meine Absicht ist auch nicht, daß Sie mir solche gleich itzt geben sollen; nein! wenn Sie mir nur nicht alle Hofnung auf das Zukünftige absprechen, und mir indessen einen erlaubten Umgang mit ihr verstatten.

HR. V. HIENZEND. Warum denn nicht? ich mache mir eine Ehre daraus, wenn Sie meine Tochter haben wollen. Kommen Sie in mein Haus, wann Sie wollen.

DAMON. O! Ihre Gütigkeit übertrift meine Hofnung. Nur bin ich fast untröstlich, daß ich mir die Ungnade der Frau Gemahlin zugezogen habe.

HR. V. HIENZEND. Das hat nichts zu bedeuten.

DAMON. Da ich sie durch meine Unvorsichtigkeit beleidiget habe, so soll sie selbst aussprechen, was für eine Genugthuung sie von mir verlangt? Ich will alles thun, womit ich sie wieder befriedigen kann.

HR. V. HIENZEND. Das ist alles nicht nöthig. Wie halt die Weiber immerzu sind! Es wird sich alles von selbst geben. Da müssen Sie sich nichts draus machen. Lassen Sie nur mich gehen, ich werde alles wieder gut machen. Genug, Sie sollen meine Tochter haben.

DAMON. Sie geben mir also Ihr Wort?

HR. V. HIENZEND. Mein Wort und meine Hand.

DAMON. Nun ist meine Ruhe wieder hergestellt. Ich betheure Ihnen auf das allerverbindlichste, daß Ihre Fräulein Tochter an mir den zärtlichsten Ehegatten, und Sie den gefälligsten und ergebensten Schwiegersohn haben werden, ja ich – –

Neunzehenter Auftritt.

Die Vorigen und Bernhardel.

 

BERNHARDEL. Der Herr Vetter soll zum essen kommen, der Tisch ist schon auf der Suppen.

HR. V. HIENZEND. Er hat immer Narretheyen. – – Ich werde gleich kommen, sie sollen nur essen.

BERNHARDEL. Das werd ich auch thun. (ab)

DAMON. Ich will Sie also nicht aufhalten.

HR. V. HIENZEND. Es hat kein eilen.

DAMON. Nein nein, ich werde schon bald wieder die Ehre haben, Ihnen aufzuwarten.

HR. V. HIENZEND. Wann Sie wollen um 5 Uhr ins Caffee-Haus kommen, so werden Sie mich dort antreffen.

DAMON. Ganz gut.

HR. V. HIENZEND. Wann Sie auch nicht so accurat kommen können: so wart ich schon auf Sie; – – ich werde derweile die Staatsrelation, oder den stummen Advocaten lesen.

DAMON. Ich werde mich gewiß einfinden.

HR. V. HIENZEND. Da bin ich ordinari auf den Abend, da trink ich ein Glaß Wasser und um einen Kreutzer Muscazoni darzu, und da hört man auch einen gescheiden Discours.

DAMON. Gut gut: ich werde gewiß nicht ausbleiben.

HR. V. HIENZEND. Vielleicht hören wir was Neues aus der Türkey.

BERNHARDEL. Die gnädige Frau läßt dem Herrn Vetter sagen, der Herr Vetter soll zum essen gehen.

HR. V. HIENZEND. Verzeihen Sie mir, jetzt muß ich gehen. Ich empfehle mich Ihnen. (ab)

DAMON. Dero gehorsamster Diener.

Zwanzigster Auftritt.

Damon, Bernhardel.

 

BERNHARDEL. Wollen S’ mitspeisen?

DAMON. O, nein. Sagen Sie mir doch geschwind: was hat die gnädige Frau wegen des Briefs gesagt?

BERNHARDEL. Was sie gesagt hat?

DAMON. Ja.

BERNHARDEL. Sie hat gesagt: – – ich muß zum Essen gehen. (geht)

DAMON. Gedult! Ich hoffe das Beste. (ab)

BERNHARDEL (bey der Thüre). Wenn ich nichts zu sagen habe, so kann ich nichts erzählen. (ab)

Zweyter Aufzug.

Erster Auftritt.

Herr und Frau von Hienzendorf, Chemise und Bernhardel. Sitzen alle beym Caffeetrinken; Bernhardel mit einer Tatzen in der Hand wartet auf.

CHEMISE (steht auf und nimmt der Frau von Hienzendorf die Schale ab). Erlauben Eure Gnaden!

FR. V. HIENZEND. Ich protestire darwider; was sollen Sie sich meinetwegen incommodiren?

CHEMISE. Ich bitte unterthänig, erlauben Eure Gnaden doch! – – Darf ich noch eine Tasse einschenken?

FR. V. HIENZEND. Wann Sie die Gnade haben wollen.

CHEMISE. Das ist eine Gnade für mich.

FR. V. HIENZEND. Von Ihrer Hand wird er mir noch einmal so gut schmecken.

CHEMISE. Unterthänigster Knecht.

BERNHARDEL. Ich trinke ihn lieber aus der Schale, als aus der Hand.

CHEMISE (nachdem er zum Tische gegangen, worauf der Caffee steht). Befehlen Eure Gnaden, wenig, oder viel Zucker?

FR. V. HIENZEND. Ich trink ihn gern süß.

CHEMISE. Gut, gut Euer Gnaden! (wirft ein halb dutzend Brocken Zucker in die Schale, und schenkt ein)

HR. V. HIENZEND. (welcher just ausgetrunken). Das ist curiös! meine Frau und ich, wir sind von ganz contrairen Gusto. Sie trinkt ihn gern süß, und ich, ohne Zucker.

FR. V. HIENZEND. Pfui Deichsel! Das könnt ich nicht thun.

BERNHARDEL. Wie halt die Gusti verschieden sind!

FR. V. HIENZEND. Wenn er nicht recht süß ist; so mag ich ihn nicht.

HR. V. HIENZEND. Ja! Wenn nur der Zucker nicht so theuer wär.

CHEMISE. Ich habe die Ehre, Euer Gnaden zu bedienen. (reicht ihr die Schale mit Caffee)

FR. V. HIENZEND. Ich küsse Ihnen die Hand.

HR. V. HIENZEND. (zum Bernhardel). Trag Er nachher das Geschirr in die Kuchl.

BERNHARDEL. Ja, Herr Vetter Gerhab.

FR. V. HIENZEND. (welche indessen den Caffee gekostet, zum Chemise). Ich bitte Sie noch um ein wenig Zucker.

CHEMISE. Hier ist er, Ihre Gnaden.

FR. V. HIENZEND. (nimmt). Unterthänigen Dank für die Gnad.

HR. V. HIENZEND. Du wirst dir die Zähne verderben.

FR. V. HIENZEND. Ey, sorg dich da nicht drum.

CHEMISE. Es wird nichts schaden.

HR. V. HIENZEND. Wie hat dir denn die Kocherey geschmeckt von der neuen Köchin, kocht sie gut?

FR. V. HIENZEND. Passable; ich bin schon damit zufrieden.

HR. V. HIENZEND. Mir scheint, sie kocht allzu fett.

BERNHARDEL. (Und mir gar zu mager.)

FR. V. HIENZEND. Zu fett? Ich habe nichts fettes gefunden.

BERNHARDEL. Ich auch nicht.

HR. V. HIENZEND. Halt Er das Maul! Er muß alleweil drein reden.

FR. V. HIENZEND. Herr von Chemise! Was sagen Sie dazu?

CHEMISE. Ich habe die Ehre, Euer Gnaden zu versichern, daß es ein köstliches Dinée war. Die Suppe war recht nach meinem Gusto; das Sauerkraut war ungemein substantiös. – –

BERNHARDEL. (Ist nicht einmal eingebrennt gewest.)

CHEMISE. Und der Kapaun unvergleichlich mürbe gebraten.

BERNHARDEL. (Der ist zäh gewest wie eine alte Henne.)

FR. V. HIENZEND. (zu ihrem Manne). Hörst es, was der Herr von Chemise sagt?

CHEMISE. Und der Weichselwein darzu, das war delicat.

BERNHARDEL. (Das weiß ich nicht, ich habe keinen gekriegt.)

CHEMISE. Ich schwöre foi d’honnet–homme! Man ißt und trinkt nirgends so gut, wie bey Ihnen.

FR. V. HIENZEND. Nu, hörst du es? Der Herr von Chemise versteht’s gewiß.

HR. V. HIENZEND. Meinetwegen, mir ist’s auch recht. Ich will sie halt aufnehmen, wenn dir’s recht ist.

FR. V. HIENZEND. Mach, was du willst. – – Nimm sie nur auf!

HR. V. HIENZEND. Ich werde nachher gleich mit ihr reden. (zum Chemise) A propos! wenn das wahr ist, was Sie mir beym essen gesagt haben, so laß ich mich ein.

CHEMISE. Wie ich die Ehre gehabt habe, Ihnen zu melden, so ist es wirklich.

HR. V. HIENZEND. (zum Bernhardel). Trag Er das Geschirr weg!

BERNHARDEL. Ja, Herr Vetter Gerhab! (nimmt und geht ab)

HR. V. HIENZEND. (zum Chemise). Einen Wechsel pr. 2000 fl.?

CHEMISE. Ja!

HR. V. HIENZEND. Für drey hundert Ducaten baares Geld?

CHEMISE. Ja!

HR. V. HIENZEND. Auf 14 Tage!

CHEMISE. Es hat seine Richtigkeit.

HR. V. HIENZEND. (für sich). Das wäre keine Narrethey; da gewinn ich bey einem gleichen gleich 800 fl. (zum Chemise) Aber, wer ist denn derjenige, der ihn ausstellt?

CHEMISE. Ich habe Ihnen schon gesagt: daß es ein Cavalier ist, der, um seinen Credit nicht zu verliehren, durchaus nicht will genennt werden, bis er nicht das Geld empfangen, und den Wechsel unterschrieben hat; und nach diesem auch, muß alles geheim gehalten werden.

HR. V. HIENZEND. Ey! Die Cavaliers unterschreiben oft mehr, als sie bezahlen können: wenn ich nicht weiß, wer es ist, so gieb ich nichts her.

CHEMISE (wispelt ihm ins Ohr)