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Lucas Timm

Einer blickt durch


für Undine


BookRix GmbH & Co. KG
80331 München

Intro

Einer blickt durch

 

Lucas Timm

 

Ein homoerotischer Roman von Lucas Timm

 

  1. Auflage, Dezember 2013

 

©Lucas Timm 2013

Autorenblog/Homepage

www.facebook.com/lucastimmbuch

 

Covergestaltung: Florian Kirchhoff

Homepage: www.photomandor.com

Kontaktmöglichkeit: info@photomandor.com

 

Alle Rechte vorbehalten. Ein Nachdruck oder eine andere Verwertung ist nur mit schriftlicher Genehmigung des Autors gestattet.

 

Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig und unbeabsichtigt.

 

für Ulrike

 

Prolog

„Was macht Ihr denn da?“

Erschrocken blickte ich auf und ließ von meinem Kindergartenfreund Patrick ab, der kichernd unter mir lag. Wir hatten unsere kurzen Hosen bis auf die Knie heruntergezogen und lagen nackt aufeinander.

Albern stöhnend bewegte ich meinen kleinen Körper auf und ab und erstarrte erst, als die entsetzte Stimme meiner Mutter anklagend unser neu entdecktes Spiel beendete.

 

Dieser Vorfall ist eigentlich die früheste Erinnerung, die ich an meine Kindheit habe. Damals waren wir vier Jahre alt.

Kurz vor dem Zwischenfall kuschelten Patrick und ich mit den kleinen Katzen von Familie Güstrow von nebenan. Irgendwann liefen die Vierbeiner entnervt davon. Von meiner Idee, Mann und Frau zu spielen, war mein Freund sofort begeistert, wie von allen Vorschlägen, die ich machte.

Wir hatten uns nichts weiter dabei gedacht. Es war nur ein Zeitvertreib von vielen.

An der Reaktion meiner Mutter bemerkte ich jedoch schnell, dass wir hier etwas getan hatten, das nicht sonderlich gut ankam. Wir fühlten uns ertappt und hatten ein schlechtes Gewissen, obwohl uns nicht einleuchtete, was eigentlich das Problem war. Jedenfalls haben wir in Zukunft wieder mit unseren Autos gespielt, Höhlen gebaut oder sind durch die umliegenden Straßen gezogen, um fremde Menschen zu beobachten.

Es war so, als hätte ich gewusst, dass sich mir in den nächsten Jahren noch viele Möglichkeiten bieten würden, andere Körper zu erforschen, ohne dass meine Eltern es bemerken würden.

 

Ich wurde in einer recht bürgerlichen Kleinstadt im Norden Niedersachsens geboren. Einem Ort, in dem die meisten Bewohner keinerlei Ahnung von Menschen haben, die anders sind.

Mein Interesse richtete sich von Kindesbeinen an auf genau diese Andersartigen.

Fantasie und Instinkt halfen mir schon immer dabei, mich mit auf den ersten Blick unauffälligen Details auseinanderzusetzen. Ich lasse mich auf Vieles ein, das andere vielleicht nicht bemerken oder nicht zu nutzen wissen. Es ist nur eine logische Schlussfolgerung, dass dadurch auch der eine oder andere Tritt ins Fettnäpfchen nicht ausbleibt.

Doch ich gehe meinen Weg so, wie ich ihn für richtig halte: Mit heimlichen Blicken nehme ich am Leben meiner Mitbürger teil – ob sie es nun wollen oder nicht.

 

Kapitel 1

 

Mein orangefarbenes Planschbecken, das meine Eltern mir als kleiner Junge schenkten, war mein bester Freund. Solange ich mich zurückerinnern kann, war ich eine begeisterte Wasserratte.  Stundenlang konnte ich in unserer gemütlichen Badewanne sitzen und mit kleinen Plastikschiffchen spielen oder aufziehbare Spielzeugfrösche durch das Wasser schwimmen lassen. Besonders lustig fand ich es, aufzustehen und mir aus Schaum große Brüste oder Unterwäsche anzukleben. Sehr schnell waren mir stundenlange Waschfeste in der heimischen Wanne nicht mehr genug. Zu meinem Glück lernte ich bereits im Kindergarten, mich allein im Wasser fortzubewegen, ohne unterzugehen.

 

Obwohl mir in der Badeanstalt der lustige Schaum im Wasser fehlte, genoss ich besonders das Springen vom Einmeterbrett und das Tauchen nach Gummi-Ringen unterschiedlichster Größe.  Am liebsten nahm ich sie mit dem Mund vom Boden des Beckens auf, weil ich mich so den lustigen Delphinen aus dem Heidepark näher fühlte. Die aufgeweckten Viecher hatten es gut. Sie konnten ihr ganzes Leben im kühlen Nass verbringen, ohne nach wenigen Stunden von genervten Kindergärtnerinnen in die Duschen gescheucht zu werden. Die wöchentlichen Schwimmstunden waren mir einfach zu kurz. Immerhin blieb mir tagsüber der angenehme Chlorgeruch auf der Haut erhalten. Wieder und wieder roch ich an meinen Fingern und wünschte mich zurück in den großen, blauen Pool.

 

Bereits mit sechs Jahren hatte ich sämtliche Schwimmtests bestanden, die man in meinem Alter absolvieren konnte. Stolz zeigte ich allen die blauweißen Abzeichen meiner bestandenen Prüfungen, die meine Oma mir auf meine blaue Badehose genäht hatte. Die kleinen Trophäen waren ein richtiger Hingucker, um die meine Freunde mich reihum beneideten. Während die meisten Kinder, mit denen ich meine Nachmittage im Hallenbad verbrachte, schnell über das zu kalte Wasser oder Langeweile klagten, konnte ich meist kein Ende finden. Es machte mir einfach viel zu viel Spaß, stundenlang im Wasser zu sein oder auf den beheizten Bänken am Beckenrand zu liegen und neugierig andere Leute zu beobachten.

 

Je älter ich wurde, desto intensiver wurden meine Blicke. Es dauerte nicht lange, bis mir auffiel, dass in Schwimmbädern auch außerhalb des eigentlichen Nassbereichs einiges zu erkunden war. Für gewöhnlich holte ich mir vor dem Baden in der Umkleidekabine einen runter, ging duschen, planschte mit Freunden, duschte wieder und wichste zum Abschluss erneut schnell und heimlich, bevor es entspannt nachhause ging. Irgendwann bemerkte ich die kleinen Löcher, die es in einigen Kabinen gab. Unbewusst wunderte ich mich schon in der Vergangenheit über die Vertiefungen in den Wänden, in denen wahrscheinlich einmal Dübel steckten, um Handtuchhalter, Sitzbänke oder Spiegel zu halten. Doch warum um Himmels willen sollte jemand gerade auf Lendenhöhe etwas anhängen wollen? Dies erschien mir doch relativ unpraktisch und bei genauerem Hinsehen auch völlig absurd. Ich bückte mich nach vorn, um mir das einmal genauer anzusehen. Zu meiner Überraschung bot sich direkte Sicht auf ein dickes, nacktes Hinterteil einer alten Frau. Erschreckt wich ich zurück. Obwohl man sich das eben Gesehene eigentlich lieber erspart hätte, faszinierte mich der versteckte Blick in die Umkleidekabine nebenan. Nachdem das Po-Monster sich zu den elektrischen Haartrocknern verpieselt hatte, wartete ich gespannt darauf, dass weitere Badegäste den engen Raum hinter der Wand bezogen. Nur wenige Minuten später hörte ich das Öffnen eines Schrankes und gleichzeitige Herausfallen eines Geldstücks, welches man als Schlüsselpfand einwerfen musste. Neugierig schaute ich unter der erhöhten Tür meiner Kabine hindurch und sah zwei dunkel behaarte Männerbeine.  Erleichtert richtete ich mich auf und lauschte, wie der Mann seine Klamotten an den Haken nebenan hing. An den hellblauen Sportschuhen konnte ich mir ausmalen, dass es sich wohl bei dem Fremden nicht um einen Rentner handelte.

Die Tür wurde verschlossen. Mit angehaltenem Atem wanderte meine Pupille zurück an das kleine Loch vor mir. Es war dunkel. Doch warum? Hatte der Unbekannte etwa etwas davor geklebt, um nicht beobachtet zu werden? Schnell kombinierte ich, dass er anscheinend sein Handtuch über die Ablage unter dem kleinen Spiegel gehängt hatte, der nur wenige Zentimeter über meinem Guckloch an der Wand befestigt war. Mit einem lauten Husten griff er kurz darauf nach dem blauen Stück Stoff und begann, gründlich seinen nassen Körper abzurubbeln, was für mich freie Sicht auf fremde Haut bedeutete. Zu meiner Freude präsentierte er dabei seinen großen Schwanz direkt vor meinen Augen. Er war mir so nah, dass ich jede kleine Hautunebenheit zwischen seiner Schambehaarung sehen konnte. Noch nie in meinem Leben konnte ich so ungeniert ein männliches Glied betrachten. Faszinierend bewunderte ich seine große Eichel, die fast komplett von einer braungebrannten Vorhaut umschlossen war. Viel zu schnell zog der Badegast eine weiße Unterhose darüber. Nun stellte sich mir nur noch die Frage, zu wem dieses ausgeprägte Geschlechtsteil gehörte. Ich öffnete die grünen Türen zu beiden Seiten und tat so, als würde ich gerade angekommen sein und meine Sachen in den Spind räumen. Im richtigen Moment drehte ich mich um. Die behaarten Beine gehörten einem sportlichen Mann, den ich zuvor dabei bewundert hatte, wie er mehrmals vom Fünf-Meter-Brett ins Wasser gesprungen war. Zwar stand ihm die Brille, die er nun auf der Nase hatte, nicht so gut, doch interessierte mich sein Gesicht sowieso nicht so sehr wie sein Körper.

Von diesem Tag an zog ich es vor, allein zum Schwimmen zu gehen. Nach intensiver Begutachtung der einzelnen Wände prägte ich mir schnell die Kabinen ein, in der man mehr erleben konnte, als in anderen. Nach wenigen Tagen wusste ich, dass anscheinend fast jeder Jugendliche in meinem Alter von der Feuchtigkeit und den halbnackten Körpern im Bad angeheizt wurde. Es scheint das Normalste auf der Welt zu sein, dass junge Männer sich unter diesen Umständen Erleichterung verschafften. Immer wieder ernteten meine Blicke das, worauf sie es abgesehen hatten: Mitschüler, aber auch Fremde, entkleideten sich vor meinen Augen, spielten an sich herum und spritzen lustvoll in ihre Handtücher oder auf die eh schon recht dreckigen Kabinentüren. Sobald allerdings eine Frau sich vor meiner Linse entkleidete, zog ich es vor, meinen Ausguckplatz zu verlegen.

Zu meinem Leidwesen schlich sich schnell ein derber Muskelkater in meine Beine, da ich mich immer wieder auf den Boden hockte oder nach vorne beugte, um zu sehen, welches Paar Füße als nächstes auf mich zukam. Mit den Wochen waren aber auch diese Regionen so trainiert, dass ich keine Beschwerden mehr hatte.  Es gab allerdings noch ein anderes Problem, dass ich bisher völlig außer Acht gelassen hatte. In jeden Gang hingen Überwachungskameras, die dem Personal Aufnahmen meiner Bäumchen wechsle dich Spielchen übermittelten.

 

Daran hätte ich wirklich denken müssen. Wahrscheinlich war der mürrische Bademeister schon des Öfteren an mir vorbei gegangen, ohne, dass ich es auf mich bezogen hatte.

 

Da seine Warnungen mich nicht erreichten, sprach er mich irgendwann direkt an, als ich mal wieder am Automaten für Badekappen und Seife vorbei hetzte, um in den anderen Gang zu gelangen.

 „He Junge, was machst du hier eigentlich die ganze Zeit? Das ist hier kein Spielplatz. Ist das klar?“ wetterte er verärgert und kratze sich dabei bedrohlich an seinem grauen Vollbart.

Er hatte mich ertappt. Ohne auf seine Worte zu reagieren, rannte ich mit knallroter Birne zurück in die Schwimmhalle, um mit meiner Taucherbrille ein paar hübsche Badehosen und knutschende Pärchen unter Wasser zu begucken. Mein neues Hobby faszinierte mich und lieferte mir pausenlos neuen Stoff, der meine Fantasie anregte. Jetzt, wo alles so gut lief, wollte ich da weitermachen, wo ich aufgehört hatte. Von so einem blöden Bademeister wollte ich mir die Tour jedenfalls nicht vermasseln lassen. Die Alternative, die sich mir zum bisherigen Treiben bot, war bescheiden: Stundenlanges Duschen mit Blick auf unerigierte Schwänze, die dann wohlmöglich gleich im Anschluss zur Tat schreiten würden, reichten mir nicht.

 

Doch wie sollte man es anstellen, unentdeckt von den Kameras zu agieren? Der Kabinenwechsel schied zukünftig aus. Was war da naheliegender, als sich dauerhaft in einer gut gelegenen, hoch frequentierten Umkleide zu verstecken? Natürlich war mir bewusst, dass ich nicht vorbildlich handelte und es nicht riskieren durfte aufzufallen.

 

Ein Hausverbot in der Badeanstalt wäre nicht nur peinlich, sondern käme einer Abschiebung ins Ungewisse gleich.

 

Mein neues Hobby, das seit Neustem mein Leben immens bereicherte, wollte ich nicht durch Unachtsamkeit aufs Spiel setzen. Ich entschied mich, einfach längere Zeit in der Umkleide zu verweilen, ohne dabei Opfer der Kamera zu werden. Nach anfänglichen Tollpatschigkeiten, bei denen meine Neugier dann doch nicht immer verborgen blieb, entwickelte ich mich langsam zum Spanner-Profi. Zum Beispiel lugte ich nicht mehr über die Kabinen, denn das konnte man im Spiegel der begutachteten Kabinen sehen. Größere Löcher stopfte ich mit Taschentüchern zu, sodass es auf der anderen Seite so aussah, als wäre ich derjenige, der sich vor dreisten Voyeuren schützte. Wer konnte auch schon ahnen, dass das zusammengeknüllte Papier nur locker hineingestopft war. Wie durch einen Schleier konnte man wahrnehmen, was sich auf der anderen Seite abspielte. Im richtigen Moment zog ich den Pfropfen einfach wieder heraus, um genau hinsehen zu können. Stehende Personen sehen von oben sowieso nicht, was unten passiert. Der Blick unter der Kabine hindurch blieb natürlich die Hauptattraktion.  Mein größter Feind neben dem Bademeister war die rothaarige Frau von der Putzkolonne. Jede volle Stunde startete sie mit ihrem bollernden Wagen zu einer neuen Runde durch den Umkleidebereich. Zu meiner Überraschung hatte sie bei jedem Durchgang eine neue Feudeltechnik parat. Mal zauberte sie nasse Wellen, ein anderes Mal pingelig gerade Wischlinien auf den hellgrauen Fliesen. Badegäste, die ihr unachtsam in die Quere kamen, wurden unsanft zu Recht gewiesen.

„Ziehen Sie sofort die Schuhe aus! Sie sehen doch, dass der Boden frisch gewischt ist!“

Anschließend schüttelte sie genervt den Kopf und fügte ein entrüstetes „Also so was!“ hinzu. Belegte Kabinen wurden von der Putzfrau zum Glück faul ausgespart, was mir selbstverständlich zugute kam. Neben ein bisschen Proviant wie Keksen, Obst und Cola befanden sich in meiner großen Badetasche diverse Handtücher, Badehosen, verschiedenfarbige Strümpfe und oftmals auch mehrere Paar Schuhe.

Bei jedem Rundgang sah es von außen so aus, als hätte sich gerade wieder jemand Neues hinter den grünen Türen verschanzt. Man sollte die Kombinationsgabe einer eifrigen Hallenbad-Putzfrau besser nicht unterschätzen.

Nachdem ich einen Großteil der Bürger unserer Stadt beim Umziehen und wichsen gesehen hatte, bemerkte ich, dass es noch andere Profis in meinem Umfeld gab. Als ich mal wieder angeregt durch eine der Bohrungen starrte und einen erigierten Schwanz vor mir auf und ab hüpfen sah, erschien überraschend ein Auge direkt vor mir. Das Auge auf der anderen Seite blickte mich direkt an. Man hatte mich erwischt. Erschrocken schreckte ich zurück und erwartete ein lautes Donnerwetter, doch alles blieb ruhig. Nur einer der Föhne am Ausgang surrte ermahnend im Eingangsbereich. Für einen Moment überlegte ich, meine vollgepackte Tasche zu schnappen und schnell Reißaus zu nehmen, doch das ungewöhnliche Verhalten des erigierten Mannes zog meine Aufmerksamkeit auf sich. Vorsichtig schaute ich auf seine Badelatschen, die darauf hinwiesen, dass der Unbekannte, mit gespreizten Beinen auf seiner Sitzbank saß. Vom rhythmischen Wackeln seiner Zehen konnte ich ableiten, dass er inzwischen damit beschäftigt war, an sich herumzuspielen. Da der Wichser offensichtlich kein Problem damit hatte, dass ich ihn beobachtete, bezog ich meine gewohnte Position und blickte ungeniert auf das Treiben vor meinen Augen. Der etwa fünfundvierzigjährige Mann, mit leichtem Bauchansatz und haarigem Körper spielte anscheinend in einer anderen Liga.

Er wollte gesehen werden. Meine Blicke regten ihn an, egal. Hierbei störte ihn mein junges Alter anscheinend nicht. Wahrscheinlich fand er es aber extra anregend, dass ich gerade erst vierzehn Jahre alt war.

Seine rechte Hand, mit der er den großen Männerpenis wichste, trug einen Ring mit einem schwarzen Stein, der im Licht der Neonlampen bei jeder seiner immer schneller werdenden Bewegungen funkelte. Nachdem er gekommen war, ließ er es sich nicht nehmen, weiterzumachen. Die Freude, die ich ihm durch meine versteckte Anwesenheit bereitete, ließ ihn wenig später noch einmal angeregt auf seinen Bauch spritzen.

Neben der Lust, die mir seine Show bereitete, bekam ich es dennoch mit der Angst zu tun. Wie sollte ich bloß reagieren, wenn er mich ansprechen würde? Meine Schicht beendete ich für diesen Tag und verließ mit gemischten Gefühlen die Badeanstalt.

Unterwegs drehte ich mich mehrfach unauffällig um, um sicher zu gehen, dass der Exhibitionist mich nicht verfolgte. Ein wenig unheimlich und unwirklich war unsere Begegnung schon. Immerhin hätte der Typ mein Vater sein können. Die Vorstellung, dass ein Mann jenseits der vierzig überhaupt noch sexuell aktiv sein würde, verdrängte ich, zumal immer wieder das Gesicht meines Erzeugers in meinen Gedankengängen aufblitzte.

Kapitel 2

 

Zu Beginn der Sommerferien spendierte mir meine Mutter meistens eine Dauerkarte für das städtische Freibad. Ich liebte den Sommer, denn an warmen Tagen waren die Wiesen und Becken so sehr von Badegästen übersät, dass man kaum einen freien Platz fand. Das Spanner-Paradies war eröffnet. Neben einem doppelt so großen Umkleideareal gab es nur an einem einzigen Durchgang eine Überwachungskamera. Die Kabinenwände gingen hier zwar fast bis zum Fußboden doch hatten meine Vorgänger ganze Arbeit geleistet: Fast jede Umkleide hatte mehrere Gucklöcher, sodass man mit etwas Glück zeitgleich drei Personen begutachten konnte. Die Chance, hier erfolgreich zu sein, war also weitaus größer. Teilweise artete die Reizüberflutung in richtigen Stress aus, da man immer Angst hatte, etwas zu verpassen.

Es gab natürlich auch im Freibad erfolgreiche und weniger erfolgreiche Tage. Einige Wichser kamen zu bestimmten Uhrzeiten und ältere Spanner-Kollegen kamen so pünktlich, dass man die Uhr danach hätte stellen können. Die älteren Voyeure hatten es allem Anschein nach auf Kinder abgesehen, somit kamen wir uns nicht in die Quere.

Im Normalfall blieb ich zwei bis drei Stunden in meinem Bau, bevor ich mir eine kleine Pause gönnte. In dieser Zeit aalte ich mich ein wenig in die Sonne, damit meine Mutter keinen Verdacht schöpfte.

Sicherlich hätte sie sich gewundert, warum ich nach mehreren Tagen im Freibad noch käsebleich war. Das eigentliche Schwimmen rückte immer mehr in den Hintergrund.

Wenn ich mich dann doch einmal dazu entschied, mich im Wasser abzukühlen, war der Bademeister gerade mal wieder damit beschäftigt, eine dicke Kackwurst mit einem Kescher aus dem Wasser zu fischen, während die Badenden angeekelt in alle Richtungen flohen.

Gefahr lauerte immer dann, wenn ich Mitschüler oder Freunde bei meinem Rundgang traf.

Ich musste Gründe suchen, um mich abzuseilen, dann aber wiederum aufpassen, dass sie mich nicht zufällig Stunden später sahen, wenn ich nachhause ging. Zum Glück kam ich nie in Erklärungsnot. Eines Nachmittags setzte sich eine Bande Jugendlicher auf der Bank an den Spiegeln direkt vor meinem Verschlag und alberte herum. Plötzlich lästerten sie darüber, dass manche Leute anscheinend Ewigkeiten zum Umziehen benötigen würden.

 „Wenn sich da mal kein Spanner drin verschanzt hat“, bemerkte einer der Typen absichtlich laut. Lautes Lachen von mindestens drei weiteren Personen erreichten meine aufgeschreckten Ohren. Mein Magen rutschte mir bis in die Knie. Redeten sie tatsächlich über mich? Wie hatten Sie mich nur durchschaut? Obwohl ich nicht wusste, wer es sich draußen vor meiner Kabinentür gemütlich gemacht hatte, fühlte ich mich ertappt und schämte mich. Mal wieder wurde mir klar, dass mein Treiben alles andere als normal war. Aus Angst und Scham, mir die Blöße zu geben, verweilte ich so lange zusammengekauert in meiner dunklen Kabine, bis die Jugendlichen gelangweilt abgezogen waren. Blitzschnell huschte ich drei Türen weiter, wartete fünf Minuten und verließ dann möglichst unauffällig die städtische Badeanstalt, als wäre nichts passiert.

 

Immer wieder neue, aufregende Erlebnisse lockten mich die kommenden Monate mehrmals in der Woche in die Schwimmhalle. Ein junger Mann, der mir bereits in der Herrendusche angenehm auffiel, hatte mich angelächelt. Sein muskulöser Körper und die Beule in der roten Badehose waren es, die meine Aufmerksamkeit sich immer wieder auf ihn richten ließ. Nach kurzer Zeit bemerkte ich, dass auch er mich beobachtete. Fühlte er sich von mir belästigt? Verschüchtert verkrümelte ich mich an meinen Spind, um einen Schluck Apfelsaft zu trinken. Der braungebrannte Typ aus der Dusche schloss einen Schrank am Ende des Ganges auf, nahm seine Klamotten heraus und verschwand zu meiner Verwunderung hinter einer Tür, direkt neben mir. Wie der Zufall es wollte, war diese genau neben meinem Stamm-Ausguck. Aufgeregt bezog ich mein gewohntes Gebiet und lauschte. An den Umrissen seines Schattens konnte ich ablesen, dass er sich nicht bewegte. Sein hellblaues Handtuch lag auf dem Fußboden direkt neben seiner Badehose. Auch ich entledigte mich meiner Shorts. Beim Herunterziehen bemerkte ich, dass mein Guckloch bereits genutzt wurde. Hatte der nette Typ aus der Dusche tatsächlich Interesse daran, zu wissen, wie ich nackt aussah? Das Blut schoss mir in die Lenden. Na, wenn dem wirklich so ist, sollte er auch etwas zu sehen bekommen, feuerte ich mich selbst an. Nach kurzer Zeit war auch ihm klar, dass seine Blicke nicht verborgen blieben. Abwechselnd guckten wir uns gegenseitig zu, ohne einen Laut von uns zu geben. Mit seinen etwa achtzehn Jahren war der Fremde im Vergleich zu mir schon ein richtiger Mann mit behaarter Brust und ausgeprägten Genitalien. Obwohl diese Begegnung das bisher Heißeste war, was ich im Schwimmbad erlebt hatte, war ich nicht zufrieden. Ich wollte mehr. Schnell zauberte ich aus meiner vollgestopften Mary-Poppins-Tasche einen Zettel und einen Kugelschreiber heraus, die ich vom Schreibtisch meiner Mutter mitgenommen hatte. In aller Eile kritzelte ich die Worte „Magst du rüberkommen?“ auf das Stück Papier und reichte es zusammen mit dem Stift unter meiner Sitzbank hindurch. Blitzschnell wanderten die Schreibutensilien zurück:

„Ich weiß nicht“, war die Antwort, die mich nicht gerade in Freudenschreie ausbrechen ließ.

Kurz darauf vernahm ich ein leises Flüstern:

„Ok, aber nicht anfassen!“

Sah ich aus wie eine wandelnde Geschlechtskrankheit oder warum hatte fast jeder Mensch, der meinen erigierten Penis sah, Angst vor Körperkontakt?  Ich zog es vor, nicht weiter über seine Worte nachzudenken und freute mich, als er wenig später vorsichtig an meine Tür klopfte. Mein Körper begann vor Aufregung zu zittern. Die wenigen blonden Haare an Armen und Beinen richteten sich auf. Seine Schüchternheit imponierte mir. Niedlich blickte er angestrengt nach unten, um meinen Blicken auszuweichen. Mit angespanntem Lächeln ließ er sich auf der Plastikbank nieder und enthüllte den hübschen Schwanz, der sehr viel größer und behaarter war, als mein eigener. Eine kleine Biegung nach oben schien fast dazu zu dienen, die Erektion besser mit seiner leicht geöffneten Faust zu umschließen. Die mit blauen Badeschuhen bekleideten Füße drückte er an die weißen Fliesen der Wand vor uns, damit niemand bemerkte, dass wir zu zweit waren. So saßen wir schweigend nebeneinander und guckten uns beim Wichsen zu. Kurz bevor er zum Höhepunkt kam, zauberte er von irgendwo ein weißes Taschentuch hervor und spritze gekonnt und zielsicher in die kleine Mole, die er sich darin zu Recht gedrückt hatte. Ich war beeindruckt und kam zeitgleich auf meinen Bauch.

 

So mag ich es noch heute am liebsten. Wortlos zogen wir uns Seite an Seite an, doch sahen wir uns nun zufrieden in die Augen. Auf dem Weg nach draußen wechselten wir die ersten richtigen Sätze miteinander. Ich musste versprechen, kein Wort über das Geschehende zu verlieren, bevor sich unsere Wege trennten.

Kapitel 3

Meinen ersten Pornofilm habe ich im Alter von dreizehn Jahren von meinem Vater geschenkt bekommen. Natürlich geschah dies nicht beabsichtigt. Nachdem das anfängliche Video-System „Betamax“ sich nicht mehr gegen VHS behaupten konnte, stieg mein Vater auf das gängigere Model um. Es war immer schwieriger geworden, Leerkassetten für sein Gerät zu bekommen. Zu meinem Glück wanderte der Videorekorder nicht auf den Müll, sondern direkt in meine erfreuten Hände.

Ein angenehmer Geruch, wie ich ihn aus großen Schallplattenläden kannte, zog mir in die Nase, als ich den Metallklotz und zwölf Videokassetten aus der gelben Post-Plastiktüte nahm.

Die Bänder waren gebraucht und zum größten Teil bespielt. Neben der Neugier, was mein Dad wohl in den vergangenen Wochen so aufgezeichnet hatte, empfand ich große Aufregung.

Da ich wusste, dass mein Vater oben auf der heimischen Buchenholzschrankwand ein paar verbotene Videos versteckt hatte, machte ich mich gleich auf die Suche nach dem, was ich nie zuvor gesehen hatte: Pornos. Heimlich hatte ich in den vergangenen Monaten immer wieder überprüft, ob die Kassetten noch an ihrem Platz lagen. Neben einem gekauften Film, gab es einen selbst kopierten Streifen, der in einer schwarzen Hülle mit grünen Balken steckte. Zu meiner Enttäuschung konnte ich diese Verpackung nicht entdecken. Ein Band nach dem anderen steckte ich in den lustigen Schlitz, der hungrig nach Futter gierte, und spulte sie mit Bildanzeige durch. Neben Krimis und Dokumentationen war die Aufzeichnung eines Walt Disney Films noch ein kleines Highlight. Nach den ersten sechs Kassetten gab ich die Hoffnung fast auf, einen Sexfilm zu Gesicht zu bekommen. Doch dann …. tatsächlich!

Ich schaltete den Fernseher sofort aus, denn meine Mutter saß hinter mir am Schreibtisch und telefonierte. Es könnte noch eine Ewigkeit dauern, bis die freie Journalistin den gerade begonnenen Artikel beenden würde.  Was hatte ich da gerade gesehen? Es fiel mir schwer, die Bilder sofort zu verinnerlichen. Reizüberflutung. Wurde tatsächlich gezeigt, wie ein Stier oder Bulle, von einer Frau geblasen wurde.

Das konnte doch nicht sein? Oder etwa doch? Wer hätte gedacht, dass mein Vater auf Sex mit Tieren abfuhr? Ich war total irritiert. Egal, was es war: Es machte mich im wahrsten Sinne des Wortes tierisch an.

Noch während ich still auf unserem dänischen Sofa hockte und meine Gedanken ordnete stand meine Mum auf, um sich in der Küche einen frischen Kaffee aufzusetzen. Sofort sprang ich zurück an das Fernsehgerät, um den schrecklichen Verdacht zu widerlegen. Das, was ich eben noch für ein vergewaltigtes Rind hielt, entpuppte sich als ein älterer Herr, mit einem riesigen Schwanz, der sich von zwei Frauen die Eier lecken ließ. Es lief mir heiß und kalt den Rücken herunter. Meine Hose spannte und ich verzog mich sofort in mein Zimmer, um das Gesehene zu verarbeiten. Angeheizt, wie ich war, bedurfte es nur einer kleinen Berührung meiner Vorhaut, bevor mich ein sagenhafter Orgasmus erlöste. Hier tat sich mir plötzlich eine ganz andere Art von Lust auf. Ich konnte Menschen beim Sex beobachten, ohne Angst haben zu müssen, erwischt zu werden. Ich bekam die bunten Bilder einfach nicht mehr aus dem Kopf. Als ich wieder zurück ins Wohnzimmer ging, spannte meine Hose erneut. Ich wollte den Rest des Videos ansehen, doch hämmerte meine Mutter nach wie vor auf ihrer Schreibmaschine herum, während sie ein lustiges Lied pfiff. Sie ging anscheinend genauso in ihrer Arbeit auf, wie die Erektion in meiner Unterhose. Wie festgeklebt verweilte sie auf ihrem Drehstuhl und blockierte unsere Stube. Die nächsten zwei Stunden kamen mir vor, wie eine Ewigkeit. Ich jammerte ein bisschen herum, dass wir keine Milch mehr im Kühlschrank hätten und ich Hunger auf chinesisches Essen verspürte, aber nichts konnte sie dazu bewegen, wegzugehen und mir damit etwas wirklich Gutes zu tun. Gegen Abend war es endlich so weit.

Ein beruflicher Termin beim Schützenverein eines Nachbardorfes stand in ihrem Kalender. Halleluja!

 

 

 

Erschrocken zog ich die Hose nach oben und schob die benutzen Taschentücher hinter das hellblaue Sofakissen neben mir. Fast hätte ich in meiner Panik vergessen, den Videorecorder auszustellen.

„Wieso hast du denn die Gardinen zugezogen?“ fragte meine Mutter mich überrascht, als sie ihre Fototasche in der Küche abstellte.

„Läuft denn alles gut? Wollen wir uns heute Abend mal einen schönen Film aus der Videothek ausleihen? Immerhin können wir uns jetzt aussuchen, was wir gucken und müssen uns nicht nach dem langweiligen Fernsehprogramm richten, “ schlug sie vor.

Im hinteren Teil des Geschäftes gab es einen Tresen, an dem eine füllige Frau im Strickpullover stand. Gelangweilt starrte sie in die Luft und spielte mit einer brennenden Zigarette, die sie in der gleichen Hand, wie den Telefonhörer hielt. Fast sah es so aus, als würde sie ihre blonde, herausgewachsene Dauerwelle anzünden wollen. Nur wenige Sekunden später gab es eine kleine Explosion – jedoch anders als erwartet. Die Dame knallte laut den Hörer auf die Gabel und hastete mit wutentbranntem Gesichtsausdruck auf uns zu.

Fast hätte sie mich an meiner Jacke gepackt und an die frische Luft befördert, doch meine Mutter eilte mir zur Hilfe. Nach einem zickigen Wortgefecht der beiden Blondinen durfte ich gnädiger Weise in der Ecke mit Kinderfilmen auf meine Mutter warten.

In fünf Jahren wäre auch dieser Raum für mich erreichbar, schwelgte ich in Zukunftsträumen.

„Oder wie wär´s mit dem Muppet-Movie?“

 

Schon lange hatten wir nicht mehr zusammen ferngesehen. Wie es bei uns Tradition war, gab es zum Film eine Tafel Noisette-Schokolade. Meine Mutter brach immer zwei Stücke für jeden von uns ab und achtete darauf, dass niemand benachteiligt wurde. Ohne ihre Aufsicht hätte ich bestimmt alles auf einmal verschlungen. Schokolade stopft bekanntermaßen, doch frisches Popcorn stopft noch besser. Ich drückte den Film auf Pause und rannte kurz in die Küche, um mir salziges Mikrowellen-Popcorn zuzubereiten. Untermalt von lauten Puffen gingen meine Mutter und Karin auf Toilette.