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JOSEPH VON EICHENDORFF
(1788–1857) zählt zu den bedeutendsten Dichtern der deutschen Romantik, und seine Gedichte gehören ebenso wie seine Novellen (Aus dem Leben eines Taugenichts) zum unverlierbaren Bestand deutscher Literatur. Er studierte Rechtswissenschaft und Philosophie in Halle, Heidelberg und Berlin, lernte Achim von Arnim, Clemens Brentano und Friedrich Schlegel kennen, hörte Vorlesungen bei Schleiermacher und Fichte. Von 1813 bis 1815 nahm er an den Befreiungskriegen gegen Napoleon teil. Danach trat er in den Staatsdienst ein, aus dem er 1844 entlassen wurde. Nach Aufenthalten in Danzig, Wien, Berlin und Dresden zog er sich 1855 in das schlesische Neiße zurück.

HERAUSGEBER
Hans-Joachim Simm, Dr. phil., geboren 1946, lebt als freier Publizist bei Frankfurt am Main. Er war bis 2009 Leiter des Insel Verlags, des Verlags der Weltreligionen und der Buchreihe »edition unseld«. Er gab zahlreiche Werkausgaben deutscher Dichter und Schriftsteller und diverse Anthologien heraus.

Zum Buch

Eichendorffs Gedichte gehören zu den bekanntesten Werken der deutschen Romantik, und seine in volkstümlichem Ton verfaßten Lieder sind bis heute einem breiten Publikum vertraut. Eichendorff wußte um die Vergänglichkeit, um die Unwiederbringlichkeit von Kindheit und Jugend, um den Verlust seines Paradieses. Er wußte, dass seine romantische Welt bedroht war von einem dunklen Untergrund, dass die Welt des schönen Scheins zerfiel. Gerade deswegen beschwor er sie immer wieder.

Eichendorffs Lieder wurden häufig als Wanderburschenlieder, als reine Natur- und Stimmungsbilder missverstanden. Doch den Bildern von Wald und Heimat, Dämmerung und Nacht, Gärten und Bäumen, rauschenden Wassern und Quellen kommt eine tiefere Bedeutung zu; hinter den formelhaften Wendungen dieser Lyrik verbirgt sich eine komplexe Symbolik. Eichendorff hat die verwir- rende Welt des Traums und der Realität, einer oft als chaotisch empfundenen Wirklichkeit, nicht nur evoziert, er hat sie auch zu bannen versucht, hat sie mit den Mitteln der poetischen Sprache einer göttlichen Macht unterstellt, der seine Dichtung Ausdruck verleihen soll. Dieses Anerkennen einer höheren Ordnung führt zu einer heiteren, versöhnlichen Lebenszugewandtheit, die alle Melancholie und Trauer letztlich überwindet.

Joseph von Eichendorff

Es war, als hätt’ der Himmel
die Erde still geküsst

Joseph von Eichendorff

Es war, als hätt’ der Himmel
die Erde still geküsst

Gedichte

Herausgegeben von Hans-Joachim Simm

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Alle Rechte vorbehalten

© by marixverlag in der Verlagshaus Römerweg GmbH, Wiesbaden 2014
Der Text basiert auf der Ausgabe marixverlag, Wiesbaden 2014
Covergestaltung: Groothuis. Gesellschaft der Ideen und Passionen mbH
Hamburg Berlin
Bildnachweis: „Lake on sunset“, Boyan Dimitrov, fotolia
eBook-Bearbeitung: Bookwire GmbH, Frankfurt am Main

ISBN: 978-3-8438-0463-9

www.verlagshaus-roemerweg.de/Marix/

INHALT

ES GEHT WOHL ANDERS, ALS DU MEINST
Gedankensplitter

EWIGS TRÄUMEN VON DEN FERNEN
Gedichte 1807–1810

HÜTE DICH, BLEIBWACH UND MUNTER
Gedichte 1811–1815

WOHIN ICH GEHUND SCHAUE
Gedichte 1816–1830

KOMM’ TROST DER WELT, DU STILLE NACHT
Gedichte 1831–1836

GENUG GEMEISTERT NUN DIE WELTGESCHICHTE
Gedichte 1837–1843

WO WERDICH SEIN IM KÜNFTGEN LENZE?
Gedichte 1844–1857

Zu dieser Ausgabe

Alphabetisches Verzeichnis der Gedichtüberschriften und -anfänge

In wildem Wechsel treibt das flüchtge Leben.

Bang schwebt der Schiffer auf den fliehenden Wogen,

Vorüber Land und Menschen fortgezogen,

Es muß wohin die vollen Segel streben.

In Dämmrung sieht er noch die Heimat ragen,

Cypressen aus vergeßnen Blumenwogen;

Herüber schimmert’s hold wie Regenbogen,

Er steht allein – und kann nur sehnend klagen;

Nichts weilt, doch aus der Erinnrung süßen Schmerzen,

Da blühen wieder die verklungnen Zeiten;

Ob auch die lieben Stunden längst vergangen,

Ruht doch ihr stilles Bild in träum’nden Herzen

Frühlingen gleich von Zauberschein umfangen,

Freundlich durchs ganze Leben zu geleiten.

ES GEHT WOHL ANDERS,
ALS DU MEINST

Gedankensplitter

WÜNSCHELRUTE

Schläft ein Lied in allen Dingen,

Die da träumen fort und fort,

Und die Welt hebt an zu singen,

Triffst du nur das Zauberwort.

Der Liebende steht träge auf

Der Liebende steht träge auf,

Zieht ein Herrjemine-Gesicht

Und wünscht, er wäre tot.

Der Morgen tut sich prächtig auf,

So silbern geht der Ströme Lauf,

Die Vöglein schwingen hell sich auf:

„Bad, Menschlein, dich im Morgenrot,

Dein Sorgen ist ein Wicht!“

AN

Wie nach festen Felsenwänden

Muß ich in der Einsamkeit

Stets auf dich die Blicke wenden.

Alle, die in guter Zeit

Bei mir waren, sah ich scheiden

Mit des falschen Glückes Schaum,

Du bliebst schweigend mir im Leiden,

Wie ein treuer Tannenbaum,

Ob die Felder lustig blüh’n,

Ob der Winter zieht heran,

Immer finster, immer grün –

Reich’ die Hand mir, wackrer Mann.

SYMMETRIE

1810

O Gegenwart, wie bist du schnelle,

Zukunft, wie bist du morgenhelle,

Vergangenheit so abendrot!

Das Abendrot soll ewig stehen,

Die Morgenhelle frisch drein wehen,

So ist die Gegenwart nicht tot.

Der Tor

Der Tor, der lahmt auf einem Bein,

Das ist gar nicht zu leiden,

Schlagt ihm das andre Bein entzwei,

So hinkt er doch auf beiden!

LEBEN UND SINGEN

Wohl vor lauter Sinnen, Singen

Kommen wir nicht recht zum Leben;

Wieder ohne rechtes Leben

Muß zu Ende geh’n das Singen;

Ging zu Ende dann das Singen:

Mögen wir auch nicht länger leben.

INTERMEZZO

Wie so leichte läßt sich’s leben!

Blond und rot und etwas feist,

Tue wie die andern eben,

Daß Dich jeder Bruder heißt,

Speise, was die Zeiten geben,

Bis die Zeit auch Dich verspeist!

Im beschränkten Kreis

Im beschränkten Kreis der Hügel,

Auf des stillen Weihers Spiegel

Scheue, fromme Silberschwäne –

Fassend in des Rosses Mähne

Mit dem Liebsten kühn im Bügel –

Blöde Bande – mut’ge Flügel

Sind getrennter Lieb’ Gedanken!

Hinaus, o Mensch

„Hinaus, o Mensch, weit in die Welt,

Bangt dir das Herz in krankem Mut!

Nichts ist so trüb in Nacht gestellt,

Der Morgen leicht macht’s wieder gut.“

DIE SCHÄRPE

Mein Schatz, das ist ein kluges Kind,

Die spricht: „Willst du nicht fechten:

Wir zwei geschiedne Leute sind;

Erschlagen dich die Schlechten,

Auch keins von beiden dran gewinnt.“

Mein Schatz, das ist ein kluges Kind,

Für die will ich leben und fechten!

ZEICHEN

So Wunderbares hat sich zugetragen:

Was aus uralten Sagen

Mit tief verworrener Gewalt oft sang

Von Liebe, Freiheit, was das Herz erlabe,

Mit heller Waffen Klang

Es richtet sich geharnischt auf vom Grabe,

Und an den alten Heerschild hat’s geschlagen,

Daß Schauer jede Brust durchdrang.

Jeder nennet froh

Jeder nennet froh die Seine,

Ich nur stehe hier alleine,

Denn was früge wohl die Eine:

Wen der Fremdling eben meine?

Und so muß ich, wie im Strome dort die Welle,

Ungehört verrauschen an des Frühlings Schwelle.

Hier bin ich, Herr!

Hier bin ich, Herr! Gegrüßt das Licht,

Das durch die stille Schwüle

Der müden Brust gewaltig bricht,

Mit seiner strengen Kühle.

Nun bin ich frei! ich taum’le noch

Und kann mich noch nicht fassen –

O Vater, du erkennst mich doch,

Und wirst nicht von mir lassen!

AN

Eitelkeiten in dem sünd’gen Busen,

Nahest du der heil’gen Kunst,

Und geschminket betteln deine Musen

Um des Erdengeistes Gunst.

Falsche Metze und kein Mann!

Spitz’ und kitzle nur den Witz,

Aus dem Himmel fällt der Blitz,

Der zerschmettern dich und zünden kann!

ANDEUTUNGEN

(Ahnung und Gegenwart)

1. Freiheit

Frei, ihr Kanaillen, sag’ ich, sollt ihr sein,

Doch nicht, wie ihr es wollt, ihr Dumme, Blinde,

Versunken in des Aberglaubens Schein,

Nein, so wie ich’s heut’ eben dienlich finde.

2. Gleichheit

Wie? Niedrig wir, ihr hoch; wir arm, ihr reich?

Planierend schwirrt die Schere dieser Zeit;

Seid niedrig, arm, wie wir, so sind wir gleich

Und die Misere wird doch etwas breit.

3. Weltgeschichte

Inmitten steht die Sonn’ und wandelt nicht,

Ringsum sehnsüchtig kreisen die Planeten,

Die deckt heut Nacht, die will der Morgen röten,

Doch ewig heiter strahlt das ew’ge Licht.

4. Tagesgeschichte

Es rast der Sturm in der Historie Blättern,

Und jeder schnappt sich schnell draus sein Fragment.

Doch deutle nur! Der Herr in Zorneswettern

Geht über dich hinweg und führt’s zu End.

5. Wunder über Wunder

Du wunderst wunderlich dich über Wunder,

Verschwendest Witzespfeile, blank geschliffen.

Was du begreifst, mein Freund, ist doch nur Plunder,

Und in Begriffen nicht mit einbegriffen

Ist noch ein unermeßliches Revier,

Du selber drin das größte Wundertier.

SÄNGERGLÜCK

Herbstlich alle Fluren rings verwildern,

Und unkenntlich wird die Welt.

Dieses Scheidens Schmerzen sich zu mildern,

Wenn die Zauberei zerfällt,

Sinnt der Dichter, treulich abzuschildern

Den versunknen Glanz der Welt.

Selig Herze, das in kühnen Bildern

Ewig sich die Schönheit hält!

Dein Wille, Herr

Dein Wille, Herr, geschehe!

Verdunkelt schweigt das Land,

Im Zug der Wetter sehe

Ich schauernd Deine Hand.

O mit uns Sündern gehe

Erbarmend in’s Gericht!

Ich beug’ im tiefsten Wehe

Zum Staub mein Angesicht,

Dein Wille, Herr, geschehe!

ABEND

Schweigt der Menschen laute Lust:

Rauscht die Erde wie in Träumen

Wunderbar mit allen Bäumen,

Was dem Herzen kaum bewußt,

Alte Zeiten, linde Trauer,

Und es schweifen leise Schauer

Wetterleuchtend durch die Brust.

Es schauert der Wald vor Lust

Es schauert der Wald vor Lust,

Die Sterne nun versanken,

Und wandeln durch die Brust

Als himmlische Gedanken.

Gewalt’ges Morgenrot

Gewalt’ges Morgenrot,

Weit, unermeßlich – du verzehrst die Erde!

Und in dem Schweigen nur der Flug der Seelen,

Die säuselnd heimzieh’n durch die stille Luft. –

TOAST

Auf das Wohlsein der Poeten,

Die nicht schillern und nicht goethen,

Durch die Welt in Lust und Nöten

Segelnd frisch auf eig’nen Böten.

Es geht wohl anders

Es geht wohl anders, als du meinst,

Derweil du rot und fröhlich scheinst

Ist Lenz und Sonnenschein verflogen,

Die liebe Gegend schwarz umzogen;

Und kaum hast du dich ausgeweint,

Lacht Alles wieder, die Sonne scheint –

Es geht wohl anders als man meint.

AM ABEND

Was ist mir denn so wehe?

Es liegt ja wie im Traum

Der Grund schon wo ich stehe,

Die Wälder säuseln kaum

Noch von der dunklen Höhe.

Es komme wie es will,

Was ist mir denn so wehe –

Wie bald wird alles still.

Die fernen Heimathöhen

Die fernen Heimathöhen,

Das stille hohe Haus,

Der Berg, von dem ich gesehen

Jeden Frühling in’s Land hinaus,

Mutter, Freunde und Brüder,

An die ich so oft gedacht,

Es grüßt mich alles wieder,

In stiller Mondesnacht.

Waldeinsamkeit

Waldeinsamkeit!

Du grünes Revier,

Wie liegt so weit

Die Welt von hier!

Schlaf’ nur, wie bald

Kommt der Abend schön,

Durch den stillen Wald

Die Quellen gehn,

Die Mutter Gottes wacht,

Mit ihrem Sternen-Kleid

Bedeckt sie Dich sacht

In der Waldeinsamkeit,

Gute Nacht, gute Nacht! –

SPRUCH

Drüben von dem sel’gen Lande

Kommt ein seltsam Grüßen her,

Warum zagst du noch am Strande?

Graut dir, weil im falschen Meer

Draußen auf verlornem Schiffe

Mancher frische Segler sinkt?

Und von halbversunknem Riffe

Meerfei nachts verwirrend singt?

Wagst du’s nicht draufhin zu stranden,

Wirst du nimmer drüben landen!

Hast du doch Flügel

Hast du doch Flügel eben

Und das gewalt’ge Wort;

Halt’ hoch dich über dem Leben,

Sonst geht’s über dich fort.

Gleichwie auf dunklem Grunde

Gleichwie auf dunklem Grunde

Der Friedensbogen blüht,

So durch die böse Stunde

Versöhnend geht das Lied.

Laß nur die Wetter

Laß nur die Wetter wogen!

Wohl übers dunkle Land

Zieht einen Regenbogen

Barmherzig Gottes Hand.

Auf dieser schönen Brücke,

Wenn alles wüst und bleich,

Gehn über Not und Glücke

Wir in das Himmelreich.

Trennung ist wohl Tod

Trennung ist wohl Tod zu nennen,

Denn wer weiß, wohin wir gehn,

Tod ist nur ein kurzes Trennen

Auf ein baldig Wiedersehn.

Von allen guten Schwingen

Von allen guten Schwingen

Zu brechen durch die Zeit,

Die mächtigste im Ringen,

Das ist ein rechtes Leid.

ÜBERMUT

Ein’ Gems auf dem Stein,

Ein Vogel im Flug,

Ein Mädel, das klug,

Kein Bursch holt die ein.

Viele Boten geh’n

Viele Boten geh’n und gingen

Zwischen Erd’ und Himmelslust,

Solchen Gruß kann keiner bringen,

Als ein Lied aus frischer Brust.

DICHTERLOS

Für Alle muß vor Freuden

Mein treues Herze glüh’n,

Für Alle muß ich leiden,

Für Alle muß ich blüh’n,

Und wenn die Blüten Früchte haben,

Da haben sie mich längst begraben.

SPRUCH

Bau nur auf Weltgunst recht

Und paß’ auf jeden Wink und Gruß,

Wirst dabei nimmer fröhlich werden!

Es hat’s kein Hund so schlecht,

Der hinter seinem Herren muß,

Nicht frei spazieren kann auf Erden.

Wo ruhig sich

Wo ruhig sich und wilder

Unstete Wellen teilen,

Des Lebens schöne Bilder

Und Kläng’ verworren eilen,

Wo ist der sichre Halt? –

So ferne, was wir sollen,

So dunkel, was wir wollen,

Faßt alle die Gewalt.

TUSCH

Fängt die Sonne an zu stechen,

Tapfer schießen Gras und Kräuter

Und die Bäume schlagen aus:

Muß des Feinds Gewalt zerbrechen,

Nimmt der Winter schnell Reißaus,

Erd’ und Himmel glänzen heiter;

Und wir Musikanten fahren,

Lustig auf dem Fluß hinunter,

Trommeln, pfeifen, blasen, geigen

Und die Hörner klingen munter.

AUSSICHT

Komm zum Garten denn, Du Holde!

In den warmen, schönen Tagen

Sollst Du Blumenkränze tragen,

Und vom kühl krystall’nen Golde

Mit den frischen, roten Lippen,

Eh’ ich trinke, lächelnd nippen.

Ohne Maß dann, ohne Richter,

Küssend, trinkend singt der Dichter

Lieder, die von selbst entschweben:

Wunderschön ist doch das Leben!

Brech der lustige Sonnenschein

Brech der lustige Sonnenschein

Mit der Tür Euch in’s Haus hinein,

Daß alle Stuben so frühlingshelle!

Ein Engel auf des Hauses Schwelle

Mit seinem Glanze säume

Hof, Garten, Feld und Bäume,

Und geht die Sonne Abends aus,

Führ’ er die Müden mild nach Haus.

Andre haben andre Schwingen

Andre haben andre Schwingen,

Aber wir, mein fröhlich Herz,

Wollen grad’ hinauf uns singen,

Aus dem Frühling himmelwärts!

WERKTAG

Wir wandern nun schon viel hundert Jahr,

Und kommen doch nicht zur Stelle –

Der Strom wohl rauscht an die tausend gar,

Und kommt doch nicht zur Quelle.

SONNTAG

Weit in das Land die Ström’ ihr Silber führen,

Fern blau Gebirge duftig hingezogen,

Die Sonne scheint, die Bäume sanft sich rühren,

Und Glockenklang kommt auf den linden Wogen:

Hoch in den Lüften Lerchen jubilieren,

Und, so weit klar sich wölbt des Himmels Bogen,

Von Arbeit ruht der Mensch rings in die Runde,

Atmet zum Herren auf aus Herzensgrunde.

Was ich wollte

Was ich wollte, liegt zerschlagen,

Herr, ich lasse ja das Klagen,

Und das Herz ist still.

Nun aber gib auch Kraft, zu tragen,

Was ich nicht will!

DURCH!

Ein Adler saß am Felsenbogen,

Den lockt’ der Sturm weit über’s Meer,

Da hatt’ er droben sich verflogen,

Er fand sein Felsennest nicht mehr,

Tief unten sah er kaum noch liegen

Verdämmernd Wald und Land und Meer,

Mußt’ höher, immer höher fliegen,

Ob nicht der Himmel offen wär’.

WANN DER HAHN KRÄHT

Wann der Hahn kräht auf dem Dache,

Putzt der Mond die Lampe aus,

Und die Stern’ ziehn von der Wache,

Gott behüte Land und Haus!

VORWÄRTS!

Wie der Strom sich schwingt

Aus den Wolken, die ihn tränken,

Alle Bäche verschlingt,

Sie in’s Meer zu lenken –

Drein möcht’ ich versenken

Was in mir ringt!

Tritt nur mit in mein Schiff!

Wo wir landen oder stranden,

Erklinget das Riff,

Bricht der Lenz aus dem Sande,

Hinter uns dann in’s Branden

Versenk’ ich das Schiff!

GLEICHHEIT

Es ist kein Blümlein nicht so klein,

Die Sonne wird’s erwärmen,

Scheint in das Fenster mild herein,

Dem König wie dem Armen,

Hüllt Alles ein in Sonnenschein

Mit göttlichem Erbarmen.

DANK

Mein Gott, dir sag’ ich Dank,

Daß du die Jugend mir bis über alle Wipfel

In Morgenrot getaucht und Klang,

Und auf des Lebens Gipfel,

Bevor der Tag geendet,

Vom Herzen unbewacht

Den falschen Glanz gewendet,

Daß ich nicht taumle ruhmgeblendet,

Da nun herein die Nacht

Dunkelt in ernster Pracht.

TROST

Der jagt dahin, daß die Rosse schnaufen,

Der muß im Staub daneben laufen;

Aber die Nacht holt beide ein,

Setzt Jenen im Traume neben die Rosse

Und den Andern in seine Karosse –

Wer fährt nun fröhlicher? der da wacht,

Oder der blinde Passagier bei Nacht?

SCHIFFERSPRUCH

Wenn die Wogen unten toben,

Menschenwitz zu Schanden wird,

Weist mit feur’gen Zügen droben

Heimwärts dich der Wogen Hirt.

Sollst nach keinem Andern fragen,

Nicht zurückschaun nach dem Land,

Faß das Steuer, laß das Zagen!

Aufgerollt hat Gottes Hand

Diese Wogen zum Befahren

Und die Sterne, dich zu wahren.

SO ODER SO

Die handeln und die dichten,

Das ist der Lebenslauf,

Der Eine macht Geschichten,

Der Andre schreibt sie auf,

Und der will beide richten;

So schreibt und treibt sich’s fort,

Der Herr wird Alles schlichten,

Verloren ist kein Wort.

Wie wird nun Alles

Wie wird nun Alles so stille wieder!

So war mir’s oft in der Kinderzeit,

Die Bäche gehen rauschend nieder

Durch die dämmernde Einsamkeit,

Kaum noch hört man einen Hirten singen,

Aus allen Dörfern, Schluchten, weit

Die Abendglocken herüberklingen,

Versunken nun mit Lust und Leid

Die Täler, die noch einmal blitzen,

Nur hinter dem stillen Walde weit

Noch Abendröte an den Bergesspitzen,

Wie Morgenrot der Ewigkeit.

MEMENTO MORI

Schnapp’ Austern, Dukaten,

Mußt dennoch sterben!

Dann tafeln die Maden

Und lachen die Erben.

SINNGEDICHTE

Wie schön und wunderbar,

Da kaum noch der Tag brach an!

Seit nun alles so nüchtern und klar,

Hab ich keine Freude mehr dran.

DIE SPERLINGE

Altes Haus mit deinen Löchern,

Geiz’ger Bauer, nun Ade!

Sonne scheint, von allen Dächern

Tröpfelt lustig schon der Schnee,

Draußen auf dem Zaune munter

Wetzen unsre Schnäbel wir,

Durch die Hecken ’rauf und ’runter,

In dem Baume vor der Tür

Tummeln wir in hellen Haufen

Uns mit großem Kriegsgeschrei,

Um die Liebste uns zu raufen,

Denn der Winter ist vorbei!

Es träumt ein jedes Herz

Es träumt ein jedes Herz

Vom fernen Land des Schönen.

Dorthin durch Lust und Schmerz

Schwingt wunderbar aus Tönen

Manch’ Brücke eine Fei, –

O! holde Zauberei!

Scherz im Ernst

Scherz im Ernst und Ernst im Scherz,

Also hält’st du’s mit den Dingen,

Daß des Lebens Kampf und Schmerz

Selber heiter muß erklingen.

Alter Dichter, junges Herz,

Sollst noch lang auf Erden singen

Und dereinst dich himmelwärts

Jubelnd, wie die Lerche, schwingen.

DER WELSCHE HAHN

Es rief der welsche Hahn

Und schlug mit seinen Flügeln,

Da hebt’s zu krähen an

Auf allen deutschen Hügeln.

Den neuen Tag bricht an

Der Herr auf allen Höhen;

Da will der Hahn sich blähen

Und meint, er hätt’s getan

Mit seinem heisern Krähen.

SPRUCH

Magst du zu dem Alten halten

Oder Altes neu gestalten,

Mein’s nur treu und laß Gott walten!

MEMENTO

So lange Recht regiert und schöne Sitte,

Du schlicht und gläubig gehst in sich’rer Mitte,

Da trittst du siegreich zwischen Molch und Drachen,

Und wo du ruhst, da wird ein Engel wachen.

Doch wenn die Kräft’, die wir „Uns selber“ nennen,

Die wir mit Schaudern raten und nicht kennen,

Gebundne Bestien, wie geklemmt in Mauern,

Die nach der alten Freiheit dunkel lauern –

Wenn die rebellisch sich von dir lossagen,

Gewohnheit, Glauben, Sitt’ und Recht zerschlagen,

Und stürmend sich zum Elemente wenden:

Mußt Gott du werden oder teuflisch enden.

DER ERLÖSER

Wie Du auch die Kraft magst wenden;

Was die tiefste Seele will,

Niemals wirst Du’s hier vollenden

Und die Sehnsucht wird nicht still.

EWIGS TRÄUMEN VON DEN FERNEN

Gedichte 1807–1810

VARIAZION

Ewig’s Träumen von den Fernen!

Endlich ist das Herz erwacht

Unter Blumen, Klang und Sternen

In der dunkelgrünen Nacht.

Schlummernd unter blauen Wellen

Ruht der Knabe unbewußt,

Engel ziehen durch die Brust,

Oben hört er in den Wellen

Ein unendlich Wort zerrinnen,

Und das Herze weint und lacht,

Doch er kann sich nicht besinnen

In der dunkelgrünen Nacht.

Und der Frühling will sich bläuen,

Aus der Grüne, aus dem Schein

Ruft es lockend: Ewig Dein! –

Aus der Minne Zaubereien

Muß er sehnen sich nach Fernen,

Denkend der alten Wunderpracht

Unter Blumen, Klang und Sternen

In der dunkelgrünen Nacht.

Heil’ger Kampf nach langem Säumen,

Wenn süßschaudernd an das Licht,

Lieb’ in dunkle Klagen bricht!

Aus der Schmerzen Sturz und Schäumen

Steigt Geliebte, Himmel, Fernen,

Endlich ist das Herz erwacht

Unter Blumen, Klang und Sternen

In der dunkelgrünen Nacht.

Und der Streit muß sich versöhnen,

Und die Wonne und den Schmerz

Muß er ewig himmelwärts

Schlagen nun in vollen Tönen:

Ewig’s Träumen von den Fernen!

Endlich ist das Herz erwacht

Unter Blumen, Klang und Sternen

In der dunkelgrünen Nacht.

DER FROMME

Es saß ein Kind gebunden und gefangen,

Wo vor der Menschen eitlem Tun und Schallen

Der Vorzeit Wunderlaute trüb verhallen;

Der alten Heimat dacht’ es voll Verlangen.

Da sieht sie draußen Ströme, hell ergangen,

Durch zaub’risch Land viel Pilger, Sänger wallen,

Kühl rauscht der Wald, die lust’gen Hörner schallen,

Aurora scheint, so weit die Blicke langen. –

O laß die Sehnsucht ganz Dein Herz durchdringen!

So legt sich blühend um die Welt Dein Trauern

Und himmlisch wird Dein Schmerz und Deine Sorgen.

Ein frisch Gemüt mag wohl die Welt bezwingen,

Ein recht Gebet bricht Banden bald und Mauern:

Und frei springst du hinunter in den Morgen.

GEBET

Wie in einer Blume himmelblauen