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MARTIN LUTHER lebte von 1483 bis 1546. Nach begonnenem Jurastudium legte er während eines Unwetters ein Gelübde ab und wurde Mönch. Bereits zwei Jahre später wurde er zum Priester geweiht, studierte dann Theologie und wurde 1512 Professor in Wittenberg. Er beschrieb die herrschenden kirchlichen Missstände und äußerte deutliche Kritik an Rom und dem Papsttum. 1517 kumulierte er seine Kritik öffentlich in 95 Thesen per Anschlag an der Schlosskirche von Wittenberg. Er wünschte, hierüber wissenschaftlich zu disputieren. Es kam jedoch zu einem ersten Ketzerprozess. Nach fortwährender Unbelehrsamkeit wurde Luther 1521 mit Kirchenbann und Reichsacht bestraft. Er flüchtete sich auf die Wartburg, lebte dort ein Jahr als Junker Jörg und übersetzte die Bibel aus den Quellen ins Deutsche.

THOMAS WALLDORF, geboren 1956 in der Lüneburger Heide, aufgewachsen in der Holsteinischen Schweiz, Studium im Breisgau, ist seit 1986 in der Buchbranche tätig und lebt im Hessischen Ried.

Zum Buch

Der schönste Ort zu denken und zu reden, ist und bleibt der Esstisch. Hier trifft sich Wurst und Gott, vereint sich das Banale und Basale mit dem Erhabenen und Abstrakten. Im geselligen Miteinander diskutiert Luther mit Familie, Freunden, Gelehrten und Studenten. Dabei entstehen lebhafte Gespräche über Religion, Literatur und vor allem Genuss, die Martin Luther als brillanten Rhetor, demütigen Denker und vor allem unterhaltsamen Gastgeber und Tischnachbarn ausweisen.

Herausgegeben
von Thomas Walldorf

Luthers Tischreden sind legendär: präzise und treffend, eine unerschöpfliche Quelle für Volkswitz und Lebensweisheit, für deftige Sprüche und gedankliche Tiefe. Mit ihnen können wir tief ins 16. Jahrhundert blicken, eine Zeit, die nicht immer unterhaltsam ablief.

In ausgedehnten Tafelrunden bei üppiger Küche im Hause Luther in Wittenberg wurden Tipps für Haus und Hof gegeben, für die Ehe und Familie sowie im wahrsten Sinne über Gott und die Welt geplaudert. Kurzum: Es wurde über alles gesprochen, was das Herz bewegt.

»Wenn ich den Teufel nicht mit ernsten Worten und mit der Schrift in die Flucht schlagen konnte, habe ich ihn oft verjagt durch Possenreißrei.« Martin Luther

Martin Luther

Tischreden

Martin Luther

Tischreden

Vom Einfachen und Erhabenen

Herausgegeben von
Thomas Walldorf

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
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Alle Rechte vorbehalten

Copyright © by marixverlag GmbH, Wiesbaden 2014
Covergestaltung: Nicole Ehlers, marixverlag GmbH
Bildnachweis: Lutherbonbon, mit freundlicher Genehmigung
des Amtes für Öffentlichkeitsdienst der Ev.-Luth. Kirche
in Norddeutschland, www.lutherbonbon.de
eBook-Bearbeitung: Bookwire GmbH, Frankfurt am Main

ISBN: 978-3-8438-0413-4

INHALT

1

Über Gott, Christus und die Bibel

Gott

Christus

Bibel

2

Über den Papst, Rom und das Mönchstum

3

Über den Glauben, die Kirche und das Predigtamt

Glaube

Kirche

Predigtamt

4

Über die Obrigkeit, Deutschland und die Kultur

Deutschland

Obrigkeit

Krieg

Kultur

5

Über die Frauen, die Ehe, Kinder und Erziehung

Frauen, die Ehe, Haus und Hof

Kinder, Erziehung und Familie

6

Über das Wohlergehen, Armut, Reichtum und Dünkel

Menschliche Freuden, Schwächen und das Wohlergehen

Armut, Reichtum, Dünkel und die Welt

7

Über den Teufel, Engel, Anfechtungen, Krankheit und Tod

8

Deutliche Worte, Sentenzen und Sprichwörter

Kurze Sprüche des Katechismus

Gesammelte Sprichwörter

Bibliographie

1

ÜBER GOTT, CHRISTUS
UND DIE BIBEL

GOTT

Lobet Gott im Himmel, brandmarkt die Teufel auf der Erde. Aber Gott wird nicht gelobt, wenn er nicht geliebt wird; er wird nicht geliebt, wenn er nicht wohltut; er tut nicht wohl, wenn er nicht gnädig ist. Er ist und kann nicht gnädig sein, wenn er nicht Sünden vergibt.

Wie ein Hausvater zu den Seinen spricht: Seid achtsam auf meinen Willen; sonst esset, trinket, kleidet euch, wie ihrs habt – so fragt Gott nicht, wie wir uns kleiden oder was wir essen, sondern er ist nur darauf aus, daß man sich seinem Willen fügt.

Wenn es keine Vergebung der Sünden bei Gott gäbe, so wollt ich, wie ich von Natur bin, Gott gern durchs Fenster hinauswerfen.

Mir hat Gottes Weis’ oft übel gefallen, aber itz rede ich ihm nicht ein.

Ein andermal sagt Doktor Martinus Luther auf eine Frage, ob Gott außer, über und doch in allen, auch den geringsten Kreaturen wäre, im Gräslein und Blättlein an Bäumen, und sprach: Gott ist an keinen Ort gebunden, er ist auch von keinem ausgeschlossen; er ist an allen Orten und ist zugleich nirgends. Nirgends, verstehe greifbar und beschlossen; an allen Orten aber ist er, denn er schafft, wirkt und erhält alle Dinge.

Wie ist er aber in allen Kreaturen? Wesentlich oder durch seine allmächtige Kraft? Er ist auf beiderlei Weise in einer jeden Kreatur; denn, wie gesagt, er schafft, wirkt und erhält alles. Andere Kreaturen wirken ihrer Eigenschaft nach, Gott aber gegenwärtig und wesentlich.

Da einer aber sagte: Das versteh ich nicht, antwortet Doktor Martinus darauf: Glaubst du auch, daß Chritus am Kreuz und in der Jungfrau Leib Gott war? Beides zu glauben ist der Vernunft unmöglich; ich glaube es aber, denn die Schrift sagt’s. Ist nun Gott in der Jungfrauen Leib wesentlich und gegenwärtig, so ist er auch in einer jeden Kreatur, denn es ist einerlei Weise zu reden.

Da sagt ein anderer: So ist er auch im Teufel? Ja, sprach Doktor Martinus, auch in der Hölle wesentlich, wie Paulus bezeugt 2. Thess. 1,9: »Die Gottlosen werden Pein leiden, das ewige Verderben von dem Angesicht des Herrn«; und Ps. 139,8: »Bettete ich mir in die Hölle, siehe, so bist du auch da«.

Wenn es wahr ist, daß Gott mit uns in der Heiligen Schrift redet, so muß er entweder ein Bub sein, der ein Ding redt und hälts nicht, oder er ist die höchste Macht und Herrlichkeit.

Peter Weller sagte: Das ist ein wunderlichs Ding, daß Gott allmächtig ist, und nicht alle Menschen gut und fromm erschafft. Darauf erwiderte der Doktor: Lieber, fahrt hinauf gen Himmel und fragt Gott, warum er so tut.

Menschliche Vernunft und Natur kann Gott in seiner Majestät nicht begreifen, darum sollen wir nicht weiter suchen noch forschen, was Gottes Wille, Wesen und Natur sei, als soweit er’s uns befohlen hat. Sein Wort hat er uns gegeben, darin er reichlich offenbart hat, was wir von ihm wissen, halten, glauben und wessen wir uns zu ihm versehen sollen; danach sollen wir uns richten, so können wir nicht irren. Wer aber von Gottes Willen, Natur und Wesen Gedanken hat außer dem Wort, will’s mit menschlicher Vernunft und der Weisheit aussinnen, der macht sich viel vergebliche Unruhe und Arbeit und fehlt weit; denn die Welt, sagt Paulus, erkennt durch ihre Weisheit Gott in seiner Weisheit nicht.

Auch werden die nimmermehr lernen noch erkennen, wie Gott gegen sie gesinnt sei, die sich damit vergeblich bekümmern, ob sie verworfen oder auserwählt seien. Welche nun in diese Gedanken geraten, denen geht ein Feuer im Herzen an, das sie nicht löschen können, so daß ihr Gewissen nicht zufrieden wird, und sie müssen endlich verzweifeln.

Wer nun diesem Unglück und ewiger Gefahr entgehen will, der halte sich an das Wort, so wird er finden, daß unser lieber Gott einen starken, festen Grund gemacht und gelegt hat, darauf wir sicher und gewiß fußen mögen, nämlich Jesus Christus, unseren Herrn, durch welchen wir allein, umsonst, durch kein anderes Mittel ins Himmelreich kommen müssen; denn er und sonst niemand ist »der Weg, die Wahrheit und das Leben«.

Sollen wir nun Gott in seinem göttlichen Wesen, und wie er gegen uns gesinnt ist, recht und wahrhaftig erkennen, so muß es durch sein Wort geschehen. Und eben darum hat Gott der Vater seinen eingeborenen Sohn in die Welt gesandt, daß er Mensch werden sollte, in allen Dingen uns gleich, doch ohne Sünde, unter uns wohnen und des Vaters Herz und Willen uns offenbaren; wie ihn denn der Vater uns zum Lehrer geordnet und gesetzt hat, da er vom Himmel ruft: »Dies ist mein Lieber Sohn usw., den sollt ihr hören«.

Das ist, als wollte er sagen: Es ist vergebens und umsonst, was Menschen sich vornehmen, meine göttliche Majestät zu erforschen; menschliche Vernunft und Weisheit kann mich nicht ergreifen, ich bin ihr viel zu hoch und groß. Nun, ich will mich klein genug machen, daß sie mich ergreifen und fassen kann; ich will ihnen meinen eingeborenen Sohn geben, und so geben, daß er ein Opfer, ja eine Sünde und Fluch für sie werden soll, und soll mir hierin Gehorsam leisten bis zum Tode, ja zum Tode am Kreuz. Das will ich hernach predigen lassen in aller Welt, und die daran glauben, sollen selig werden. Das meint Paulus, da er sagt: »Weil die Welt durch ihre Weisheit Gott in seiner Weisheit nicht erkannte, gefiel es Gott wohl, durch törichte Predigt selig zu machen die, so daran glauben.«

Das heißt ja die göttliche Majestät klein und begreiflich werden, daß nun niemand billig klagen soll noch kann, er wisse nicht, wie er mit Gott daran sei, wessen er sich zu ihm versehen soll. Aber die Welt ist blind und taub, die weder sieht noch hört, was Gott durch seinen Sohn redet und tut, darum wird er’s auch von ihnen fordern.

Man kann die schwere Anfechtung von der ewigen Vorsehung oder Auserwählung, die viele Leute hoch betrübt, nirgends besser suchen, ja finden und verstehen als in den Wunden Christi, von welchem der Vater gesagt und uns befohlen hat: »Den sollt ihr hören«. Der Vater in seiner göttlichen Majestät ist uns zu hoch und groß, daß wir ihn nicht ergreifen können, darum weist er uns den richtigen Weg, auf dem wir gewiß zu ihm kommen können, nämlich Christus, und spricht: Glaubt ihr an den und hängt euch an ihn; so wird’s sich fein finden, wer ich bin, was mein Wesen und Wille ist. Das tun aber die Weisen, Mächtigen, Hochgelehrten, Heiligen und der größte Haufe durchaus in aller Welt nicht.

Darum ist und bleibt ihnen Gott unbekannt, ob sie gleich viel Gedanken von ihm haben, disputieren und reden; denn es ist kurzum beschlossen, daß außer Christus Gott unbekannt und ungefaßt will sein.

Willst du nun wissen, warum so wenig selig und so unzählig viel verdammt werden? Das ist die Ursache, daß die Welt nicht hören will, fragt nichts danach, ja verachtet, daß er, der Vater von ihm zeugt: »Dies ist mein lieber Sohn, an welchem ich Wohlgefallen habe«, so als ob er sagen wollte: Bei ihm allein sollt ihr finden, was und wer ich bin und was ich haben will, sonst werdet ihr’s im Himmel noch auf Erden nicht finden.

Glaubt ihr nun an den Sohn, den ich euch zum Heiland gesandt habe, so will ich Vater sein, und soll gewiß wahr und Amen sein, was dieser Sohn sagt und verheißt, ich will ihn nicht lassen zum Lügner werden.

Daraus folgt gewißlich, daß alle, die sich durch ein anderes Mittel als durch Christus unterstehen und bemühen, zu Gott zu kommen (wie Juden, Heiden, Türken, Papisten, falsche Heilige, Ketzer usw.), in greulicher Finsternis und Irrtum wandeln. Und hilft ihnen nicht, daß sie ein ehrbar, strenges Leben äußerlich führen, große Andacht vorgeben, viel tun und leiden, Gott lieben und ehren, wie sie rühmen. Dienet dem Herrn mit Furcht und freuet euch mit Zittern: Das reim mir einer zusammen: fröhlich sein und fürchten! Mein Hans kann es tun gegen mir; aber ich kann es nicht tun gegen Gott. Mein Hans, wenn ich schreib oder tu etwas, so singt er mir ein Liedchen daher; und wenn er mirs zu laut will machen, so fahr ich ihn ein wenig an: so singt er gleichwohl fort, machts aber heimlicher, mit einer Art Ehrfurcht und Bekümmernis. Eben das will Gott: wir sollen stets fröhlich sein, jedoch mit Ehrfurcht.

Die ganze Welt lästert Gott, nur von der kleinen Zahl der Seinen, und das sind die Ärmsten, wird er verehrt. Die großen Ochsentreiber und Häuserbauer, die tuns nicht. Wenn es die Gewaltigen und Weisen täten, so gäben sie die Ehre und das Lob nicht Gott, sondern sich selbst.

Wenn Gott redet, zürnt, eifert, straft, uns den Feinden übergibt, über uns Pest, Hunger, Schwert oder andere Plagen schickt, so ist’s das sicherste Zeichen, daß er uns wohlwill. Wenn er aber spricht: Ich will dich nicht mehr strafen, sondern schweigen und meinen Eifer von dir nehmen, dich machen lassen, wie dich’s gelüstet, so ist’s ein Zeichen, daß er sich von uns gewandt hat. Aber die Welt und unsere Vernunft kehrt stracks um und hält das Gegenteil für wahr, daß Gott die lieb habe, denen er wohltue, und denen feind sei, die er straft.

Wer der hohen göttlichen Majestät Rat oder Werk so genau und scharf erforschen und ausgründen will, außerhalb und ohne sein Wort, der untersteht sich, den Wind mit Löffeln zu messen und das Feuer auf Waagen zu wiegen.

Gott handelt und wirkt bisweilen mit besonderem wunderbaren Rat und Weise über unsere Vernunft und Verstand: verdammt diesen, jenen macht er gerecht und selig. Danach zu forschen gebührt uns nicht, warum er’s tue; sondern wir sollen uns dessen zu Gott versehen und glauben, daß er’s nicht ohne bestimmte Ursache tue.

Wer hätte Gott jemals diesen Rat gegeben, daß er ein Männlein und ein Fräulein zusammenfügt. Da gibt er dem Mann ein Weib, die hat zwei Brüste und Wärzchen darauf, samt ihrem Geschäft. Da ist ein einziges Tröpfchen männlichen Samens der Ursprung eines solchen großen menschlichen Leibes, aus welchem dann Fleisch wird, Blut, Beine, Adern, Haut usw. – Wie Hiob spricht: Gott, hast du mich nicht wie Milch genommen und wie Käs’ gerinnen lassen? Also macht’s Gott in all seinen Werken sehr närrisch. Wenn ich ihm hätte raten sollen, so hätte er die Schöpfung des Menschen mit dem Erdkloß bleiben lassen und die Sonne wie eine Lampe mitten auf den Erdboden gesetzt – dann wäre immer Tag gewesen.

Kann mir unser Herrgott das vergeben, daß ich ihn wohl zwanzig Jahre lang gekreuzigt und gemartert hab, so kann er mir ja das auch wohl zu gut halten, daß ich zuweilen einen Trunk tue, ihm zu Ehren, meinetwegen lege es die Welt aus, wie sie wolle und ist.

Doktor Luther sagte: Alle Werke Gottes sind unerforschlich und unaussprechlich, keine Vernunft kann sie aussinnen. Sie können geglaubt, aber nicht denkend erfaßt werden.

Glauben, daß Gott ein Schöpfer sei, ist menschlicher Vernunft unmöglich; denn wenn wir’s glaubten, wo wüßten wir, daß er so gewaltig ist, daß er nur mit einem Wort die ganze Welt zerstören könnte, gleichwie ein Töpfer einen Topf zerbrechen kann. Aber wir glauben’s nicht und stellen gegen Gott unsere Weisheit und Macht. Summa, niemand kann Gott in seiner Majestät begreifen oder erkennen, darum hat er sich in der allergeringsten Gestalt heruntergelassen und ist Mensch geworden, ja zur Sünde, zum Tode und Schwachheit selbst geworden. Er ist klein genug geworden. Aber wer kann’s glauben? Wir meinen, der Kaiser sei viel mächtiger, Erasmus viel gelehrter, ein Mönch viel gerechter, als Gott ist.

CHRISTUS

Der Christus wird einmal groß werden. Jetzt und seit Anbeginn der Welt ist er stets schwach gewesen.

Der Geschichte Christi soll man auf dreierlei Weise bedenken: zum ersten als eine Historie und Geschichte; zum andern als ein Geschenk und Gabe; zum dritten als ein Exempel und Vorbild, dem wir glauben und nachfolgen sollen.

Wenn ich Mose und Christus vergleiche, so stößt Christus dem Faß seinen Boden aus und spricht: Dein Vertrauen setze nicht auf Mose, sondern auf mich, Christus. Bist du nicht fromm, so bin ich fromm. Und dies ist die Kunst der Christen, daß ich von meiner Sünde auf die Gerechtigkeit Christi hinüberspringe, welche so sicher mein ist wie dieser mein Leib. Lebe ich, so lebe ich in ihm, sterbe ich, so fahre ich auf ihn dahin. Auf ihn bin ich getauft, ihn nehme ich im Sakrament, auf ihn werde ich unterrichtet. Er nimmt sich unser an, nur daß wir ihm vertrauen.

Alle Weltweisen verspotten und verlachen uns Christen, daß wir die Sache des Herrn Christus mit solchem Ernst treiben; es soll ihnen aber am Jüngsten Tag schlecht bekommen.

Da Christus wieder auferstanden ist, hat er alles mit sich gezogen, so daß alle Menschen auferstehen müssen, auch die gottlosen. Daß wir aber noch leben und dieser Welt brauchen, das ist gleich, als wenn ein Hausvater über Land ziehen wollte und zu seinem Kinde oder Diener spräche: Siehe, da hast du dieweil zwei güldene Groschen, die brauche zur Leibes Notdurft und Nahrung, bis ich wiederkomme.

Auch sind alle Kreaturen ein Bild der künftigen Auferstehung, denn gegen den Sommer werden sie aus dem Tod wieder lebendig, wachsen und grünen, welches im Winter niemand glaubte, daß es geschehen würde, wo er’s zuvor nicht erfahren und gesehen hätte.

Desgleichen, da er gen Himmel fuhr, hat er auch alles mit sich geführt, sitzt zur Rechten Gottes des Vaters und hat uns, die wir seines Leibes Gliedmaßen sind, mit sich in das himmlische Wesen versetzt, daß wir auch Herrn aller Dinge wie Christus sein wollen, doch so, daß er der Erstgeborene unter vielen Brüdern bleibe.

Darum sieht ein Christ, der das glaubt, die Sonne und alles, was wir in dieser Welt brauchen, so an, als wären sie nicht da, sondern gedenkt allzeit an das künftige Leben, in welchem er bereits ist, ob’s wohl noch nicht so scheint, auch »warten alle Kreaturen auf die Erlösung und Offenbarung der Kinder Gottes«, Röm. 8,19.

So sind nun alle Kreaturen ausgemustert, auch alle Werke, wie heilig sie auch sind, sind als zur Seligkeit nötig rein ausgeschlossen und abgeschält. Wenn da ein Werk selig macht, so machen auch Äpfel und Birnen selig. Christliche Gerechtigkeit ist nicht eine solche Gerechtigkeit, die in uns ist und klebt, wie sonst eine Eigenschaft und Tugend (das ist etwas, das man bei uns findet oder das wir fühlen), sondern ist eine fremde Gerechtigkeit ganz außerhalb unser, nämlich Christus selber ist unsere vollkommene Gerechtigkeit und das ganze Wesen.

Wo sind sie nun, die zornigen Junker, die großen, gewaltigen Könige und Herren, die Christus, sein Wort und armes Häuflein bis auf den Grund ausrotten wollten? Die uns anspeieten, höhnten und verspotteten, mit Füßen traten, in die Türme warfen, verjagten, alle Plage und Marter antaten, durch Feuer, Schwert hinrichten ließen? Wo sind die heiligen geistlichen Väter, die uns als die ärgsten Gotteslästerer und Verführer der Welt verbannten, verfluchten und dem Teufel übergaben? Im Abgrund der Hölle sind sie. Dagegen wir, die an Christus geglaubt und unser Kreuz getragen haben, leben nun mit Christus in unaussprechlicher, ewiger Freude und Seligkeit.

Die Welt will den Gott, der menschliche Natur an sich genommen hat, geboren ist, gepredigt, die Welt um der Sünde willen gestraft und des Vaters Willen ihr verkündigt hat, nicht haben, sehen noch hören, sondern verfolgt und lästert ihn und schlägt ihn endlich tot als einen Aufrührer, Gotteslästerer und Mörder. Dagegen sucht sie mit größtem Fleiß, Unkosten, Mühe und Arbeit auf anderen unzähligen Wegen den unsichtbaren, unbegreiflichen Gott in seiner Majestät, baut ihm große, herrliche Tempel, stiftet ihm auch zu Ehren und ihn zu versöhnen viel schöne Gottesdienste. Aber je mehr sie sich untersteht, ihn zu finden, desto mehr verfehlt sie ihn. Denn es ist beschlossen, daß kein Mensch durch selbsterwählte Geistlichkeit, eigene erdachte Demut, so schön und köstlich sie auch gleißen, auch durch höchste menschliche Weisheit Gott in seiner Weisheit nimmermehr erkennen kann; sondern wer ihn erkennen will und selig werden soll, der kommt durch kein anderes Mittel dazu, als daß er die Predigt von dem gekreuzigten Christus höre und mit Glauben annehme. Daran ärgern sich die Werkheiligen, und der große Haufe hält es für eine Torheit; den Gläubigen aber ist sie eine göttliche Weisheit und Kraft, dadurch sie selig werden.

Christus führt sein Regiment nach der Vernunft gar wundersam und närrisch. Er verbirgt sich und stellt sich schwach; das scheint denn, als sei er ohnmächtig und als habe er keine Gewalt und Macht. Gleichwohl macht er die Allergewaltigsten, Klügsten und Heiligsten in der Welt zuschanden, Kaiser, Könige, Fürsten, Papst, Kardinäle und Bischöfe mit ihrem Hofgesinde und Anhang.

Ein Christ sein ist, das Evangelium haben und daran glauben. Dieser Glaube bringt Vergebung der Sünden und Gottes Gnade. Er kommt aber allein vom Heiligen Geist, der wirkt ihn durchs Wort, ohne unser Zutun und Mitwirkung. Es ist Gottes eigenes Werk, nicht auch mit unserer Kräfte und freien Willens. Derselbe leidet nur und läßt sich zurichten und schaffen vom Heiligen Geist, wie ein Ton oder Lehm vom Töpfer zu einem Gefäß gemacht wird. Ein solcher Mensch, der an Christus glaubt und ihn bekennt, daß wir allein durch ihn Vergebung der Sünden, ewiges Leben und Seligkeit erlangen aus lauter Gnade und Barmherzigkeit, ohne alle unser Verdienst, gute Werke und Würdigkeit, der wird in der Welt wohl geplagt und zermartert; aber der Heilige Geist steht ihm bei, tröstet und stärkt ihn, gibt ihm ein freudiges Herz, das alles verachtet, und hilft ihm aus; denn er will uns nicht allein lassen.

Die Worte Christi sind immer treffend. Haben Händ und Füße. Sie gehen über alle Weisheit, Ratschläge und List der Weisen hinaus. Das sehen wir im Evangelium, mit wie schlichten Worten Jesus die Weisheit der Pharisäer durcheinander gebracht hat, daß sie nirgends aus wußten.

Man soll sich mit allem Fleiß vor der Disputation über die Vorsehung hüten, denn dadurch wird ein Mensch dahin gebracht, daß er Gottes Wort und der Sakramente nicht achtet, daß er Christus mehr für einen grausamen Tyrannen und Henker hält als für einen Heiland: ja das hebt Christi Amt und Brauch gar auf und macht, daß wir Gottes vergessen, daß der ganze Gottesdienst, der in Anrufen und Danksagung besteht, vergehe und dafür nichts anderes als Gotteslästerungen überhand nehmen.

Darum ergreife wider diese Disputation das Wort, in welchem du Gott offenbart und wahrhaft abgemalt hast und die große Wohltat Christi erkennst.

Von dem laß dich durch keine anderen Gedanken abführen, sondern bleib bei Christus. So hat mir Staupitz oft geraten: Wenn du über die Vorherbestimmung disputieren willst, so fang bei den Wunden Christi an, dann werden alle Gedanken darüber aufhören.

Das große Wunder im Evangelium, wo Jesus mit sieben Broten viertausend Menschen sattgemacht habe: Was für Wunder verrichtet er von Tag zu Tag, und doch kümmert sich niemand darum. Wenn er alles Gras zu Brot, alle Bäum voll Semmel gemacht hätte, hätten sie ihn dennoch nicht geachtet. So wie die Juden ihn am Grab des Lazarus geschmäht haben: „Wenn er ihn liebgehabt hätte, hätte er ihn nicht sterben lassen.“ Und auch als er viele gesund gemacht hatte, begehrten sie von ihm noch Zeichen vom Himmel! Summa: wenns Gott, unser Herrgott tut, so taugt es nicht; wenn wirs aber selber erwählen, da ists etwas.

Eine verwunderliche Sache ist es gewesen, daß Christus zum Himmel aufgefahren und den Blicken der Apostel entschwunden ist. Was mögen diese guten Jünger gedacht haben? Vielleicht: Da essen wir und trinken wir mit ihm, und nun verschwindet er vor uns und fährt empor zum Himmel; wie, wenn er nun ein Taschenspieler und Betrüger wäre?

BIBEL

Lasset uns die Bibel nur nicht verlieren, sondern sie lesen und predigen: denn wenn die Theologie blüht, so steht alles wohl und geht glücklich vonstatten. Denn sie ist das Haupt aller Fakultäten und Künste: wenn sie darniederliegt, so gebe ich alles andere auf.

Die Bibelübersetzung ist eine große Mühe. Wir haben viel Öl dabei verbraucht.

Es werden aber etliche sein, die es werden besser wollen wissen, denn wir, aber nicht besser machen. Sie werden mich bei einem Wort fassen wollen, wo ich es umgekehrt bei hundert könnte, wenn sie selbst übersetzten.

Ich habe studiert, und zwar fleißig, und doch habe ich auch nicht ein einziges Wort aus der Schrift ganz erfaßt. Daher rührt es, daß ich über die Kinderlehre noch nicht hinaus bin. Ich wiederhole mir täglich, was ich davon weiß, und suche nach ihrem Verständnis: der zehn Gebote, des Glaubensbekenntnisses und des Vaterunsers. Und es verdrießt mich nicht, daß ich großer Doktor – ob ich will oder nicht – mit all meinem Wissen bleibe bei dem Wissen meines Hänsichen und Magdalenichen.