Ulrich Gerhartz

ZELLE 231

Bekenntnisse des Ex-Millionärs Gustav Ojehminee

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Für Jelena

und diejenigen, die trotz allem

noch mit mir reden

 

 

 

 

Mein Dank gilt Sabine,

die mich mit Rat und Tat unterstützt hat!


Ulrich Gerhartz

Zelle 231

Bekenntnisse des Ex-Millionärs Gustav Ojehminee


AtheneMedia

Mosaik im Detail


Zu diesem Buch

„Betrachten Sie sich als querschnittsgelähmt!“, teilte ihm sein berühmter Star-Strafverteidiger nach Studium der Anklageakte mit.

Gustav Ojehminee, der europaweit renommierte Musik-Produzent und Tourneeveranstalter fällt aus allen Wolken, mutiert innerhalb weniger Wochen vom großzügig-selbstgefälligen Geber zum demütig-dankbaren und völlig bankrotten Almosen-Empfänger.

Verhaftet wegen Steuerhinterziehung in einiger Millionenhöhe - weswegen sonst? – weckt der Aufprall nach endlos tiefem Fall ganz neue Geister im verwöhnten Unternehmergemüt.

Mit viel Witz und guter Beobachtungsgabe betrachtet Gustav Ojehminee facettenreich die kindgerechte Gefängnisbehandlung, das überraschend gut funktionierende Multi-Kulti-Leben hinter Gittern, erzählt mit leichter Hand und großer Seele Interessantes, Skurriles, von Enttäuschungen und Verlustängsten, vom Leben und dem Prozess und der großen Unbekannten, die da Zukunft heißt.



ANWALT OHNE INHALT

Mein Anwalt erschien stets tip top gestylt, farblich mit den Socken abgestimmter Anzug, dynamischer Schritt, forsch der Blick.

Er hat jede Menge Geld von mir kassiert. Und immer stand auf der Rechnung oben drüber: GUTER RAT IST TEUER!

2 Jahre lang hat er in stundenlangen Monologen auf mich eingeredet, Schreckens-Szenarien an die Wand gepinselt.

Nur für meine Verteidigung, für die Wahrung meiner Interessen, dafür hatte er nichts im Köcher. Null Komma Null.

Auf all die immer bedrohlicher und umfangreicher werdenden Vorwürfe der Steuerfahndung, die mehrmaligen Beschlagnahmungen, die Auflistung der Steuervergehen, hat er nur eins gemacht: geredet.

Mit mir. Mit sonst niemandem.

Bei der gewaltigen Höhe der Summenvorwürfe – über 4 Millionen sollte ich hinterzogen haben – sollte man meinen, er redet auch mal mit der Steuerfahndung, horcht aus, versucht zu vermitteln, auf die Bremse zu treten, gegenzusteuern.

Die Rush Hour seiner Aktivitäten war seine Frage an mich, ob ich mich schuldig fühle, ob wir Geständnisse machen sollten. Das fragt er MICH!

Meine gefühlte Wahrheit war ein klares NEIN. Das reichte ihm. Er meinte, je weniger wir mitteilten, desto besser.

Mein teurer Anwalt hielt diese Schein-Kooperation für eine tolle Idee. Mir entging der tiefere Sinn.

Irgendeine Gefahr erkannte er nicht.

Ein Anwalt mit astronomischen Stundenlöhnen und genialen kriminalistischen Fähigkeiten: Nirgendwo hinterließ er Spuren seiner Tätigkeit.

Irgendwann war der letzte Zug eingetroffen, auf den wir noch hätten aufspringen können. Und irgendwann war der letzte Zug abgefahren.

Das merkte ich daran, dass der Steuerfahnder das Angebot eines persönlichen Gesprächs ablehnte. Er schrieb, wozu denn, wenn wir sowieso nichts anbieten wollten.

Ich bekam ein wenig Panik und bot meinem Anwalt an, zumindest Material zusammenzustellen, an dem die Steuerfahnder etwas zu knabbern hätten. Ein reines Nein ohne alles schien mir doch zu provokativ.

„Ja“, meinte mein teurer Anwalt, „machen Sie mal.“

Ich stellte im Schweiße meines Angesichts 2 dicke Ordner zusammen, mit zahlreichen neuen Zeugenaussagen, Verträgen, Kalkulationen und Unterlagen aus 8 Jahren umfangreicher Tourneen- und Konzerttätigkeit und nach 4 Wochen harter Arbeit übergab ich ihm stolz meine gesammelten Werke.

„Toll“, sagte er, „damit haben Sie jetzt mindestens 6 Monate Ruhe!!!“

Er versprach, die Unterlagen umgehend zu sichten und an die Steuerfahndung innerhalb weniger Tage weiterzuleiten.

Beruhigt und frohgelaunt, mit einem schwungvollen Lied auf den Lippen, fuhr ich nach Hause.

Wohlwissend, dass endlich etwas passierte, endlich würde sich das Steuerfahndungsfähnchen in die richtige Richtung drehen und alles zu einem positiven Abschluss kommen. Besonders, nachdem mir mein teurer Anwalt immer wieder versicherte, es gäbe auch nach seiner Überzeugung nichts zu beichten.

Was ich nicht wusste: Mein Anwalt hatte vor allem mal wieder eins gemacht: mir eine dicke Rechnung zugesandt. Er hatte auch viel geredet – mit mir. Aber getan – getan hatte er rein gar nichts.

Er hatte meine Schweißarbeit nicht einmal angerührt. Wusste gar nicht, was da drin stand. Hat weder der Steuerfahndung das versprochene, angeblich so eilige Schreiben zugesandt noch sonst irgendeine Zeile an entlastendem Material aufgetischt. Er hat meine 2 dicken Ordner, die ich mit soviel Liebe und Mühe zusammengestellt hatte, in die Ecke gestellt. Da, wo man sie nicht sehen kann. Und schlicht – NICHTS – das absolute NICHTS abgesondert.

Und er hat mich noch nicht einmal darüber informiert, dass er KEIN eiliges Schreiben der Fahndung zukommen lässt. Dass er sie heimlich in dem Glauben lässt, wir hätten den 200 Seiten umfassenden Vorwürfen in Höhe von 4,5 Millionen hinterzogener Steuern NICHTS, das absolute NICHTS entgegenzusetzen.

Keine brillante juristische Darlegung unserer Argumente, keine Verunsicherung der Anklage-Vorwürfe, keine Gesprächsbereitschaft.

Na, da fühlte sich der arme Bursche von der Steuerfahndung, Herr Würger, zu Recht verschaukelt – nach 2 Jahren Recherche aufwendigster Art mit 500 beschlagnahmten und durchwühlten Ordnern. Aber kompletto und totalo! Und provoziert. Würd` ich auch.

Und was macht ein kleiner, verarschter Sachbearbeiter? Er plustert sich auf zum Rächer der unschuldig Verwaisten, Verarmten und Kleingehaltenen. Er übergibt das Material der – STAATSANWALTSCHAFT.

Das weiß jeder, der bis 3 zählen kann. Leider schaffte mein teurer Steueranwalt es nur bis zur Zahl 2.