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Andreas Unterberger



Schafft die Politik ab







Leykam

Die Krise der Macht

Die westliche Politik und damit die Repräsentative Demokratie stecken in einer fundamentalen Krise. Eine Krise, die ihr Ende bedeuten kann. Was nach 1989 der strahlende Sieger der Weltgeschichte zu sein schien, ist heute in vielen Dimensionen kaputt.

Viel rascher als befürchtet haben sich die negativen Seiten dieser Form der Demokratie gezeigt und entwickelt. Immer klarer wird, dass jene schon in der Antike tätigen Philosophen Recht haben, die bei jeder Regierungsform nach dem anfänglichen Triumph ihrer Überlegenheit früher oder später das Zunehmen der negativen Aspekte prophezeien, während kaum noch die Vorteile da sind oder gesehen werden.

Jede Herrschaftsform scheiterte im Grund am Missbrauch der Macht durch die herrschende Schicht. Jedes Mal führt dieser Missbrauch zum Scheitern. Es passiert jedes Mal anders, und es ist doch im Grund jedes Mal gleich.

Einmal war die Schicht, die über andere herrschte, der Adel, der sich und sein Blut für etwas Besseres hielt. Ein andermal war es die Nomenklatura einer Partei, ob es nun die Kommunistische oder die Nationalsozialistische war; sie benützten nicht mehr Gott, sondern eine krause Ideologie, um ihre Macht abzusichern. In Lateinamerika wieder waren es Offiziere, die einfach die Macht ihrer Waffen nutzten, ohne sich viel um Ideologie zu kümmern. In vielen Gebieten der Welt waren es Staatschefs, welche die Macht an sich rissen.

Immer haben die nach der Herrschaft Greifenden den unzufriedenen Menschen versprochen, dass unter ihnen im Gegensatz zur früheren Herrschaft das Wohl der Bevölkerung im Zentrum stehen werde. Ein Teil der Machthaber hat das auch durchaus ernst gemeint. Besonders anfangs. Aber langfristig haben diese Versprechungen nie gehalten oder wurden vergessen. Zunehmend war nur noch der Machterhalt wichtig.

Heute sind es die demokratisch gewählten Repräsentativ-Politiker, die vor einem ähnlichen Schicksal stehen, vor dem Scheitern. Es hilft ihnen wie den früheren Eliten wenig, dass sie sich eng mit den Medien und den Beamten verbinden. Genauso wenig hilft ihnen das Klammern an die Macht oder die Berufung darauf, dass sie meist am Beginn der politischen Laufbahn durchaus positiv eingestellt waren. Dass die Bürger der Herrschaft der Repräsentativen Demokratie lange zugestimmt haben. Die Bürger hatten ja geglaubt, dass nun keine Elite über sie regieren werde, dass Demokratie bedeutet, das Volk würde herrschen.

Der Adel und die Religion

Längst haben die Menschen vergessen, dass auch das Entstehen des Adels mit dem Schutz vor äußeren Feinden verbunden gewesen ist. Und mit dem Versprechen der sich in Kriegen herausbildenden Machtschicht, auch nach innen Recht und Ordnung zu sichern.

Solange Adelige ihre Schutz-und-Ordnung-Versprechen ernst meinten, solange sie keine Kriege verloren und solange sich im Gegenzug die Menschen wirtschaftlich (also im größten Teil der Geschichte meist landwirtschaftlich) mit ausreichendem Erfolg betätigen konnten, war es für die meisten Menschen völlig in Ordnung, dass dieser Adel Macht ausübte. Es war lange auch nicht wesentlich, ob man den Adel nun als national oder fremdländisch empfand. Man sah es als natürlich an, dass Herrscher ihre Macht von einer Generation an die nächste vererbten, dass es keine Prüfung der Talente des solcherart an die Macht Kommenden gab.

Ging es den Menschen wirklich schlecht, gab es freilich auch immer wieder Aufstände gegen die Herrschenden. Man denke nur an die vielen Bauernrevolten. Manchmal hatten die Aufständischen Erfolg, sehr oft nicht. Aber mit ganz wenigen Ausnahmen war ihre Zielrichtung klar: Wenn sich Adelige als unfähig erwiesen, glaubten sie, mit einem neuen Herrscher und dessen Familie künftig besser zu fahren.

Wie sollten die ganz überwiegend bäuerlichen Menschen auch anders handeln? Sie waren An­alphabeten. Sie kamen meist aus ihren Tälern gar nicht heraus. Sie trauten sich oft gar nicht zu, dass einfache Menschen die Macht ausüben konnten. Solange Priester ihnen nicht sagten, dass sie die Welt anders sehen sollten, sahen sie die Herrschenden wie seit Generationen.

Sehr oft missbrauchte der Adel bei der Machtausübung die Religion. Er setzte den Staat mit der Religion gleich oder er gab sich von Gottes Gnaden umgeben. Noch schlimmer war der Götterkult um Herrscher. Von römischen bis zu chinesischen Kaisern gaben sich diese gerne als göttliche Wesen aus.

Angesichts der dramatischen sozialen Unterschiede glaubten manche sogar wirklich, dass die Herrschenden göttlich seien. Diese nutzten bisweilen auch Naturphänomene, um ihre Macht zu sichern. Man denke etwa an die für Ägypten lebensnotwendigen Nilhochwässer, die – obwohl ein ganz natürliches jahreszeitliches Ereignis – ehrfurchtsvoll mit den Göttern und den Pharaos in Verbindung gebracht wurden.

Religionsähnliche Versatzstücke werden bis heute auch in scheinbar total atheistischen Staaten zur Absicherung der Macht verwendet. Das ist etwa in Nordkorea so, auch wenn dort Gott oder Religion sehr böse Wörter sind. Die Absage an Religionen ist dort jedoch nur eine theoretische, in Wahrheit erfolgt die Machtausübung unter Benutzung vieler Elemente von Religiösem. Wer es in Nordkorea etwa wagt, Kim Il-Sung oder seine schon in dritter Generation herrschenden Erben als ganz normale, daher auch irrtumsanfällige Menschen zu bezeichnen, der wird extrem streng bestraft. Nicht einmal ein Halbsatz darf kritisiert werden. Die angebliche Allwissenheit dieser Familie (wenn nicht gerade eines ihrer Mitglieder umgebracht wird), dieses Verbot jeder Kritik-Möglichkeit, diese Behauptung der Allmacht ist nichts anderes als Religion, wenn auch in ihrer bösesten Form.

In Kommunismus wie Nationalsozialismus stand ebenfalls die Unfehlbarkeit des obersten Führers im Zentrum; es gab die Berufung auf Bücher, es gab die der Firmung gegenübergestellte Jugendweihe, es gab den vehementen Kampf gegen jeden anderen Kult (besonders gegen die römisch-katholische Kirche, die ja dem Papst untersteht, der sich dem totalitären Zugriff entzog).