Fire&Ice

Band 6.5

Gregor Zadow

 

 

 

 

Allie Kinsley

Bereits erschienen:

Fire&Ice 1 - Ryan Black

Fire&Ice 2 - Tyler Moreno

Fire&Ice 3 - Shane Carter

Fire&Ice 4 - Dario Benson

Fire&Ice 5 - Brandon Hill

Fire&Ice 5.5 - Jack Dessen

Fire&Ice 6 - Chris Turner

Fire&Ice 6.5 - Gregor Zadow

Fire&Ice 7 - Logan Hunter

Fire&Ice 7.5 – Jonas Harper

Fire&Ice 8 – Julien Fox

Fire&Ice 9 – Luce Suarez

Fire&Ice 10 – Joey Parker

Fire&Ice 11 – Matthew Fox

Fire&Ice 12 – Fabio Bellini

Fire&Ice 13 – Alex Altera

Fire&Ice 14 – Taylor Falk

 

Sweet like Candy

 

Protect Me – Brian

Protect Me – Ash

Protect Me – Ray

Protect Me – Dante

Protect Me – Chase

Protect Me – Levin

Protect Me – Dean

Protect Me – Thomas

 

Yearn for Adam

Yearn for Slade

 

Copyright © 2014 Allie Kinsley

All rights reserved.

Lektorat: Brunhilde Witthaut

Cover Foto: bigstockphoto.com, Stockfoto-ID: 284120, Kurhan
 

 

 

 

 

 

 

 

1 BOSTON

 

 

GREGOR

 

Boston gehörte nicht unbedingt zu seinen Lieblingsstädten. Wenn er seine kleine Schwester und seine Nichte sehen wollte, blieb ihm aber nichts anderes übrig, als von Düsseldorf nach Boston zu fliegen.

Oder in diesem Fall von Talin nach Boston, da er direkt nach dem Mittelalterfestival mit den anderen nach Amerika geflogen war.

Das war mittlerweile sieben Wochen her. Er fühlte sich hier nicht wohl, hatte aber auch keinen anderen Ort, an dem er hätte sein wollen.

Überall war er das fünfte Rad am Wagen. Sogar in Talin erging es ihm so. Früher war er derjenige, der in seiner Gruppe, den Setarips, das Sagen gehabt hatte. Wenn es Probleme gab, kamen seine Freunde zu ihm. Er hatte auf alle achtgegeben und immer dafür gesorgt, dass keiner auf der Strecke blieb.

Allen voran seine kleine Schwester Nina.

Natürlich freute er sich darüber, dass sie sich endlich wieder öffnen konnte und die Liebe ihres Lebens gefunden hatte.

Aber Ty hatte einfach ein so einnehmendes Wesen, dass neben ihm kaum mehr Platz in Ninas Leben zu sein schien.

Auch seine anderen Hühner hatte er nach und nach an die Männerwelt verloren und irgendwie fehlte ihm eine Aufgabe … oder einfach nur seine eigene Frau, auf die er achten konnte.

Gar nicht so leicht. Sie waren alle so furchtbar stur und Frauen wie Nicky entschieden sich immer für abgefuckte Typen wie Chris, auch wenn dieser noch gerade rechtzeitig die Kurve bekommen hatte.

Es war Samstag am späten Nachmittag. Er hatte sich gerade von Skys Quizrunde im Meets verabschiedet. Die Männer waren nett und es war mehr als lustig anzusehen, wie sehr diese Treffen an Ryans Nervenkostüm nagten.

Die geplante Hochzeit der beiden war verschoben worden. Sie wollten stattdessen im Oktober zusammen in den Urlaub fliegen.

Im Frühjahr würde es dann eine große Doppelhochzeit mit allem Drum und Dran geben, denn Shanes und Mayas Party stand ebenfalls noch aus.

Eine Feier ließen sich die Jungs von Fire&Ice, der Feuerspuckergruppe, mit denen sie sich zusammengetan hatten, bestimmt nicht entgehen.

Für heute hatte er aber genug von Gesellschaft und sich deshalb dafür entschieden, zurück in Cathrin Blacks Hotel zu gehen.

CB Resorts war ein renommiertes Hotel, das Ryans kleiner Schwester gehörte. Bei seiner eigenen Schwester und Ty zu übernachten, kam nicht in Frage. Ty selbst oder dieser verrückte Rüde, den Nina so abgöttisch liebte, würden ihn irgendwann in Stücke reißen, wenn er sich einmal zu oft in die falsche Richtung bewegte … oder atmete.

Da die Parkgelegenheiten rund um das Meets an Quizsamstagen gegen Null gingen, hatte Gregor mit einem Parkplatz einen Block weiter vorlieb nehmen müssen.

Scheiß Großstädte!

Er war noch keine zwei Minuten unterwegs, da öffnete sich der Himmel schleusenartig. Ein richtiger Wolkenbruch.

Schnell sah er sich um und entdeckte einige Meter weiter eine kleine Nische, in der sich ein Hauseingang befand. Um nicht bis auf die Haut nass zu werden, rannte er los.

Kurz vor Erreichen der Nische prallte er mit etwas zusammen. Das Etwas quietschte und er griff reflexartig zu. Er umfasste eine sehr schmale Taille und zog sie an sich.

Große, erschrocken aufgerissene braune Augen starrten ihn an. Eine Frau. Vielleicht Mitte 20. Ihre kurzen Haare waren dunkel vom Regen und klebten an ihrem ovalen Gesicht. Ihre weich aussehenden, vollen Lippen waren ein Stück weit geöffnet und ihr Atem kam keuchend.

"Es tut mir leid. Ich habe Sie nicht gesehen", sagte er leise, da er sie nicht noch mehr verunsichern wollte.

"Ich verstehe Sie nicht", sagte sie ebenso leise auf Englisch und erst da fiel ihm auf, dass er sie auf Deutsch angesprochen hatte, obwohl er in Boston unterwegs war. Er wiederholte den Satz auf Englisch und hoffte, dass sie ihm noch einmal antworten würde. Er musste noch einmal diese Stimme hören. So weich, wie die eines Engels.

"Ich wollte mich unterstellen", sagte sie und er wäre am liebsten vor ihr auf die Knie gefallen, so himmlisch war ihr Klang.

"Ich auch. Es regnet", gab er zurück, nachdem er seine Stimme wiedergefunden hatte.

"Vielleicht sollten wir …" Sie deutete mit ihrem Kopf auf die Nische, die sie beide angesteuert hatten.

Stimmt … es regnet noch … Trottel!

Ohne sie loszulassen, ging er die letzten zwei Schritte unter das Dach. Er konnte sie nicht freigeben. Ihr zierlicher Körper fühlte sich einfach zu gut in seinen Armen an.

Als sie sich dann aber ein Stück von ihm weg drückte, hatte er keine Wahl mehr.

Sie ging rückwärts, aber weit kam sie nicht. Zwei kleine Schritte später prallte sie mit dem Rücken an die Wand. Sie nahm ihre Hände hinter sich und lehnte sich dagegen. Ihre Kleidung war genau wie seine vollkommen durchnässt. Sie klebte an der schmalen Gestalt.

Das war auch der Grund, warum er problemlos erkennen konnte, dass sie keinen BH unter ihrem grauen Shirt trug. Ihre Brustwarzen waren hart und zeichneten sich deutlich ab.

Er schob seine Hände in die Hosentaschen. Er spürte, wie sich mehr Blut in seinen unteren Regionen sammelte, und sie sollte es nicht mitbekommen. Zudem waren seine Hände so gebändigt und er kam nicht in die Versuchung, nach ihr zu greifen.

Zu gern hätte er sie wieder in seine Arme gezogen. Er war von ihrer Erscheinung und dem Gefühl, ihren Körper so nah an seinem zu fühlen, vollkommen abgelenkt gewesen. So abgelenkt, dass er noch nicht einmal ihren Geruch feststellen konnte.

Ein kleines Lächeln schlich sich auf ihre Züge.

"Mein Name ist Julie", sagte sie und neigte ihren Kopf zur Seite.

Sie war atemberaubend. Je länger er sie ansah, desto mehr war er davon überzeugt, dass er sie sich einbilden musste. Sie war so … perfekt. Ein anderes Wort fiel ihm nicht ein.

"Und deiner?"

Ach ja, Frage, Antwort. Ganz einfach, Gregor. Ja, das ist auch die Antwort.

"Gregor", sagte er schließlich, nachdem er sich geräuspert hatte.

"War schön, dich getroffen zu haben, Gregor", sagte sie lächelnd.

… ja, perfekt. Ein Engel …

Dann verließ sie auf einmal die Nische.

"Halt! Warte! Können wir uns wiedersehen?"

Sie lachte, während sie in ein dunkles Auto stieg.

"Vielleicht", sagte sie und schenkte ihm noch eines dieser atemberaubenden Lächeln. Dann fuhr der Wagen davon.

Vielleicht … wie denn?

Entkräftet ließ er sich auf den Boden sinken. Sie hatten keine zehn Worte gewechselt und doch hatte sie ihm völlig den Boden unter den Füßen weggerissen.

Ich muss sie wiedersehen!

 

 

 

 

JULIE

 

"Wer war das?", fragte Kyle, ihre Mitbewohnerin und beste Freundin.

"Gregor."

"Gregor, wer?"

"Ich weiß nicht mehr über ihn."

"Aber?"

"Er riecht gut", sagte sie lächelnd.

"Du weißt, wie er riecht, und sonst nichts? Wo hast du ihn kennengelernt?", fragte Kyle und steuerte den Wagen über die nächste Kreuzung.

"Wir sind zusammengestoßen."

"Und wirst du ihn wiedersehen, wo er doch so gut riecht?", lachte sie.

"Nein."

"Warum?"

"Du weißt warum, Kyle. Lass uns Ethan abholen und nach Hause fahren."

"Wie du meinst", sagte sie und ihr Gesichtsausdruck war bedauernd.

Auch sie fand es schade. Er war süß. Ein wenig verplant vielleicht, aber genau ihr Geschmack.

Er war gut einen Kopf größer als sie. Bestimmt 1,80 Meter groß.

Dunkle kurze Haare, aber lang genug, um hineingreifen zu können. Seine grünen Augen waren warm und freundlich.

Er hatte einen Dreitagebart, der perfekt zu seinem offenen Lächeln passte.

Die nasse Kleidung hatte eng um seinen wohlgeformten Körper gelegen. Schlank, aber nicht dürr. Vor allem auch nicht so muskulös, dass allein der Anblick seiner Arme ihr Angst machen musste.

Mit Armen, die Oberschenkeln glichen, konnte sie absolut nichts anfangen.

Nein. Gregor und sein Duft waren perfekt gewesen. Perfekt, aber doch nichts für sie.

 

 

 

 

 

 

 

 

2 Nichtvergessen

 

 

GREGOR

 

"Guten Morgen. Du siehst nicht aus, als hättest du geschlafen", sagte Cat.

Ihr Blick war warm. Anders, als er ihn von ihr kannte. Wenn sie mit jemandem außerhalb ihrer Clique sprach, wirkte sie wie ein anderer Mensch.

"Guten Morgen. Eher schlecht als recht", sagte er mit gequält verzogenem Gesicht.

"Das liegt wohl hoffentlich nicht an meinen Zimmern!", sagte sie und setzte sich mit einer Tasse Kaffee zu ihm an den Tisch.

"Nein, nein. Dein Hotel ist perfekt! Ich hab gestern eine Frau kennengelernt, die mir nicht mehr aus dem Kopf geht."

"Hört sich gut an", lächelte Cat und nahm einen Schluck.

"Wenn ich ihre Nummer hätte", gab er mit gequält verzogenem Gesicht zurück.

"Hmm … wo hast du sie denn getroffen?"

"Auf dem Weg vom Meets in Richtung Campus, als ich zu meinem Wagen ging."

"Vielleicht kam sie vom Arbeiten. Geh doch einfach um die gleiche Zeit noch einmal dort entlang, vielleicht triffst du sie durch Zufall."

Nicht die beste Idee, aber eine bessere hatte er auch nicht auf Lager.

"Danke, Cat", sagte er deshalb.

"Lass mich wissen, wie es weitergeht."

Als er nickte, verabschiedete sie sich und widmete sich ihrem Tagesgeschäft.

 

Der Tag verging zäh. Weder der Fernseher noch ein Buch konnten ihn lange genug fesseln. Zum Mittagessen traf er sich mit Nina, Ty und der kleinen Bella bei einem Griechen, den alle Fire&Ice Mitglieder zu lieben schienen.

Auch wenn Ty ihm am liebsten die Finger abgehackt hätte, hatte er Bella sofort an sich genommen. Sie war wunderschön. Eine Miniausgabe von Nina, nur einen Tick dunklere Haut.

Sie strahlte ihn unentwegt an und schaffte es dadurch tatsächlich, ihn für wenige Minuten von Julie abzulenken.

Julie. Ihr Name passte perfekt zu ihr.

"Was ist heute los mit dir, Gregor?", fragte Nina leise, aber immerhin erwartete sie mittlerweile nicht mehr, dass er ihre Gedanken lesen konnte.

"Ich geh gleich noch eine Frau suchen", gab er zurück.

Okay … waren wohl genug Worte…, dachte er, denn sowohl Nina als auch Ty sahen ihn stumm mit hochgezogenen Augenbrauen an. Also erzählte er von seiner Begegnung am Vortag.

Ty schien sichtlich angetan von dem Gedanken und lächelte sehr zufrieden. Irgendwie glaubte der Riese immer noch, dass er mehr für Nina empfinden könnte als Geschwisterliebe. Aber dem war nicht so. Es war niemals so gewesen.

Als Nina mit gerade mal drei Jahren zu ihm und seiner Familie gestoßen war, hatte er sofort die Großer- Bruder-Rolle übernommen.

Sehr gern sogar. Es hatte ihm immer Spaß gemacht, auf sie aufzupassen, sie überallhin mitzunehmen und ihr alle möglichen Dinge zu zeigen. Vor allem aber, sie so gut es ging zu beschützen.

Je öfter sie in Schwierigkeiten geriet, desto größer war sein Drang, sie in Watte zu packen und ihr jeden Wunsch von den Augen abzulesen.

Wortwörtlich, denn gesprochen hatte sie eine lange Zeit überhaupt nicht. Schon als sie zu ihnen kam, war sie weitestgehend stumm gewesen. Sie hatte nicht einmal wirklich geweint, wenn sie Schmerzen hatte. Was auch immer in diesem Heim, aus dem sie kam, vorgefallen war - Nina war bereits eine gebrochene Seele, als sie zu ihnen stieß.

Umso mehr freute er sich darüber, dass sie in Tys Gegenwart so aufblühte. Auch wenn er das niemals für möglich gehalten hätte. Im Gegenteil, Ty war für ihn eher der Typ psychopathischer Axtmörder und sein Gehirn hatte sofort auf: "Wirf sie dir über die Schulter und renn so schnell du kannst", geschaltet.

"Wenn du sie so nicht findest, könntest du eine Anzeige in der Boston Society aufgeben. Da gibt es wohl eine Sparte für sowas", sagte Ty eifrig.

Auf Ninas fragend erhobene Augenbraue hin zuckte er mit den Schultern und murmelte: "Hab ich gehört …"

Wie auch immer … Dinge, die Gregor lieber nicht über Ty wissen wollte.

"Danke, Ty!"

Sie aßen zu Ende und verabschiedeten sich. Ty konnte seine Mädchen zurück in seinen Bunker schleifen und Gregor würde sich auf Julie-Suche begeben.

 

Er war noch über 45 Minuten zu früh, begab sich aber trotzdem auf direktem Weg zu der Nische. Er setzte sich auf den kleinen Absatz und wartete.

45 Minuten.

Eine Stunde.

Eine Zweite.

Nichts. Nach dem die Dritte beinahe voll war, machte er sich auf den Weg ins Hotel.

So würde er sie nicht finden können. Eigentlich war ihm das von vornherein klar gewesen, aber er wollte einfach keine Möglichkeit unversucht lassen.

 

MONTAG.

Wieder traf er Cat beim Frühstück und erzählte ihr von seinem Misserfolg, ebenso wie von Tys Vorschlag. Auch Cat war begeistert von der Idee. Sie bot ihm an, ihr Büro zu benutzen, was er sehr gern annahm.

Er folgte ihr die Flure des Hotels entlang, bis sie einen Raum mit zwei Schlössern aufsperrte. Sie wandte sich ihm zu und ihr Blick war ein klein wenig unsicher.

"Ähm … hör mal. Wunder dich nicht. Das ist quasi mein Zuhause, daher sind da ziemlich viele Bilder von meinen Freunden."

Dann öffnete sie die Tür.

Es waren wirklich viele Bilder. Fotografien. In Farbe, Schwarz-Weiß und Sepia. Allesamt gerahmt, nahmen sie die gesamte Wandfläche ein.

Bilder von Menschen, die er nicht kannte, aber auch sehr viele Bilder von den Fire&Ice Mitgliedern. Sehr alte und ganz aktuelle. Sogar Bilder der Setarips waren darunter.

"Wow, Cat, das ist beinahe emotional!", sagte er scherzhaft, weil er diese Seite an ihr nicht kannte.

"Halt die Klappe oder ich werfe dich gleich wieder raus", knurrte sie.