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William Bligh

(1754–1817) wurde in Plymouth geboren und entstammate einer Familie von Seefahrern. Er war ein Offizier der britischen Marine und Gouverneur von New South Wales in Australien. Weltweite Bekanntheit erlangte Bligh als Kommandant der HMAV Bounty, auf der 1789 eine Meuterei ausbrach. Er starb in London.

Hermann Homann

(1899–1985), geboren in Warendorf, was Lehrer, Schriftsteller und redaktioneller Mitarbeiter bei NDR, WDR und Radio Bremen. Er hat sich durch zahlreiche Buchveröffentlichungen auf dem Gebiet der historischen Reiseliteratur ausgezeichnet.

Zum Buch

»Bei einem so geheim angelegten Plan und bei meiner Arglosigkeit ist es wohl kein Wunder, dass ich überlistet worden bin.« William Bligh

imager entstammt einer Seefahrerfamilie und legt eiserne Disziplin an den Tag: William Bligh ist der geborene Kapitän. Seine Reisen in die Südsee sind erfolgreich, Fracht und Mannschaft erreichen Ende 1787 die Westindischen Inseln wohlbehalten. Wetterbedingt verzögert sich die Rückreise um ein halbes Jahr. Doch Bligh mahnt nach sechs Monaten zum Aufbruch. Murrend fügt sich die Mannschaft – bis diese ihn während der berühmten Meuterei auf der Bounty auf offener See in einem kleinen Boot mit wenigen getreuen Männern aussetzt ...

imageer erfolgreiche Seefahrer William Bligh leitet Ende 1787 eine Seereise zu den Westindischen Inseln, um die dortigen Zuckerrohr-Anbauer mit Nahrungsmitteln zu versorgen. Trotz schwerer Stürme erreicht sein Schiff das Ziel. Witterungsverhältnisse zwingen Bligh dazu, die Abreise fast ein halbes Jahr zu verschieben. Als es soweit ist, regt sich Unwillen unter den Mannschaftsmitgliedern – über viele Monate hatten sie ein weitgehend müßiges Leben in einem Paradies geführt und sollen nun wieder eine lange, entbehrungsreiche Reise unter einem sehr disziplinierten Kapitän antreten. Auf offener See kommt es nach wenigen Wochen zu Auseinandersetzungen, Bligh wird in einem kleinen Boot ausgesetzt. Dank seines navigatorischen Talents erreichen fast alle mit ihm ausgesetzten Männer nach langer Zeit Land. Der spannende Tatsachenbericht von Bligh wird durch den Bericht des Arztes Dr. George Hamilton ergänzt, der auf der, die Meuterer jagenden, schwerbewaffneten Fregatte »Pandora« unter dem Kommando von Kapitän Edward dient.

DIE 100 BEDEUTENDSTEN ENTDECKER

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Die »Bounty« bei rauer See

William Bligh

Die Reise der Bounty
in die Südsee

1787 – 1792

Mit 26 zeitgenössischen
Darstellungen und 6 Karten

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über
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Alle Rechte vorbehalten

Copyright © by marixverlag GmbH, Wiesbaden 2014
Der Text wurde behutsam revidiert
nach der Ausgabe Edition Erdmann Stuttgart und Wien, 1983
Lektorat: Dietmar Urmes, Bottrop
Covergestaltung: Nicole Ehlers, marixverlag GmbH
nach der Gestaltung von Nele Schütz Design, München
Bildnachweis: Bounty chronicles volume 2, Bounty prepares to depart
Tahitie (6c); Pitcairn Islands Study Center, Angwin/USA
eBook-Bearbeitung: Bookwire GmbH, Frankfurt am Main

ISBN: 978-3-8438-0416-5

www.marixverlag.de

INHALT

Vorbemerkung

Leutnant William Bligh, Kapitän der »Bounty«

WILLIAM BLIGHS REISE AUF DER
»BOUNTY« IN DAS SÜDMEER

Erstes Kapitel

Zweites Kapitel

Drittes Kapitel

Viertes Kapitel

Fünftes Kapitel

Sechstes Kapitel

Siebtes Kapitel

Achtes Kapitel

Neuntes Kapitel

Zehntes Kapitel

Elftes Kapitel

Zwölftes Kapitel

Dreizehntes Kapitel

Vierzehntes Kapitel

Fünfzehntes Kapitel

Sechzehntes Kapitel

Siebzehntes Kapitel

Achtzehntes Kapitel

Neunzehntes Kapitel

Zwanzigstes Kapitel

DIE SUCHE DER »PANDORA« NACH
DEN
MEUTERERN

Beschrieben von Dr. George Hamilton
Wundarzt des Schiffes

Erstes Kapitel

Zweites Kapitel

Drittes Kapitel

Viertes Kapitel

Fünftes Kapitel

Das Kriegsgericht

Wo ist die »Bounty« geblieben?

VORBEMERKUNG

Die diesem Buch zugrunde liegenden Berichte sind entnommen dem »Magazin von merkwürdigen neuen Reisebeschreibungen«, 5. und 11. Band, Berlin 1791 und 1793: übersetzt und herausgegeben von Johann Reinhold Forster und dessen Sohn Georg, die als Wissenschaftler an der zweiten Reise des Captain James Cook (1772–1775) teilgenommen haben.

Die Originaltitel lauteten: »William Blighs, Captain der Großbritannischen Flotte, Reise in das Südmeer, welche mit dem Schiff ›Bounty‹ unternommen worden ist, um Brotbäume nach den Westindischen Inseln zu verpflanzen« und »Reise um die Welt in der Königlichen Fregatte ›Pandora‹ während der Jahre 1790, 1791 und 1792 unter Führung des Captain Edwards« nebst »Nebst Entdeckungen in der Südsee und einer Nachricht von dem vielen Ungemach, welches die Mannschaft durch Schiffbruch und Hunger auf einem Weg von elfhundert Englischen Meilen zwischen der Endeavour-Straße und der Insel Timor im offenen Boot erduldet. Beschrieben von Dr. George Hamilton, Wundarzt des Schiffes.«

Die Abbildungen und Karten sind entnommen der »Geschichte der Seereisen und Entdeckungen im Südmeer« von Dr. Johann Hawkesworth, Berlin 1774, und der »Malerischen Reise um die Welt« von J. Dumont d’Urville, Leipzig 1835.

LEUTNANT WILLIAM BLIGH,
KAPITÄN DER »BOUNTY«

Vor fast zweihundert Jahren haben die Ereignisse um das Meutererschiff »Bounty« weit über England hinaus Aufsehen und rege Parteinahme für und wider hervorgerufen, und bis heute sind die dramatischen Ereignisse von damals lebendig geblieben und immer wieder nachgestaltet worden. Kein Wunder, denn ungewöhnlich war schon die Aufgabe, die dem Kapitän mit seinem Schiff gestellt worden war, nämlich Brotfruchtpflanzen von Tahiti um die halbe Erde nach den Westindischen Inseln zu schaffen, um dort eine bessere Ernährung der Plantagenarbeiter zu ermöglichen. Diese Aktion diente zwar dem Gewinnstreben britischer Pflanzer, aber sie entsprang auch oder gar überhaupt dem aufkommenden humanitären Geist in der Zeit der beginnenden Aufklärung, die das Ziel hatte, »Vernunft und Menschenwürde zur Herrschaft zu bringen«, einer Bewegung, die mit den Lehren der englischen Philosophen Locke und Hume ihren Anfang nahm.

Die Aufklärung befruchtete oder trug auch die Reisen der großen Entdecker, die damals gewiss in erster Linie auf die Ausweitung und Festigung der britischen Weltmacht gerichtet waren, aber dieses Ziel wurde oft verhüllt oder gar verdrängt von anderen Plänen und Absichten, die die Admiralität mit diesen weltweiten Erkundungen verfolgte. Das beste Beispiel dafür sind die drei Reisen (1768–71, 1772–75, 1776–80) ihres größten Entdeckers, des Captain James Cook. Seine Order war, das Stille Meer zwischen beiden Polen zu erforschen, daneben aber Aufgaben naturwissenschaftlicher Art zu lösen, die von der Royal Society gestellt worden waren. Kapitän Cook hatte demzufolge auf allen Reisen Wissenschaftler an Bord – Ethnologen, Astronomen, Botaniker –, vor allem aber fuhren als Vorläufer unserer Bildberichter von heute Maler und Zeichner mit, deren Skizzen später als Vorlagen für die ausgezeichneten Kupferstiche dienten, mit denen die Reiseberichte illustriert wurden.

Die Reisen des Kapitäns Cook waren also wissenschaftliche Exkursionen großen Stils, und so erlebte auch William Bligh die dritte Reise des großen Entdeckers, denn er war der »Pilot oder Lotse, ein Seemann, der seiner zuverlässigen Kenntnis der Reeden oder Häfen oder Küste wegen gebraucht wird, Schiffe ein- und auszuführen«, wie es in der »Geschichte der englischen Seereisen« von 1774 heißt. Kapitän Cook nennt ihn öfter in seinem Bericht, besonders wenn vom Boot aus ein schwieriges Fahrwasser oder ein Ankergrund in den Lagunen der Koralleninseln ausgelotet werden musste. Zwischen dem damals fünfzigjährigen Kapitän und dem fünfundzwanzigjährigen Lotsen muss auch wohl ein engeres Verhältnis bestanden haben, da die Tahitianer sie für Vater und Sohn hielten.

Der Leutnant Bligh war denn auch in vielem seinem verehrten Vorbild ähnlich, in der Härte und Strenge im Dienst, vor allem aber auch in der außerordentlichen Fähigkeit, sich nicht nur auf das Seemännische zu beschränken, sondern wie sein Lehrmeister auch ein merkwürdiges Interesse für Völkerkunde, Botanik, Astronomie und andere Wissenschaften zu zeigen, wie er auch immer darauf bedacht war, den Insulanern nützliche Dinge – Pflanzen, Zuchttiere, Geräte und Werkzeuge – für ein wenn auch manchmal nur vermeintlich besseres Leben zu überlassen.

Dieser vielseitig tüchtige Kapitän, der oft geradezu liebevoll für die braunen Kinder der Südsee sorgte, soll nun den an sich ungemein fesselnden Darstellungen in Romanen und Filmen zufolge ein unerbittlicher Tyrann und Schinder gewesen sein, der seine Leute buchstäblich bis aufs Blut reizte, sodass sie sich nur durch eine Meuterei vor seinen Unmenschlichkeiten retten konnten. Er zeigte sich aber nicht besser und nicht schlechter, als die Schiffskommandanten damals überhaupt waren oder sein mussten. Oft war es ein zusammengelaufenes, nicht selten auch zum Dienst gepresstes Volk, das auf den Schiffen der britischen Kriegsmarine leben und sterben musste. Es wurde durch die unerbittlichen Kriegsartikel bei der geringsten Insubordination mit einigen Dutzend Schlägen bedroht, bei Fahnenflucht und Meuterei sogar mit dem Strang.

Leutnant Bligh war auf seinem Schiff wie alle Kapitäne ein einsamer Mann, der ständig als Befehlshaber auftreten und sich auch als Vierunddreißigjähriger gegen seine zum Teil älteren Offiziere durchsetzen musste, sodass er sich mitunter rau und schroff im Umgang benahm und an Flüchen und Verwünschungen nicht sparte, aber ein Unmensch, als der er oft dargestellt wird, war er nicht. Dafür ein Beispiel: Als das Schiff vor Tahiti lag, desertierten der Waffenmeister Churchill und zwei Matrosen in einem Kutter, wofür sie nach den Kriegsartikeln gehängt werden konnten, aber Bligh bestrafte die Matrosen mit vier Dutzend und begnadigte den Waffenmeister wegen seiner bis dahin ausgezeichneten Führung zu zwei Dutzend Schlägen.

Vor allem aber war Kapitän Bligh ein äußerst tüchtiger Seemann. Er brachte die »Bounty« sicher nach Tahiti, obschon das Schiff in einem dreißigtägigen Kampf gegen die Stürme am Kap Hoorn fast aus den Fugen gegangen war. Diese Tüchtigkeit wurde noch dadurch überboten, dass er nach der Meuterei mit achtzehn Gefährten im überladenen Boot in achtundvierzig Tagen die Insel Timor erreichte. Ohne seinen unerschütterlichen Willen, seine Umsicht und auch seine Härte gegen seine Schicksalsgenossen und sich selbst wäre diese Wettfahrt mit dem Tod nie gelungen. Dabei vergaß er bei allen Strapazen, bei Hunger und Nässe nie, täglich die Lage und den Kurs zu bestimmen, ja er entdeckte sogar neue Inseln und trug sie in die Karte ein.

Das englische Volk feierte ihn nach seiner glücklichen Heimkehr als einen wahren Helden, um so mehr wurmte es ihn, dass gerade er, der pflichtbewusste Kapitän, nichtsahnend in seinem Bett von den Meuterern überrumpelt worden war, noch mehr aber, dass ihm, dem harten Pflichtmenschen, die Erfüllung der von der Admiralität gestellten Aufgabe nicht gelungen war. Mit großer Befriedigung und als Bestätigung seiner Tüchtigkeit nahm er deshalb die Order auf, im nächsten Jahr mit zwei Schiffen die Fahrt nach Tahiti zu wiederholen, aber er erkrankte unterwegs so schwer, dass er am Kap die Reise aufgeben und heimkehren musste.

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Captain William Bligh

In den folgenden Jahren erhielt er Kommandos auf Kriegsschiffen, und nach der Seeschlacht auf der Reede von Kopenhagen im Jahre 1801 wurde er von Lord Nelson wegen seiner Tapferkeit geehrt.

Im August 1806 wurde Kapitän Bligh zum Gouverneur von Neusüdwales ernannt. Da ihm »der Ruf eines strengen und unerschütterlichen Seemannes« vorausging, war er dazu ausersehen worden, in der durch Korruption erschütterten Strafkolonie Ordnung zu schaffen. Er führte denn auch den »Rumkrieg« gegen die Offiziere, die den umfangreichen Rumhandel und andere Privilegien an sich gerissen hatten, womit er fast das gesamte Offizierskorps und auch das Heer der Trinker gegen sich aufbrachte, und als er dazu noch dem Großgrundbesitzer und ehemaligen Offizier McArthur einige Privilegien nehmen wollte, wurde er in einer Offiziersmeuterei für abgesetzt erklärt. Kapitän Bligh erhielt als Zwangsaufenthalt das Schiff »Porpoise«, aber statt nach England zu segeln, erkundete er die Küste von Tasmanien. Bei der Verfolgung des »meuterischen Unfugs«, wie man in England die Rebellion nannte, spielten Beziehungen wohl eine größere Rolle als der Tatbestand. Der Vizegouverneur, Hauptwidersacher Blighs, wurde für abgesetzt erklärt. Ein neuernannter Gouverneur traf mit neuen Truppen von England ein, übertrug Kapitän Bligh sein Amt wieder, löste ihn aber einen Tag später ab. Der bei all seiner Tüchtigkeit und Rechtschaffenheit wohl zu glücklose Bligh wurde zum Admiral befördert, soll aber nicht mehr in dieser hohen Stellung tätig geworden sein. Er starb vierundsechzigjährig in London.

H H.

WILLIAM BLIGHS REISE
AUF DER »BOUNTY«
IN DAS SÜDMEER

ERSTES KAPITEL

Der König geruhte gnädigst, das Gesuch der Kaufleute und Pflanzer in den Westindischen Besitzungen, dass der Brotfruchtbaum nach jenen Inseln verpflanzt werden möchte, zu bewilligen. Demzufolge wurde ein geeignetes Fahrzeug angekauft und in das Hafenbecken von Deptford (an der Themse) gebracht, wo es für seine Zwecke ausgerüstet werden sollte. Alles wurde nach einem Plan meines Freundes Sir Joseph Banks (Präsident der Royal Society und Begleiter des Kapitäns James Cook auf der ersten Reise um die Welt, 1768–71) eingerichtet und ausgeführt.

Das Schiff wurde »Bounty« (Wohltat) genannt, und ich erhielt das Kommando am 16. August 1787. Die Schiffslast betrug ungefähr zweihundertfünfzehn Tonnen, die größte Länge des Decks 90 Fuß und 10 Zoll (etwa 27 m), die größte Breite 24 Fuß und 3 Zoll (etwa 7,30 m) und die Höhe im Schiffsraum unter den Querbalken 10 Fuß 3 Zoll (etwa 3,1 m). Im unteren Teil des Cockpits hatten der Wundarzt, der Konstabler (Büchsenmeister), der Botaniker und der Schiffsschreiber ihre Kajüten, hier befanden sich auch die Vorratskammern. Zwischen den Decks hatte man folgende Abteilungen geschaffen: Die große Kajüte war für die Aufnahme der Pflanzen vorgesehen und reichte bis an die hinterste Öffnung im Verdeck. Das Licht fiel durch zwei große Fenster von oben herein, und je drei Seitenluken sorgten für die Durchlüftung. Die Kajüte war mit Gestellen angefüllt, deren Löcher die Töpfe mit den Pflanzen aufnehmen sollten. Das Deck war mit Blei belegt, und in den Ecken der Kajüte waren Röhren angebracht, die das von den Pflanzen abfließende Wasser in darunterstehende Tonnen ableiteten, damit es weiter zum Gießen der Pflanzen gebraucht werden konnte und nicht verlorenging. Dicht an der großen Kajüte hatte ich eine kleine Schlafstelle und in der Mitte des Schiffes ein Speisezimmer. Es lag neben dem Hauptniedergang, an dessen beiden Seiten die Quartiere der Steuermannsgehilfen und der Midshipmen (Kadetten) lagen, zwischen denen der Gewehrkasten stand. Den Schlüssel hierzu hatte der Obersteuermann in Verwahrung, dessen Kajüte der meinigen gegenüber an der anderen Seite der Schiffsleiter lag.

Man hatte das Schiff nach den in der Königlichen Flotte üblichen Proportionen mit Masten versehen, aber auf meinen Vorschlag wurden sie kürzer gemacht, da ich bei einer solchen Reise befürchten musste, dass sie das Schiff zu sehr drücken würden. Am 3. September kam es aus dem Dock, doch die Zimmerleute blieben noch lange an Bord, da sie noch viel an der Ausrüstung zu arbeiten hatten. Ich ließ den Ballast stark vermindern, indem ich statt der vorgesehenen fünfundvierzig Tonnen Eisen nur neunzehn Tonnen an Bord nahm. Die Vorräte, die an Bord geschafft wurden, ersetzten meines Erachtens das Fehlende voll und ganz, und ich behaupte sogar, dass viele Schiffe in schweren Stürmen nur wegen des schweren unbeweglichen Ballastes im Schiffsrumpf zum Untergang verurteilt sind.

Die Zahl der Offiziere und Mannschaften war folgende: 1 Leutnant als Befehlshaber, 1 Schiffer oder Obersteuermann, 1 Bootsmann, 1 Konstabler (Waffenmeister), 1 Zimmermann, 1 Wundarzt, 2 Steuermanns- oder Schiffsmaate, 2 Midshipmen, 2 Quartiermeister, 1 Quartiermeistersmaat, 1 Bootsmannsmaat, 1 Zimmermannsmaat, 1 Zimmermannsgehilfe, 1 Segelmacher, 1 Büchsenspanner, 1 Korporal, 1 Schiffsschreiber und Proviantmeister, 23 tüchtige Matrosen, zusammen 44 Mann Besatzung. Außerdem wurden auf Sir Joseph Banks Empfehlung zwei geschickte Männer angestellt, um die Pflanzen, die wir mitbringen sollten, zu sammeln und zu pflegen. Der eine, David Nelson, hatte bereits die letzte Reise des Kapitäns Cook als Botaniker mitgemacht, der andere, William Brown, war sein Gehilfe. Mit diesen beiden belief sich die Besatzung auf sechsundvierzig Mann.

Am 4. Oktober kam der Lotse an Bord und geleitete uns stromabwärts bis Long Beach, wo wir vier vierpfündige Kanonen und zehn Drehbrassen (kleine, auf einem Pfahl befestigte Geschütze) an Bord nahmen. Unser Proviant war für achtzehn Monate berechnet. Außer den gewöhnlichen Nahrungsmitteln hatten wir Sauerkraut, Suppengallerte, Malzessenz, getrocknetes Malz und ein gehöriges Quantum Gerste und Weizen geladen. Man hatte mich auch mit einem ansehnlichen Vorrat von Eisenwaren und allerlei Spielsachen versehen, die zum Handel mit den Bewohnern der Südseeinseln dienen sollten.

Am 15. Oktober erhielt ich den Befehl, nach Spithead (bei dem Kriegshafen Portsmouth) zu segeln, wo ich aber wegen der ungünstigen Winde erst am 4. November anlangte. Am 24. erteilte mir Lord Hood, der hier das Kommando führte, die letzten Befehle. So günstig aber der Wind seit einigen Tagen gewesen war, so blies er uns jetzt gerade entgegen. Am 28. wurde der Mannschaft ihre Heuer für zwei Monate vorausbezahlt, und am folgenden Tag lavierten wir bis St. Helens, wo wir uns genötigt sahen, den Anker zu werfen. Dann bemühten wir uns mehrmals vergebens, den Kanal westwärts zu verlassen, aber wir wurden immer wieder nach St. Helens und sogar nach Spithead zurückgetrieben, bis wir endlich am 23. Dezember mit günstigem Wind unter Segel gehen konnten.

Unsere Reise war eigentlich die erste, der die Absicht zugrunde lag, aus den Entdeckungen in fernen Gegenden Vorteile zu ziehen. Hierzu hatte mir die Admiralität folgende Instruktionen erteilt:

»Da der König auf die Vorstellung der Kaufleute und Pflanzer, die in Seiner Majestät Westindischen Besitzungen interessiert sind, dass die Einführung des Brotfruchtbaums in den dortigen Inseln den Einwohnern eine Art Nahrung und dadurch den wesentlichsten Vorteil gewähren würde, für gut befunden hat, um das Wohl eines so achtungswürdigen Teils seiner Untertanen, welches in diesem Falle sogar allgemeinen Vorteil verspricht, zu befördern, dass zur Herbeischaffung einiger Bäume dieser Art und ihrer Überbringung nach den Westindischen Inseln die gehörigen Maßregeln genommen werden sollen; und da das unter Eurem Befehl stehende Schiff demzufolge für diesen Dienst mit Vorräten und Proviant versehen, auch gehörig eingerichtet worden ist, um so viel Bäume, wie es nach Maßgabe seiner Größe fassen kann, in gutem Stande zu erhalten; Ihr auch die Weisung empfangen habt, die beiden am Rande benannten Gärtner (David Nelson und William Brown) an Bord zu nehmen; die wegen ihrer Bekanntschaft mit Bäumen und Pflanzen verpflichtet worden sind, um davon solche auszusuchen, die von der rechten Art sind und die richtige Größe haben.

So werdet Ihr hiermit, zufolge des höchsten Willens Seiner Majestät, den er uns durch Lord Sydney, einen seiner ersten Staatssekretäre, hat kundtun lassen, verpflichtet und angewiesen, bei dem ersten günstigen Wind und Wetter in See zu gehen und Euch so schnell wie möglich um das Kap Hoorn nach den im Südmeer liegenden Gesellschaftsinseln zu begeben, woselbst zufolge der Nachrichten des sel. Kapitäns Cook und der Personen, die ihn auf seiner Reise begleitet haben, der Brotfruchtbaum in üppigstem Wachstum angetroffen wird.

Nachdem Ihr so viele Bäume und Schösslinge wie möglich an Bord genommen habt (zu welchem Zwecke Ihr bereits mit solchen Waren und Spielsachen, die vermutlich von den Eingeborenen gefordert werden, versorgt worden seid), sollt Ihr von dort durch die Endeavour-Straße, die Neuholland von Neuguinea trennt, nach Prinzeneiland in der Sunda-Straße oder um die Ostspitze von Java nach einem Hafen an der Nordküste dieser Insel gehen, wo Ihr statt der etwa beschädigten oder eingegangenen Brotfruchtbäume andere Fruchtsorten jener Gegend und besonders Reis, der auf trockenem Land wächst, einnehmen sollt.

Von Prinzeneiland oder von Java aus sollt Ihr um das Kap der Guten Hoffnung nach Westindien fahren und unterwegs anlegen, wo es Euch notwendig erscheint. Die Hälfte der Pflanzen sollt Ihr im Botanischen Garten zu St. Vincent (Antillen) für die Inseln unter dem Winde abliefern, sodann aber nach Jamaica gehen, und sobald Ihr die übrigen Pflanzen an den Bevollmächtigten des Gouverneurs jener Insel abgeliefert, Eure Mannschaft erfrischt und die nötigen Vorräte an Bord genommen habt, ohne Aufschub die Rückreise nach England antreten, in Spithead einlaufen und unserem Sekretär Bericht erstatten.«

Aus diesem Befehl geht hervor, dass ich geradewegs um das Kap Hoorn reisen sollte. Da uns jedoch die widrigen Winde so lange aufgehalten hatten und die günstige Zeit für die Umrundung des Kaps fast verstrichen war, bat ich die Admiralität, diese Bestimmung meiner Entscheidung zu überlassen. Darauf erhielt ich die folgende Nachricht: »Da die Jahreszeit so weit vorgerückt ist, dass Ihr wahrscheinlich zu spät an der Südküste Amerikas ankommen werdet, um das Kap Hoorn ohne Gefahr umschiffen zu können, so habt Ihr in diesem Falle die freie Entscheidung, mit dem Schiff um das Kap der Guten Hoffnung nach Tahiti zu gehen.«

Die Brotfrucht ist bereits allgemein bekannt, doch sei hier zur Unterrichtung des Lesers ein Auszug aus dem Bericht von Kapitän Cooks erster Reise angefügt: »Die Brotfrucht wächst auf einem Baume, der ungefähr den Wuchs einer mittelmäßigen Eiche hat. Die Blätter sind bis zu anderthalb Fuß lang, von länglicher Gestalt und mit tiefen Ausschnitten wie Feigenblätter, denen sie auch darin gleichen, dass sie einen milchigen Saft ausscheiden, wenn sie verletzt werden. Die Brotfrucht hat ungefähr die Größe und Gestalt eines Kinderkopfes und ist an der Oberfläche netzförmig gezeichnet. Sie hat eine dünne Haut und innen eine Verlängerung des Stiels. Das Essbare liegt zwischen diesem Fruchtboden und der Haut. Es ist schneeweiß und fast so fest wie gebackenes Brot. Die Frucht wird geröstet und in drei oder vier Teile zerschnitten. Sie hat keinen ausgeprägten Geschmack, außer einem geringen Grad von Süßigkeit, etwa wie die Krume des Weizenbrots, wenn man sie mit Erdbirnen (Topinambur), Helianthus tuberosus, vermischt. Es kostet keine weitere Mühe, die Brotfrucht zu erlangen, als dass man auf einen Baum steigt, um sie zu pflücken. Wenn jemand während seines Lebens zehn solche Bäume pflanzt, wozu er allenfalls eine Stunde braucht, so hat er gegenüber seinen Zeitgenossen und der kommenden Generation seine Pflicht so vollständig erfüllt wie der Bewohner unserer gemäßigten Zone, der im kalten Winter pflügt und in der Sommerhitze erntet, sooft diese Jahreszeiten wiederkehren. Die Brotfrucht ist freilich nicht immer zu haben, aber dann ersetzen Kokosnüsse, Bananen und eine Menge anderer Fruchtarten ihre Stelle.

Ich habe mich sorgfältig erkundigt, wie man auf Tahiti die Brotfruchtbäume anpflanzt, aber ich habe festgestellt, dass sie niemals gepflanzt werden, dass sie vielmehr aus den Wurzeln der alten Bäume ausschlagen, die flach unter der Erdoberfläche ringsum liegen. Hieraus dürfen wir schließen, dass der Bewohner von Tahiti, statt seine Brotfruchtbäume anzubauen, sich eher genötigt sieht, die allzu große Vermehrung der Bäume zu verhindern, um Bäumen von anderen Sorten Platz zu schaffen, damit mehr Abwechslung an Nahrung geschaffen wird.«

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Zweig des Brotfruchtbaums mit Früchten

ZWEITES KAPITEL

Sonntag früh, den 23. Dezember 1787, gingen wir von Spithead unter Segel, schifften zwischen Hampshire und der Insel Wight hindurch und setzten unsere Fahrt den Kanal hinunter vor einem frischen Ostwind fort. Am gleichen Nachmittag fiel ein Matrose, der das Bramsegel einziehen sollte, von der Rahe, er konnte aber glücklicherweise im Fallen das Bramstag ergreifen und sich dadurch retten. Der Wind wurde in der Nacht heftiger, und es ging eine hohle See (mit kurzen, tiefen Wellentälern), doch mäßigte sich das Wetter am 25. Dezember wieder, sodass wir das Weihnachtsfest recht froh begehen konnten. Am folgenden Tag erhob sich jedoch ein gewaltiger Sturm aus Osten, wobei wir viel ausstehen mussten. Eine Welle brach über dem Schiff und schwemmte unseren Vorrat an Stengen und Rahen auf der einen Schiffsseite gänzlich fort. Eine noch furchtbarere Welle zertrümmerte unsere Boote. Einige Fässer mit Bier, die wir auf dem Deck festgemacht hatten, wurden losgerissen und weggeschwemmt, und es kostete viel Mühe und Gefahr, die Boote so zu sichern, dass sie nicht ganz über Bord gingen. Die See hatte auch das Spiegelheck zerschlagen, sodass sich die Kajüte mit Wasser füllte und eine große Menge unseres Schiffszwiebacks verdorben wurde.

Am 29. legte sich der Sturm und blieb gemäßigt, bis wir von Teneriffa ankamen. Am 4. Januar 1788, vormittags, sprachen wir mit einem nach Isle de France bestimmten französischen Schiff, und am folgenden Tag erblickten wir um neun Uhr morgens die Insel Teneriffa. Ein dichter Nebel verhüllte sie fast ganz außer am nordwestlichen Ende, das ein auffallendes Vorgebirge in der Form eines Pferdekopfes mit besonders deutlichen Ohren darstellt. Am Sonntag, morgens um halb zehn Uhr, gingen wir auf der Reede von Santa Cruz in 24 Faden (1 Faden = 1,82 m) Tiefe vor Anker. Ein spanisches, nach Corunna bestimmtes Paketboot, eine amerikanische Brigantine und mehrere andere Fahrzeuge lagen hier bereits.

Sobald das Schiff vor Anker lag, schickte ich einen Offizier, Herrn Christian, zum Gouverneur, um ihm zu melden, ich hätte hier geankert, um meine Leute mit Erfrischungen zu versehen und die Sturmschäden an meinem Schiff auszubessern. Der Gouverneur ließ mir ausrichten, dass man mich mit allem, was die Insel biete, versorgen wolle, allerdings musste die Feierlichkeit des Salutschießens unterbleiben, da Se. Exzellenz nur Personen von gleichem Rang mit der gleichen Zahl von Kanonenschüssen zu antworten beliebe.

Unterdessen kamen der Hafenmeister und einige Offiziere an Bord, um mich zu begrüßen, und sobald das Schiff vertäut war, ging ich an Land und stattete dem Gouverneur meinen Besuch ab. Ich erwirkte für den Botaniker Nelson die Erlaubnis, an Land zu gehen und Pflanzen und andere Produkte des Landes zu studieren. Wir kauften sehr guten Wein für den Preis von zehn Pfund Sterling die Pipe (etwa 400 Liter). Das frische Wasser bezahlte ich mit fünf Shilling die Tonne. Für andere Waren, wie Mais, Erdäpfel, Kürbisse, Zwiebeln usw., war die Zeit nicht günstig. Vom März bis in den November dagegen ist alles in Überfluss zu haben, besonders allerlei Obstsorten, wovon wir jetzt außer trockenen Feigen und schlechten Orangen nichts auftreiben konnten.

Die Reede von Santa Cruz liegt an der Ostseite der Insel, wo man bis dicht am Ufer ein unergründliches Meer findet. Die Bank, auf der man vor Anker gehen kann, ist sehr steil und so klein, dass zum Loten wenig Zeit bleibt, weshalb man sich eines schweren Wurfbleis bedienen muss, um Ankergrund zu finden. Der Grund ist weicher, schwarzer Schlamm, weshalb die Schiffe, die sich länger aufhalten wollen, ihre Ankertaue mit Bojen schwimmend erhalten. Es ist allemal ratsam, die Schiffe mit mehreren Ankern zu vertäuen, damit sie ruhiger liegen, wenn eine hohle See in die Reede wogt. Damit unsere Boote ohne Gefahr landen können, ist eine Steinmole erbaut worden. Das Wasser fließt in Röhren bis an diesen Damm, und alle Kauffahrteischiffe müssen dafür bezahlen.

Unter dem gemeinen Volk herrscht ein Grad von Elend und Bedürftigkeit, der nirgends so auffällig ist wie in spanischen und portugiesischen Niederlassungen. Um diesem Übel zu steuern, hat der jetzige Gouverneur von Teneriffa eine wohltätige Gesellschaft gegründet, die er selber leitet. Von den ansehnlichen Beiträgen ist ein großes Gebäude errichtet worden, das einhundertzwanzig arme Mädchen und ebenso viele Männer aufnimmt. Seine Exzellenz erwies mir die Ehre, mir dieses Hospicio, wie man es nennt, selber zu zeigen, und auf allen Gesichtern las ich Zufriedenheit und Heiterkeit. Die jungen Mädchen waren sittsam und anmutig gekleidet und saßen in bewunderungswürdiger Ordnung in einem großen, gut durchlüfteten Zimmer an ihren Spinnrocken und Webstühlen. Eine Aufseherin leitete ihre Arbeit, die in der Anfertigung von grober Leinwand und seidenen Bändern besteht, die sie selber färben. Nach fünf Jahren dürfen die Mädchen sich verheiraten, wozu sie ihr Spinnrad oder ihren Webstuhl als Gabe erhalten, dazu eine Summe des Geldes aus dem Fond der Gesellschaft, dem ihre Arbeit jetzt jährlich zweitausend spanische Taler einbringt. Für die Männer und Knaben, die größere Wolltücher und Flanelle weben, wird ebenso gut gesorgt. Die Alten und Kranken bringen hier den Rest ihrer Tage unter sorgfältiger Pflege zu. Der Gouverneur besucht sie täglich, und jeden Abend findet sich auch ein Priester bei ihnen ein. Auf solche Art werden viele Menschen in den Stand gesetzt, nützlich und fleißig zu werden, und zwar in einem Land, wo die Armen, vom Himmelsstrich begünstigt, nur zu leicht ein untätiges Leben, wenn auch mit dem Elend verbunden, der besseren Existenz vorziehen, die sie durch Arbeit und Fleiß finden können.

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Bäuerin auf Teneriffa

Santa Cruz ist ungefähr eine halbe Englische Meile lang und ebenso breit, mit geräumigen, luftigen Häusern, aber sehr schlecht gepflasterten Straßen. Die Einwohner sollen, wie man sagt, nur wenigen Krankheiten unterworfen sein. Wenn aber eine ansteckende Krankheit ausbricht, so pflegt sie die schlimmsten Folgen zu haben, wie dies besonders der Fall ist bei den Kinderpocken, die man jetzt durch Impfen zu bekämpfen sucht. Die Gefahr von Epidemien ist auch der Grund, weshalb man den ankommenden Schiffsbesatzungen die Landung nur gestattet, wenn sie Gesundheitsscheine mitgebracht haben.

Nachdem unsere Geschäfte zu Teneriffa erledigt waren, gingen wir am 10. Januar bei Südostwind unter Segel. Die gesamte Mannschaft war gesund und guten Mutes. Ich hielt es für ratsam, die Leute in drei Wachen einzuteilen, und gab die Aufsicht über die dritte Wache einem der Steuermannsmaate, Herrn Fletcher Christian. Diese Einrichtung halte ich für die beste, denn ich bin überzeugt, dass ungestörte Ruhe während der Freiwachen die Gesundheit der Mannschaft fördert und sie auch befähigt, notfalls schnell und wirksam einzugreifen.

Da ich wünschte, die Reise nach Tahiti ohne Aufenthalt durchzuführen, verminderte ich die tägliche Ration Schiffszwieback für jedermann um ein Drittel. Unser Trinkwasser ließ ich durch die in Teneriffa gekauften Filter laufen. Gegen Abend umschifften wir die Südspitze der Insel, und am folgenden Morgen hatten wir kein Land mehr in Sicht. Jetzt eröffnete ich der Schiffsmannschaft den Zweck unserer Reise, und da man mir die Erlaubnis erteilt hatte, ihnen einen Ansporn zu geben, so versicherte ich ihnen, dass es an verdienten Beförderungen nicht fehlen werde.

Ich verteilte Angelschnüre und Netze, und wir fingen einige Doraden. Der Himmel bewölkte sich und ließ uns Regen erwarten. Ich ließ deshalb Vorkehrungen treffen, mittels ausgespannten Segeltuchs und ableitender Schläuche Wasser aufzufangen. Der Erfolg lohnte diese Mühe, insbesondere kam am 29. ein solcher Regenguss, dass wir siebenhundert Doppelmaß Wasser auffangen konnten.

Am 31. bemerkten wir abends eine halbe Meile hinter uns ein starkes Kräuseln der Meeresoberfläche, das Klippen anzuzeigen schien. Wir hätten aber dort eine Untiefe wahrnehmen müssen, da wir sehr genau Umschau zu halten pflegten. Ich vermute deshalb, dass das Kräuseln von einem großen Fischschwarm herrührte. Ähnlichen Täuschungen glaube ich den Berichten von vielen Untiefen zwischen den Wendekreisen zuschreiben zu müssen, die zwar in den Karten verzeichnet wurden, aber in der See nie gefunden werden.

Am 4. Februar füllten wir bei einem starken Regenguss unsere leeren Wasserfässer, aber das anhaltend nasse und schwüle Wetter hatte zur Folge, dass im Schiff alles mit Schimmel bedeckt war. Wir lüfteten es oft mithilfe von Kohlefeuern und sprengten fleißig Weinessig, und bei trockenem Wetter ließ ich alle Luken öffnen und die nassen Kleidungsstücke waschen und trocknen, bis endlich der Südostpassat uns am 6. Februar erlöste und wir am folgenden Nachmittag den Äquator passieren konnten. Der Südost blies stetig und frisch.

Am 16. sichteten wir südwärts ein Schiff, das wir am folgenden Tag erreichten. Es war die »British Queen«, Schiffer Simon Paul aus London, unterwegs nach dem Kap der Guten Hoffnung zum Walfang. Es hatte am 5. Dezember Falmouth verlassen, also achtzehn Tage eher, als ich von Spithead abgesegelt war. Ich benutzte die Gelegenheit, Briefe nach England mitzugeben. Bei Sonnenuntergang kam das Schiff außer Sicht.

Das Wetter war, seit wir die Linie passiert hatten, beständig schön und heiter geblieben, aber die Luft war so schwül, dass wir uns sehr matt fühlten. Das Quecksilber im Thermometer stand am Tag zwischen 81 und 83, ja einmal sogar auf 85 Grad (Fahrenheit). Bei der Fahrt durch die nördliche Hälfte der heißen Zone war die Luft nicht so stark erhitzt, weil die Sonne in dieser Jahreszeit weit im Süden stand, dagegen lag ein solcher Nebel auf dem Horizont, dass man nur in geringer Entfernung etwas erkennen konnte. Bei Sonnenuntergang zerstreute sich der Nebel, und bei Sonnenaufgang kam er wieder zum Vorschein. Auf der Grenze zwischen den Nordost- und den Südostpassatwinden pflegen die Windstillen und Regengüsse, wenn sie lange anhalten, Krankheiten zu verursachen, wenn man nicht alle Sorgfalt anwendet, das Schiff rein und gesund zu erhalten, indem man es zwischen Decks durch Kohlenfeuer trocknet und die Kleider und Betten sorgfältig lüftet. Außerdem sprengten wir noch mit Weinessig und benutzten abends die Pumpen als Ventilatoren. So kamen wir durch die heiße Zone, ohne einen Kranken gehabt zu haben.

Am 21. Februar bekamen wir Nord- und dann Nordwestwind, wir hatten also die südliche Grenze des Passatwindes überschritten. Am folgenden Tag fingen wir einen Haifisch und fünf Doraden. Am 26. zogen wir neue Segel auf und machten anderweitige Vorbereitungen gegen die raue Witterung, die nun zu erwarten war. Wir mochten jetzt über hundert Seemeilen von der brasilianischen Küste entfernt sein.

Sonntags, den 2. März, ließ ich vormittags Gottesdienst halten, wie alle Sonntage zu geschehen pflegte, nachdem ich vorher gesehen hatte, dass jedermann gewaschen und rein angezogen war. Jetzt erteilte ich auch Herrn Fletcher Christian den schriftlichen Befehl, das Amt eines Leutnants zu übernehmen.

Da das Thermometer fiel und die Veränderung der Lufttemperatur deutlich zu spüren war, befahl ich, die leichte Kleidung beiseitezulegen und sich auf eine den kalten Regionen angemessene Weise zu kleiden, wofür ich vor der Abreise in England gehörig eingekauft hatte. Montags, den 10. März, fanden wir vormittags Grund in einer Tiefe von 83 Faden (etwa 150 m). Als wir vierzehn Meilen weitergesegelt waren, fanden wir bei 160 Faden keinen Grund mehr. Am folgenden Tag sahen wir eine große Menge Wale von ungeheurer Größe mit zwei Spritzlöchern am Hinterteil des Kopfes.

An diesem Tag sah ich mich genötigt, auf die Klage des Obersteuermanns den Matrosen Matthew Quintal wegen ungebührlichen widersetzlichen Betragens mit zwei Dutzend Hieben zu bestrafen. Bisher hatte ich mich noch nicht in der unangenehmen Notwendigkeit befunden, jemanden an Bord züchtigen zu lassen.

Am 12. fingen wir einen Butzkopf oder Tümmler mit der Harpune, speisten alle mit großem Appetit davon und fanden das Fleisch so gut, dass wir nichts davon verkommen ließen. Wir setzten unseren Lauf nach Süden fort und waren am 19. nach meiner Berechnung keine zwanzig Seemeilen mehr vom Port Desire (Patagonien), doch unser günstiger Nordwestwind und das trübe Nebelwetter hielten mich ab, das Land aufzusuchen. Wir sahen eine Menge Walfische, Albatrosse und andere Seevögel.

Der Wind veränderte sich plötzlich und blies mit großer Stärke aus Westsüdwest. Am 23. morgens erblickten wir die Küste des Feuerlandes. Bei dem ungünstigen Wind schien es mir ratsam, östlich um die Staateninsel zu segeln, darauf lag die Le-Maire-Straße so offen vor uns, dass man sie nicht verfehlen konnte. Ich hielt mich etwa sechs Meilen vom Land entfernt, um steten Wind zu behalten und nicht den vom Gebirge herabstürzenden Fallwinden ausgesetzt zu sein. Der Anblick des Neujahrshafens hätte mich fast verführt, dort anzulegen, aber es war zu spät in der Jahreszeit, und meine Leute befanden sich so wohl, dass ich an keine Landung denken mochte, ehe wir in Tahiti waren.

Am 24. verloren wir das Land außer Sicht, und bis zum Ende des Monats kämpften wir mit schlechtem Wetter und widrigen Winden. Am 31. drehte der Wind nach Nordnordost, und wir hatten große Hoffnung, mit dessen Hilfe unsere Reise um Kap Hoorn ohne große Schwierigkeiten zu vollenden, aber bereits in der Nacht fing der Wind an, unstet zu werden, und tags darauf setzte er sich im Westen fest und wuchs zu einem Sturm an, der heftiger war, als ich je einen Orkan erlebt hatte. Die Wogen brausten fürchterlich daher, aber unser Schiff hielt sie recht gut unter dem Großsegel und dem Vorderstagsegel aus. Der Sturm dauerte diesen und den folgenden Tag mit heftigen Stößen, die Hagel und Schloßen brachten. Ich war gezwungen, Tag und Nacht ein Feuer zu unterhalten, an dem einer der Wachhabenden die Kleider trocknete, wodurch ohne Zweifel die Gesundheit meiner Leute erhalten wurde.

Unsere Begleiter waren Albatrosse und Sturmvögel, die sich im Kielwasser des Schiffes niederließen, was unsere Leute auf den Gedanken brachte, sie mit Angelschnüren zu fangen, was ihnen auch gelang. Der Sturm legte sich für kurze Zeit, tobte aber bald von Neuem, und die See ging gewaltig hoch. Die Folgen der ständigen Erschütterung begannen, sich nun am Schiff zu zeigen. Wir mussten uns alle Stunden an die Pumpen stellen. Die Decks waren so leck, dass ich die große Kajüte den Leuten, deren Schlafstellen zu nass waren, einräumen musste, damit sie ihre Hängematten dort befestigen konnten. Dies hatte noch den Vorteil, dass das Matrosenlogis nicht so gedrängt voll war.

Zu allem Unheil mussten wir noch am Ende jeden Tages feststellen, dass wir zurückgefallen waren, statt vorwärtszukommen, und so sehr wir uns auch mühten, trieben wir doch nur vor dem Wind her. Unser Koch fiel auf dem schwankenden Deck hin und brach sich eine Rippe. Ein Matrose renkte sich die Schulter aus. Der Konstabler bekam rheumatische Schmerzen und musste sich hinlegen, sodass wir zum ersten Mal während der Reise eine Krankenliste hatten.

Wir fingen noch immer Vögel genug, aber sie waren so mager und schmeckten so tranig, dass wir einen Versuch mit ihnen anstellten, der uns glänzend gelang. Wir sperrten sie ein und fütterten sie mit Weizenschrot, wovon sie in kurzer Zeit zunahmen. Die Sturmvögel schmeckten nun wie die schönsten Enten, und die Albatrosse wurden so fett und schmeckten so gut wie die besten Gänse. Die unverhoffte Hilfe, die wir auf diese Weise gewannen, kam uns sehr gelegen, denn von unserem mitgenommenen lebendigen Vieh war außer den Schweinen nichts mehr am Leben, weder die Schafe noch das Federvieh hatten der strengen Witterung widerstehen können.

Am 20. legte sich der Wind, und es folgte eine Windstille von einigen Stunden, sodass wir auf eine günstige Änderung hofften. Ich ließ ein Schwein schlachten, damit die Mannschaft ein kräftiges Mittagsmahl von frischem Fleisch genießen konnte. Um Mittag erhob sich zu unserem Verdruss der Wind wieder von Westen und brachte heftige Schnee- und Hagelschauer. Wir waren bereits drei Grad vom westlichen Ende der Magellanschen Meerenge gewesen, aber wir verloren stündlich mehr.

Es schmerzte mich tief, nunmehr einsehen zu müssen, wie hoffnungslos, ja wie unverantwortlich jeder weitere Versuch sein würde, auf diesem Wege nach Tahiti zu gelangen. Dreißig Tage hatten wir jetzt in diesem stürmischen Ozean zugebracht. Einmal waren wir schon so weit nach Westen vorgedrungen, dass die Möglichkeit, die Umschiffung zu vollenden, bis zur Wahrscheinlichkeit gekommen zu sein schien, aber seitdem hatten die heftigsten Stürme von Westen her fast ununterbrochen gewütet, wenige Stunden abgerechnet, in denen es so war, mit einem aus Lord Ansons Reise entlehnten Ausdruck, »als wenn die Elemente Atem schöpften, um mit verdoppelter Wut auf uns loszustürmen«.

Jetzt war es zu spät in der Jahreszeit, um noch auf besseres Wetter und günstigen Wind zu hoffen. Andererseits ließen mir die in südlichen Breiten vorherrschenden Westwinde keinen Zweifel, dass wir eine schnelle Reise um das Kap der Guten Hoffnung und von dort weiter ostwärts haben würden. Am 22. April, fünf Uhr abends, bei starkem Westwind, gab ich deshalb den Befehl, das Steuerruder windwärts zu richten, wodurch ich eine allgemeine Freude an Bord auslöste. Unsere Krankenliste war unterdessen bereits auf acht Personen angewachsen, von denen die meisten an Rheumatismus litten. Sonst war die Mannschaft trotz ununterbrochener Anstrengungen zwar sehr abgemattet, aber vollkommen gesund.

DRITTES KAPITEL

Die Fortdauer des stürmischen Westwindes gab mir keinen Grund, meinen Entschluss zu bereuen. Wir hatten einen ausreichenden Wasservorrat an Bord, um bis zum Kap der Guten Hoffnung damit auszukommen, weshalb ich es nicht für nötig hielt, eine der Falkland-Inseln anzulaufen. Am 9. Mai befanden wir uns in der Nähe der Insel Tristan da Cunha. Ich wünschte, die Insel in Sicht zu bekommen, und ich lavierte deshalb die Nacht hindurch und am folgenden Tag, aber es zeigte sich keine Spur von der Nähe des Landes, und da das Wetter trübe und regnerisch wurde und wir uns bereits östlich der Insel befinden mussten, ließ ich es dabei bewenden und richtete unseren Kurs wieder nach dem Kap der Guten Hoffnung.