Marquis de Sade

 

Die 120 Tage

von Sodom

Impressum

ISBN: 9783955017057

2014 andersseitig.de

Covergestaltung: Erhard Koch

Digitalisierung: Erhard Koch


andersseitig Verlag

Dresden

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Vorwort des Übersetzers

Die vorliegende Übersetzung des Hauptwerkes des Marquis de Sade ist die erste und vollständige Übertragung des von Dr. Eugen Dühren aufgefundenen französischen Originals. Dieses wurde zuerst in Paris vom »Club des Bibliophiles« im Jahre 1904 als Privatdruck veröffentlicht. Das Manuskript, das den Titel führt: »Les 120 Journées de Sodome ou l'Ecole du Libertinage par le Marquis de Sade« galt bis zur sensationellen Auffindung durch Dr. Dühren als vernichtet, obwohl der gelehrte Pisanus Fraxi es in seinem »Index librorum prohibitorum« (London 1877) erwähnt. Die erste Erwähnung des Werkes geschah durch de Sades Zeitgenossen Réstif de la Bretonne in dem Buche »Théorie du Libertinage«.

De Sade verfasste dieses Werk während seiner Gefangenschaft in der Bastille, er schrieb es – wie aus einer Notiz auf dem Manuskript selbst hervorgeht – in der Zeit vom 22. Oktober bis 27. November 1785, und zwar stets von sieben bis zehn Uhr abends. Das ungeheure Manuskript entstand also in sechsunddreißig Abenden! Der Marquis schrieb auf lose Blätter, die er dann der Länge nach sorgfältig aneinanderklebte und – da er in der Bastille an stetem Papiermangel litt – auch rückwärts beschrieb. Das Manuskript bildet also einen 12,1 Meter langen, beiderseits mit der fast mikroskopisch kleinen Schrift de Sades bedeckten aufgerollten Streifen.  Als der Marquis im Jahre 1789 die Bastille verließ, verblieb diese Handschrift mit andern dort. Später gelangte sie in den Besitz der Familie Villeneuve-Trans, die sie drei Generationen hindurch verwahrte. Mit den »Hundertzwanzig Tagen von Sodom« wollte de Sade unzweifelhaft sein Hauptwerk schaffen, dies beweist schon die in jeder Hinsicht ins Große zielende Anlage des Werkes. Wäre es nicht ein Torso, wäre es dem erhaltenen, dieser Aufgabe beigegebenen Entwurf entsprechend ausgeführt worden, so würde es den Umfang aller anderen Sade-Schriften um ein Vielfaches übertreffen.

Aber auch als Torso – es sind von den hundertzwanzig (nach einer sehr ausführlichen »Einleitung«, welche die Geschichte der hundertzwanzigtägigen Orgien enthält) nur die ersten dreißig Tage eingehend beschrieben. Über die neunzig restlichen Tage berichtet nur ein schlagwörterartiger, sonst aber recht präziser und vollständiger »Plan« – auch als Torso erreicht dieses Werk den Umfang von »Juliette ou les delices du vice«, das bisher als de Sades Hauptwerk galt. In den »Hundertzwanzig Tagen von Sodom« wollte de Sade nicht nur ein vollständiges Kompendium seiner für jeden Psychologen äußerst interessanten Philosophie des Lasters geben, er wollte auch alle sexuellen Perversitäten, deren unheimlich vollständige Kenntnis dem Marquis de Sade wohl von niemandem bestritten werden kann, an sechshundert verschiedenen Beispielen veranschaulichen. Und da er hierbei nach einer bestimmten Einteilung vorgeht und in die Fülle der sexuellen Verirrungen ein psychologisches System bringt, darf de Sade auch den Ruhm des ersten Systematikers der Psychopathia sexualis für sich in Anspruch nehmen.

Der Übersetzer hat sich bemüht, dem Original sinn- und womöglich wortgetreu zu folgen. Einzelne Unklarheiten und Widersprüche sind zum Teil auf die beispiellose schnelle Produktion de Sades, zum Teil auf die Schwierigkeit der Entzifferung des an manchen Stellen unleserlich gewordenen Manuskriptes zurückzuführen. Ferner hat der Übersetzer nach einigem Schwanken sich im Interesse der Echtfarbigkeit seiner Wiedergabe dazu entschlossen, die derben Ausdrücke des französischen Originals durch die entsprechenden deutschen Vulgärausdrücke wiederzugeben. Da diese Ausgabe nicht für die breite Öffentlichkeit berechnet ist und durch die Fürsorge des Verlages nur in berufene Hände gelangen wird, hätte eine Milderung der Sprache, die dann mit dem Inhalt der Darstellung schlecht übereinstimmen würde, keinen Sinn.

Einleitung

Die ungeheuren Kriege, die Ludwig XIV. im Verlaufe seiner Regierung zu führen hatte, und welche die Gelder des Staates und die Hilfsmittel des Volkes erschöpften, boten dennoch einer enormen Anzahl von Blutsaugern die Gelegenheit, sich zu bereichern. Diese Blutegel waren immer in der Nähe des Unglücks, das sie noch vermehrten, anstatt es zu verringern, und zogen daraus den größtmöglichen Nutzen für sich selbst. Das Ende dieser im Übrigen so glorreichen Regierung ist vielleicht eine jener Epochen des französischen Reiches, in der die meisten jener gewissen geheimen Reichtümer gewonnen wurden, jener Reichtümer, die eine Schwelgerei und Ausschweifung gebaren, so geheim und verschwiegen wie sie selbst. Es war am Ende dieser Regierung, einige Zeit ehe der Regent durch das berühmte Tribunal die Männer des Gerichtshofes wie tolle Hunde losgelassen hatte, um jener Bande von Verrätern die Gurgel abzudrehen, als vier von ihnen die seltsamste Unternehmung der Wollust erdachten, die jemals bekannt geworden ist. Man täte unrecht, zu meinen, dass nur Diebe sich mit Gelderpressungen abgaben, dieses Gewerbe hatte an seiner Spitze sehr vornehme Herren.

Der Herzog von Blangis und sein Bruder, der Bischof von ..., die sich beide auf diese Weise unermessliche Vermögen erworben hatten, sind unantastbare Beweise dafür, dass der Adel ebenso wenig wie die andern die Mittel verschmähte, um sich auf solche Art zu bereichern. Diese beiden vornehmen Persönlichkeiten, eng verbündet sowohl in den Vergnügungen als in den Geschäften mit dem berühmten Durcet und mit dem Präsidenten von Curval, waren die ersten, welche die Ausschweifung erdachten, deren Geschichte wir erzählen, und nachdem sie die Idee diesen zwei Freunden mitgeteilt hatten, bildeten alle vier die Akteure der berühmten Orgien.

Vor mehr als sechs Jahren hatten diese vier Wüstlinge, die durch die Gleichheit ihrer Vermögenslage und ihres Geschmackes vereinigt waren, es unternommen, die Bande unter sich noch durch Bündnisse zu festigen, bei denen die Ausschweifung mehr beteiligt war als jedes andere Motiv, aus dem sonst solche Bündnisse hervorgehen – folgendes waren ihre Arrangements.

Der Herzog von Blangis, Witwer von drei Frauen, von deren einer zwei Töchter geblieben waren, hatte bemerkt, dass der Präsident von Curval einige Lust zeigte, die ältere dieser Töchter zu heiraten, trotzdem er um die Familiaritäten wusste, die der Vater sich mit seiner Tochter erlaubt hatte. Der Herzog schlug also eines Tages plötzlich folgenden Dreibund vor:

»Sie wollen Julie zur Gattin«, sagte er zu Curval, »ich gebe sie Ihnen ohne Zögern und stelle nur die eine Bedingung, dass sie nicht eifersüchtig werden, wenn sie, obwohl Ihre Gattin fortfährt, mir dieselben Gefälligkeiten zu erweisen, die ich immer von ihr gehabt habe; und dann noch, dass Sie sich mit mir verbünden, um unsern gemeinsamen Freund Durcet zu bestimmen, mir seine Tochter Konstanze zur Frau zu geben, für welche, ich gestehe es Ihnen, allmählich dieselben Empfindungen in mir entstanden sind, wie bei Ihnen für Julie.« –

»Aber«, erwiderte Curval, »es ist Ihnen zweifellos nicht unbekannt, dass Durcet, der gleiche Wüstling wie Sie ...« – »Ich weiß alles, was man wissen kann«, unterbrach der Herzog, »sind denn solche Dinge bei unserem Alter und bei unserer Art, zu denken, ein Hindernis? Glauben Sie, ich will eine Frau, um aus ihr meine Geliebte zu machen? Ich will sie, damit sie meinen Launen diene, und um eine Unmenge kleiner Ausschweifungen zu verschleiern und zu verdecken, der Mantel Hymens hüllt diese prächtig ein; mit einem Wort ich will Ihre Tochter so, wie Sie die meine wollen. Meinen Sie, Ihre Absichten und Wünsche seien mir unbekannt? Wir Wüstlinge, wir nehmen Frauen, um Sklavinnen zu haben, ihre Eigenschaft als Gattinnen macht sie uns unterwürfiger als Geliebte, und Sie wissen, welchen Rang der Despotismus unter den Vergnügungen einnimmt, die wir bevorzugen.«

Während dieses Gespräches trat Durcet ein. Die beiden Freunde unterrichten ihn über den Inhalt ihrer Konversation und Durcet, entzückt über einen Beginn, der ihm selbst erlaubte, die Gefühle zu gestehen, die er gleicherweise für Adelaide, die Tochter des Präsidenten hegte, akzeptierte den Herzog als Schwiegersohn unter der Bedingung, dass er seinerseits der Schwiegersohn von Curvals werde.

Die drei Ehen wurden alsbald geschlossen, die Mitgiften waren ungeheuer und die Bedingungen die gleichen. Der Präsident, ebenso schuldig wie seine beiden Freunde, hatte Durcet, ohne ihn dadurch abzustoßen, den geheimen Verkehr mit der eigenen Tochter gestanden. Auf solche Weise kamen die drei Väter, von denen jeder seine Rechte konservieren wollte, überein, diese Rechte sogar noch weiter auszudehnen, so dass die drei jungen Frauen, durch Gut und Namen allein an ihre Gatten gebunden, mit dem Körper dem einen der drei Freunde nicht mehr als den beiden andern gehörten und die schwersten Züchtigungen gewärtigten, wenn sie sich versahen, irgendeine der Regeln zu verletzen, denen man sie unterwarf.

Man war eben glücklich übereingekommen, als der Bischof, mit den beiden Freunden seines Bruders schon durch seine Lüste verbunden, vorschlug, der Vereinigung ein viertes Objekt zuzuführen, wenn man ihn dafür an den drei anderen Frauen teilnehmen ließe. Dieses Objekt, die zweite Tochter des Herzogs, also die Nichte des Bischofs, stand zu diesem in einem viel näheren Verhältnis als man ahnte. Der Bischof hatte zu seiner Schwägerin Beziehungen gehabt und beide Brüder wussten mit vollster Sicherheit, dass die Existenz dieser jungen Person, die Aline hieß, viel mehr dem Bischof als dem Herzog zu verdanken war; der Bischof hatte sich Alinens schon in der Wiege angenommen und hatte sie ins Alter der frischen Reize hineinwachsen sehen, nicht ohne den Wunsch, wie man sich denken kann, diese Reize zu genießen. Er war also in diesem Punkte der Gleiche wie seine Genossen, und sein Vorschlag entsprang dem gleichen Grad von Geiz und Verworfenheit. Da aber die Anmut und zarte Jugend Alinens sie noch über ihre Kolleginnen emporhob, zögerte man nicht, auf den Handel einzugehen. Der Bischof überließ sie mit Vorbehalt seiner Rechte den andern, und jede unserer vier Hauptpersonen war auf diese Weise der Gemahl von vier hübschen Frauen.

Es folgte also aus diesem Arrangement, das wir nun zur Bequemlichkeit des Lesers wiederholen, dass der Herzog, der Vater von Julie, der Gatte Konstanzens, der Tochter von Durcet, wurde; dass Durcet, der Vater Konstanzens, der Gatte von Julie, der älteren Tochter des Herzogs, wurde; dass endlich der Bischof, Onkel und Vater Alinens, der Gatte der drei andern Frauen wurde, indem er diese Aline seinen Freunden überließ, mit dem Vorbehalt, dass ihm auch fernerhin seine Rechte auf sie zustehen.

Man feierte die fröhlichen Hochzeiten auf einem prächtigen im Bourbonischen gelegenen Landsitz des Herzogs, und ich überlasse es dem Leser, sich die Orgien auszumalen, die sich hierbei abspielten, denn die Notwendigkeit, andere auszumalen, verbietet uns das Vergnügen, welches uns die Schilderung dieser bereiten würden. Nach ihrer Rückkehr wurde die Verbindung unserer vier Freunde nur noch inniger, und da es wichtig ist, diese recht gut kennen zu lernen, so diene dazu eines kleines Detail, welches wie ich glaube, einiges Licht über den Charakter dieser ausschweifenden Menschen verbreiten wird, bis wir dazukommen, jeden von ihnen einzeln vorzunehmen, um sie noch näher zu betrachten. –

Die Gesellschaft hatte eine gemeinsame Kasse gegründet, die im Turnus von jedem der vier sechs Monate hindurch verwaltet wurde, und die Fonds dieser Kasse, die ausschließlich den Vergnügungen dienen sollte, waren immense. Ihr ungeheures Vermögen gestattete ihnen Dinge ganz einziger Art, in dieser Hinsicht, und der Leser braucht durchaus nicht zu erstaunen, wenn er erfährt, dass zwei Millionen jährlich nur für Zwecke des Vergnügens und der Ausschweifung ausgesetzt wurden.

Vier berühmte Kupplerinnen für die Herbeischaffung von Frauen und eine gleiche Anzahl von Kupplern für die Herbeischaffung von Männern hatten nichts anderes zu tun, als für sie sowohl in der Hauptstadt, wie auch in den Provinzen alles das zu suchen, was ihnen in dem einen oder andern Genre zur Stellung ihrer Gelüste am besten dienen konnte. Man veranstaltete für gewöhnlich vier Soupers in der Woche, jedes Mal in einem andern von vier an den vier entferntesten Enden von Paris gelegenen Landhäusern. Das erste dieser Soupers war allein den Freuden der Sodomie geweiht, man führte dazu nur Männer herbei; man sah dabei gewöhnlich sechzehn junge Leute von zwanzig bis dreißig Jahren, deren ungewöhnliche Fähigkeiten unseren vier Herren erlaubten, in der Funktion als Frauen die sinnlichsten Genüsse auszukosten. Man wählte die Männer bloß nach dem Maß ihrer Glieder und es war fast nötig geworden, dass solch ein stolzes Glied von einer Mächtigkeit war, dass es niemals hätte irgendeine Frau durchdringen können. Das war eine wesentliche Bedingung, und da mit den Ausgaben nicht gespart wurde, kam es nur selten vor, dass diese Bedingung nicht erfüllt wurde. Um aber zugleich alle Freuden zu kosten, gesellte man diesen sechzehn Gatten die gleiche Anzahl viel jüngerer Knaben zu, welche die Pflichten von Gattinnen erfüllen mussten. Diese wurden im Alter von zwölf bis zu achtzehn Jahren ausgewählt. Um angenommen zu werden, mussten sie von einer Frische sein, ein Gesicht, eine Anmut einen Wuchs haben, dass sie alles hinter sich ließen, was unsere Pinsel malen könnten, keine Frau durfte bei diesen männlichen Orgien empfangen werden, bei denen alles geschah, was Sodom und Gomorrha niemals lüsterner erfanden.

Das zweite Souper war den jungen Mädchen von feiner Erziehung geweiht, die hierbei gezwungen wurden, ihr stolzes Prunken und die gewohnte Hochnäsigkeit ihres Gehabens aufzugeben, und sich in Hinblick auf die empfangenen Geldsummen den ungewöhnlichsten Kaprizen, sogar den Beleidigungen auszusetzen, welche unsere Wüstlinge auszuüben beliebten. Es waren dabei nach Beschluss zwölf solcher Mädchen vorhanden, da aber Paris nicht deren genug liefern konnte, um sie so oft zu wechseln, als notwendig gewesen wäre, ersetzte man diese Abende manchmal durch andere, zu denen man lediglich die gleiche Anzahl von anständigen Frauen zuzog, von den Gattinnen von Prokuratoren angefangen bis zu solchen von subalternen Beamten. Es gibt vier- oder fünftausend solcher Frauen in Paris, die durch Not oder Luxusbedürfnis angetrieben werden, auf Abenteuer dieser Art einzugehen, man braucht daher nur gut bedient zu sein, um solche zu finden. Und da unsere Libertiner als vorzüglichste bedient waren, fanden sie in dieser Klasse von Frauen oft wahre Wunder; aber das mochte eine noch so honette Frau sein. Sie musste sich allem unterwerfen, und die Lüsternheit die niemals Grenzen kennt, erhitzte sich vorzüglich daran, diejenigen, die durch Natur und soziale Konvention solchen Dingen entzogen zu sein schienen, zur Begehung von Scheußlichkeiten und Infamien zu zwingen.

Man kam hin und musste alles tun. Und da unsere vier Verbrecher alle schmutzigsten Begierden hatten und die ärgsten Wollüstlinge waren, war die gründliche Befriedigung ihrer Wünsche keine kleine Aufgabe.

Das dritte Souper war für die hässlichsten und schmutzigsten Kreaturen bestimmt, die man auftreiben konnte; dem, der die Verirrung der Wollust kennt, wird dieses Raffinement ganz einfach erscheinen, es ist sehr wollüstig, sich mit Kreaturen dieser Art sozusagen im Schmutz zu wälzen. Man findet da die vollständigste Hingabe, die ungeheuerlichsten Schwelgereien, die absoluteste Erniedrigung. Und diese Vergnügungen, verglichen mit denen, die man am Vorabend genossen, diese Kreaturen, verglichen mit denen, die uns am Vorabend genießen ließen, dieser Kontrast ist eine mächtige Würze sowohl für den einen, wie für den andern Exzess. Hier, wo die Ausschweifungen ausgedehnter waren, wurde nichts vergessen, um sie zahlreich und pikant zu gestalten. Es erschienen dabei hundert Huren im Verlauf von sechs Stunden und nur allzu häufig ging keine von den hundert unverletzt daraus hervor. Doch überstürzen wir nichts, dieses Raffinement hat Details, bei denen wir noch nicht angelangt sind.

Das vierte Souper war den Jungfrauen reserviert. Man empfing nur solche bis zu fünfzehn Jahren, von sieben angefangen. Die Bedingungen waren bei allen gleich, es handelte sich nur um ihr Gesicht, das man hübsch wünschte, und um die Sicherheit ihrer Erstlingsschaft, die authentisch sein musste, ein unglaubliches Raffinement der Verderbtheit. Nicht etwa, dass sie selbst mit Sicherheit alle diese Rosen hätten pflücken wollen, und wie hätten sie es auch können, da dieselben immer in der Anzahl von zwanzig dargeboten wurden und von unsern vier Lüstlingen nur zwei imstande waren, diesen Akt zu vollbringen.

Der eine der zwei andern brachte es überhaupt zu keiner Erektion mehr und dem Bischof kam es nur mehr auf eine Weise, die, ich gebe es zu, eine Jungfrau wohl entehren kann, die sie aber trotzdem immer unverletzt lässt. Doch ungeachtet dessen mussten zwanzig Erstlinge da sein, und diejenigen, die von ihnen nicht beschädigt wurden, wurden vor ihnen die Beute gewisser Diener, die ebenso verderbt waren wie sie selbst und die sie aus mehr als einem Grunde immer um sich hatten.

Unabhängig von diesen vier Soupers fand noch jeden Freitag eine geheime Zusammenkunft statt, mit viel weniger Objekten, trotzdem vielleicht unendlich teurer. Man führte dazu nur vier junge Damen, die von ihren Eltern weg entführt sein mussten, durch List oder mit Hilfe von Geld. Die Frauen unserer Wüstlinge nahmen fast immer an dieser Ausschweifung teil, und ihre extreme Unterwürfigkeit, ihre Besorgtheit, ihr Dienst machten sie immer pikanter. Was die Kostspieligkeit dieser Soupers betrifft, ist es unnötig zu sagen, dass hier die Verschwendung sowie die Feinheit regierte. Nicht eine einzige dieser Mahlzeiten kostete weniger als zehntausend Francs, und man vereinigte dabei alles, was Frankreich und das Ausland an Seltenstem und Vorzüglichstem darbieten konnten.

Da gab es Weine und Liköre von gleicher Feinheit und in gleichem Überfluss, die Früchte aller Jahreszeiten waren auch während des Winters zu finden, man kann mit einem Wort versichern, dass die Tafel des ersten Monarchen der Erde sicherlich nicht mit soviel Luxus und Großartigkeit serviert war.

Kehren wir nun zu unserm Ausgangspunkt zurück und zeichnen wir dem Leser nach bestem Vermögen jede der vier Persönlichkeiten einzeln, nicht verschönernd, nicht in der Manier, zu verführen oder zu gefallen, sondern mit dem Pinsel der Natur selbst, die trotz all ihrer Unordnung oft sehr sublim ist, sogar dann, wenn sie sich selbst am meisten erniedrigt. Denn wagen wir es beiläufig zu sagen: wenn das Verbrechen nicht die Art von Feinheit hat, die man in der Tugend findet, ist es nicht immer erhabener? Hat es nicht stets einen Charakter von Größe und Überlegenheit, der emporhebt und immer emporheben wird über die langweiligen und weibischen Reize der Tugend? Werdet ihr jetzt von der Nützlichkeit des einen oder der anderen reden? Ist es an uns, die Gesetze der Natur zu untersuchen, an uns, zu entscheiden, ob das Laster ihr ebenso nötig ist wie die Tugend? Sie flößt uns vielleicht, ihren respektiven Bedürfnissen entsprechend, nicht in gleichem Maße den Hang zum einen oder andern ein. Doch fahren wir fort.

Der Herzog von Blangis, mit achtzehn Jahren Herr über ein damals schon unermessliches Vermögen, das er seither durch Erpressungen stark vergrößert hat, machte alle Unzukömmlichkeiten mit, die in Menge einem reichen Mann von Kredit begegnen, der sich in solchen Fällen nie etwa zu versagen braucht; das Maß der Kräfte wird das Maß der Laster, und man versagt sich umso weniger, je leichter es einem ist, sich alles zu gestatten. Hätte der Herzog von der Natur einige primitive Tugenden empfangen, sie hätten vielleicht das Gleichgewicht seiner Stellung gefährdet, aber diese bizarre Mutter, die sich manchmal mit dem Glück zu verständigen scheint, damit es die Laster unterstütze, die sie gewissen Wesen gegeben hat, für welche sie eine ganz andere Fürsorge erwartet als die, welche die Tugend voraussetzt, und dies deshalb, weil sie die Lasterhaften so nötig hat wie die Tugendhaften, die Natur – sage ich – hatte Blangis, indem sie unendliche Reichtümer für ihn bestimmte, auch genau mit allen Gefühlen und Neigungen beteilt, die notwendig sind, jene zu missbrauchen; mit einem sehr düstern und boshaften Geist hatte sie ihm die verbrecherischste und härteste Seele gegeben, begleitet von einer Unbeständigkeit der Neigungen und Wünsche, aus der jene schreckliche Ausschweifung erwuchs, zu welcher der Herzog so besonders hinneigte.

Gemein, hartherzig, herrschsüchtig, barbarisch, egoistisch, ebenso verschwenderisch für seine Vergnügungen wie geizig, wenn es sich darum handelte, wohltätig zu sein, ein Lügner, Vielfraß, Trunkenbold, Feigling, Sodomit, Blutschänder, Mörder, Brandstifter, Dieb: nicht eine einzige Tugend stand so vielen Lasten gegenüber, was sage ich, er verehrte nicht nur keine, er hasste alle, und man hörte ihn oft sagen, dass ein Mann, um ein Mann von Welt zu sein, nicht nur sich allen Lastern hingeben müsse, sondern sich auch niemals eine Tugend erlauben dürfe, und dass es sich darum handele immer das Böse und niemals das Gute zu tun.

Es gibt eine Menge Leute, sagte der Herzog, die nur dann zum Bösen gelangen, wenn ihre Leidenschaft sie hintreibt; von der Verirrung zurückgekehrt, nimmt die beruhigte Seele wieder friedlich den Weg der Tugend. Und indem ihr Leben so vom Kampf in den Irrtum und von den Irrtümern zur Reue gelangt, endigen sie, ohne dass es möglich geworden ist, bestimmt zu sagen, welche Rolle sie auf Erden gespielt haben. Solche Wesen, fuhr er fort, müssen unglücklich sein; immer schwankend, immer unentschlossen, bringen sie ihr Leben damit zu, am Morgen zu bekämpfen, was sie am Abend getan haben. Sicher, dass sie die Vergnügungen bereuen werden, die sie genießen, zittern sie, während sie sich dieselben erlauben, in der Weise, dass sie beides auf einmal werden: sowohl tugendhaft im Verbrechen, als verbrecherisch in der Tugend.

Mein viel stärkerer Charakter, fügte unser Heros hinzu, wird sich niemals derart Lügen strafen. Ich zögere niemals bei meinen Entscheidungen, und da ich immer gewiss bin, Vergnügungen in dem zu finden, was ich tue, wird nach meinen Prinzipien niemals die Reue den Reiz abstumpfen, weil ich mir diese Prinzipien schon in frühester Jugend gebildet habe und stets konsequent nach ihnen handle. Sie ließen mich die Leere und Nichtigkeit der Tugend erkennen, die ich hasse und zu der man mich nie zurückkehren sehen wird. Sie haben mich überzeugt, dass das Laster nur besteht, um den Mann diese geistige und physische Beschwingung fühlen zu lassen, die eine Quelle der Wollüste ist. Und ich gebe mich ihr hin, ich habe mich zur rechten Zeit über die Chimären der Religion hinweggesetzt, vollkommen davon überzeugt, dass die Existenz eines Schöpfers eine empörende Absurdität ist, an die selbst Kinder nicht mehr glauben. Ich habe kein Bedürfnis, meine Gelüste zu bekämpfen, um dem Schöpfer zu gefallen; es ist die Natur, von der ich meine Neigungen empfangen habe, und ich werde sie nicht verwirren, indem ich ihr widerstrebe, wenn sie mir schlechte Neigungen gegeben hat, die so geworden sind, weil es für ihre Absichten nötig war. Ich bin in ihrer Hand nur eine Maschine, die sie nach ihrem Belieben bewegt, und jedes meiner Verbrechen dient ihr; je mehr Verbrechen sie mir rät, desto mehr hat sie offenbar nötig, ich wäre ein Dummkopf, ihr darin zu widerstreben. Ich habe also nur die sozialen Gesetze gegen mich, aber trotze ihnen, mein Gold und mein Kredit erheben mich über diese gewöhnlichen Geißeln, die nur das Volk schlagen dürfen.

Würde man dem Herzog entgegnen, dass trotzdem bei allen Menschen die Idee der Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit existiert, die auch nichts anderes sein können als die Frucht der Natur, da man sie gleicherweise bei allen Völkern wieder finde, sogar bei den unzivilisierten, er würde dies zugeben und erwidern, dass diese Ideen immer nur relative gewesen seien. dass der Stärkere immer sehr gerecht fand, was der Schwächere als Ungerechtigkeit betrachtete, und dass, wenn die beiden ihre Rollen vertauschten, zu gleicher Zeit auch ihre Denkart wechselte; woraus er geschlossen haben würde, dass es nichts wirklich Gerechtes gebe, ausgenommen das, was Vergnügen macht, und nichts Ungerechtes, ausgenommen das, was Pein verursacht. Wer einem Menschen hundert Louis aus der Tasche zieht, begeht eine für ihn selbst sehr gerechte Tat, obwohl sie der bestohlene Mensch mit andern Augen betrachten muss. Alle Moralideen sind also eigenmächtig, und der ist ein großer Narr, der sich durch sie fesseln lässt.

Durch solche Raisonnements legitimierte der Herzog alle seine Übergriffe, und da er genug Geist besaß, schienen seine Argumente schlagend. Und indem er so seine Aufführung nach seiner Philosophie richtete, hatte sich der Herzog seit seiner frühesten Jugend zügellos den schamlosesten und außerordentlichsten Verirrungen hingegeben. Sein Vater, der jung gestorben war und ihm, wie ich schon sagte, ein immenses Vermögen hinterließ, hatte trotzdem durch Klausel bestimmt, dass der junge Mann seiner Mutter einen großen Teil dieses Vermögens zeit ihres Lebens zum Fruchtgenusse überlassen müsse. Eine solche Bedingung missfiel Blangis bald.

Und da der Verbrecher nur im Gift ein Mittel ersah, das ihn überhob, dem beizupflichten, beschloss er sogleich, davon Gebrauch zu machen. Aber der Schurke, damals erst Debütant auf der Bahn des Lasters, wagte nicht, selbst zu handeln. Er überredete eine seiner Schwestern, mit der er in einem verbrecherischen Verhältnis lebte, die Ausführung auf sich zu nehmen, und gab ihr zu verstehen, dass er ihr, wenn sie Erfolg habe, einen Teil des Vermögens, dessen Herrin sie durch diesen Mord würden, überließe. Aber die junge Person bekam einen Schrecken vor der Tat und der Herzog, welcher sein Geheimnis schlecht behütet war und vielleicht verraten würde, entschied im Augenblick, dem Opfer diejenige zuzugesellen, die er hatte zu seiner Komplizin machen wollen. Er brachte sie auf eines seiner Landgüter, von wo die beiden Unglücklichen niemals zurückkehrten.

Nichts ermutigt mehr als das erste straflose Verbrechen. Nach dieser Probe zerriss der Herzog alle Zügel, und sobald irgendjemand seinen Begierden die geringsten Hindernisse entgegenstellte, ward also gleich das Gift angewendet, und von den Morden aus Not gelangte er schnell zu den Morden zum Vergnügen. Er entdeckte jene unglückliche Verirrung, die uns das Vergnügen im Leid des Nebenmenschen finden lässt, er spürte, dass die irgendeinem Gegner zugefügte heftige Erschütterung auch unserer Nervensubstanz eine Schwingung vermittelt, deren Reiz die beseelten Tierchen, die in den Höhlungen der Nerven umherschwimmen, zwingt, einen Druck auf die erigierenden Nerven auszuüben und auf diese Weise nach der Erschütterung das zu verursachen, was man einen geilen Kitzel nennt. Infolgedessen beging er Diebstähle und Morde aus dem einzigen Prinzip der Ausschweifung und Lüsternheit, so wie ein anderer, um dieselben Leidenschaften zu entflammen, sich begnügt, Mädchen zu besuchen.

Mit 23 Jahren unternahm er es, mit dreien der Genossen des Lasters, denen er seine Philosophie eingeprägt hatte, eine Postkarosse auf der Hauptstraße anzuhalten, die Männer und Frauen zu notzüchtigen und nachher zu ermorden, sich des Geldes, dessen sie sicherlich nicht mehr bedurften, zu bemächtigen und mit den dreien in derselben Nacht noch den Opernball zu besuchen, um das Alibi zu beweisen. Dieses Verbrechen gelang nur zu gut, zwei reizende Fräulein wurden geschändet und in den Armen ihrer Mütter hingemordet; dem fügte man noch eine Unmenge anderer Scheußlichkeiten hinzu und niemand wagte sie zu verdächtigen. Der junge Blangis zögerte nicht, die sanfte, anmutige Gattin, die sein Vater, ehe er starb, ihm gegeben hatte, mit dem Manne seiner Mutter, seiner Schwester und denen seiner übrigen Opfer zu vereinigen und das, um ein ziemlich reiches, aber öffentlich entehrtes Mädchen zu heiraten, von dem er recht gut wusste, dass sie die Geliebte seines Bruders war.

Das war die Mutter von Aline, einer der Heldinnen unseres Romans, von der schon früher die Rede war. Diese zweite Gattin, bald hingeopfert wie die erste, machte einer dritten Platz, die bald das Schicksal der zweiten teilte. Man sagte in der Welt, dass es die Ungeheuerlichkeit seines Körperbaues war, die alle seine Frauen tötete. Und da er wirklich in jeder Hinsicht gigantisch war, ließ der Herzog eine Meinung Platz greifen, die die Wahrheit verschleierte.

Dieser erschreckende Koloss gab in der Tat die Idee eines Herkules oder eines Kentauren; der Herzog hatte fünf Fuß breite Schultern, starke Glieder, mächtige Gelenke, elastische Nerven. Gebt dazu noch ein männliches stolzes Antlitz, sehr große schwarze Augen, schöne braune Brauen, eine Adlernase, schöne Zähne, gesundes, frisches Aussehen, breite Schultern, dichtes obgleich vollkommen geschnittenes Haar, schöne Hüften, leidliche Hinterbacken, die schönsten Beine der Welt, ein feuriges Temperament, die Kraft eines Pferdes und ein Glied, das einem Esel Ehre gemacht hätte, begabt mit der Fähigkeit, sein Sperma an einem Tag so oft zu verlieren, als er wollte, selbst noch im Alter von 50 Jahren, während das Glied, das genau acht Zoll im Umfang und zwölf Zoll in der Länge maß, damals fast ununterbrochen in Erektion war, und ihr habt das Porträt des Herzogs von Blangis, als ob ihr es selbst gezeichnet hättet.

Wenn aber dieses Meisterstück der Natur schon in seinen Begierden heftig war, was wurde es, o großer Gott!, wenn es der Rausch der Wollust krönte! Das war kein Mensch mehr, das war ein wütender Tiger. Wehe dem Unglücklichen, dem dann seine Leidenschaft diente! Fürchterliche Schreie, schreckliche Gotteslästerungen brachen aus seiner geschwellten Brust hervor, Flammen schienen dann aus seinen Augen zu sprühen, er schäumte, er wieherte, man hätte ihn für den Gott der Geilheit selbst halten können. Und in welcher Art kam es ihm! Seine Hand verirrte sich immer wie im Zwang und man hat ihn im Augenblick seiner perfiden Entladung öfter als einmal eine Frau ohne weiteres erwürgen sehen. Wieder zu sich gekommen, nahm den Platz seiner Verwirrung alsbald die vollkommenste Sorglosigkeit gegenüber den Infamien ein, die er sich erlaubt hatte, und aus dieser Gleichgültigkeit, aus dieser Art von Apathie entstanden rasch neue Funken der Wollust.

Der Herzog hatte in seiner Jugend bis zu achtzehnmal an einem Tage entladen, und ohne dass man ihn beim letzten Mal erschöpfter sah als beim ersten Mal. Sechs- oder achtmal täglich erschreckte ihn auch jetzt noch nicht, trotz seiner fünfzig Jahre. Seit nahezu fünfundzwanzig Jahren hatte er sich an die passive Sodomie gewöhnt und er empfing deren Attacken mit derselben Kraft, mit der er sie aktiv zurückgab, wenn es ihm beliebte, die Rolle zu wechseln. Er hatte auf Grund einer Wette fünfundfünfzig Angriffe an einem Tage ertragen.

Begabt, wie gesagt, mit verschwenderischer Kraft, genügte ihm eine einzige Hand, um ein Mädchen zu vergewaltigen, er hatte es mehrmals erprobt. Er wettete eines Tages, ein Pferd zwischen seinen Schenkeln zu erwürgen, und das Tier krepierte in dem Augenblick, in dem er es angesagt hatte. Seine Exzesse bei Tisch gingen nach Möglichkeit noch über die im Bett hinaus, man begriff nicht, was aus der Unmenge von Nahrungsmitteln wurde, die er verschlang. Er hielt gewöhnlich drei Mahlzeiten und gestaltete alle drei sowohl sehr lang als sehr reichlich, für gewöhnlich verbrauchte er immer zehn Flaschen Burgunderwein, er hatte deren schon bis zu dreißig getrunken und wettete gegen jeden, der wollte, es sogar bis auf fünfzig zu bringen. Da aber seine Trunkenheit die Färbung seiner Leidenschaft annahm, sobald der Likör oder der Wein seinen Kopf erhitzt hatten, und er tobsüchtig wurde, musste man ihn binden. Und trotz alledem, wie wahr ist es, dass die Seele der Beschaffenheit des Körpers oft nur schlecht entspricht, trotz alledem hätte ein entschlossenes Kind diesen Koloss erschreckt. Wenn er sich gegen einen Feind verteidigen sollte und seine Listen und seine Verräterei nicht mehr gebrauchen konnte, wurde er furchtsam und feige, und die Idee des ungefährlichsten Zweikampfes, bei Gleichheit der Kräfte, hätte ihn bis ans Ende der Erde fliehen lassen.

Er hatte trotzdem, nach der herrschenden Sitte, einen oder zwei Feldzüge mitgemacht, aber er hatte sich dabei so gründlich entehrt, dass er den Dienst sogleich quittieren musste. Er verteidigte seine Schmutzigkeit mit ebensoviel Geist als Frechheit, er behauptet laut, dass die Feigheit nur der Ausfluss seines Selbsterhaltungstriebes sei, dass es daher vernünftigen Leuten ganz unmöglich sein sollte, sie ihm als einen Fehler vorzuwerfen.

Wenn man genau dieselben düsteren Züge beibehält und sie auf eine physische unendlich minderwertiger als die eben gezeichnete Existenz überträgt, so hat man das Porträt des Bischofs von des Bruders des Herzogs von Blangis. Dieselbe Schwärze der Seele, derselbe Hang zum Verbrechen, dieselbe Abscheu vor der Religion, dieselbe Gottlosigkeit, dieselbe Schurkenhaftigkeit, der Geist jedoch schmiegsamer und geschickter, mehr Kunst auch im Verderben seiner Opfer, aber magere, ungewichtige Figur, einen kleinen schwächlichen Körper, eine schwankende Gesundheit, ein empfindliches Nervensystem, eine größere Gesuchtheit in den Vergnügungen, ein sehr gewöhnliches Glied, klein sogar, aber mit solcher Kunst sich schonend und stets so sparsam ejakulierend, dass seine unaufhörlich entflammte Einbildungskraft ihn befähigte, die Lust ebenso oft zu genießen wie sein Bruder.

Seine Empfindung war übrigens von solcher Feinheit, die Reizung seiner Nerven eine so ausgiebige, dass er im Augenblick seiner Entladung oft in Ohnmacht fiel und fast immer die Besinnung dabei verlor. Er war 45 Jahre alt, hatte ein feines Gesicht, ziemlich hübsche Augen, aber einen hässlichen Mund und hässliche Zähne, einen weißen, unbehaarten Körper, einen kleinen aber wohlgestalteten Hintern und einen Schwanz von fünf Zoll Umfang und sechs Zoll Länge. Ein Anbeter der aktiven und passiven Sodomie, insbesondere der letzteren Art, verbrachte er sein Leben damit, sich in den Hintern ficken zu lassen, und dieses Vergnügen, das keinen großen Aufwand von Kraft erfordert, vertrug sich bestens mit der Geringfügigkeit seiner Mittel. Wir werden übrigens noch von seinen andern Neigungen sprechen.

Was diejenigen der Tafel betrifft, so brachte er es darin fast so weit wie sein Bruder, aber er legte etwas mehr Sinnlichkeit hinein. Monseigneur, derselbe Verbrecher wie sein älterer Bruder, hatte übrigens Charakterzüge an sich, die zweifelsohne den berühmten Taten der Heroen glichen, die man eben gezeichnet hat.  Wir werden uns begnügen, einen dieser Züge zu nennen, es wird ausreichen, um den Leser sehen zu lassen, wessen ein solcher Mensch fähig sein kann, was er vermochte und tun konnte, nachdem er getan hatte, was man lesen wird.

Einer seiner Freunde, ein sehr reicher Mann, hatte einst ein Verhältnis mit einem Mädchen von Rang gehabt, von dem er zwei Kinder hatte, ein Mädchen und einen Knaben. Er hatte jedoch die Geliebte nicht heiraten können und das Fräulein war die Frau eines andern geworden. Der Liebhaber dieser Unglücklichen starb jung, und da er als Besitzer eines bedeutenden Vermögens keinen Verwandten hatte, für den er hätte sorgen können, gedachte er alle seine Güter den beiden unglücklichen Früchten seines Verhältnisses zu hinterlassen. Am Totenbett vertraute er seine Absicht dem Bischof an und übergab ihm die beiden immensen Erbteile, die er in zwei gleiche Brieftaschen verteilt hatte. Er überreichte diese dem Bischof mit der Bitte, für die Erziehung der beiden Waisen zu sorgen und jedem nach Erreichung des vom Gesetz vorgeschriebenen Alters das, was ihm zukam, auszufolgen. Gleichzeitig empfahl er dem Prälaten, die Erbschaft seiner Mündel bis dahin in Werten anzulegen, um ihr Vermögen zu verdoppeln, und bezeugte ihm auch noch, dass es sein Wunsch sei, die Mutter möge niemals erfahren, was er für ihre Kinder getan habe, und forderte, dass man es ihr absolut niemals sage.

Nachdem diese Anordnungen getroffen waren, schloss der Sterbende die Augen und Monseigneur sah sich im Besitz nahezu einer Million in Bankbilletten und zweier Kinder. Der Verbrecher zögerte nicht lange, seinen Vorteil wahrzunehmen. Der Sterbende hatte nur zu ihm gesprochen, der Mutter sollte alles verborgen bleiben, die Kinder waren erst vier oder fünf Jahre alt. Er verbreitete, dass sein Freund beim Tode sein Vermögen den Armen vermacht habe, und vom selben Tage an bemächtigte sich der Schelm desselben. Es war ihm aber nicht genug, die unglücklichen Kinder mittellos zu machen. Der Bischof, der niemals ein Verbrechen beging, ohne im Augenblick ein neues zu ersinnen, hatte sich die Zustimmung seines Freundes verschafft, die Kinder aus der versteckten Pension, wo man sie erzog, herauszunehmen. Er gab sie zu ihm ergebenen Leuten und entschloss sich sofort, sie alle zwei bald zu Opfern seiner perfiden Wollust zu machen.

Er wartete, bis sie dreizehn Jahre alt wurden. Der Knabe erreichte zuerst dieses Alter, er bediente sich seiner, machte ihn allen seinen Lüsten gefügig, und da er außerordentlich hübsch war, amüsierte er sich fast acht Tage mit ihm. Mit dem kleinen Mädchen jedoch hatte er nicht ebenso guten Erfolg. Sie war im vorgeschriebenen Alter sehr hässlich, aber die geile Wut unseres Verbrechers wurde durch nichts aufgehalten. Und als seine Begierden gestillt waren, befürchtete er, dass diese Kinder, wenn er sie am Leben lasse, etwas von dem Geheimnis entdecken könnten, das sie umgab; er brachte sie auf ein Landgut seines Bruders, und da er sicher war, in einem neuen Verbrechen die Brände der Wollust wiederzufinden, die der Genuss ihn hatte verlieren lassen, er opferte beide seinen grausamen Leidenschaften und begleitete ihren Tod mit so lüsternen und martervollen Episoden, dass die Wollust aus dem Schoß der Foltern, die er ihnen zufügte, neu geboren wurde.

Das Geheimnis ist nur allzu gewiss und es gibt keinen im Laster einigermaßen gewitzigten Wollüstling, der nicht weiß, welche Herrschaft der Mord über die Sinne ausübt und wie wollustreich er eine Entladung gestaltet; das ist eine Wahrheit, im Hinblick auf welche es gut ist, wenn der Leser sich ihrer vergewissert, ehe er die Lektüre eines Werkes unternimmt, das dieses System eingehend darlegen soll.

Nunmehr über alle Ereignisse beruhigt, kehrte der Bischof nach Paris zurück, um die Früchte seiner Freveltaten zu genießen, ohne den kleinsten Gewissensbiss, weil er die Absichten eines Mannes betrogen hatte, der als Toter ohnehin weder Leid noch Freude empfinden konnte.

Der Präsident von Curval war der Doyen der Gesellschaft, nahezu sechzig Jahre alt und besonders verbraucht durch die Ausschweifung. Er bildete fast nur mehr ein Skelett, er war groß, mager, dünn, hatte braune, erloschene Augen, einen fahlen, ungesunden Mund, ein vorgestrecktes Kinn und eine lange Nase. Er war behaart wie ein Satyr, hatte einen flachen Rücken und schlaffe, abfallende Hinterbacken, die eher wie zwei schmutzige, auf der Oberfläche seiner Schenkel schwimmende Scheuerlappen aussahen. Die Haut war durch die Kraft von Geißelhieben derart verwelkt, dass man sie um die Finger winden konnte, ohne dass er es spürte. In der Mitte dieser Haut zeigte sich, ohne dass man sie auseinander halten musste, eine ungeheure Mündung, deren enormer Durchmesser, Geruch und Farbe sie mehr einer Abortöffnung als einem Arschloch ähnlich machten. Als Krönung dieser Reize kam noch die kleine Gewohnheit der Sodomiten hinzu, diesen Körperteil stets in unreinlichem Zustande zu lassen, so dass man daran stets eine Kruste von zwei Zoll Dicke sah.

Am Ende eines Bauches, der ebenso runzelig, als fahl und schlaff war, bemerkte man in einem Wald von Haaren ein Werkzeug, das im Zustand der Erektion etwa acht Zoll Länge und sieben Zoll Umfang haben konnte, aber dieser Zustand war äußerst selten, und es bedürfte einer Reihe wütender Anstrengungen, um ihn herbeizuführen. Er hatte ihn aber trotzdem noch zwei- oder dreimal wöchentlich und der Präsident spießte dann alle Löcher ohne Unterschied auf, obwohl ihm das eines jungen Knaben weitaus am liebsten war. Der Präsident hatte sich beschneiden lassen, so dass der Kopf seines Schwanzes immer unbedeckt war, eine Operation, die sehr erleichtert und der alle Wollüstlinge sich unterziehen sollten, eine Folge ist allerdings, dass man dann diesen Körperteil reinlicher halten muss. Diese Forderung wurde bei Curval jedoch sehr schlecht erfüllt, denn er war an diesem Teil so schmutzig wie im andern, und die Kappe des Gliedes, schon von Natur aus sehr dick, wurde dadurch noch um wenigstens einen Zoll breiter im Umfang.

Da der Präsident an seiner ganzen Person in gleicher Weise schmutzig war und damit noch Neigungen verband, die mindestens so schweinisch waren wie seine äußere Person, konnte seine schlecht genug riechende Anwesenheit alle Welt nur wenig beglücken, seine Genossen aber waren nicht die Leute, sich einer solchen Kleinigkeit wegen zu skandalisieren, man sprach nicht einmal darüber zu ihm. Wenige Menschen waren so geil und ausschweifend wie der Präsident, aber völlig blasiert, gänzlich entmenscht, zog ihn nur noch die Verderbtheit und der Schmutz der Wollust an. Er brauchte Exzesse von drei Stunden und Exzesse der infamsten Art, um den Kitzel der Wollust zu verspüren; was die Entladung betrifft, so war dieselbe, obwohl sie bei ihm öfter stattfand als die Erektion, doch sehr schwierig zu erreichen oder fand vielmehr nur statt, wenn ganz besondere und häufig so grausame oder widerwärtige Dinge so vorausgingen, dass die Vermittler seiner Vergnügungen dabei manchmal versagten, was in ihm eine Art von geilem Zorn hervorrief, der dann oft einen besseren Erfolg zeitigte als seine vorherigen Anstrengungen.

Curval war derartig vergeilt in den Morast des Lasters und der Ausschweifung, dass es ihm unmöglich geworden war, andere Reden zu halten als über solche Dinge, und er hatte unaufhörlich die schmutzigsten Ausdrücke im Munde und im Sinne und vermischte sie in der kräftigsten Weise mit Gotteslästerungen und Verwünschungen, die ihm von dem wahrhaften Abscheu eingegeben wurden, den er nach dem Beispiel seiner Genossen für alles hegte, was mit der Religion zusammenhing.

Diese Unordnung des Geistes, noch vermehrt durch die fast ununterbrochene Betrunkenheit, in der er sich zu erhalten liebte, gab ihm seit einigen Jahren einen Anschein von Schwachsinnigkeit und Vertierung, was, wie er vorgab, seinen bevorzugtesten Genuss ausmachte. Ebenso geborener Vielfraß wie Trunkenbold, war er der einzige, der dem Herzog die Stange halten konnte und auf diesem Gebiete, wir werden es im Laufe dieser Erzählung sehen, Heldentaten leistete, die zweifellos unsere berühmtesten Vielfraße in Erstaunen setzen werden.

Seit zehn Jahren übte Curval seine Berufsgeschäfte nicht mehr aus, er war nicht nur außerstande dazu, man hätte ihn auch, wie ich glaube, wenn er es gekonnt hätte, gebeten, sich fürs ganze Leben davon zu dispensieren. Curval hatte ein sehr ausschweifendes Leben geführt. Alle Arten der Verirrung waren ihm geläufig und die, welche ihn besonders gut kannten, hatten ihn stark in Verdacht, dass er das ungeheure Vermögen, dessen er sich erfreute, lediglich zwei oder drei abscheulichen Mordtaten verdankte. Wie dem auch sei, ist es nach der folgenden Begebenheit sehr wahrscheinlich, dass dieser Art von Exzessen die Gabe eigen war, ihn mächtig anzuregen. Und zufolge dieses Abenteuers, das unglücklicherweise ein wenig Lärm verursachte, wurde er vom Hofe verbannt. Wir erzählen es, um dem Leser eine Idee seines Charakters zu geben.

In der Nähe seines Wohnhauses war ein Lastträger, der als Vater eines reizenden Mädchens so lächerlich war, Sentimentalität zu entwickeln. Zwanzigmal waren Boten aller Art gekommen, um den Unglücklichen durch verschiedene Vorschläge in Bezug auf seine junge Tochter zu verlocken, ohne ihn jedoch wankend machen zu können, und Curval der Dirigent dieser Botschaften, den die Häufung der Abweisungen nur reizte, wusste nicht mehr, was er anstellen sollte, um das junge Mädchen zu genießen und sie seinen geilen Launen zu unterwerfen, als er sich kurzweg entschloss, den Vater zu verderben, um die Tochter in sein Bett zu kriegen. Das Mittel war ebenso rasch erdacht als angewendet; zwei oder drei vom Präsidenten gemietete Schurken verbündeten sich, und vor Ablauf eines Monats war der Unglückliche in ein erfundenes Verbrechen verwickelt, das anscheinend bei seiner Türe begangen worden war und ihn sogleich in einen Kerker der Burgvogtei brachte. Der Präsident, wie man wohl denkt, bemächtigte sich bald des Mädchens, und da er keine Lust hatte, die Angelegenheit hinauszuziehen, wurde der unglückliche Lastträger, dank den Schurkereien und seinem Gelde verurteilt, lebendig gerädert zu werden, ohne dass er jemals ein anderes Verbrechen begangen hatte, als das, dass er seine Ehre hüten und die seiner Tochter bewahren wollte. Inzwischen begannen die Versuchungen aufs neue, man machte die Mutter ausfindig und stellte ihr vor, dass es nur von ihr abhänge, ihren Gatten zu retten, dass, wenn sie den Präsidenten zufrieden stelle, es klar sei, dass dieser dafür ihren Mann vor dem schrecklichen Los, das ihm bevorstehe, bewahren werde. Es war unmöglich, zu schwanken, die Frau erkundigte sich, man wusste genau, an wen sie sich wandte, man hatte die Ratgeber bestochen, und diese sagten ihr ohne Umschweife, dass sie nicht einen Augenblick zögern dürfe. Die Unglückliche führt selbst ihre Tochter unter Tränen zu den Füßen ihres Richters. Dieser verspricht alles, was man will, aber er hatte nicht die geringste Lust, Wort zu halten, nicht nur weil er in diesem Falle fürchtete, der gerettete Gatte werde Lärm schlagen, wenn er sehe, um welchen Preis sein Leben geschont worden war, sondern auch deshalb, weil der Verbrecher noch ein besonders pikantes Vergnügen darin fand, sich geben zu lassen, was er wollte, ohne zu einer Gegenleistung verpflichtet zu sein. Er versprach sich davon für sein Empfinden Episoden der Schurkenhaftigkeit, bei denen er seine perfide Geilheit wachsen fühlte. Und auf folgende Weise setzte er alles so infam und lüstern als möglich in Szene.

Sein Wohnhaus befand sich gegenüber einem Platze, auf dem Verbrecher in Paris manchmal hingerichtet wurden, und da das Delikt in diesem Viertel stattgefunden hatte, bestand er darauf, dass die Exekution auf dem fraglichen Platze vollzogen werde. Zur festgesetzten Stunde waren die Frau und Tochter des Unglücklichen in seiner Wohnung; gegen den Platz zu war alles wohl verschlossen, so dass man von den Räumen aus, wo er seine Opfer festhielt, keinen der Züge sah, die vorbeipassieren mochten. Der Verbrecher, welcher die genaue Zeit der Hinrichtung kannte, wählte diesen Moment, um das Mädchen in den Armen seiner Mutter zu entjungfern, und alles war mit solcher Geschicklichkeit und Präzision arrangiert, dass der Verbrecher in dem Augenblick in den Popo des Mädchens entlud, als der Vater starb.

Als dies geschehen war, öffnete er ein Fenster gegen den Platz zu und sagte zu seinen beiden Prinzessinnen: »Kommt und seht, wie ich euch Wort gehalten habe.« Und die Unglücklichen sahen, die eine ihren Vater, die andere ihren Gatten unter dem Eisen des Henkers hinsterben. Beide fielen in Ohnmacht, aber Curval hatte alles vorausgesehen. Diese Ohnmacht war ihr Todeskampf, sie waren beide vergiftet und öffneten nie mehr die Augen.

Soviel Vorsicht er auch gebrauchte, um diese ganze Angelegenheit in den Schleier des tiefsten Geheimnisses zu hüllen, es drang dennoch etwas davon hindurch; man wusste nichts vom Tode der Frauen, aber man munkelte lebhaft von Verrätereien in der Angelegenheit des Gatten, das Motiv war zur Hälfte bekannt, und das schließliche Resultat war seine Demission. Von dem Moment an, wo Curval kein Dekorum mehr zu wahren hatte, stürzte er sich in einen neuen Ozean von Scheußlichkeiten und Verbrechen, er ließ überall Opfer suchen, um sie mit dem Raffinement einer furchtbaren, aber doch leicht verständlichen Grausamkeit seinen perversen Neigungen aufzuopfern. Die Klasse des Elends war vorzugsweise diejenige, auf die er die Angriffe seines perfiden Wütens richtete. – Er beschäftigte mehrere Frauen, die für ihn Tag und Nacht in Dachkammern und Dachböden nach dem suchten, was das tiefste Elend bieten konnte. Und unter dem Vorwand, ihnen zu helfen, vergiftete er sie entweder, was ihm eine der köstlichsten Zeitvertreibe schien, oder er ließ sie zu sich führen und opferte sie persönlich seinen perversen Launen.