DEUTSCHLAND

SAFARI

15 Reisen zu wilden Tieren | Ralf Stork

Für Elisabeth, ohne die es dieses Buch nicht geben würde

Deutsche Erstausgabe

1. Auflage, Juni 2014

Copyright © 2014 Haffmans & Tolkemitt,

Inselstraße 12, D-10179 Berlin

www.haffmans-tolkemitt.de

Alle Rechte vorbehalten,

insbesondere das Recht der mechanischen,

elektronischen oder fotografischen Vervielfältigung,

der Einspeicherung und Verarbeitung

in elektronischen Systemen, des Nachdrucks

in Zeitschriften oder Zeitungen,

des öffentlichen Vortrags,

der Verfilmung oder Dramatisierung,

der übertragung durch Rundfunk, Fernsehen

oder Internet, auch einzelner Text-

und Bildteile, sowie der übersetzung in andere Sprachen.

Lektorat: Katharina Theml (Büro Z, Wiesbaden)

Gestaltung, Karte, Infografiken und Symbole: —Studio Ingeborg Schindler

Herstellung: Urs Jakob, Werkstatt im Grünen Winkel, CH-8400 Winterthur

Satz: Fotosatz Amann, Memmingen

E-Book Konvertierung durch Calidad Software Services, Puducherry, Indien.

E-Book ISBN 978-3-942989-83-1

INHALT

DEUTSCHLANDSAFARI

Vorwort

Meine Favoriten

1 – HALLIG HOOGE

Klein, aber oho

Ringelgänse auf der Hallig Hooge

2 – AVENTOFT

Der Star ist der Star

Himmelsballett an der deutsch-dänischen Grenze

3 – BAD SEGEBERG

Die mit den Ohren sehen

Wasserfledermäuse in der Kalkberghöhle von Bad Segeberg

4 – RÜHSTÄDT

Klappern gehört zum Handwerk

Weißstörche im europäischen Storchendorf Rühstädt

5 – GROSS MOHRDORF UND LINUM

Vögel des Glücks

Der Kranichzug bei Groß Mohrdorf und Linum

6 – KLEPELSHAGEN

Eine Bühne für die Hirsche

Rotwild in Klepelshagen

7 – ELSTAL

Schießbahnen zu Büffelweiden

Wisente und Przewalski-Pferde in der Döberitzer Heide

8 – GARLITZ

Die gute Optik ist entscheidend

Großtrappen im Hauelländischen Luch

9 – SEMLIN

Anarchistische Baumeister

Auf Bibertour am Hohennauener See

10 – PAREY

Alle im Eimer

Frösche und Kröten am Krötenzaun

11 – DESSAU

Fast wild

Koniks und Heckrinder in der Oranienbaumer Heide

12 – OBERALLGÄU

Die den Adler verpfeifen

Murmeltiere in den Allgäuer Hochalpen

13 – WIESBADEN

Exoten im Schlosspark

Halsband- und Alexandersittiche in Wiesbaden

14 – ZWILLBROCK

Eine rosa Kolonie am Möwensee

Flamingos im Zwillbrocker Venn

15 – HELGOLAND

Mit den Heulern heulen

Kegelrobben auf der Helgoländer Düne

DANK

BILDNACHWEIS

VORWORT

VON RALF STORK


In Deutschland gibt es keine wilden Elefanten. Das ist schade, aber nicht zu ändern. Es gibt auch keine Giraffen, Löwen oder Nashörner. Zwischen Kiel und München streifen nicht mal winzige Zebra- und Antilopenherden umher, die von hungrigen Raubtieren belauert werden. Selbst Elche oder Bären, die in anderen Ländern mit ähnlichen klimatischen Bedingungen noch Vorkommen, gibt es bei uns nicht mehr.

Schuld daran war von Anfang an auch der Jagdeifer des Menschen: Am Ende der letzten Eiszeit hatten Mammute, Riesenhirsche und Wollnashörner schon genug damit zu tun, dass sich ihre geliebte Kältesteppe in einen ziemlich warmen Wald verwandelte. Dann kamen auch noch die Menschen mit immer ausgefuchsteren Waffen und gaben ihnen den Rest. Steckten in späteren Zeiten die letzten großen Tiere den Kopf aus dem Wald, standen die Chancen nicht schlecht, dass sie erschossen wurden.

Im Laufe der Zeit wurden in Deutschland unzählige Wälder gerodet, Flüsse begradigt, Feuchtgebiete trockengelegt, Autobahnen und Neubausiedlungen gebaut. Und nebenbei die letzten Elche, Bären und Wisente ausgerottet. Bei so viel ausgelöschter Großtierfauna und rundum kultivierter Landschaft ist es kein Wunder, dass Deutschland in der Welt nicht gerade als Naturparadies gilt. Romantische Landschaft, ja. Aber richtige Wildnis? Dafür scheint zwischen all den Straßen, Siedlungen und Feldern längst kein Platz mehr zu sein – auch nicht in unseren Köpfen: Wir glauben einfach nicht daran, dass irgendwo da draußen noch wirklich wildes Leben existiert.

Dabei ist die Tierwelt vor unserer Haustür viel spektakulärer, als wir es für möglich halten. Es gibt mehr zu entdecken als die paar Rehe, die man vom Zug aus sieht; mehr als Wildschweine in den Vorgärten oder totgefahrene Waschbären am Straßenrand. Unter uns leben Tiere, von denen wir nicht einmal ahnten, dass sie in Deutschland Vorkommen. Es gibt riesige Wanderbewegungen, choreografiertes Imponiergehabe und dramatische Kämpfe auf Leben und Tod. Viele dieser Spektakel kann man bequem mit der ganzen Familie und aus unmittelbarer Nähe beobachten – und zwar ohne wochenlang auf der Lauer liegen zu müssen oder durch den Wald zu pirschen.

Die Brunft der Rothirsche zum Beispiel:

Wie die meisten Großstädter kannte ich den röhrenden Hirsch lange Zeit nur als gemaltes Klischee in Öl, aus Tierparks oder Filmen von Heinz Sielmann. Dann reiste ich während der Brunftzeit ins »Tal der Hirsche« nach Mecklenburg-Vorpommern. Ich saß in der Dämmerung am Rand einer Lichtung auf einer Holztribüne und sah: mächtige Tiere. Die Hirsche leben dort frei, es gibt keine Zäune, und doch ist man unmittelbar bei der Brunft dabei. Erst hört man nur das Röhren und das laute Krachen, wenn sich ihre Geweihe ineinander verhaken. Dann sieht man die Tiere mitten auf der Lichtung majestätisch einherschreiten oder sich mit aller Kraft in den Boden stemmen, um ihre Rivalen wegzuschieben. Und das Rudel Hirschkühe, das groß und massig und sehr präsent hinter einer Bodenwelle hervordrängt, könnte es auf der Erlebnisskala lässig mit einer Löwenfamilie aufnehmen.

Oder die Geburt der Robbenbabys:

Auf der Helgoländer Düne tummeln sich in den Wintermonaten Hunderte Kegelrobben. Beim Strandspaziergang stolpert man förmlich über sie. Und ist live dabei, wenn die Robbenbabys geboren werden, wenn Mütter ihre Kinder säugen, rivalisierende Bullen aufeinander losgehen oder sich Romanzen zwischen den Geschlechtern anbahnen. Die Tiere lassen sich dabei kein bisschen von den Menschen stören. Und wenn man will, findet man sogar Stellen, an denen man mit den Tieren ganz allein sein kann.

Es gibt in Deutschland Dutzende Orte, an denen man Tiere besonders gut beobachten kann. In diesem Buch will ich die spektakulärsten von ihnen vorstellen. Ausschlaggebend für die Auswahl ist die Wahrscheinlichkeit, mit der man die Tiere auch zu Gesicht bekommt. Die Messlatte liegt dabei hoch. Bei den Recherchereisen betrug die Erfolgsquote satte 100 Prozent!

Wenn man es darauf anlegt, kann man die Orte und Tiere der einzelnen Kapitel in wenigen Stunden abhaken. Aus verschiedenen Gründen empfiehlt es sich aber, mehr Zeit mitzubringen.

1.  Die Tiere haben Geschmack. So gut wie alle vorgestellten Ziele sind landschaftlich sehr reizvoll und touristisch zumindest halbwegs erschlossen.

2.  Wenn schon, denn schon. Wenn man schon mal in die Pampa fährt, sollte man sich auch ganz auf das Abenteuer einlassen und am besten auch ein paar Übernachtungen mit einplanen.

3.  Jede Safari ist anders. Die Tiere haben ihren eigenen Kopf. Bei zwei oder drei Safari- Gängen ist die Chance viel größer, dass die Flamingos direkt vorm Beobachtungsturm mit ihren Schnäbeln durchs Wasser pflügen oder der vom Biber gefällte Baum einem fast aufs Kanu knallt.

Wie überall im Leben gilt auch auf Deutschlandsafari: Der Weg ist das Ziel. Wer den Fokus zu sehr auf die beschriebenen Arten verengt, bringt sich um viele spannende Begegnungen mit Menschen und anderen Tieren.

MEINE
FAVORITEN

DIE 3 BESTEN VON 15

MIT DEN HEULERN HEULEN

KEGELROBBEN GANZ NAH UND
OHNE SCHEU. GALAPAGOS-GEFÜHLE
AUF HELGOLAND (S. 228)
• • •

EINE BÜHNE FÜR DIE HIRSCHE

RÖHRENDES ROTWILD
OHNE ZAUN IN DER TOLLEN
LANDSCHAFT VON KLEPELSHAGEN (S. 88)
• • •

DIE DEN ADLER VERPFEIFEN

DIE MURMELTIERE MÜSSEN ERST GESUCHT UND
GEFUNDEN WERDEN. ZUR BELOHNUNG DANN
EINE BROTZEIT VOR ALPENPANORAMA (S. 176)
• • •

KLEIN,
ABER OHO

RINGELGÄNSE AUF DER HALLIG HOOGE


Die Entschleunigung setzt schon ein ganzes Stück vor dem Zielort ein. Sogar noch deutlich vor dem kleinen Anleger der Fähre, die uns auf die Hallig bringen wird, jenes kleine Fleckchen Land im Meer, das partout nicht Insel genannt werden will. Je näher wir der nordfriesischen Küste kommen, desto urtümlicher werden die Namen der Orte: Bordelum, Büttjebüll, Ockholm.

Auf den letzten paar Kilometern wird die Aussicht immer tierischer. Auf dem Deich zur Linken Schafe mit frisch geborenen Lämmern. Auf der rechten Seite saftige Wiesen, auf denen Graugänse mit ihren Gösseln bis dicht an die Straße kommen. Im Hintergrund große Wasserflächen, über die Gänsescharen ziehen. Dann ist die Straße plötzlich zu Ende und man ist da. In Schlüttsiel. Das ist kein Ort, sondern ein kleiner Verkehrsknoten am Ende der Welt – und eine Verheißung. Schlüttsiel, wie das schon klingt, nach Platt und Watt. Da kann man das Platschen und Schlürfen der nackten Füße im Schlick fast schon hören.

Wir stellen unseren Wagen auf dem Dauerparkplatz ab und gehen die paar Schritte zur Fähre. Wir, das sind Elisabeth, ich und Felix, unser zweijähriger Sohn. Wenn es möglich ist, gehen wir gemeinsam auf Recherchereise. Denn zum einen sind die meisten Safari-Orte so schön, dass man dort gerne ein paar Tage Urlaub macht. Zum anderen ist damit auch gleich ein kritisches Testpublikum zur Stelle, das mir zeigt, ob sich auch notorische Kulturmenschen aus der Großstadt und Kinder für das große Naturschauspiel begeistern lassen. Ohne den schützenden Deich pfeift uns der Wind um die Ohren. Das wird sich in den nächsten Tagen kaum ändern. Felix stört das nicht. Er hat seine dicke Wintermütze auf. Es gibt Möwen, die wollen gefüttert werden, und dann parkt auf der Halligfähre auch noch ein großer Trecker.

Die Überfahrt dauert eine gute Stunde. Die Fähre ist eine richtige Fähre, kein Ausflugsdampfer. Statt Oberdeck mit Panoramaglas gibt es unten im Schiffsbauch den »Salon«. Aus ein paar Bullaugen kann man von dort direkt auf Augenhöhe in die kabbelige See gucken. Das Interieur ist nicht wirklich schön, trotzdem finden wir es hier von Minute zu Minute gemütlicher. Das genaue Gegenteil von überkandidelt. Auf dem Deck riecht es nach Diesel und im »Salon« nach Bockwurst. Und egal wen man trifft – alle sind unglaublich freundlich. Die Leute von der Fähre, die Leute im Hafen, selbst die anderen Touristen. Alle.

Felix will das Meer sehen. Also gehen wir an den Autos und Traktoren vorbei bis zur Bugklappe. Da weht der Wind zwar heftig, aber der Blick auf das Meer und Hallig Hooge, die langsam am Horizont erscheint, ist unverstellt. Von einer Insel kann man wirklich nicht reden. Aus den Wellen vor uns ragen zehn kleine Hügel, die zusammen ein winziges Archipel ergeben. Die Hügel sind die Warften, von Menschenhand aufgeworfen (daher der Name). Auf ihnen stehen dicht gedrängt die Häuser. Sie bieten Schutz vor der Nordsee, die das umliegende Land jedes Jahr ein paarmal unter Wasser setzt. Das übrige Land der Hallig ist so flach, dass es erst kurz vor der Ankunft im Hafen aus den Fluten auftaucht.

Wo bitte schön ist das Empfangskomitee der Ringelgänse? 30 000 und mehr, heißt es, sollen sich im April und Mai auf dem Eiland tummeln. Aber ich sehe nur eine kleine Schar, die sich recht weit entfernt in den Windschatten einer Baracke drückt. Doch der Schein trügt. Hooge ist zwar klein, hat aber mit seinen fünf, sechs Quadratkilometern genügend Fläche zu bieten, auf der die Gänse sich verteilen können. Die Ringelgänse sind da. Überall. Aber sie drängeln sich nicht in den Vordergrund. Das hat den schönen Nebeneffekt, dass sie der Hallig genügend Raum geben, um selbst mit ihrer Schönheit zu glänzen.

Wir werden mit dem Auto abgeholt. Auf der kurzen Fahrt vom Hafen im Norden zu unserer Ferienwohnung auf der Ockenswarft ganz im Südosten der Hallig lassen wir die eigentümliche Landschaft auf uns wirken. Links und rechts der schmalen Straße Wiesen in verschiedenen Grüntönen, von schmalen und breiteren Kanälen durchzogen. Kein Baum, so weit das Auge reicht. Noch haben Gänse und andere Vögel die Fennen für sich. Das Pensionsvieh – Rinder, die wie die Badetouristen im Sommerhalbjahr auf die Hallig verschifft werden – kommt erst Ende April, Anfang Mai. Egal in welche Richtung man aus dem Fenster guckt, mal näher, mal weiter weg, am Himmel oder am Boden, überall sieht man Ringelgänse und dazu noch ein paar Feldlerchen, Rotschenkel, Seeschwalben oder Stockenten, die sich wegen des kräftigen Windes hinter hohe Grasbüschel ducken.

Wir fahren an der Backenswarft, Kirchwarft und Hanswarft vorbei. Die meisten Häuser sind ziemlich wuchtig. Ein jedes eine starke Einheit ganz für sich. Viele sind mit Reet gedeckt. Weil die Häuser auf ihnen so dicht an dicht stehen, sehen die Warften aus wie Wagenburgen. Der Hauptfeind, dem so tagtäglich getrotzt werden soll, ist nicht nur das Meer, sondern auch der Wind. Wie die Inuit, die angeblich 70 verschiedene Wörter für Schnee haben, hätten sich die Halligbewohner an langen, einsamen Winterabenden lässig 100 Wörter für die verschiedensten Luftbewegungen ausdenken können. Andererseits -bei der Allgegenwart des Windes auf dem flachen, baumlosen Land reichen auch die paar, die man an einer Hand abzählen kann: Wind, Sturm, Orkan. »Im vergangenen Jahr hatten wir in der Saison genau fünf Tage, an denen die Sonne schien und es nicht so wehte«, sagt unsere Fahrerin. Sie kommt aus Rumänien und arbeitet seit vielen Jahren regelmäßig von April bis September als Saisonkraft auf Hooge.

Wir laden nur schnell unser Gepäck ab, dann gehen wir gegen eine steife Brise an zurück zur Hanswarft. Der Wind zerrt an den Kleidern, der Weg ist einsam, der Horizont weit, und auf den Wiesen rufen die Gänse ihr charakteristisches »Rott, rott«. Wir brauchen für den Weg nicht länger als zehn Minuten und haben am Ende das Gefühl, eine kleine Wildnis durchquert zu haben.

Nach so viel elementarer Natur im Schnelldurchlauf folgt auf der Warft das kulturelle/zivilisatorische Kontrastprogramm: Rathaus, Wattenmeerstation, Heimatmuseum, Königspesel, Tante-Emma-Laden, mehrere Restaurants und eine Teestube – alles auf einem Fleck. Mit ihren gerade mal 15 Häusern ist die Hanswarft unbestrittene Hauptstadt des Archipels. Nur einen Bankautomaten suchen wir vergebens. Den gibt es auf ganz Hooge nicht. Die Auswahl des passenden Restaurants fällt deshalb leicht. Wir nehmen einfach das, das auch EC-Karten akzeptiert, und landen im »Seehund«, der für die nächsten Tage zu unserem Stammlokal wird.

Obwohl die Hauptsaison mit ihren vielen hundert Tagestouristen erst in zwei Monaten beginnt, ist der »Seehund« so gut besucht wie eine angesagte Bar in Berlin-Mitte. Fast jeder Tisch ist besetzt, der Lärmpegel ist ordentlich, und keine Sekunde hat man das Gefühl, in einem schnöden Ausflugslokal für Touristen gestrandet zu sein. Denn neben den Gästen aus der ganzen Republik sitzen auch Einheimische an den Tischen.

Eine Prise Internationalität kommt noch durch die polnisch-rumänischen Köche und Kellner hinzu. Und durch die Wirtin. Ursprünglich stammt sie aus dem Libanon. Vor Jahrzehnten ist sie ihrem friesischen Mann auf die Hallig gefolgt.

Wenn man will, kommt man mit jedem der Anwesenden zwanglos ins Gespräch. Vermutlich rührt die Offenheit und Herzlichkeit auf Hooge aus dem Bewusstsein, dass man in einem so kleinen und fragilen Gemeinwesen ganz besonders stark Zusammenhalten muss. Und wer weiß, vielleicht überlegt es sich ja einer der so herzlich empfangenen Besucher und lässt sich dauerhaft oder zumindest für eine Zeit auf Hooge nieder. Denn Verstärkung, vor allem von jungen Familien, kann die Gemeinde jederzeit gut gebrauchen.

Auf unserem Weg zurück zur Ockenswarft sind wir alle drei bereits große Hooge-Fans, wenn auch nicht ganz aus den gleichen Gründen. Felix ist zufrieden, weil er im Restaurant herumlaufen konnte und auch aus der Küche nicht gleich rausgeschmissen wurde. Darüber hinaus hat er völlig neue visuelle Eindrücke zu verarbeiten: Erst ist die weite Fläche des Himmels leer, dann plötzlich sind große Gänsescharen in wechselnden Formationen darauf zu sehen. Elisabeth hat sich in den Ort als Ganzes verliebt. Das mit den Gänsen ist für sie nicht das Entscheidende. Ich finde auch das Gesamtpaket toll, kann mir ein Hallig-Leben ohne die Gänse aber schon jetzt nicht mehr richtig vorstellen. »Rott, rott« ruft es von links und rechts. Wieder fliegt eine Formation über unsere Köpfe hinweg. Die Ringelgänse, die noch auf den Fennen stehen und fressen, heben misstrauisch die Köpfe, als wir Vorbeigehen. Ein paar Schritte weichen sie vor uns zurück, dann fressen sie ruhig weiter. Sie sind wie gute Bassisten in einer Band. Sie spielen sich nicht in den Mittelpunkt und werden deshalb kaum wahrgenommen. Hören sie aber zu spielen auf, ist der ganze Sound plötzlich irgendwie fad. Ganz schön was los hier.

Am nächsten Morgen stehe ich früh auf, um mich ganz den Ringelgänsen zu widmen. Ich verlasse unsere Wagenburg und schlage wieder den Weg Richtung Hanswarft ein. Es weht. Die Gänse sind da. Auf ihrem Rückflug in ihre sibirischen Brutreviere legen sie ab März bis Mitte Mai eine ausgedehnte Rast auf den Halligen und umliegenden Wattflächen ein. Wenn die Vögel ankommen, haben sie nur ein Ziel: fressen, was das Zeug hält. Auf den Salzwiesen im Deichvorland, draußen im Watt oder auf den »süßen« Fennen im Landesinneren, die nur selten vom Meer überspült werden. Zunächst sind sie noch scheu und fliegen bei der kleinsten Störung auf. Nach einigen Wochen auf der Hallig werden sie immer fetter und fauler und reagieren gelassener auf Störungen. Der Kellner im »Seehund« hat erzählt, dass sie manchmal nur sehr widerwillig Platz machen, wenn sich ein Auto nähert. Fußgängern gegenüber bleiben die Gänse misstrauischer. Deshalb machen sie sich bevorzugt in den verkehrsarmen Morgen- und Abendstunden über das saftige Gras her, das direkt neben den Wegen oder in den Gärten auf den Warften wächst.

Als Erstes fällt mir auf, dass es sich bei den Scharen keineswegs um eine amorphe Masse handelt. Ich kann Einzeltiere leicht von den Paaren unterscheiden, die bei der Nahrungssuche Seit an Seit voranschreiten. Bei manchen ist das gleichgeschaltete Verhalten so ausgeprägt, dass sie problemlos beim Synchronschwimmen antreten könnten. Zeitgleich heben sie den Kopf, gehen ein paar Schritte weiter, rupfen Grashalme, putzen sich oder ruhen sich aus.

Relativ leicht kann ich auch die Unterschiede zwischen Ganterund Gänsen ausmachen. Die Ganter sind eine Federspitze größer und wiegen bis zu 150 Gramm mehr. Das hört sich nicht nach besonders viel an, macht aber rund zehn Prozent des Gesamtgewichts aus. Dieser Massenunterschied wird noch dadurch verstärkt, dass die Ganter häufiger in aufrechter Habachtstellung mit hochgerecktem Kopf die Umgebung sichern als die Gänse. Die verlassen sich auf die Aufmerksamkeit ihres Partners und fressen in der Zeit einfach weiter. Schließlich wartet nach dem anstrengenden Rückflug nach Sibirien auch noch das kraft zehrende Brutgeschäft auf sie.

Die anstrengende Reise, die den Gänsen noch bevorsteht, ist ein Grund dafür, dass sie sich so emsig der Nahrungsaufnahme widmen. Wenn sie nicht gestört werden, rupfen sie im Durchschnitt knapp 90-mal pro Minute einen Grashalm oder andere Nahrung ab. Auf diese Weise nehmen sie im April und MaijedenTagrund 250 Gramm Nahrung auf, deutlich mehr als in anderen Monaten. Die Gänse sind aber außerordentlich schlechte Futterverwerter. Obwohl sie im Frühjahr jeden Tag weit mehr als 15 Prozent ihres Körpergewichtes in sich hineinstopfen, schaffen sie es gerade mal so, nicht vom Fleisch zu fallen und ein paar Gramm extra als Energiereserve anzulegen, damit sie es überhaupt bis ins Brutrevier schaffen. Wir Menschen würden bei einer solchen Völlerei hoffnungslos verfetten.

Dass nicht so viel dran bleibt an den Gänsen, hat auch mit deren schneller Verdauung zu tun. Zum Teil dauert der Weg durch den kompletten Vogel gerade mal 40 Minuten. Alle vier bis fünf Minuten geben die Vögel eine kleine Kotrolle ab. Nur etwa ein Drittel der in der Nahrung enthaltenen Nährstoffe wird verwertet. In Sachen Energieeffizienz gehören die Ringelgänse also nicht gerade zu den Weltmeistern. Aber schließlich müssen die Vögel ja auch flugfähig bleiben. Die schönste Energiereserve nutzt ihnen nichts, wenn sie nicht mehr abheben können und für Füchse und andere Räuber zur leichten, fetten Beute werden.

Ich gehe an der Hanswarft vorbei zum Hafen und wieder zurück. Überall Gänse. Die, die sich das saftige Grün direkt am Wegesrand vorgenommen haben, bringen sich hinter dem nächsten Graben oder Zaun in Sicherheit, als ich mich nähere. Andere, die gerade den Spielplatz der Hallig-Kita abgrasen, weichen nur ein paar Schritte vor mir zurück. Bis auf zehn oder fünf Meter lassen die Gänse einen so an sich herankommen. Für echte Wildtiere, die dazu noch in den menschenleeren Weiten Sibiriens zu Hause sind, ist das extrem nah. Gut, es geht natürlich noch näher. Im Englischen Garten in München reißen einem die Graugänse das Brot direkt aus der Hand. Das ist auch ein schönes Spektakel, hat aber mit echten Wildtieren nur noch wenig zu tun.

Vor dem Wattenmeerhaus am Rande der Hanswarft hält sich eine große Gänseschar auf. Die Vögel zupfen Grashalme ab und trinken aus einer großen Pfütze. Ringelgänse sind ausgesprochene Meeresvögel. Kaum eine andere Art ist so gut an die salzige Lebensumwelt angepasst. Wenn es sein muss, können sie sogar Salzwasser trinken. Das Salz aus dem Wasser und aus der Nahrung wird über zwei Salzdrüsen abgebaut, die auf der Oberseite des Kopfes sitzen. Von dort wird es weiter zur Nase geleitet, über die es von den Gänsen wieder ausgeniest wird. Da die Entsalzung sehr energieaufwendig ist, geben die Gänse nur sehr selten mit diesem Trick an. Nach Möglichkeit trinken sie Süßwasser.

Vor der Pfütze sind zwei Ganter unterschiedlicher Meinung: Die beiden drohen einander mit vorgestrecktem Hals. Diese in Gänsekreisen universal verständliche Geste kann in unterschiedlicher Intensität ausgeführt werden. Mal reicht ein leichtes Vorstrecken des Kopfes, mal läuft die Gans dabei dem Gegner entgegen. Wenn es richtig ernst wird, öffnet sie dabei den Schnabel und zischt und rennt mit gesenktem Kopf auf den Gegner zu. In diesem Fall an der Pfütze meint es der eine offensichtlich ernst. Zischend stürmt er auf seinen Opponenten zu, der sich schließlich abwendet. Worum es bei der Auseinandersetzung ging, kann ich nicht beurteilen. Vielleicht darum, wer zuerst aus der Pfütze trinken durfte, oder eine andere Lappalie. Und mit Sicherheit doch auch ums Ganze, das große Spiel von Überleben, Fortpflanzung und Tod.

Unter den Gänsen herrscht eine strenge Hierarchie und eine ausgeprägte Konkurrenz um die besten Futterplätze. Die höherrangigen Paare können länger an den besten Futterstellen verweilen, müssen deshalb beim Fressen weniger laufen und sparen so gleich doppelt Energie. Ein paar Gramm mehr oder weniger können entscheidend sein. Die Trennlinie, die über Erfolg oder Nichterfolg der Brut entscheidet, liegt bei einem Gewicht von gut 1600 Gramm. Bei ihrer Ankunft auf den Halligen Anfang April liegt ihr Gewicht gerade mal bei 1200 Gramm. Kein Wunder, dass sie bereit sind, wenn nötig jeden Grashalm bis aufs Blut zu verteidigen. Da lob ich mir doch den kleinen Inselladen, in dem ich ganz ohne Drohen und Zischen frische Brötchen und alles Weitere bekomme, was man zum Frühstücken braucht. Nachdem wir uns in der Ferienwohnung gestärkt haben, gehen wir zu einer ornithologischen Führung, die vom Wattenmeerhaus Hooge im Rahmen der Ringelganstage angeboten wird und in unmittelbarer Nähe unserer Warft beginnt.

Die Gänse sind wie immer auf ihren Plätzen, also überall. Aber der Wind zieht und zerrt nicht mehr. Für Hooger Verhältnisse ist es absolut windstill. Dazu kommt auch noch die Sonne raus und taucht die Salzwiesen vor dem niedrigen Deich in ein beinahe schon liebliches Licht.

Unsere Führerin ist eine junge Studentin, die in der Schutzstation ein freiwilliges ökologisches Jahr leistet. Sie führt uns entlang der Ostküste von Hooge. Wer möchte, kann seine Fragen zum Leben der Gänse loswerden oder durch das Spektiv gucken, das sie mitgeschleppt hat. Damit lassen sich auch Vögel beobachten, die eine größere Distanz zum Menschen suchen als die Gänse. Rotschenkel, Brandgänse und Austernfischer zum Beispiel. Die Tour, die man natürlich auch ohne Anleitung in Angriff nehmen kann, ist eine schöne Ergänzung zu den Wegen zwischen den Warften. Es geht direkt am Deich entlang und über die Wiesen. An einer Stelle müssen wir über einen wackeligen Holzsteg balancieren. Wer will, kann einen Abstecher zu einem größeren Teich machen, auf dem man verschiedene Entenarten beobachten kann. Wir beschließen den Rundweg mit dem Besuch der Ausstellung im Wattenmeerhaus auf der Hanswarft.

Der Nachmittag geht strahlend schön zu Ende. Die Sonne kommt noch einmal hinter den Wolken hervor, im Inneren der Hanswarft ist es nahezu windstill, so dass wir auf die verwegene Idee kommen, uns draußen niederzulassen. Zwei Frauen legen vor, wir machen es nach und bestellen Sekt mit Aperol. Nichts anderes scheint diesen kostbar heiteren Sonnenminuten angemessen zu sein. Auf Hooge muss man die seltenen windgebremsten Sonnenstrahlen feiern, wie sie fallen.

Später gehen wir wieder in den »Seehund«. Mit jedem Besuch fühlen wir uns mehr als Stammgäste. Es fehlt nicht viel, und wir hätten jeden der Anwesenden mit Handschlag begrüßt. Das wäre vermutlich auch im »Friesenpesel«, der »T-Stube« oder dem »Museums-Kroog« nicht anders. Egal ob Einheimische oder Besucher – mit großer Sicherheit ist man jedem der Anwesenden im Laufe des Tages schon irgendwo begegnet.

Die Wirtin kommt an unseren Tisch und fragt uns, wie lange wir noch auf Hooge bleiben. »Leider nur noch einen Tag.« »Wie schade«, sagt sie und erzählt, dass sie nebenher auch noch die Kita der Insel betreut. Weil Kinder im Vorschulalter unter den kaum hundert Hoogern knapp sind, werden auch die Kinder der Gäste bei Bedarf gerne mitbetreut. »Schade«, finden wir auch und überlegen ernsthaft, wann wir es in absehbarer Zeit noch einmal nach Hooge schaffen könnten.

Irgendwas macht diese Hallig mit einem, dass man unbedingt wiederkommen möchte. Allein schon, um zu sehen, wie sich die Dinge dort in der Abwesenheit weiterentwickelt haben. Nach ein paar Tagen kennt man schließlich nicht nur jeden Weg und jedes Haus auf der Hallig, sondern auch viele Hooger persönlich.

WISSENSWERTES   

WER

Die Ringelgans (Branta bernicla bernicla) ist eine Meergans, die es gern gesellig mag. Sie ist deutlich kleiner und dunkler als Nonnen-, Kanadagänse und andere Verwandte. Schnabel, Beine und Flügel sind schwarz gefärbt, die Brust changiert zwischen Grau und Schwarz. Ihren Namen verdankt sie dem schmalen halbmondförmigen Fleck am Hals, der eine wichtige Rolle in der Gänsekommunikation spielt. Durch die gut sichtbaren weißen Flecken lassen sich die Bewegungen von Paaren oder größeren Gruppen besser synchronisieren. Dass die Gänse bei ihren Ringeln ganz genau hinschauen, zeigt sich allein schon daran, dass vor allem Partner mit ähnlich geformten Halsflecken Zusammenkommen. Ringelgänse haben eine Flügelspannweite von nur 110 bis 120 Zentimeter. Ihr Gewicht liegt je nach Jahreszeit zwischen einem und 1,7 Kilogramm. In der Regel sind die Ganter ein bisschen schwerer (etwa 150 Gramm) als die Gänse.

WO

Ringelgänse brüten rund um den Polarkreis, von Sibirien über Nordamerika bis Grönland und Spitzbergen. Die meisten von ihnen – 250 000 bis 300 000 Tiere – bauen ihre Nester in der sibirischen Taimyr-Region. Im Winter weichen die Zugvögel weit nach Süden aus. In Europa liegen die Überwinterungsquartiere in den Küstenregionen von der Nordsee bis nach Frankreich. Vor ihrem endgültigen Rückflug in die Brutgebiete macht ein Großteil der Population zwischen April und Mai eine ausgiebige Zwischenrast im Wattenmeer. Vor allem rund um die Halligen kann man dort täglich bis zu 50 000 Gänse sehen.

BESONDERES

Im direkten Konkurrenzkampf um das saftigste Grün hätten die Ringelgänse gegen andere Gänse keine Chance. Den Mangel an Größe machen die Vögel dafür über eine körperliche Besonderheit wett: Ringelgänse sind in der Lage, auch sehr, sehr salzige Nahrung aufzunehmen. Rund um die Halligen im Wattenmeer finden sie davon jede Menge. Konkurrenten brauchen sie dort weniger zu fürchten, weil sich den meisten bei dem versalzenen Fraß der Magen umdrehen würde. Los werden sie das überschüssige Salz über eine Drüse am Schnabel: Wenn Ringelgänse niesen, rieselt dabei das Salz zu Boden.

ALTER

Die Ringelgänse werden in der Regel 20 Jahre alt.

SEX & SOZIALES

Wie alle Gänse sind auch Ringelgänse treuer als die meisten Menschen. Die Paare finden ein bis zwei Jahre vor der Geschlechtsreife zueinander und bleiben dann ein Leben lang zusammen. Allerdings ist die Seitensprungquote recht hoch. Fast jeder vierte Liebesakt findet außerhalb der Beziehung statt. Beide Eltern beteiligen sich am Nestbau. Das Brüten übernimmt allein die Gans. Um die Jungen kümmern sich dann wieder beide Eltern gemeinsam. Ringelgänse haben eine ausgeprägte Sozialordnung.

KULINARISCHES

Ringelgänse sind auf salzige Nahrung spezialisiert. Aber sie gehen auch mit der Zeit und der modernen Landwirtschaft. Seit Jahrzehnten haben sie deshalb ihren Speiseplan von Seegras, Grünalgen und Queller um Gräser und Wintergetreide erweitert. Bei den Bauern waren sie daher nur mäßig beliebt, es sei denn, sie kamen als Braten daher. Anfang des 20. Jahrhunderts wurden die Gänse in Deutschland noch heftig bejagt. In den 30er Jahren sollen sich Stalins Strafgefangene in Sibirien die Gänse und ihre Eier massenhaft einverleibt und so den Zusammenbruch der Bestände mit herbeigeführt haben.

AUSSICHTEN

Die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts war nicht besonders gut zu den Ringelgänsen. 1932 verursachte ein Schleimpilz den Zusammenbruch der Seegrasbestände im Wattenmeer. Weil eine wichtige Nahrungsgrundlage fehlte und die Gänse in ihren Brut- und Winterquartieren gejagt wurden, gingen die Bestände um rund 90 Prozent zurück. 1 955 wurde der Bestand der Ringelgänse auf nur noch 20 000 geschätzt. Der Pilz und Stalins Straflager hätten der Art also fast den Rest gegeben. Weil danach die Jagd vielerorts eingestellt wurde, gibt es heute wieder mehr als 250 000 Ringelgänse. Man geht davon aus, dass sich der natürliche Maximalbestand der Art wieder einpendelt.

AUF SAFARI

DIE BESTE ZEIT

Die Ringelgänse kommen Anfang April im Wattenmeer an und fliegen Mitte Mai weiter in ihre Brutgebiete. Die beste Beobachtungszeit beginnt Mitte April, wenn sich die Gänse nach zwei Wochen auf Hooge schon ein bisschen an die Menschen gewöhnt haben und weniger scheu sind.

DAS BASISLAGER

Das Wattenmeerhaus (Hanswarft 2, Tel.: 04849/229, E-Mail: hooge@schutzstation-wattenmeer.de, www.schutzstation-wattenmeer.de) ist die Anlaufstation für Exkursionen aller Art. Das Haus beherbergt auch eine Ausstellung über die Hallig und das Watt.

VERSORGUNGSLAGE BESTENS

Es gibt eine Vielzahl an Ferienwohnungen, Pensionen und Privatzimmern und eine gute Handvoll Restaurants. Beim Halligkaufmann auf der Hanswarft kann man sich mit Lebensmitteln und frischen Brötchen eindecken. Einen Bankautomaten sucht man auf Hooge vergebens. Also unbedingt genügend Bargeld mitnehmen, weil man nicht in allen Restaurants mit Karte bezahlen kann.

ANDERE TIERE

Feldlerche: Ausgerechnet auf der windzerzausten Hallig Hooge lassen sich die stimmstarken Singvögel besonders gut beobachten. Das Bestimmen der Lerchen ist auch für den absoluten Laien sehr einfach, weil auf Hooge kaum andere unbekannte Singvögel herumfliegen. Also: Lerchen sind die Vögel, die hoch am Himmel stehen und mit einem geschmetterten Lied gegen den Wind ansingen. Und die Vögel, die in den Morgenstunden auf den asphaltierten Wegen sitzen und sich mit einem schmetternden Lied in die Luft erheben, wenn sich ein Spaziergänger nähert.
Seeschwalbe: Auf der Hallig kommen zwei Arten vor (Küsten-See-schwalbe und Trauer-Seeschwalbe), die nicht so leicht zu unterscheiden sind. Seeschwalben sind kleiner und schlanker als Lachmöwen. Der Schnabel ist rot, die Oberseite des Kopfes schwarz, die Flügel sind lang und schmal, der Schwanz gegabelt. Auf der Hallig sieht man sie oft an den breiten Gräben neben den Wegen. Aus der Luft stürzen sie sich mit Wucht Kopf voran ins Wasser, um kleine Fische zu erbeuten.
Rotschenkel: Auch ihn kann man gut von den Wegen aus beobachten, allerdings eher aus den Augenwinkeln. Die Rotschenkel sitzen gern auf den Zaunpfählen am Wegesrand. Ihre Fluchtdistanz ist relativ groß. Oft wird man deshalb erst auf sie aufmerksam, wenn sie mit einem laut geflöteten »Tjüt« davonfliegen.

ANDERE ORTE

Wer sich ein bisschen die Füße vertreten will, kann einmal um Hooge herumwandern. Nach etwa drei Stunden ist man wieder am Ausgangspunkt zurück. Das Wattenmeerhaus bietet verschiedene Wanderungen durchs Watt an. Eine führt zum Japsand, einer großen Sandbank vor der Hallig, die man in einer Stunde erreichen kann. Auf einer anderen Führung wird das Watt in der Nähe der Hallig auf der Suche nach den »Small Five« durchsiebt.

ZUR VORBEREITUNG

www.hooge.de

HIN & HER

Mit dem Auto: A 23 bis Heide, B 5 bis Bredstedt, bis etwa einen Kilometer hinter Bredstedt den Hinweisschildern Schlüttsiel folgen. Oder A 7 bis Schleswig/Schuby, B 201 (über Husum) bis circa einen Kilometer hinter Bredstedt. Von dort nach Schlüttsiel dem Hinweis folgen. Fährverbindungen unter www.faehre.de
Mit der Bahn: Bis Bahnhof Husum, dann weiter mit dem Zubringerbus bis zum Fährhafen Schlüttsiel.

SPENDEN UND PATENSCHAFTEN

Auf der Seite www.ringelganstage.de kann man für 30 Euro eine Patenschaft für eine Ringelgans übernehmen. Neben einer Urkunde und einer Ringelganstasse erhält der Pate jährlich Informationen über den Verbleib »seiner« Gans.

DER STAR IST
DER STAR

HIMMELSBALLETT AN DER DEUTSCH-DÄNISCHEN GRENZE


Vor rund zehn Jahren hatte Iver Gram eine ziemlich gute Idee. In der süddänischen Stadt Tondern gründete er das Unternehmen »Sort Safari«. »Sort« ist Dänisch und bedeutet schwarz. Und »sort sol« – »schwarze Sonne« – ist nicht nur in Süddänemark ein Begriff, mit dem jeder etwas anfangen kann.

Denn so bezeichnen die Jütländer die riesigen Starenwolken, die jeweils im Frühling und im Herbst über das deutsch-dänische Grenzgebiet fliegen. Die Schwärme können so groß werden, dass sie die Sonne verdunkeln. »Sort Safari« hat sich auf Führungen zu den Staren spezialisiert. Das Unternehmen hat einige feste und mehrere Dutzend freie Mitarbeiter. Und es ist weit und breit das einzige seiner Art. In der Saison sind jeden Tag mehrere Busladungen Touristen zu den Staren unterwegs. Sogar aus Kopenhagen reisen die Leute in Scharen an, um das Starenspektakel zu erleben.