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Health Care- und Krankenhaus-Management

Herausgegeben von Udo Janßen, Axel Olaf Kern, Clarissa Kurscheid, Thomas Schlegel, Birgit Vosseler und Winfried Zapp

Die geplanten und bereits erschienenen Bände in der Übersicht:

Modul I: Gesundheitsökonomie und Gesundheitspolitik

•  Gesundheitsökonomie

•  Clarissa Kurscheid/Andreas Beivers: »Gesundheits- und Sozialpolitik«

Modul II: Betriebswirtschaftslehre und Management in stationären und ambulanten Gesundheitseinrichtungen

•  Winfried Zapp/Julia Oswald/Uwe Bettig/Christine Fuchs: »Betriebswirtschaftliche Grundlagen im Krankenhaus«

•  Logistik, IT, Facility Management und Services

•  Rechnungswesen und Finanzierung

•  Controlling und Reporting

•  Personalwirtschaft

•  Qualitäts- und Risikomanagement

•  Marketing und Öffentlichkeitsarbeit

Modul III: Gestaltung von Managementsystemen in Gesundheitseinrichtungen

•  Normatives Management und Strategie

•  Leadership und Führung

•  Netzwerke und Strukturen

•  Projektmanagement

Modul IV: Recht in der Gesundheitswirtschaft

•  Unternehmensrecht im Krankenhaus

Winfried Zapp, Julia Oswald,
Uwe Bettig, Christine Fuchs

Betriebswirtschaftliche Grundlagen im Krankenhaus

Unter Mitarbeit von Heike Asbach und Daniela Bode

 

Verlag W. Kohlhammer

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Die Wiedergabe von Warenbezeichnungen, Handelsnamen und sonstigen Kennzeichen in diesem Buch berechtigt nicht zu der Annahme, dass diese von jedermann frei benutzt werden dürfen. Vielmehr kann es sich auch dann um eingetragene Warenzeichen oder sonstige geschützte Kennzeichen handeln, wenn sie nicht eigens als solche gekennzeichnet sind.

Es konnten nicht alle Rechtsinhaber von Abbildungen ermittelt werden. Sollte dem Verlag gegenüber der Nachweis der Rechtsinhaberschaft geführt werden, wird das branchenübliche Honorar nachträglich gezahlt.

1. Auflage 2014

Alle Rechte vorbehalten

© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:

ISBN 978-3-17-022608-1

E-Book-Formate:

pdf:     ISBN 978-3-17-023867-1

epub:   ISBN 978-3-17-025498-5

mobi:   ISBN 978-3-17-025499-2

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Inhaltsverzeichnis

 

 

  1. Geleitwort zur Reihe
  2. Die Autorinnen und Autoren
  3. Vorwort
  4. 1      Betriebswirtschaftslehre als Ausgangsbasis
    Julia Oswald, Winfried Zapp
  5. 1.1  Präliminarien zum wirtschaftlichen Handeln
  6. 1.1.1 Knappheit als Ausgangslage für wirtschaftliches Handeln
  7. 1.1.2 Stationäre Leistungsanbieter auf dem Gesundheitsmarkt
  8. 1.2  Begriffsbestimmung der Betriebswirtschaftslehre
  9. 1.2.1 Terminologisches Grundlagenwissen
  10. 1.2.2 Dienstleistungen in der Gesundheitswirtschaft
  11. 1.2.3 Kundenorientierung vs. Patientenorientierung
  12. 1.3  Grundbegriffe wirtschaftlichen Handelns
  13. 1.3.1 Das ökonomische Prinzip
  14. 1.3.2 Produktivität als Ergänzung
  15. 1.3.3 Begriffsdimensionen im Umfeld des wirtschaftlichen Handelns
  16. 1.4  Theoretische Orientierung
  17. 1.4.1 Entscheidungsorientierung
  18. 1.4.2 Systemorientierung
  19. 1.4.3 Verhaltensorientierung
  20. 1.5  Modellhafte Orientierung
  21. 1.5.1 Betriebswirtschaftliche Modelle
  22. 1.5.2 Managementorientierte Modelle
  23. 1.6  Aufgaben
  24. 2      Konstitutive Grundlagen als langfristige Bindung
    Julia Oswald, Uwe Bettig
  25. 2.1  Trägerform
  26. 2.1.1 Trägerbegriff und -arten
  27. 2.1.2 Ziele und Aufgaben des Trägers von Gesundheitsunternehmungen
  28. 2.1.3 Unterschiede zwischen den Trägergruppen
  29. 2.2 Rechtsform
  30. 2.3  Standortform
  31. 2.3.1 Standortbegriffe
  32. 2.3.2 Standorttheorie
  33. 2.3.3 Entscheidungsstufen der Standortwahl
  34. 2.3.4 Standortanalyse und -faktoren
  35. 2.3.5 Standortbewertung
  36. 2.4  Aufgaben
  37. 3      Strukturorientierte Grundlagen als Beziehungsgefüge
    Winfried Zapp
  38. 3.1  Organisation
  39. 3.1.1 Der Begriff Organisation
  40. 3.1.2 Organisatorische Gestaltung
  41. 3.1.3 Prozessorganisation
  42. 3.1.4 Entwicklungstendenzen
  43. 3.1.5 Ausblick
  44. 3.2  Prozessgestaltung
  45. 3.2.1 Der Begriff Prozess
  46. 3.2.2 Die Prozessvarianten
  47. 3.2.3 Die Ziele der Prozessgestaltung
  48. 3.2.4 Vorgehensmodell als Grundlage für eine Prozessgestaltung
  49. 3.2.5 Prozessgestaltung
  50. 3.2.6 Management von Prozessen
  51. 3.3  Aufgaben
  52. 4      Leistungserbringung als verbindendes Element
    Christine Fuchs
  53. 4.1  Patientenorientierung bei der Leistungserbringung
  54. 4.2  Leistungserbringung im DRG-System
  55. 4.3  Prozessmodell der Leistungserbringung
  56. 4.4  Zugangswege des Patienten ins Krankenhaus
  57. 4.4.1 Geplante stationäre Aufnahme
  58. 4.4.2 Notaufnahme
  59. 4.4.3 Aufnahmestation
  60. 4.5  Stationäre Behandlung
  61. 4.5.1 Grundablauf Normalstation
  62. 4.5.2 Pflege
  63. 4.5.3 Interprofessionelle Teamarbeit
  64. 4.5.4 Behandlungspfade
  65. 4.5.5 Diagnostik und Therapie
  66. 4.5.6 Intermediate-Care-Station und Intensivstation
  67. 4.5.7 Entlassmanagement
  68. 4.5.8 Sektorübergreifende Vernetzung der Behandlung
  69. 4.6  Administrative Prozesse
  70. 4.7  Aufgaben
  71. Literaturverzeichnis
  72. Anhang: Lösungen zu den Aufgaben aus den Kapiteln 1–4
  73. Stichwortverzeichnis

Geleitwort zur Reihe

 

 

In der dynamisch wachsenden und zunehmend komplexer werdenden Gesundheitswirtschaft ist in den letzten Jahren der Bedarf stark gestiegen, Management bezogenes theoretisches Wissen und praxisrelevantes Know-how zu beherrschen und zu vermitteln. Dieser Bedarf spiegelt sich u. a. in zahlreichen neuen Hochschulstudiengängen und vielfältigen Angeboten der beruflichen Fort- und Weiterbildung wider.

Die Reihe »Health Care- und Krankenhaus-Management«, die auf den Curricula einschlägiger Hochschulen und wichtiger Fortbildungseinrichtungen aufbaut, setzt hier an. Inhaltlich und didaktisch systematisch angelegt, erhebt sie den Anspruch, das breite Themenfeld weitgehend vollständig abzudecken.

Die in 14 Bänden modular aufgebaute Reihe möchte allen Studierenden und Dozenten der auf das Management in der Gesundheitswirtschaft bezogenen Studiengänge, Berufstätigen in Fort- und Weiterbildung aus Krankenhäusern und weiteren Einrichtungen des Gesundheitswesens und insbesondere (zukünftigen) Führungskräften und leitenden Mitarbeitern aus Ärztlichem Dienst, Medizin-Controlling, Pflegedienst, Marketing und Verwaltung ein hilfreiches Werkzeug für Studium und professionelle Praxis sein.

Die Herausgeberinnen und Herausgeber:

Udo Janßen, Axel Olaf Kern, Clarissa Kurscheid, Thomas Schlegel, Birgit Vosseler, Winfried Zapp

Die Autorinnen und Autoren

 

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Prof. Dr. Winfried Zapp

Professor an der Hochschule Osnabrück mit dem Lehrgebiet Allgemeine Betriebswirtschaftslehre mit dem Schwerpunkt Rechnungswesen, insbesondere Controlling im Gesundheitswesen

 

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Dr. Julia Oswald

Leitung Konzerncontrolling Paracelsus-Kliniken Deutschland GmbH & Co. KGaA, Osnabrück

 

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Prof. Dr. Uwe Bettig

Leiter des Studiengangs Gesundheits- und Pflegemanagement (B. Sc.), Professor für Management und Betriebswirtschaft in gesundheitlichen und sozialen Einrichtungen an der Alice Salomon Hochschule Berlin

 

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Dr. med. Christine Fuchs

Leitung Projektmanagement Mühlenkreiskliniken AöR, Ärztin für Chirurgie/Viszeralchirurgie, TQM-Auditorin

Vorwort

 

 

Danny Kaye, ein US-amerikanischer Schauspieler, Komiker und Sänger (1913–1987), hat einmal geäußert, dass »Wirtschaftswissenschaft … die einzige Disziplin (ist), in der jedes Jahr auf dieselben Fragen andere Antworten richtig sind« (aus: http://www.zitate-online.de/thema/wirtschaftswissenschaft/). Die Richtigkeit dieser Aussage kann abhängen von der Entwicklung außerhalb der Wissenschaft durch demografischen Wandel, Konjunktureinbrüche usw. Mangelnde Belegung in einem Krankenhaus kann man z. B. durch Einweisermarketing zu beheben versuchen oder aber durch Bettenschließung und damit einher durch Personalabbau. Damit haben wir unterschiedliche Instrumente und Antworten auf unterschiedliche Gegebenheiten. Aber sind die Fragen auf die gegebenen Antworten nicht nur die Gleichen, sondern auch noch dieselben?

Was sind überhaupt die Fragen, die die Wirtschaftswissenschaftler beschäftigen? Oder haben sie womöglich nur eine einzige Frage, die sie beschäftigt? Wirtschaftswissenschaftler beschäftigen sich von Anfang an mit ökonomischem Handeln, mit knappen Gütern und begrenzten finanziellen Mitteln. Die eine (!) Frage, die sie immer und immer wieder umtreibt ist die: Wie ist das zu bewältigen in immer wieder unterschiedlichen Situationen und Gegebenheiten? Dabei hat es natürlich einen Entwicklungsprozess gegeben: Während zunächst versucht wurde, aus der Sicht der Unternehmung Veränderungen herbeizuführen, stellte man bald fest, dass das nicht immer gelingen wird und es vorteilhafter sein kann, die Umwelt zu verändern oder sich ihr anzupassen.

Damit gibt es auf die Frage nach wirtschaftlichem Handeln schon einmal zwei Antworten, die immer wieder unterschiedlich ausfallen können: Um Belegungsrückgänge auffangen zu können, kann einerseits ein qualifizierter Chefarzt eingestellt werden (ressourcenorientierter Ansatz) oder andererseits das Leistungsspektrum verändert werden, indem eine gut ausgestattete Privatabteilung konzipiert wird, um den Wünschen gut situierter Privatpatienten nachkommen zu können (marktorientierter Ansatz). Beides kann sogar miteinander kombiniert werden. Und die Entscheidung des Krankenhauses ist abhängig von den Personen, die diese Entscheidung treffen: Die entscheidungsrelevanten Personen können risikoscheu oder risikofreudig sein, gewinnorientiert oder qualitätsorientiert veranlagt sein usw.

Damit fallen also die Antworten der Wirtschaftswissenschaftler viel komplexer, kontingenter und differenzierter aus, als man zu denken vermag. Die nun daraus resultierende Frage lautet: Lösen sich damit nicht wirtschaftswissenschaftliche Fragestellungen auf? Sollte man nicht einfach wild darauf loswirtschaften. Was also ist zu tun?

Wir können jetzt schon feststellen, dass die Wirtschaftswissenschaften keine Naturwissenschaften sind, sondern viel mehr eine Erfahrungswissenschaft. Weiterhin ist zu bedenken und zu klären, was unter wirtschaften zu verstehen ist und welche Regeln es womöglich dabei zu beachten gilt. Hier setzt das Buch ein: Auf der Grundlage betriebswirtschaftlicher Ausführungen werden die wesentlichen Elemente in den Gesundheitseinrichtungen beschrieben, analysiert und kritisch gewürdigt.

Ohne eine Definition von Begrifflichkeiten und ohne eine Systematisierung betriebswirtschaftlicher Denkschulen wird es in den Gesundheitsunternehmungen kein qualifiziertes, fundiertes und differenziertes Wirtschaften geben. Eine der größten Herausforderung wird es dabei sein, dass Ökonomen und Nicht-Ökonomen sich über ein einheitliches Handeln verständigen können. Denn jetzt schon ahnt jeder, worauf es in Zukunft ankommen wird: Soziales Handeln und ökonomische Verantwortung sind miteinander zu verbinden. Dieser dritte Band der Buchreihe »Health Care- und Krankenhaus-Management« will dazu die Betriebswirtschaftlichen Grundlagen bereitstellen.

Die Autoren danken vor allem Herrn Dr. Ruprecht Poensgen vom Kohlhammer-Verlag, der die Initiative zu dieser Buchreihe gegeben hat und uns mit seinem Team in dieser Autorenzusammensetzung unterstütz und gefördert hat. Frau Daniela Bode, M.A. hat die verschiedenen Beiträge zu einem Ganzen zusammengestellt – zunächst etwas zaghaft, dann aber mit viel Energie, profundem Wissen und hilfreichen Hinweisen. Frau Dipl.-Pflegewirtin (FH) Heike Asbach, M.A. hat dabei ihre Erfahrung aus anderen Buchprojekten weitergegeben. Beide haben mit ihren Fragen und Antworten zu unseren Texten sich immer klar und deutlich wahrnehmbar geäußert. Ihnen gilt unser besonderer Dank.

Wir Autoren haben uns aus unterschiedlichen Professionen, vielfältigen Blickrichtungen und verschiedenen Überzeugungen gefunden und uns ergänzt. Das wünschen wir auch unseren Lesern, dass sie in der Vielfältigkeit der Aussagen auch das Gemeinsame erkennen, gestalten und umsetzen können. Ohne eigene Überzeugungen wird es dabei aber nicht möglich sein. Dazu sollen die Ausführungen in diesem Band beitragen.

Osnabrück, Berlin, Minden, im Februar 2014

Prof. Dr. Winfried Zapp, Dr. Julia Oswald, Prof. Dr. Uwe Bettig, Dr. med. Christine Fuchs

1          Betriebswirtschaftslehre als Ausgangsbasis

Julia Oswald, Winfried Zapp

 

Gesundheit und Management sollen in diesem Teilband drei: »Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre« der Buchreihe »Health Care- und Krankenhaus-Management« zusammengeführt werden. Für viele mag ein Gegensatz von Gesundheit und Management ausgehen, andere befürworten einen ökonomischen Ansatz, um Verschwendung und Unproduktivität vorzubeugen. Dieser Spagat ist in diesem Band immer wieder zu bewältigen.

Wie soll dabei vorgegangen werden? Mit diesem Buch sollen die Betriebswirtschaftlichen Grundlagen gelegt werden, um Handlungen, Situationen, Entscheidungen und zukünftige Entwicklungen analysieren und bewerten zu können.

Ausgangspunkt ist dabei die Betriebswirtschaftslehre, die in ihren Grundlagen umrissen und dargestellt wird. Neben der Definition von wirtschaftlichem Handeln in Abgrenzung zu anderen Begriffen werden im zweiten Kapitel die konstitutiven Elemente herausgearbeitet, die zu langfristigen Bindungen führen. Träger-, Rechts- und Standortform sind sicherlich zu verändern, aber sie sind konstitutionell angelegt und damit nicht sehr flexibel ausgerichtet. Im dritten Kapitel wird auf die Strukturorientierung eingegangen. Während der Organisation oft nicht die entsprechende Bedeutung beigemessen wird, soll die Prozessorientierung wesentliche Impulse zur optimalen Gestaltung liefern. Das vierte Kapitel schließt diesen Band mit den Ausführungen zu der Leistungserbringung ab. Da die Betriebswirtschaftslehre immer anwendungsorientiert ausgerichtet ist, sind die einzelnen Elemente der Leistungsorientierung wesentlich für eine Analyse. Dabei ist die Betriebswirtschaftslehre die Ausgangsbasis für ein sinnvolles soziales und verantwortungsvolles Handeln.

1.1       Präliminarien zum wirtschaftlichen Handeln

Um wirtschaftlich Handeln zu können, sind einleitende Bemerkungen und Voraussetzungen zu machen: Ökonomie setzt Begrenzungen in Form von Knappheit voraus (Zeit, Personen, Sachgüter). Die Umsetzung und Anwendung von Ökonomie soll im Gesundheitsmarkt erfolgen, sodass dieser Markt kurz umrissen werden muss.

1.1.1     Knappheit als Ausgangslage für wirtschaftliches Handeln

Allgemein sind die Bedürfnisse der Leistungsempfänger im Gesundheitswesen die Erlangung von Gesundheit. Nach der WHO ist Gesundheit der » […] Zustand des vollkommenen physischen, geistigen und sozialen Wohlbefindens […]« (WHO 1946, S. 100). In diesem Sinne ist Gesundheit ein Gut, »dass Menschen erstreben, aber nie wirklich erlangen« (Kickbusch 1999, S. 274). Es ist daher auch nicht messbar und als normatives Gut einzuordnen. Um das Recht eines jeden Individuums auf eine gewisse Grundversorgung mit dem Gut Gesundheit zu gewährleisten1, wird in Deutschland der Bedarf nicht am Begriff. der Gesundheit, sondern am Krankheitsbegriff ausgerichtet. Unabhängig von der Problematik, Gesundheit zu definieren, hätte die Anwendung des WHO-Begriffs enorme finanzielle Auswirkungen, da die Leistungsausweitung erheblich wäre (Haubrock 2009). Nach der in Deutschland gültigen Definition ist Krankheit »ein regelwidriger Körper- und Geisteszustand, dessen Eintritt entweder die Notwendigkeit einer Heilbehandlung – allein oder in Verbindung mit Arbeitsunfähigkeit – oder Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat.« (Haubrock 2009, S. 43 in Anlehnung an die begriffliche Bestimmung des Bundessozialgerichts vom 16.05.1972). In diesem Sinne stehen als Gesundheitsdienstleistungen die Heilung und Linderung von Krankheiten im Mittelpunkt.

Eine notwendige Heilbehandlung macht den wirtschaftlichen Einsatz von Gesundheitsgütern erforderlich, und zwar zur Prävention (Gesundheitsschutz und Vorsorge), Kuration (Behandlung und Pflege) und Rehabilitation (Nachsorge) (Haubrock 2009; Images Kap. 1.2). Alle Wirtschaftsgüter, die für die Produktion der materiellen und immateriellen Gesundheitsgüter benötigt werden, sind knappe Güter. Ein knappes Gut mit besonders restriktiver Wirkung bei der Güterkombination von Gesundheitsgütern ist neben den üblicherweise benannten betrieblichen Produktionsfaktoren der Arbeitsleistungen, Betriebsmittel und Werkstoffe die Zeit. Güter im wirtschaftlichen Sinne sind dann knapp, wenn sie nicht in unbeschränktem Ausmaß zur Bedürfnisbefriedigung zur Verfügung stehen. Das Bedürfnis selbst ist die Empfindung eines Mangels mit dem Bestreben, diesen Mangel zu beseitigen (Schär und Reschke 2007). Bedürfnisse können nach ihrer Wertigkeit in Gruppen aufgeteilt werden (vgl. z. B. Maslows Bedürfnispyramide, Maslow 2002; Zwei-Faktoren-Theorie von Herzberg 1966). Neben den Bedürfnissen spielt die Kaufkraft eine zentrale Rolle, d. h. die Geldmenge, die dem Konsument zur Befriedigung seiner Bedürfnisse zur Verfügung steht. Die realisierte oder zu realisierende Kaufkraft ist der Bedarf (Schär und Reschke 2007).

Aufgrund der Ressourcenknappheit bedarf es eines Allokationsmechanismus, der im Zuge eines Selektionsprozesses die begrenzten Mittel den verschiedenen Verwendungen bzw. konkurrierenden Plänen zuordnet. Drei zentrale gesamtwirtschaftliche Koordinationsmechanismen stehen zur Auswahl, die diese allokative Funktion übernehmen können (Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (SVR) 2012; vgl. auch Haubrock 2009):

•  Der Markt- und Preismechanismus

•  Die öffentliche Planung bzw. Budgetierung

•  Die korporative Koordination

Im deutschen Gesundheitswesen findet man alle diese Formen vor, wobei in steuerfinanzierten Gesundheitssystemen die öffentliche Planung dominiert, in beitragsfinanzierten eine stärkere korporative Koordination und in preis- bzw. prämienfinanzierten eine etwas stärkere Rolle des Marktmechanismus vorzufinden ist. Auch in den unterschiedlichen Teilmärkten gibt es einen Mix der Allokationsmechanismen: Im stationären Sektor dominiert die Planung, im ambulanten Bereich die korporative Koordination und im Bereich der Arzneimittel, Hilfsmittel und medizinischen Geräte spielt der Marktmechanismus eine vergleichsweise große Rolle (SVR 2012). Besonders betroffen von staatlichen Kontrollen und Eingriffen ist die Finanzierung der ambulanten und stationären Systeme: Es existiert eine Vielzahl von Maßnahmen und Beschränkungen hinsichtlich der Preisgestaltung (Franke 2008); das Angebot und die Inanspruchnahme der Güter in Gesundheitsunternehmungen ist von der Finanzierung dieser abgekoppelt, d. h. der Patient oder Bewohner nimmt die Dienstleistung in Anspruch, die Finanzierung erfolgt durch die Sozialkassen (Haubrock 2009); schließlich gibt es steuerliche Vergünstigungen für Gesundheitseinrichtungen, die den Status der Gemeinnützigkeit innehaben (Franke 2008).

Auch das Auseinanderfallen der Nachfragefunktion ist ein besonderes Merkmal, das den Gesundheitsmarkt prägt: Der Zugang zu Gesundheitsgütern, die von Kranken- oder Pflegekassen bezahlt werden, erfolgt ausschließlich durch die Profession der Medizin. Der Patient oder Bewohner entscheidet in der Regel nicht selbst, welche Güter und Dienstleistungen er erhält. Der niedergelassene Arzt, der Krankenhausarzt oder der Medizinische Dienst der Krankenversicherung legen fest, welche Art und Menge an Leistungen dem Versicherungsnehmer zustehen (Haubrock 2009).

Ungeachtet dieser Restriktionen weist der Gesundheitsmarkt nicht nur im erst genannten Allokationsmechanismus Wettbewerbselemente auf. Wettbewerbsprozesse sind auch implizit im Planungs- und Koordinationsmechanismus enthalten. Dieses ist auch notwendig, da ein Markt nur funktionieren kann, wenn es einen Wettbewerb gibt (SVR 2012). Neubauer (2002) stellt fest, dass die überwiegende Zahl der Gesundheitsleistungen die Kennzeichen von Marktfähigkeit tragen (Ausnahme z. B. ansteckende Krankheiten) und kritisiert, dass die Eingriffe in die Gesundheitsmärkte weiter gehen, als dies erforderlich wäre. Im stationären Sektor zeigt sich die Marktorientierung am Wettbewerb um den Patienten oder Pflegeheimbewohner – vor allem in überversorgten Gebieten. Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (SVR) hat in seinem Sondergutachten 2012 zum »Wettbewerb an der Schnittstelle zwischen ambulanter und stationärer Gesundheitsversorgung« vier Felder beschrieben, die auf verschiedenen Ebenen den Wettbewerb im Gesundheitswesen aufzeigen und in denen die stationären Einrichtungen sich als Wirtschaftsakteure bewegen (SVR 2012):

•  Privater Gesundheitsmarkt: Hier konkurrieren die Gesundheitseinrichtungen um die private Nachfrage der Patienten und Bewohner. Auf dem privaten Markt werden die Gesundheitsleistungen entsprechend der individuellen Zahlungsbereitschaft und -fähigkeit nachgefragt. Umfang und Struktur des Wettbewerbsfeldes hängt vom subjektiven Bedarf der Nachfrager ab und vom Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenversicherung, da mit dessen Ausweitung oder Einengung dieser Bereich ab- oder zunimmt.

•  Kollektivvertragliches System (Leistungsbereich): Die Krankenhäuser oder Pflegeeinrichtungen stehen in Konkurrenz um die Nachfrage der Versicherten. Im kollektivvertraglichen System dominiert der Qualitätswettbewerb. Der SVR verweist darauf, dass man durch eine funktionsgerechte wettbewerbliche Rahmenordnung an der Schnittstelle zwischen dem ambulanten und dem stationären Sektor den Preis- und Qualitätswettbewerb zwischen Krankenhäusern und niedergelassenen Ärzten forcieren könnte.

•  Versichertenbereich: Hier geht es um den Wettbewerb zwischen den Krankenkassen. Für stationäre Einrichtungen hat dieses Wettbewerbsfeld im Gegensatz zu den drei anderen Feldern eine eher untergeordnete Bedeutung.

•  Selektivvertragliches System: Hier konkurrieren die Gesundheitseinrichtungen jenseits der kollektiven Vereinbarungen mit dem Preis und der Qualität ihrer Dienstleistungen um Verträge mit Krankenkassen. Anwendbar ist das Konzept selektiver Vereinbarungen im Krankenhaussektor bei elektiven Leistungen (Paquet 2011).

Images Aufgaben 1.1 und 1.2 am Kapitelende

1.1.2     Stationäre Leistungsanbieter auf dem Gesundheitsmarkt

Um sich als Unternehmung im Wettbewerb zu behaupten und eine bedarfsgerechte Versorgung zu gewährleisten, ist wirtschaftliches Handeln unerlässlich. Die Betriebswirtschaftslehre bietet hierfür den theoretischen Orientierungsrahmen. Bevor wir einen Überblick über das betriebswirtschaftliche Grundlagenwissen geben, soll eine Definition der Gesundheitsanbieter erfolgen, auf die sich die Ausführungen in den nachfolgenden Kapiteln schwerpunktmäßig beziehen: Krankenhäuser, Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen und Einrichtungen der Stationären Altenhilfe.

Krankenhäuser im Sinne des Sozialgesetzbuches V (§ 107 Abs. 1 SGB V) sind »Einrichtungen, die

•  der Krankenhausbehandlung oder Geburtshilfe dienen,

•  fachlich-medizinisch unter ständiger ärztlicher Leitung stehen, über ausreichende, ihrem Versorgungsauftrag entsprechende diagnostische und therapeutische Möglichkeiten verfügen und nach wissenschaftlich anerkannten Methoden arbeiten,

•  mit Hilfe von jederzeit verfügbarem ärztlichem, Pflege-, Funktions- und medizinisch-technischen Personal darauf ausgerichtet sind, vorwiegend durch ärztliche und pflegerische Hilfeleistung Krankheiten der Patienten zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten, Krankheitsbeschwerden zu lindern oder Geburtshilfe zu leisten, und in denen

•  die Patienten untergebracht und verpflegt werden können«.

Die Krankenhausleistungen umfassen die stationäre und teilstationäre und die vor- und nachstationäre sowie die stationären Leistungen im Rahmen einer integrierten Versorgung. Zugleich nehmen Krankenhäuser an der ambulanten Versorgung teil (Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung durch die Gründung eines Medizinischen Versorgungszentrums, Ambulantes Operieren, Leistungen nach § 116a SGB V bei Unterversorgung im vertragsärztlichen Bereich u. a.).

Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen erbringen Dienstleistungen der Prävention und Rehabilitation. Nach § 107 Abs. 2 SGB V sind Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen Institutionen, die

•  »der stationären Behandlung der Patienten dienen, um

•  eine Schwächung der Gesundheit, die in absehbarer Zeit voraussichtlich zu einer Krankheit führen würde, zu beseitigen oder einer Gefährdung der gesundheitlichen Entwicklung eines Kindes entgegenzuwirken (Vorsorge) oder

•  eine Krankheit zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern oder im Anschluss an Krankenhausbehandlung den dabei erzielten Behandlungserfolg zu sichern oder zu festigen, auch mit dem Ziel, eine drohende Behinderung oder Pflegebedürftigkeit abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern (Rehabilitation), wobei Leistungen der aktivierenden Pflege nicht von den Krankenkassen übernommen werden dürfen,

•  fachlich-medizinisch unter ständiger ärztlicher Verantwortung und unter Mitwirkung von besonders geschultem Personal darauf eingerichtet sind, den Gesundheitszustand der Patienten nach einem ärztlichen Behandlungsplan vorwiegend durch Anwendung von Heilmitteln einschließlich Krankengymnastik, Bewegungstherapie, Sprachtherapie oder Arbeits- und Beschäftigungstherapie, ferner durch andere geeignete Hilfen, auch durch geistige und seelische Einwirkungen, zu verbessern und den Patienten bei der Entwicklung eigener Abwehr- und Heilungskräfte zu helfen, und in denen

•  die Patienten untergebracht und verpflegt werden können«.

Heime im Sinne des Heimgesetzes (§ 1 Absatz 1 HeimG) dienen dem Zweck, »ältere Menschen oder pflegebedürftige oder behinderte Volljährige aufzunehmen, ihnen Wohnraum zu überlassen sowie Betreuung und Verpflegung zur Verfügung zu stellen oder vorzuhalten, und die in ihrem Bestand von Wechsel und Zahl der Bewohnerinnen und Bewohner unabhängig sind und entgeltlich betrieben werden.« Wurde früher eine strikte Funktionszuweisung nach Bedürftigkeitsgrad der Bewohner in Heimtypen vorgenommen, findet man heute aufgrund der Zunahme der älteren Menschen und der Pflegebedürftigen in den meisten Einrichtungen eine Kombination der traditionellen Heimtypen »Altenwohnheim«, »Altenheim«, »Altenpflegeheim« (Bundesministerium für Familie 1998).

•  Altenwohnheim: Altenwohnheime werden in separate, abgeschlossene Wohnungen aufgeteilt und sind in Anlage, Ausstattung und Einrichtung den besonderen Bedürfnissen älterer Menschen angepasst (Haubrock 2007).

•  Altenheime: Altenheime sind darauf ausgerichtet, älteren Menschen, die keinen eigenen Haushalt führen, Wohnraum, Verpflegung und Betreuung zu gewähren (Haubrock 2007).

•  Altenpflegeheime: Altenpflegeheime dienen der umfassenden Pflege, Versorgung und Betreuung pflegebedürftiger und chronisch kranker Menschen (Haubrock 2007).

Die kombinierten Einrichtungen der stationären Altenhilfe, in denen stationäre Leistungen der Pflegeversicherung erbracht werden (§ 72 SGB XI, § 73 Abs. 3 und 4 SGB XI), werden als Pflegeheim oder »Stationäre Altenhilfe« bezeichnet (Zapp et al. 2000a; Bettig 2006). Nach § 71 SGB XI sind Pflegeheime selbstständig wirtschaftende Einrichtungen, in denen Pflegebedürftige unter ständiger Verantwortung einer ausgebildeten Pflegefachkraft gepflegt werden und ganztägig (vollstationär) oder nur tagsüber oder nur nachts (teilstationär) untergebracht und verpflegt werden können.

Images Aufgabe 1.3 am Kapitelende

1.2       Begriffsbestimmung der Betriebswirtschaftslehre

1.2.1     Terminologisches Grundlagenwissen

Das Kapitel verschafft einen Überblick über die wesentlichen Merkmale der Betriebswirtschaftslehre. Wofür interessiert sich die Betriebswirtschaftslehre und wie gewinnt sie ihre Erkenntnisse? Was unterscheidet den Betrieb von einer Unternehmung und zu welcher Kategorie gehören Gesundheitseinrichtungen? Darüber hinaus wird erläutert, was die Dienstleistung besonders macht und ob der Patient oder Bewohner im Gesundheitswesen eine Kundenrolle im Sinne der marktwirtschaftlichen Perspektive einnehmen sollte oder nicht.

Die Knappheit der wirtschaftlichen Güter und Dienstleistungen führt dazu, dass bei der Bereitstellung und Verwendung rational vorzugehen ist, wenn nicht Verschwendung geduldet und Kapital- bzw. Substanzauszehrung hingenommen werden soll. Bei Fragen der Güterknappheit handelt es sich um wirtschaftliche Probleme, die mit Hilfe der »Ökonomie« als Wissenschaft der Wirtschaft gelöst werden sollen und für die sich im deutschsprachigen Europa (Deutschland, Österreich, Schweiz) aus unternehmerischer Sicht die Betriebswirtschaftslehre (BWL) und aus gesamtwirtschaftlicher Sicht die Volkswirtschaftslehre (VWL) herausgebildet haben (Kosiol 1961). Die Volkswirtschaftslehre untersucht grundlegende wirtschaftliche Zusammenhänge und Gesetzmäßigkeiten in einer Gesellschaft, sowohl in Bezug auf einzelne wirtschaftende Einheiten (Mikroökonomie) als auch gesamtwirtschaftlich (Makroökonomie). Hier steht das Allgemeinwohl im Vordergrund und Mittel zu seiner Erreichung. Volkswirtschaftliche Ziele sind u. a. Vollbeschäftigung, Wachstum, ausgeglichene Handelsbilanz, Geldwertstabilität und Umwelterhaltung (Altmann 1994).

Im Unterschied zur abstrakteren Volkswirtschaftslehre nimmt die Betriebswirtschaftslehre die Perspektive von einzelnen Betrieben ein. Sie zeigt Mittel und Wege auf, einzelwirtschaftliche Ziele optimal zu erreichen. Erfahrungsobjekt ist damit der Betrieb, Erkenntnisobjekt ist das Wirtschaften an sich. Bezogen auf Krankenhäuser geht die Betriebswirtschaftslehre zum Beispiel folgenden Fragen nach:

•  Soll sich das Krankenhaus auf wenige, ausgewählte Fachbereiche konzentrieren oder ein breites Leistungsprogramm anbieten?

•  Welche Betriebsgröße ist optimal?

•  Mit welchem Personal kann die Leistung wirtschaftlich erbracht werden?

•  Kann sich das Krankenhaus eine Tariferhöhung leisten?

•  Soll in ein neues medizinisch-technisches Gerät investiert werden?

•  Wo muss der Verantwortliche ansetzen, um Kosten zu reduzieren?

Aufgrund der Verflechtungen des einzelnen Betriebes mit der Gesamtwirtschaft besteht eine weitere Aufgabe der Betriebswirtschaftslehre darin, die Beziehungen zu anderen Wirtschaftseinheiten und zum Markt zu untersuchen. Beantwortet werden müssen zum Beispiel folgende Fragestellungen:

•  Wohin entwickelt sich die Krankenhausfinanzierung und was bedeutet das für den Krankenhausbetrieb?

•  Was bringen die vom Gesetzgeber geplanten Veränderungen in der Vertrags- und Vergütungssystematik mit sich?

•  Wie positioniert sich das Nachbarkrankenhaus?

•  Wie können Patienten gewonnen werden?

•  Welche Maßnahmen sind notwendig, um Mitarbeiter an das Krankenhaus zu binden?

In Übereinstimmung mit den meisten Autoren zur Abgrenzung der Wortbedeutungen »Betrieb« und »Unternehmung « sind Gesundheitseinrichtungen als »Unternehmung« zu charakterisieren (vgl. z. B. Ulrich 1970; Bleicher 2004; Zapp 2004a). Der Betrieb kann allgemein als eine planvoll organisierte Wirtschaftseinheit beschrieben werden, in der Sachgüter und Dienstleistungen erstellt und abgesetzt werden. Der Unternehmungsbegriff ist konkreter und bezeichnet nach Gutenberg (1983) einen Betrieb in einem marktwirtschaftlichen Wirtschaftssystem. Auch Kosiol (1974) verbindet mit dem Unternehmungsbegriff die Marktwirtschaft, fasst ihn jedoch weiter, indem er entgegen Gutenberg darauf verweist, dass es auch Unternehmungen gibt, die nicht nach Gewinnmaximierung streben und die nicht in Privateigentum stehen. Die von ihm definierten Merkmale einer Unternehmung wie Fremdbedarfsdeckung über den Markt, wirtschaftliche Selbstständigkeit (im Sinne finanzieller Eigenständigkeit und unternehmerischer Entscheidungsfreiheit) und Übernahme eines Marktrisikos treffen auch auf Gesundheitseinrichtungen zu. Die tendenziell angestrebte marktwirtschaftliche Ordnungspolitik in der Gesundheitswirtschaft und der damit verbundene erhöhte Marktdruck rechtfertigen die Verwendung des Begriffs der Unternehmung für Krankenhäuser, Rehabilitationskliniken und Einrichtungen der Stationären Altenhilfe.

Die Betriebswirtschaftslehre hilft bei wirtschaftlichen Problemen, in dem sie die Abläufe in Unternehmungen beschreibt, erklärt und analysiert, um dann bestimmte Gesetzmäßigkeiten bzw. Vorgehensweisen abzuleiten. Sie orientiert sich dabei wie andere Realwissenschaften an drei Wissenschaftszielen (Vollmer 2008):

•  Beschreibungsziel: Begriffsbildung, Klassifikation und Beschreibung

•  Erklärungsziel: Erkenntnisgewinnung durch Erklärung und Vorhersage

•  Gestaltungsziel: Praktische Gestaltung auf Basis der gewonnen Erkenntnisse

Hieraus leiten sich die zwei Forschungsrichtungen der Betriebswirtschafslehre ab: die theoretische und die angewandte oder pragmatische Betriebswirtschaftslehre (Jung 2010).

Weil die realitätsgetreue Abbildung der betriebswirtschaftlichen Probleme zu komplex und mit einem hohen Kosten- und Zeitaufwand verbunden wäre, setzt die Betriebswirtschaftslehre in Anlehnung an die Wissenschaftsziele unterschiedliche Modelle ein (Jung 2010):

•  Beschreibungsmodelle: Darstellung von empirischen Erscheinungen. Beispiel: Buchführung.

•  Erklärungsmodelle: Erklärung von Ursachen und Zusammenhängen betrieblicher Vorgänge. Beispiel: Produktions- und Kostentheorie.

•  Entscheidungsmodelle: Logische Analyse und Beschreibungen von Entscheidungen unter Einbezug der verfolgten Ziele (normatives Modell). Beispiel: Engpassplanung bei begrenzten Kapazitäten.

•  Gestaltungsmodelle: Ohne konkreten Bezug auf ein reales System wird die Entwicklung neuer Systeme oder die Erweiterung bestehender Systeme gestaltet. Beispiel: St. Galler Managementansatz.

Allgemein anerkannte Methoden, mit denen die wirtschaftlichen Unternehmungsprozesse erforscht werden, sind die (Jung 2010):

•  Deduktive Methode: Schließen vom Allgemeinen in logischer Weise auf das Besondere. Beispiel: Eine bestehende Theorie zum Einweiserverhalten von niedergelassenen Ärzten wird an den beobachtbaren Situationen operationalisiert und im Anschluss daran empirisch überprüft.

•  Induktive Methode: Schließen vom Besonderen auf das Allgemeine. Beispiel: Die empirische Beobachtung zum Einweiserverhalten von niedergelassenen Ärzten über einen längeren Zeitraum wird zum Ausgangspunkt für die Entwicklung einer Theorie des Einweiserverhaltens genommen.

•  Hermeneutik: Erkenntnisgewinnung durch Einbringung der eigenen Lebenserfahrung. Beispiel: Die Erfahrung zeigt, dass sich eine gute Kommunikation auf das Verhalten der einweisenden Ärzte auswirkt.

•  Experimentelle Methode: Überprüfung von Hypothesen durch Beobachtung; Verfahren nach der Ceteris-paribus-Prämisse2. Beispiel: Würde sich die Anzahl der niedergelassenen Ärzte ceteris-paribus um 1 % verringern, hätte das keinen Einfluss auf die Patientenzahl.

•  Heuristische Methode: Erkenntnisgewinnung durch den Einsatz von Kreativitätstechniken. Beispiel: In der Krankenhaus-Arbeitsgruppe »Einweisermanagement« werden mittels Brainstorming neue Möglichkeiten zur Einweiserbindung zusammengetragen.

Prägnant für die Entwicklung der Betriebswirtschaftslehre ist die Aufsplitterung in Teilgebiete und die entsprechende Spezialisierung der Wissenschaftler. In der Standardliteratur wird die Betriebswirtschaftslehre wie folgt gegliedert (Jung 2010; Vollmer 2008):

•  Institutionelle Gliederung

−  Allgemeine Betriebswirtschaftslehre: Funktions- und branchenübergreifende Sachverhalte, z. B. Lagerhaltungstheorie, Break-Even-Ermittlung

−  Spezielle Betriebswirtschaftslehre: Industriebetriebslehre, Bankbetriebslehre, Betriebswirtschaft in Einrichtungen des Gesundheitswesens u. a.

−  Betriebswirtschaftliche Verfahrenstechnik: Buchhaltung und Bilanz, Kostenrechnung, Finanz- und Wirtschaftsmathematik, Statistik, Informatik

•  Genetische Gliederung

−  Gründungsphase: Konstitutive Entscheidungen wie Zielsystem, Rechtsform- und Standortwahl, Leistungsprogramm, Zusammenschlüsse, Organisation

−  Umsatzphase: Entscheidungen, die sich auf den güter- und finanzwirtschaftlichen Umsatzprozess beziehen; Überprüfung und ggf. Anpassung der in der Gründungsphase getroffenen Entscheidungen

−  Liquidationsphase: Entscheidungen, die bei einer Betriebsauflösung zu treffen sind

•  Gliederung nach betrieblichen Hauptfunktionen (klassische Bereiche und Abteilungen)

−  Führung und Organisation: Planung, Steuerung und Kontrolle, Aufbau- und Ablauforganisation

−  Materialwirtschaft: Beschaffung, Lagerhaltung

−  Produktionswirtschaft: Planung und Gestaltung der Leistungserstellung

−  Absatz und Marketing: Absatz der Produkte und Dienstleistung, Gestaltung der Beziehung zu Patienten, Ärzten, Kranken- und Pflegekassen, Rentenversicherungsträgern, Lieferanten usw.

−  Kapitalwirtschaft: Finanzierung, Investition

−  Personalwirtschaft: Beschaffung, Einsatz, Entwicklung, Betreuung der Mitarbeiter

−  Rechnungswesen und Controlling: Wertmäßige Erfassung und Lenkung der Betriebsabläufe

•  Prozessorientierte Gliederung

−  Führung: Management, d. h. Plan – Do – Check – Act

−  Ausführung: Produktion und Bereitstellung von Dienstleistungen

Der heute weit verbreitete prozessorientierte Ansatz konzentriert sich auf die Managementfunktionen und stellt den Patienten und Bewohner in den Mittelpunkt. Die operativen Leistungsprozesse werden durch den Führungsprozess (Planung, Steuerung und Kontrolle) koordiniert. Betrachtet man diesen Ansatz aus Sicht der Systemtheorie, kommt man zu folgender Einteilung (Zapp 2004b):

•  Systemtheoretische Gliederung

−  Führungssystem

−  Wertesystem

−  Zielsystem

−  Planungs- und Kontrollsystem

−  Informationsversorgungssystem

−  Personalsystem

−  Organisationssystem

−  Ausführungssystem

(Die Inhalte dieser Systeme werden ausführlich im Kapitel 1.4.2 beschrieben.)

Da einige betriebswirtschaftliche Problemfelder nur interdisziplinär lösbar sind, bildet die Betriebswirtschaftslehre mit anderen Wissenschaften Schnittmengen. Diese Wissenschaften sind eigenständige Lehr- und Forschungsbereiche, werden aber auch als Spezielle Betriebswirtschaftslehre bezeichnet: Wirtschaftsmathematik, Wirtschaftsrecht, Wirtschaftspädagogik, Wirtschaftspsychologie, Wirtschaftsethik u. a.

Images Aufgaben 1.4 und 1.5 am Kapitelende

1.2.2     Dienstleistungen in der Gesundheitswirtschaft

Unternehmungen lassen sich nach unterschiedlichen Kriterien typisieren: z. B. nach dem vorherrschenden Produktionsfaktor, nach der Rechtsform oder nach der Betriebsgröße. Differenziert man nach Wirtschaftszweigen, wird zwischen Sachleistungs- und Dienstleistungsunternehmungen unterschieden. Letzterer Kategorie sind Gesundheitseinrichtungen zuzuordnen.

In der Literatur gibt es verschiedene Definitionsvorschläge zum Begriff der Dienstleistungen, die sich nach Corsten (2001) in drei Gruppen einteilen lassen: enumerative Definition, Abgrenzung über eine Negativdefinition und Definition durch konstitutive Merkmale, wobei bei Letzterer nochmals zwischen potenzialorientierter, prozessorientierter und ergebnisorientierter Definition unterschieden werden kann. Meffert folgert daraus, dass »Dienstleistungen selbstständige, marktfähige Leistungen sind, die mit der Bereitstellung und/oder dem Einsatz von Leistungsfähigkeiten verbunden sind (Potenzialorientierung). Interne und externe Faktoren werden im Rahmen des Erstellungsprozesses kombiniert (Prozessorientierung). Die Faktorkombination des Dienstleistungsanbieters wird mit dem Ziel eingesetzt, an externen Faktoren, an Menschen oder deren Objekten nutzenstiftende Wirkungen zu erzielen (Ergebnisorientierung)« (Meffert und Bruhn 2006, S. 27).

Krankenhäuser, Rehabilitationseinrichtungen und Einrichtungen der Stationären Altenhilfe sind in diesem Sinne als Dienstleistungsunternehmungen zu charakterisieren. Sie erfüllen die klassischen Kernelemente einer Dienstleistung (Terbeck et al. 2012; Zapp und Oswald 2009a):

•  Nichtgreifbarkeit (Immaterialität): Man kann Dienstleistungen im Gegensatz zu einem Sachgut nicht fühlen, schmecken, riechen oder sehen. Aus der Immaterialität leiten sich die Submerkmale der Nichtlagerfähigkeit und der Nichttransportfähigkeit ab.

•  Nichtlagerfähigkeit/Nichttransportfähigkeit: Die Dienstleistung kann nicht auf Vorrat hergestellt und gelagert werden, weil eine zeitliche und räumliche Übereinstimmung von Produktion und Konsumtion der Dienstleistung vorliegt (Uno actu-Prinzip). Daraus können Komplikationen in der Abstimmung zwischen Angebot und Nachfrage resultieren. Es ergeben sich saisonale Nachfrageschwankungen, beispielsweise in Abhängigkeit der Ferienzeiten oder Tendenzen zu bestimmten Wochentagen. Darüber hinaus ist insbesondere im Akutbereich das zeitliche Auftreten der Nachfrage nach Art und Umfang bei vielen Krankheiten nicht prognostizierbar. Eine Produktion von Überhang und Bereitstellung in einem Pufferlager ist nicht möglich, um Nachfrageschwankungen auszugleichen.

•  Geringe Rationalisierbarkeit: Eine entscheidende Rolle bei der Leistungserstellung spielt die Qualifikation und Motivation der Mitarbeiter. Die Rationalisierbarkeit setzt die Ersetzbarkeit zum Beispiel der menschlichen Arbeitskraft durch eine Maschine voraus, die bei den beiderseitig personenbezogenen Dienstleistungen im Gesundheitswesen verständlicherweise gering ist.

•  Mitwirkung eines externen Faktors: Die Leistungserstellung ist ohne Mitwirkung des Kunden nicht möglich. Ein Krankenhaus kann die medizinische Leistung erst erbringen, wenn der Patient aufgenommen ist; die Pflege und Versorgung eines Bewohners setzt voraus, dass der Zupflegende bzw. ein Angehöriger von ihm das Leistungsangebot der Stationären Altenhilfeeinrichtung annimmt.

•  Individualität: Weil der Patient oder Bewohner selbst Prozesselement ist, müssen seine individuellen Bedürfnisse während der Erbringung der Dienstleistung berücksichtigt werden. Im Hinblick auf die Leistungserbringung hat das eine starke Prognoseunsicherheit zur Folge. So besteht Unklarheit darüber, ob die bereitgestellten Ressourcen für eine Behandlung voll ausgeschöpft oder überschritten werden.

Insgesamt bedeuten diese »Produktionsbedingungen« eine erschwerte Planbarkeit der Leistungserstellung, Phasen der Über- und Unterlastung, hohe Vorhaltekosten und personelle Aufwendungen. Darüber hinaus besteht das Problem, das finale Ergebnis der Gesundheitsdienstleistung zu erfassen, zu messen und zu bewerten. Die Bewertungsprobleme ergeben sich daraus, dass das Ergebnis der Gesundheitsdienstleistung aufgrund der Immaterialität des Leistungsergebnisses schwer quantifizierbar ist. Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen sind aus diesem Grund immer auf zwei Ebenen zu führen (Eichhorn 1975; Images Abb. 1.1; ebenso Images Kap. 1.3.1):

•  Auf der Ebene der Leistungswirtschaftlichkeit: Die Wirtschaftlichkeit der Endkombination (Versorgungsprozess) ergibt sich aus dem Verhältnis der eingesetzten Einzelleistungen oder Tätigkeiten (d. h. Diagnostik, Therapie, Pflege, Versorgung usw.) zur Statusveränderung des Patienten oder Bewohners.

•  Auf der Ebene der Kostenwirtschaftlichkeit: Die Wirtschaftlichkeit der Vorkombination (Leistungserstellungsprozess) ergibt sich aus dem Verhältnis der benötigten Ressourcen (d. h. Personal, Sachgüter, Betriebsmittel) zu den erstellten Einzelleistungen. Im Rahmen solcher Wirtschaftlichkeitsüberlegungen ist zu berücksichtigen, dass Gesundheitseinrichtungen ihre Dienstleistungen zwar anbieten und im Fall der Vorkombination autark erstellen können, die Gesamtwirtschaftlichkeit aber maßgeblich von den tatsächlich nachgefragten Dienstleistungen abhängig ist.

Darüber hinaus ist bei der Bewertung von Gesundheitsdienstleistungen zu berücksichtigen, dass das Ergebnis nicht ausschließlich in der Realisierung der Gesundheitsleistung besteht (Output). Vielmehr ist damit ein Erfolg (Effect) verbunden (z. B. Wundprävention beim Output »Pflegeleistung«) und es wird eine darüber hinausgehende Wirkung wie zum Beispiel die Zufriedenheit oder das Wohlbefinden des Patienten oder Bewohners realisiert (Impact), die sich dann wiederum auf soziokultureller Ebene in einer erhöhten Interaktionsbereitschaft zwischen Generationen äußern kann (Outcome) (Bono 2006).

Images Aufgaben 1.6 und 1.7 am Kapitelende

Images

Abb. 1.1: Zweistufiger Leistungsprozess am Beispiel der Stationären Altenhilfe (In Anlehnung an Zapp et al. 2000a, S. 69)

1.2.3     Kundenorientierung vs. Patientenorientierung

Im Zusammenhang mit der Dienstleistungserstellung und der marktwirtschaftlichen Umgestaltung des Gesundheitswesens hin zu mehr Wirtschaftlichkeit ist die Frage nach der Übertragbarkeit des Kundenterminis auf den Begriff des Patienten eine seit Jahren geführte Begriffsdebatte. Folgt man der ökonomischen Logik ist der Leistungsempfänger der Nachfrager bzw. Konsument der Gesundheitsdienstleistung und die stationäre Einrichtung der Anbieter. Der Leistungsempfänger wirkt bei der Zielerfüllung der Gesundheitsunternehmung mit und beeinflusst durch seine Wünsche und Bedürfnisse den Behandlungs-, Pflege- und Versorgungsprozess (Dierks et al. 2001). Aus diesem wirtschaftlichen Blickwinkel heraus übernimmt der Patient die Rolle eines externen Kunden. Zu den internen Kunden zählen die Funktionsbereiche beziehungsweise Mitarbeiter in der Institution, die im Rahmen eines Prozesses von den Leistungen anderer abhängig sind und aufgrund dessen als deren Kunden bezeichnet werden. So sind bspw. Mitarbeiter einer bettenführenden Station interne Kunden der medizinischen Diagnostik (Labor, Röntgen) (Zapp et al. 2010a).

Außer Acht gelassen wird bei dieser rationalen Betrachtung, dass die Leistung, die der Kunde nachfragt, kein Haarschnitt ist, sondern eine Gesundheitsdienstleistung: Aufgrund der Ausnahme- oder Krisensituation, die ein stationärer Aufenthalt in der Regel für einen Menschen bedeutet, oder aufgrund der Art und Schwere der Erkrankung, sind Patienten in Bezug auf die kundenspezifischen Aspekte, wie Wahl-, Kritik- und Ausdrucksfähigkeit in ihrer Souveränität mehr oder weniger stark eingeschränkt. Gefühle von Unsicherheit, Ratlosigkeit und Machtlosigkeit können sich entwickeln. Insofern sind sie in besonderer Weise abhängig von den Pflegekräften, den Ärzten und dem übrigen Personal in der Gesundheitseinrichtung. Dierks et al. stellen fest, dass »… je mehr sich eine Person auf dem Kontinuum zwischen »gesund« und »krank« in Richtung Krankheit bewegt, desto mehr wird ihre Fähigkeit und auch ihr Wille zu souveränen und rationalen Entscheidungen beeinträchtigt« (Dierks et al. 2001, S. 17).