wurde 1819 in Neuruppin geboren, absolvierte zunächst eine Ausbildung als Apotheker und war später als Korrespondent in England und als Redakteur und Theaterkritiker tätig. Erst 1876 wurde er freier Schriftsteller. 1891 erhielt er den Schiller-Preis; 1894 bekam er die Ehrendoktorwürde der Universität Berlin zuerkannt. 1898 starb Fontane in Berlin.
Hans-Joachim Simm, Dr. phil., geboren 1946, lebt als freier Publizist bei Frankfurt am Main. Er war bis 2009 Leiter des Insel Verlags, des Verlags der Weltreligionen und der Buchreihe »edition unseld«. Er gab zahlreiche Werkausgaben deutscher Dichter und Schriftsteller und Anthologien heraus.
Auf den Einzelnen richtete sich Fontanes Blick; das scheinbar Nebensächliche wurde dem Menschenkenner Fontane oft zur Hauptsache. »Das Nebensächliche, soviel ist richtig, gilt nichts, wenn es bloß nebensächlich ist, wenn nichts drinsteckt. Steckt aber was drin, dann ist es die Hauptsache, denn es gibt einem dann immer das eigentlich Menschliche.« Über das Erfassen des Kleinen im Großen gelingt es Fontane in seinem Werk, ein getreues Bild seiner Epoche zu zeichnen, ohne dabei das Große aus den Augen zu verlieren oder zu unterdrücken.
Fontanes lebensnahe, beschreibende Poesie richtet sich auf das Alltäglich-Menschliche, das er der großen Welttragik entgegensetzt. Ihm kommt es, ganz im Geist des poetischen Realismus, auf das Leben selbst an, das er, eine wohlwollend-wachsame Distanz zu seinen Figuren wahrend, in seiner Dichtung fassen möchte. Die bekanntesten Gedichte und Balladen aus allen Schaffensphasen Fontanes sind in diesem von Hans-Joachim Simm herausgegebenen Band enthalten: Lieder und Sprüche, Bilder und Balladen sowie Gelegenheitsgedichte und Einzelpublikationen aus Zeitungen und Zeitschriften, ferner die an seine Frau Emilie gerichteten Gedichte.
Das ist das höchste Glück
Gedichte und Balladen
Herausgegeben von Hans-Joachim Simm
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Covergestaltung: Nicole Ehlers, marixverlag GmbH
Bildnachweis: Katze hinter einem Baum,
Gemälde von Franz Marc, 1910
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eBook-Bearbeitung: Bookwire GmbH, Frankfurt am Main
ISBN: 978-3-8438-0430-1
www.marixverlag.de
GEDICHTE, LIEDER UND SPRÜCHE
Die lieben Sterne
Der Bach und der Mond
Todesahnung
Die schönste Melodie
Das Wasserröslein
Die Christnacht
Prophezeiung
Epheu und Alpenrose
Glockenlieder
Meerfahrt
Schmerz
Der Wegeweiser
Auf der Reise
Mein Herz
Ach, was frommt’s!
Stille Liebe
In Leidenschaft
Der Kranich
Der erste Schnee
Furcht und Hoffnung
Am Apfelbaum
Lied eines Ausgewanderten
Das alte Lied
Die Faust in der Tasche
Die Adelszeitung
Frühlingslieder
Alles still!
Das Fischermädchen
Auch ein Herzenstrost
Der Totengräber
Als Hundstage waren
Im Herbst
Bei Verbannung meines Tagebuches
Glück
Memento
O trübe diese Tage nicht
Nah und Fern
Und alles ohne Liebe
Guter Rat
Winterabend
Sei milde stets
Mein Herze, glaubt’s, ist nicht erkaltet
Bekenntnis
Sprüche
Mittag
Tagebuchblätter aus Fremde und Heimat
Resignation
Lieben lerne!
Spätherbst
Neujahr 1871
Trost
Herbstgefärbt
Zuspruch
Distelmeiers Lieder
Beim Lesen einer Spruchsammlung
Publikum
Schmucklos wird mir die Welt
Mitunter, wenn ich beim Frühstück sitze
Prolog
Rückblick
So und nicht anders
Es kribbelt und wibbelt weiter
Aber wir lassen es andere machen
Würd es mir fehlen, würd ich’s vermissen?
Überlaß es der Zeit
Was mir fehlte
Aber es bleibt auf dem alten Fleck
Die Frage bleibt
Man hat es oder hat es nicht
Ausgang
Was mir gefällt
Neustes oder Modernstes
Ja, das möcht ich noch erleben
Der echte Dichter
Brunnenpromenade
Verzeiht
Es soll der Dichter mit dem König gehn
Dreihundertmal
Neueste Väterweisheit
Die Alten und die Jungen
Mein Leben, ein Leben ist es kaum
Leben
Tu ich einen Spaziergang machen
Drehrad
Immer eigensinniger und verstockter
Summa summarum oder Alles in allem
Umsonst
Als ich 75 wurde – An meinem 75ten
Arm oder reich
In der Koppel
Zeitung
Die Balinesenfrauen auf Lombok
Meine Reiselust
An ***
Was ich wollte, was ich wurde
Als ich zwei dicke Bände herausgab
BILDER, LIEDER UND BALLADEN
Der Tower-Brand
Die Strandbuche
Maria Stuart
Schön-Anne
Von der schönen Rosamunde
Silvester-Nacht
Chevy-Chase oder Die Jagd im Chevy-Forst
Edward, Edward
Robin Hood
Schön-Margret und Lord William
Lord Murray
Lied des James Monmouth
Archibald Douglas
Die zwei Raben
Das Trauerspiel von Afghanistan
Melrose-Abbey
Grabschrift
Gorm Grymme
Die Brück am Tay
John Maynard
Waldemar Atterdag
Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland
GEDICHTE AN EMILIE FONTANE GEB. ROUANET-KUMMER
In Emilies Stammbuch
An Emilie (Bei Überreichung einer Rose)
Verlobung
An Emilie, 1845 – Statt eines Briefes
Die Somnambule
In Verlegenheit (An E …)
Sonette
An Emilie, 1846 – Meiner lieben Emilie zum achten Dezember
An Emilie, Zum 14. November 1852 (?)
In der Krankheit
An Emilie, Mit der „Argon“
An Emilie, Zum 14. November 1854
An Emilie, Zum 14. November 1856
An Emilie, 24. Dezember 1858
An Emilie, Zum 14. November 1859
An Emilie, Zum 24. Dezember 1859
An Emilie, Mit „Ein Sommer in London“
An Emilie, Zum 14. November 1861
An Emilie, Weihnachten 1861
An Emilie, Zum 14. November 1862
An Emilie, Zum 24. Dezember 1862
An Emilie, Zum 14. November 1864
An Emilie, Zum 14. November 1865
An Emilie, Mit Gesang- und Wirtschaftsbuch zu Weihnachten 1865
An Emilie, Rum-Lied, mit einer Rumflasche zum 14. November 1866
An Emilie, Zum 14. November 1867
An Emilie, Zum 14 November 1868
An Emilie, Berlin, 15. Oktober 1869
An Emilie, Zum 14. November 1876
An Emilie, Zum 14. November 1880 – Mit neuen Pfropfen
An Emilie, Zum 24. Dezember 1886 – Service-Zettel
An Emilie, Zum 24. Dezember 1890
An Emilie, Zum 24. Dezember 1891
An Emilie, Zum 14. November 92
An Emilie, Ein Bon als Weihnachtsgeschenk 1893
An Emilie, Mit einem Ring zum 70
An Emilie, 14. November 1895 – Zum Einundsiebzigsten
An Emilie, Zum 14. November 1896
An Emilie, Zum 14. November 1897
Zu dieser Ausgabe
Alphabetisches Verzeichnis der Gedichtüberschriften und -anfänge
Ein Lied oder höchstens ein paar
Widmet ich dir, als jung ich war.
Ihr Inhalt waren ich und du,
Vom Fenster her sandtest du Grüße mir zu.
Heute, mit Inhalt aus allen Zonen,
Komm ich in Fähnlein, in ganzen Schwadronen,
Aus wenigen wurden viele Lieder,
Aber, wie damals, grüße wieder.
1887/89
Auf des Hauses niedrer Schwelle
Saß ich, Wehmut in der Brust,
Sah hinauf zur Sternenhelle, –
Da ergriff mit banger Lust
Sehnsucht mich nach jenen Sternen,
Die, im mildverklärten Schein,
Hoch aus weiten Himmelsfernen
Unsrem Herzen Trost verleihn.
Aber ach, trotz alles Strebens
Nach dem ew’gen Himmelszelt,
War mein Sehnen doch vergebens,
Denn ich blieb der Erdenwelt.
Soll mir nie der Zutritt werden,
Rief ich nun gar traurig aus,
Oh, so schickt herab auf Erden
Einen Stern aus eurem Haus.
Und die lieben, guten Sterne
Haben mich nicht ausgelacht,
Haben trotz der weiten Ferne
Ihres armen Freunds gedacht.
Denn sie weigerten die Bitte
Mir, dem einst Verschmähten, nicht,
Und gesandt aus ihrer Mitte
Strahlt ein zwiefach Doppellicht.
Ach, es strahlt mir, voller Wahrheit;
Treue, Liebe; Glauben, Hoffen;
Meines Sternbilds Sonnenklarheit
Hat wie Zauber mich getroffen.
Teures Bild, verweile lange,
Fern vom heimatlichen Zelt,
Leuchte mir noch auf dem Gange,
Der mich führt in deine Welt.
1837
Es floß ein Bach durch Waldesgrün,
War lauter, klar und rein,
Viel Blümchen an dem Bache blühn
Und alle nett und fein.
Doch tut er stets, als säh er nicht
Die Blümchen um ihn her,
Des lieben Mondes Angesicht
Gefiel dem Bache mehr.
Er hat es gleich ans Herz gedrückt
Und zärtlich es geküßt,
Wenn’s nur auf ihn herabgeblickt
Und freundlich ihn gegrüßt.
Doch plötzlich raubt ein Wolkenschwarm
Dem Bach des Mondes Bild,
Da tobt er voller Schmerz und Harm
Durchs nächtige Gefild.
Das Leben dünkt ihn kein Genuß,
Nur einzig Qual und Not,
Und voller Lebensüberdruß
Erfleht er schon den Tod; –
Da, dank dem Ew’gen, bricht hervor
Der Mond gar hell und klar; –
Was alles auch der Bach verlor,
Jetzt droht ihm nicht Gefahr.
Jetzt, wo des Mondes Silberglanz
Sich spiegelt in der Flut,
Ist er der alte wieder ganz,
Dem Leben wieder gut.
1837
Einsam wandre ich bei Nacht,
Höre Trauermelodieen
Durch die Eichengipfel ziehen,
Sanft vom Winde angefacht.
Weh, die düstren Klagelieder
Dringen tief zu meinem Herzen,
Wecken mir die alten Schmerzen
Und die alten Klagen wieder.
Winde wehet! Winde weht!
Alte Eichen klaget, klaget! –
Bald, mein Herz, drum unverzaget,
All dein Leid zu Grabe geht.
1837
Wehmutsvolle Lieder klingen
Durch die sternerhellte Nacht,
Schmerzen, die mein Herz umschlingen,
Halten einsam bei mir Wacht.
Und der Töne leise Schwingen
Tragen ein geliebtes Bild;
Ach, wie sie zum Herzen dringen,
Wie ergreift’s mich seligmild!
Ja, die Hände muß ich falten
Bei der schönen Melodei,
Von den finstern Schreckgestalten
Bin ich betend endlich frei.
Sind die Lieder auch verklungen,
Sind die Töne auch verhallt, –
Tief, ach tief ins Herz gedrungen
Ist die liebliche Gestalt.
In dem unermeßnen Reiche
Wirkt sie ew’ge Harmonie,
Und die teure Liebesreiche
Singt die schönste Melodie.
1838
Auf weichem Moos gebettet
Lag ich am Uferrand,
Wo schön und wunderprächtig
Ein Wasserröslein stand.
Es guckte mit dem Köpfchen
Neugierig aus der Flut,
Und nickte mir so freundlich,
Als spräch’s: „Ich bin dir gut.“
Der Abend sank hernieder,
Die Erde ging zur Ruh,
Und ich, im Schaun versunken,
Schloß auch die Augen zu.
Da regt sich’s in den Lüften,
Da tönt es in dem See,
Und sieh – mein Wasserröslein
Ward eine Wasserfee.
Die neigt sich zu mir nieder
Und blickt mich zärtlich an,
Und preßt die schönen Glieder
Verlockend an mich an.
Der Augen heiße Gluten,
Erfüllt von Sehnsuchtsschmerz,
Verwirren mir die Sinne,
Durchzittern mir das Herz.
Der Locken goldne Fülle
Schlingt sie um meinen Leib,
Und spricht so süße Worte,
Das wunderschöne Weib.
Da zieht’s mich in die Wogen,
Sie küßt und herzt und lacht,
Doch, kaum hinabgezogen,
Bin plötzlich ich erwacht.
Der Sonne erste Strahlen
Vergolden Tal und Höh;
Verschwunden ist die Nixe,
Die schöne Wasserfee.
Ich seh das Röslein wieder,
Benetzt vom Wellenschaum; –
„Wo bist du, schöne Nixe!
War alles nur ein Traum?!“
1838
Auf dem weißgedeckten Tische
Prangt der grüne Weihnachtsbaum,
Trägt im buntesten Gemische
Kerzen, Gold- und Silberschaum.
Vor dem Tische steht ein Knabe,
Blickt die Schätze hastig an,
Ob vielleicht die Weihnachtsgabe
Ihm das Herz erfreuen kann.
Aber nichts will ihm gefallen,
Selbst das Schönste dünkt ihm Tand,
Und er weint, weil an dem allen
Nicht sein Herz Befried’gung fand.
„Mutter, einzig gute Mutter,
Sieh mich nicht so traurig an;
Will ja länger nicht mehr weinen,
Hat es dir doch weh getan!
Ach, du fragst: ‚Woher die Tränen?‘ –
Alles, alles, was mich quält,
Ist, daß mich ein heißes Sehnen
Nach – ich weiß nicht was – beseelt.“
Auf der weißbeschneiten Erde
Steht an eines Friedhofs Saum
Eine Fichte, wunderprächtig,
Wie ein ries’ger Weihnachtsbaum.
Tausend helle Kerzen flimmern
Über ihm am Himmelsraum,
Und des blassen Mondes Schimmern
Ist des Christbaums Silberschaum.
Vor der Fichte, – auf dem Grabe
Seiner Braut, das sie bewacht –
Kniet nach manchem Jahr der Knabe,
Wieder, in der Christusnacht.
„Gott der Liebe! – hier am Grabe
Hast du endlich dich bewährt,
Hast als schönste Weihnachtsgabe
Endlich Tränen mir beschert.
Mir, dem du so viel genommen,
Dem ja alles, alles fehlt,
Daß ihn, wenn die Tränen kommen,
Heißer Dank für dich beseelt.“
1839
Ich starre auf die Hieroglyphen
Am sternbesäten Firmament,
Und forsche, meinen Geist zu prüfen,
Ob er der Rätsel Lösung kennt.
Es muß in jenen ew’gen Reichen
Der Schlüssel unsrer Zukunft sein,
Es muß auch mir ein Himmelszeichen
Mein künftig Schicksal prophezein.
Und kaum betracht ich mit Entzücken
Des Himmelsdomes Bilderzier,
Muß ich ein Sternenkreuz erblicken
Hoch im Zenite über mir.
Wird mich das Kreuz des Glaubens schmücken?
Es wäre eine süße Last! das Kreuz
Wird mich des Duldens drücken?
Die Seele ahnt und fürchtet fast!
1840
Unten an der Felsenmauer,
Über Steingeröll und Moos,
Schleicht der Epheu voller Trauer,
Hoffnungsgrün, doch hoffnungslos.
Auf des schroffen Berges Spitze,
Wo die Alpenrose blüht,
Dort hinauf zum Blumensitze
Liebend es den Epheu zieht.
Doch er schleicht an Bettlerkrücken,
Ist ein Kind der Dunkelheit,
Drum verrät er ihr in Blicken
Kaum sein Weh und Herzeleid.
Denn er ahnt nicht ihr Verlangen
Abwärts in die Felsenkluft,
Bis sie mit verschämten Wangen
Leis hinunter: „Epheu“ ruft.
„Epheu, komm, gar süße Minne
Berg ich dir im Herzensschrein,
Klimm hinauf zur Felsenzinne,
Komm und laß uns glücklich sein.
Wird dein Arm mich erst umschlingen
Mit der Liebe Allgewalt,
Soll’s den Winden nicht gelingen,
Mich zu küssen eisigkalt.
Und dem Felsen, meinem Vater,
Dessen Stirne mich gebar
(Um für immer uns zu trennen),
Wird die Macht der Liebe klar.“
Epheu hört’ es; wunderkräftig
Heilet jedes Wort sein Weh,
Und er rankt sich still geschäftig,
Fröhlich, selig in die Höh.
Stürzt der Fels ihm auch entgegen
Zürnend, donnernd sein Gestein,
Muß der Wind auch allerwegen
Erst im Kampf besieget sein;
Dennoch klimmt er mutig weiter,
Ihn umschwebt der Rose Bild,
Wie des Himmels Blau so heiter,
Wie ein Engel rein und mild.
Aber als er sie errungen,
War gebleicht ihr Wangenrot,
Und der Epheu hat umschlungen
Seine Alpenrose tot.
Hielt sie noch in seinen Armen,
Als er selbst schon eingeschneit,
Doch sie sollte nicht erwarmen
In der kalten Winterzeit.
Aber als des Frühlings Weben
Alle Schläfer aufgeschreckt,
Sind auch sie zu schönrem Leben
In der Liebe auferweckt.
1840
Der Glocke feierliche Klänge
Ertönen mächtig durch die Luft,
Zur Kirche wallt die gläub’ge Menge,
Wie wenn sie Gottes Stimme ruft.
Der Turm erbebt, die Töne brausen
Wie Sturmwind in der Felsenkluft;
Jetzt möcht ich auf der Glocke sausen
In wildem Fluge durch die Luft;
Und tönt es dann – gewalt’ger klingend –
Gottpreisend aus der Glocke Mund,
Da glaubt ich, fester sie umschlingend,
Die eigne Seele gäb ich kund.
Werden einst sie mich begraben,
Wird kein Auge trübe sein,
Kein Gefolge werd ich haben,
Selbst zum Grabe gehn allein.
Sei’s! anstatt des Volkes Menge
Wählt ich mein Geleite schon,
Folgen werden Glockenklänge,
Schritt vor Schritt, mit ernstem Ton.
Nur die Glocke wird ertönen,
Trauern nur ihr Eisenherz;
Aber ihre Klänge höhnen,
Heucheln nie den wahren Schmerz.
Stürmen wird sie – mich zu ehren –,
Wenn ich schon zur Ruh gebracht,
Wie die Salve von Gewehren
über Kriegergräber kracht;
Und ihr tiefer Kummer dauert
Ewig wie der Mutterschmerz;
Meine Glocke tönt und trauert,
Bis ihr bricht das Eisenherz.
1840
Grabesstill die Wasserwüste,
Nur die Brandung gärt und kocht
Willenlos an ferner Küste,
Wie mein Herz im Busen pocht.
Wie mein Herz, das eine leere
Öde Wüste gleich der Flut,
Gleich dem todesstillen Meere
Lebt es nur bei Sturmeswut.
Von den Welten, die versanken,
Von den Toten, die ertranken
In den Fluten – träumt die See;
Die Erinnrung weckt Gedanken
In ihr voller Schmerz und Weh. –
Welten, tief in mir versunken,
Läßt auch mich der Höllenfunken
Der Erinnrung wiedersehn,
Und Gedanken – todestrunken
Wild um Sturm und Windsbraut flehn.
Meer, du heißt das ungetreue!
Nun so stürme, stürme laut,
Zeige, daß der Himmelsbläue
Deiner Flut ein Tor vertraut.
Seit die Sprache ihres blauen,
Schönen Auges mich belog,
Treue heuchelnd, um Vertrauen
Und um Liebe mich betrog; –
Muß ja deine Himmelsbläue
Nur der trügerische Schein,
Wie ihr Auge voller Treue
Nichts als eine Lüge sein.
Hei es stürmt! am Firmamente
Schwand der Sonne hehre Pracht,
Und zum Schöpfungselemente
Ward die Welt – zur Chaosnacht.
Jetzt ein Blitz! die Donner rollen,
Wie wenn Gott im Zorne spricht;
Als ob sie verkünden sollen
Schon der Welt das Weltgericht.
Und ich zittre; bleich und trübe
Steigt ein Toter aus der Flut,
Wie in mir die tote Liebe,
Die so tief, so tief geruht.
Grabesstill die Wasserwüste,
Nur die Brandung gärt und kocht
Willenlos an ferner Küste –
Wie mein Herz im Busen pocht.