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Die Hauptpersonen des Romans

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PERRY RHODAN – die Serie

 

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Nr. 2769

 

Das Drachenblut-Kommando

 

Schiffe der USO ziehen in die Schlacht – ausgerüstet mit einer neuen Waffen

 

Rainer Castor

 

 

 

Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt

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Seit die Menschheit ins All aufgebrochen ist, hat sie eine wechselvolle Geschichte hinter sich: Längst sind die Terraner in ferne Sterneninseln vorgestoßen, wo sie auf raumfahrende Zivilisationen und auf die Spur kosmischer Mächte getroffen sind, die das Geschehen im Universum beeinflussen.

Mittlerweile schreiben wir das Jahr 1517 Neuer Galaktischer Zeitrechnung (NGZ). Die Milchstraße steht weitgehend unter dem Einfluss des Atopischen Tribunals. Dessen Richter behaupten, nur sie könnten den Weltenbrand aufhalten, der sonst unweigerlich die Galaxis zerstören würde.

Während Perry Rhodan und die Besatzung des Fernraumschiffes RAS TSCHUBAI versuchen, in der fernen Galaxis Larhatoon wichtige Informationen über die Atopen zu sammeln, geht der Kampf in der Milchstraße in eine neue Etappe. Und während die Onryonen – die Helfer der Atopen – in der Menschheitsgalaxis immer mehr an Einfluss gewinnen, sammelt der Widerstand seine Kräfte.

Eine wichtige Entscheidung im Kampf soll bald fallen: Es geht um DAS DRACHENBLUT-KOMMANDO ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Monkey – Der Oxtorner schmiedet einen riskanten Plan.

Poraan – Der Posbi wirkt engagiert am Drachenblut-Kommando mit.

Pao-Pathno – Der persönliche Vertraute des Aar-tua-Athor ist zugleich Verbindungsmann.

Koll-theym – Der Ekhonide versucht sich an einer Verhinderungstaktik.

Toqoyd – Der Tesqire spricht geradezu mit Engelszungen.

1.

 

Nacht über Ekhas.

Der fahle Schein der beiden grünen Monde wechselt mit den düsteren Wolkenfetzen, die ablandiger Wind Richtung Silberwellenozean treibt. Als großer Halbmond dominiert Limbora über die deutlich kleinere Sichel von Narkatur.

Das Lichtermeer von Peo-Sha erstreckt sich weit in alle Richtungen, myriadenfaches Glitzern ist in der Dunkelheit zu charakteristischen Mustern angeordnet.

Die Hauptstadt der ekhonidischen Zentralwelt auf dem grob Y-förmigen Hauptkontinent Ekhotran pulsiert Tag wie Nacht vor Leben.

Zahllose lang gestreckte, teils parallel angeordnete, einander auch rechtwinklig oder schräg kreuzende Linien bestehen aus bewegten hellen Punkten der Gleiter und Schwebekabinen.

Finstere Flecken kennzeichnen »frei gelassene« Stadtteile.

Pedori im Norden – eine fast durchgängig helle Fläche in Gelb, Orange und Rot.

Südwestlich davon ein Halbmondbogen in weißlichen und gelblichen Tönen entlang des Essool-Sees, auf dem einzelne blau erleuchtete Ausflugdampfer kreuzen.

Thinter im Osten ist dagegen komplett dunkel – eben »frei gelassen«; nur am hellen Westrand des Stadtteils bildet der Ekhon-Khasurn, der Sitz der Händlervereinigung, eine markante Lichtinsel.

Die vorherrschende architektonische Bauform gleicht den arkonidischen Trichterbauten. Ekhonidische Khasurn sind aber nicht ganz so riesig und kragen weniger aus – schlanke Sektflöten statt breiter Kelche, wie es ein terranischer Botschafter einmal umschrieb.

Eine diffuse Helligkeitsglocke kennzeichnet am östlichen Horizont den Standort des Raumhafens. Eben zuckt eine zarte Lichtsäule zum Himmel – gefolgt von dem lautlosen Schemen eines Kugelraumers, der im Inneren der bis zur Hochatmosphäre reichenden energetischen Säule des Startgerüsts dem All entgegenrast.

Fast exakt im Stadtzentrum ragt annähernd tausend Meter hoch, von Hunderten Fensterbändern erleuchtet, ein oben leicht auskragender, insgesamt dennoch schlanker Spitzkegel auf.

Es ist der Sitz von Zwölferrat und Hauptadministration der mit der Liga Freier Terraner assoziierten Ekhas-Koalition, der traditionell als Stratus-Turm bezeichnet wird.

 

 

Ekhas,

13. März 1517 NGZ

 

Auch die dritte Krisensitzung war ohne greifbares Ergebnis beendet worden. Koll-theym, der Aar-tua-Athor der Ekhoniden, streckte den knackenden Rücken, während er vor das nächtliche Panorama des Wandholos trat, das eine breite Fensterfront simulierte.

Viele bedeutungsschwere Diskussionen mit wohlklingenden Worten, dachte er grimmig. Aber niemand traut sich momentan, die entscheidenden Sätze auszusprechen. Die, die unter Umständen unser Schicksal bestimmen werden.

Koll-theym verschränkte die Arme und kniff die Augen zusammen. Sein Magen drohte, zu einem verhärteten Klumpen zu werden.

Das akustische Dämpfungsfeld zur Abschirmung der Runde war desaktiviert, letzte Hologloben und Projektionsflächen erloschen nacheinander.

Noch standen etliche Sitzungsteilnehmer in losen Gruppen beisammen. Einige bedienten sich am Büfett oder der Bar. Mitglieder des Zwölferrates, politische Vertreter der Hauptfraktionen – die Freien dominierten zwar die Gesellschaft, Heroische hatten allerdings meist Spitzenpositionen inne –, solche aus Handel, Wirtschaft und Industrie, hochrangige Militärs wie Admiral Magg-or.

Der schwergewichtige Dall-or, Athor der Händlervereinigung, schäkerte mit Rezz-ra, der ebenso schönen wie klugen und selbstbewussten Athor für Wissenschaft, Forschung und Entwicklung. Egglah und Sporrkil, beides Freie und im Berlen Than Athorii des Innen- und Justizressorts, schienen zu streiten.

Etwas abseits hielt sich Koll-theyms persönlicher Vertrauter Pao-Pathno. Nur Koll-theym als Regierungsoberhaupt der Ekhoniden wusste, dass er ein Verbindungsmann zur USO war, die der Onryone Shekval Genneryc schon am 31. Dezember 1514 NGZ im Namen des Atopischen Tribunals zur terroristischen Organisation erklärt und zugleich verboten hatte.

»Zu groß der Kreis der Geladenen, mein Lieber«, sagte Magg-or, der sich fast lautlos zum Aar-tua-Athor gesellte, ein breites Glas in der linken Hand. Fingerbreit schwappte die goldbraune Flüssigkeit. »Die Bedrohung ist noch nicht akut genug. Leider. Da bleibt es bei viel Gerede. Entscheidungen werden vertagt.«

Wir kennen einander seit der Jugendzeit, durchfuhr es Koll-theym, als er sich der mehr als sechzig Jahre bewusst wurde, haben aber unterschiedliche Wege beschritten.

Magg-or wählte die militärische Laufbahn in der ekhonidischen Flotte, war nun Oberbefehlshaber der fünfhundert Schiffe umfassenden Heimatflotte. Groß gewachsen, asketisch, ein mitunter scharfzüngiger Spötter und gemäßigt eingestellter Heroischer.

Koll-theym wurde Politiker, arbeitete sich bis an die Spitze vor. Hier trafen sie wieder aufeinander. Die vorherrschende Meinung über den Aar-tua-Athor lautete, wie Koll-theym sehr gut wusste, dass er eine nicht mehr ganz schlanke, nicht mehr ganz junge, väterliche Figur sei, allerdings als gewiefter, durchsetzungsfähiger Mann eingeschätzt; einer mit Prinzipien, keineswegs korrupt. Durchaus beliebt, schon dreimal wiedergewählt, weil er zu den Freien gehörte.

Er wiegte den Kopf. »Keine akute Bedrohung – das wurde schon gesagt, als vor Monaten dieser Tesqire erschien.«

»Solange dieser Toqoyd nur im Orbit kreist, stimmt es ja. Meinetwegen kann er in seinem Nurflügler mit diesem unaussprechlichen Namen ...«

»WIE EIN SPIEGEL IM LICHT ERSTRAHLT DER GEIST IM RECHT.«

»... versauern. SPIEGEL reicht vollkommen.« Magg-or winkte ab und trank einen Schluck. »Eine Landeerlaubnis hat das Schiff bislang nicht erhalten; der Tesqire hat auch keine Landung versucht, dürfte uns aber sehr intensiv beobachten und ausforschen. Dass ihn permanent einige Kreuzer begleiten, ist eher symbolisch. Im Ernstfall würden sie ihn vermutlich nicht aufhalten können – inoffizielle Einschätzung.«

»Verstehe.«

Die Tesqiren waren die Werber und Münder des Atopischen Tribunals, die Fürsprecher – unter der Hand inzwischen bei vielen galaktischen Völkern als ziemliche Plage eingeordnet, weil nach zwei Jahren kaum noch eine Hauptwelt verschont geblieben war.

Koll-theym erinnerte sich genau an die ersten Meldungen aus dem Hoheitsgebiet der LFT. Die DAS GESETZ DIENT DEM BEHERRSCHTEN BIS IN DEN TOD im Illemasystem, die SANFT UND HEILSAM IST DAS SCHWERT DES WEISEN RICHTERS im Wegasystem, im Orbit von Swoofon ein Schiff, dessen Name – so die seinerzeitige ironische Umschreibung eines Medienvertreters – so lang war wie eine Gesetzesvorlage des Galaktikums zur Regelung des Umfangs der Wetterkontrolle in Naturschutzreservaten.

Das Auftreten der Tesqiren war stets zuvorkommend, freundlich, verständnisvoll, diplomatisch – in Sachen Atopisches Tribunal und Atopische Ordo blieben sie allerdings unnachgiebig und knallhart. Sie argumentierten überdies in einer Weise, dass viele den Eindruck gewannen, das Wort im eigenen Mund umgedreht zu bekommen.

Dafür umso mehr gewürzt mit ebenso blumigen wie schwer verständlichen Formulierungen, die alles und nichts bedeuten können, unterstrichen vom freundlichsten aller Lächeln. Koll-theym rief sich die Berichte und Analysen in Erinnerung. Keine Parafähigkeiten, aber eine auffällige Gehirnstruktur, die es zu einem einzigen spiegelneuronalen Komplex macht.

Spiegelneuronen in menschlichen Gehirnen – gleich ob terranisch, arkonidisch, akonisch, tefrodisch oder ekhonidisch – wiesen bei passiver Wahrnehmung dasselbe Aktivitätsmuster auf, welches die aktive Handlung verursachen würde. Verbunden wurde damit vor allem die Fähigkeit zur Empathie.

Und genau dieses perfektionierte Einfühlungsvermögen, dachte Koll-theym, begleitet von der beängstigenden Möglichkeit, Mimik, Gestik und bis zu einem gewissen Grad sogar die Körperform ihrem Gegenüber anpassen zu können, macht die Burschen so gefährlich.

»Wiederholte Untersuchungen von Tesqirenraumern haben gezeigt, dass sie eine Technik verwenden, die von jener quasi ununterscheidbar ist, die das Volk verwendet, dem sie auf den Geist gehen.« Der Admiral räusperte sich. »Terraner finden terranische, Arkoniden arkonidische Aggregate. Nach unseren Ortungsdaten hat Toqoyds SPIEGEL ekhonidische.«

Koll-theym verspürte nun ebenfalls den Drang nach einem Drink; bediente sich an der Bar und prostete dem Admiral zu. »Aber?«

»Was heißt das schon?«, fragte Rezz-ra, die sich von Dall-or entfernt und die letzten Sätze aufgeschnappt hatte. »Eine Besonderheit ist das Material, das die Burschen Flexopärm nennen und vermutlich nicht nur für Hülle, Böden, Decken und Wände verwenden. Überhaupt: Eigener Aussagen zufolge wurden diese Raumer in einer Werft des Tribunals gebaut.«

Magg-or ergänzte grimmig: »Und jeder Tesqire betont, kein Ingenieur zu sein und das Schiff nicht gebaut zu haben, sondern nur zu fliegen. Würde mich also nicht wundern, wenn bei der Technik nur vorgegaukelt wird, unserer oder der galaktischen mehr als ähnlich zu sein.«

Rezz-ra griff nach einem Snack und häufte knallgelbe Fischeierchen darauf. »Was möglicherweise ebenso für die Technik der Onryonen oder zumindest Teile davon gelten könnte. Somit auch bei dem verfluchten Onryonencluster.«

Der Hauptgrund der Krisensitzungen, dachte Koll-theym. Seit vier Tagen befanden sich mehrere Hundert Schiffe in der Nähe des Naralsystems – in nur zwei Lichtjahren Entfernung.

»Den unsere Flotte ebenfalls nicht aufhalten kann.«

Magg-or schnitt eine Grimasse, als Koll-theym hinzufügte: »Ebenfalls inoffizielle Einschätzung?«

»Eben das ist das Problem«, sagte Rezz-ra kauend und betupfte die Lippen mit einer Serviette. »Dreißig Raumväter sind definitiv bestätigt. Wie viele Einheiten es dort oder im Sektor Aar-tua insgesamt sind, weiß niemand zu sagen. Oder, Admiral?«

Dieser winkte ab. Koll-theym sah von einem zum anderen. »PaCam-Schleier?«

»Genau.«

Viele Einheiten der sogenannten Raumrudel setzten zur Tarnung eine Art Hyperenergie-Schleier ein, der dem Schattenschirm der Galaktiker ähnlich war. Die Wissenschaftler bezeichneten ihn deshalb als Paratron-Camouflage- oder PaCam-Schleier.

Es handelte sich um eine Zweitfunktion der starken »Raumschalen«, die Paratronschirmen vergleichbar waren. Sie wurden aber nicht von einem zentralen Projektor oder einem dem Paratronkonverter entsprechenden Aggregat erzeugt, sondern von zahllosen Mikroprojektoren, die in das rot leuchtende Patronit eingewoben waren.

»Noch verhalten sie sich ruhig«, murmelte der Admiral und sah auf den Boden seines fast geleerten Glases, als suche er dort die Antwort. »Sie sind ›nur‹ da. Hartnäckig und aufdringlich allein durch die pure Anwesenheit.«

Der Aar-tua-Athor seufzte. »Und deshalb leider – oder zum Glück? – keine akute Bedrohung.«

Sie sahen einander in die Augen, erkannten die unausgesprochene Furcht des anderen. Die Anlieferung einer Ordische Stele!

Die Heimatwelt der Ekhoniden war der dritte von acht Planeten der gelben Typ-G-Sonne Naral, nur 4536 Lichtjahre vom Solsystem und 34.495 Lichtjahre von Arkon entfernt. Narals Position als Zentrum des Sektors Aar-tua befand sich 508 Lichtjahre unterhalb der galaktischen Hauptebene und mit einer Distanz von 33.944 Lichtjahren vom Galaktischen Zentrum näher am Milchstraßenrand als der 5000 Lichtjahre durchmessende LFT-Sektor.

Die Einflusszone der seit dem 1. Januar 1340 NGZ mit der LFT assoziierten Ekhas-Koalition hatte dagegen nur einen Durchmesser von rund 750 Lichtjahren, in dem sich insgesamt 265 Siedlungswelten in 204 Sonnensystemen befanden. Also kein Vergleich mit Schwergewichten wie der Liga, etlichen Reichen der Jülziish oder dem – wenngleich inzwischen vom Niedergang bedrohten – Kristallimperium.

Oder, dachte Koll-theym, dem Galaktikum als Ganzes.

Admiral Magg-or zerbiss einen Fluch. »Die Flotte ist in Alarmbereitschaft versetzt ...«

Koll-theym trank aus. Was alle denken, aber nicht aussprechen: Wir sind uns sicher, gegen die Onryonen militärisch keine Chance zu haben – zumal keinerlei wirksamer Schutz gegen die auf Planeten abgefeuerten Linearraumtorpedos besteht. Kommt es zum Kampf, werden wir untergehen.

2.

 

Hundert ellipsoid verzerrte Schemen, mitunter aufleuchtend, dann wieder abdunkelnd, driften durch ein sonderbares Medium, das weder Größenvergleiche noch Entfernungen ermöglicht. Wiederholt sind ringsum spukhaft-spektakuläre Farbschleier, absonderliche Muster und stumme Explosionen zu erkennen.

Schlieren und Schleier erscheinen und vergehen. Ein recht willkürlich als »unten« definierbarer Bereich erweist sich bei näherer Betrachtung als etwas dunkler, lebloser, scheinbar erstarrter, obwohl hier wiederholt grelle Lichter aufblitzen.

Funken scheinen sich den hundert Schemen zu nähern und huschen, in langschweifige Kometen verwandelt, vorbei. Oder die hundert Schemen an ihnen? Oder beide gegeneinander in entgegengesetzter Bewegung, bis die hellen Streifen wieder zu Funken werden?

Die aufblitzenden Lichter formen im Dämmer eine Art Teppich – der sonderbar flach und gepresst wirkt, obwohl sich, je länger der Blick darauf fixiert ist, dreidimensionale Tiefe herausschält. Kaum wahrnehmbare Bewegung fügt die vierte Dimension als räumliche Veränderung in der Zeit hinzu, während die aufzuckenden Blitze und Entladungen senkrecht auf allem stehen und eine Ahnung der fünften Dimension eröffnen.

»Oberhalb« der Schemen weitet sich das Medium in mit normalen Begriffen kaum zu beschreibender Weise. In einem Etwas, das einer rötlichen Emulsion gleicht, erscheinen quallenhafte Gebilde, die sich als Kugeln, die gleich Riesenmolekülen zu perligen Ansammlungen ineinanderverwoben sind, gegenseitig zu größeren Sphären ergänzen.

Sie scheinen in unendlichen Reihen angeordnet zu sein, in denen jede nicht nur das »Licht« jeder anderen, sondern auch jede Spiegelung jeder Spiegelung widerspiegelt ...

 

 

An Bord des onryonischen Raumvaters WEEONER

 

Der Onryone Notoi Kevcenner, Kommandant des onryonischen Raumvaters WEEONER, saß in der Zentrale und musterte die Holodarstellungen vom »hohen Niveau des Transpositorischen Raums«. Er wusste, dass die hundert Schemen allesamt mit Linearraumtorpedos reichlich bestückte Raumväter seines Raumrudels waren.

Er fühlte sich wohl und lehnte sich zurück; sein Emot leuchtete in einem ruhigen Goldblau. Die feine Nuance des Geruchs nach Satheki-Blüten ließ Kevcenners Emot prickeln. In den Praeterital-Kolonien erfreuten sich die Blüten großer Beliebtheit; hier und jetzt dienten sie der Entspannung.

Kaum merklich drifteten Anuupi vorbei, mild-honigfarbenes Licht ging von den biolumineszenten Quallenwesen aus, während in den Körpern ein Gas entstand, das sie leichter werden ließ als Luft. Das nahe Leuchten belebte und umschmeichelte die Sinne.

Kevcenners Blick wanderte zur Raummitte zwischen dem großen Hauptholo und den Arbeitsstationen. Von der grünlich schimmernden Wolkenliege aus überwachte Stodd Shuunoy den positronischen Genius, das Schiff und den Flug. Ein Teil der Kopfes war von der wuchtigen Halbkugel verdeckt, metallisch behandschuhte Finger steckten in Vertiefungen. Als diensthabender Genifer war Shuunoy mental mit dem Genius verbunden, stand in geistigem Kontakt mit den Steuersystemen.

Der Genius wertete sämtliche Daten aus, die das Schiff sammelte, und lieferte die Steuerimpulse. Der Genifer war die Schnittstelle, der lebendige Mittelsmann, speziell ausgebildet, um als biologisches Auge und Ohr der WEEONER zu dienen. Gedanklich direkt mit den positronischen Anlagen verbunden, gab es eine unmittelbare Kommunikation mit dem Rechner.

»Transposition endet«, murmelte Shuunoy.

Im Holo wirkten nun der Dämmerteppichbereich und seine blitzenden Lichter nahe, das »untere Niveau« – der von den Völkern von GA-yomaad genutzte Halb- oder Linearraum –, wurde passiert und machte unvermittelt dem Blick ins Standarduniversum platz.

Die übrigen Schiffe des Raumrudels materialisierten ebenfalls, die Geniferen orientierten sich. Sternenformationen waren zu sehen, die zu jenem Bereich der Galaxis namens Milchstraße gehörten, den die Terraner Orionspiralarm nannten. Kevcenners Emot knisterte und kräuselte sich – Milchstraße ... In seinen Ohren war die onryonische Bezeichnung um ein Vielfaches einschmeichelnder und zutreffender, klang viel schöner.

»Keine Schiffsortung«, meldete der Genifer.

Wie die meisten Kommandanten fühlte sich auch Kevcenner auf »hohem Niveau« deutlich wohler und vor allem sicherer als im »Limitierten Raum« – dem Standarduniversum. Ihm war klar, dass der größte Teil seines Volkes – zumal die Missionsgeborenen von GA-yomaad – eher planetar dachten, stationär, eingeschränkt.

Auch für ihn selbst, das musste er sich eingestehen, dominierte bezogen auf die normale Wahrnehmung das konventionelle Weltbild. Er erkannte die Zeitmodi von faktischer Vergangenheit, fortlaufend fließender Gegenwart und offener Zukunft und folgte linear-kausalen, lokalen Grundsätzen.

Doch schon die Erweiterung in relativistische oder quantenmechanische Bereiche brachte dieses Weltbild ins Wanken, und es brach endgültig zusammen, sobald hyperphysikalische Kräfte einbezogen werden mussten.

Als erahne der Genifer seine Überlegungen, erklang die heiser flüsternde Stimme: »Physikalisch wird Kraft als Fähigkeit definiert, Arbeit leisten zu können. Ihrem Wesen nach ist Kraft an sich aber unanschaulich – wir erkennen sie an der Wirkung, die sie bei bestimmten Voraussetzungen erzeugt. Dieses Potenzielle der Kraft transzendiert bei hyperphysikalischen Phänomenen: Im n-dimensionalen Kontinuum gibt es keinen begrenzten Raum, keine Zeit, keine Materie – es ist überall gleichzeitig, immerwährend, Omnipräsenz, ein Nichts – und doch alles!«

Shuunoy orientierte sich, sichtete, beriet sich lautlos mit der Positronik. In den Holos wurden Daten und Auswertungen eingeblendet, Bildflächen der Arbeitsstationen zeigten wechselnde Szenen. Die 2100 Meter durchmessenden Kugeln der anderen Schiffe leuchteten aus sich heraus im tiefen Rot des Patronits.

Die schwenkbar gelagerten Antriebskegel saßen bewegungslos in der von Pol zu Pol verlaufenden Schiene. Höhe und Basisdurchmesser des Kegels entsprachen jeweils einem Fünftel des Kugeldurchmessers.

»Alles ist in Ordnung. Auch mit dem Transportgut ist alles in Ordnung. Wir können weiterfliegen.«

»Also: nächster Zug!«, befahl Notoi Kevcenner, während sein Emot gekräuselt zu sanftem Blau wechselte. Das transportierte Gut – die Ordische Stele! –, befand sich, bestens geschützt, in einem eigens dafür eingerichteten Hangar des Raumvaters. Dort war sie gegen Angriffe der unbelehrbaren Galaktiker besser geschützt, als wenn man sie wie in anderen Fällen an der Außenhülle befestigt hätte.

Ein weiterer ausgewählter Planet würde bald seine Bestimmung im Netz der Atopischen Ordo einnehmen. Kevcenner wusste, dass andere Kommandanten ihn um diese Aufgabe beneideten. Die Zahl der zu transportierenden Stelen stieg zwar, aber die der auf eine solche Aufgabe wartenden Kommandanten – allesamt bereit und willens, als Hände des Atopischen Tribunals diese Galaxis zu retten – war um ein Vielfaches größer.

Für Kevcenner war die Atopische Ordo seit der Kindheit oberste Richtschnur. Für die Bewohner der ausgewählten Welt würde sie neu sein, gewöhnungsbedürftig, anders.

Wie würden sie reagieren? Mit Freude und Einsicht? Oder mit Widerstand und Kampf? Würden sie allein sein? Oder Hilfe erhalten? Vielleicht sogar von der USO, einst als »Galaktische Feuerwehr« umschrieben, jetzt als terroristische Vereinigung gebrandmarkt? Die USO kämpfte gegen die Atopische Ordnung, Einheiten der Ordo machten Jagd auf sie.

Der Onryone dachte an den beim Zielsystem stationierten Cluster und besänftigte das für einen Augenblick in ihm aufwallende Gefühl von Beunruhigung und Sorge. Es galt, die Atopische Ordo durchzusetzen und die Aufteilung dieser Galaxis in Domänen voranzutreiben.

Im Hauptholo verschwanden die Sterne und der normale Weltraum; an ihrer Stelle erschienen wieder Schemen und spukhaft-spektakuläre Farbschleier. Der Kommandant wusste, dass sein Schiff wie der Verband jetzt und hier in Sicherheit war – weitgehend jedenfalls. Fremde Schiffe, die sich auf dem »unteren Niveau« des Linearraums näherten, würden entdeckt, mit Linearraumtorpedos angegriffen und vernichtet werden.

Denn das »hohe Niveau des Transpositorischen Raums« war Onryonen-Gebiet!

Kevcenner war fasziniert vom onryonischen Projekt zur Kartierung des hohen Niveaus – der Linearraumkartierung.