Karin Pfolz

Sally Bertram

 

Nur ein Gedanke

 

Heiteres und Nachdenkliches über das

Leben und die Menschen.

In Wort und Bild

 

 


Impressum:

1. Auflage, überarbeitet

Mail: karina.bookoffice@gmail.com


Text © Karin Pfolz, Sally Bertram

Layout, Überarbeitung, Covergestaltung © Karin Pfolz

Illustrationen © Karin Pfolz

März 2015, Karina Verlag, Vienna, Austria,

Print: ISBN 978-3-903056-30-5

E-Book: ISBN 978-3-903056-31-2

Bibliografische Information der Nationalbibliotheken:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

Die Österreichische Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Österreichischen Nationalbibliothek.

Dieses Buch unterstützt Gewaltopfer, die Autorin ist Mitglied im Verein „Respekt für Dich – AutorInnen gegen Gewalt“

Das Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung der Verlage, Herausgeber und Autor unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Karin Pfolz

 

Für Dich:

 

Das Glück liegt nicht im weltlichen Besitz,

nicht das Geld, die Autos, die Häuser,

es liegt im Blau des Himmels,

in der Wärme der Sonnenstrahlen,

im Rauschen des Meeres,

im Schatten der Bäume und

in jedem Regentropfen.

Das Glück ist das Gefühl des Herzens,

das nur durch Dich vollkommen

und fühlbar ist.

1 Ein ganz normaler Weibertag

 

Wieder so ein Tag, wo alle Arbeit gleichzeitig über mich hereinbricht. Meine Lektorinnen scheinen sich einen Spaß daraus zu machen, dass sie mir alle gleichzeitig die lektorierten Manuskripte zusenden und die Autoren drängen auf baldige Veröffentlichung, und nerven ununterbrochen mit Mails und Telefonaten. Also ob es dann schneller ginge, wenn ich dauernd unterbrochen werde und keinen Satz in Ruhe zu Ende lesen kann.

Aus – es geht nicht mehr. Meine Konzentration ist futsch, in meinen Gedanken vermischen sich die Buchtexte auf ein einziges Misch-Masch. Ich brauche Entspannung. Dringend.

Eine halbe Stunde kann ich mir schon gönnen, denke ich, drücke den Stand-by Knopf am PC und schiele zu meinem Diwan, der mich sehnsüchtig für ein kleines Schläfchen ruft.

Nur ein einziger Schritt trennt mich noch von der rettenden Erholung, da läutet das Telefon. Unbedacht drücke ich auf das Telefon und nehme den Anruf an.

„Hallo, meine Liebe!“, flötet die Stimme einer Freundin in mein Ohr.

„Oh hallo! Schön, dass du anrufst“, säusel ich zurück, aber die Wahrheit ist, sie geht mir auf die Nerven. So eine Person, die ununterbrochen irgendeinen Schwachsinn plappert. Muss die gerade jetzt anrufen?

„Du arbeitest zu viel, ich hol dich in fünfzehn Minuten ab. Eine Stunde wirst du schon weg können!“, und schon ist die Verbindung unterbrochen.

Ich muss die loswerden, doch Rückrufversuche scheitern, da die Leitung dauerbesetzt ist. Es hilft nichts, diese Person ist wie eine Klette.

Oh je, ich schau aus wie eine Rauchfangtaube, unfrisiert, ungeschminkt, in meiner ältesten Jogginghose, die ein auf natürliche Weise entstandenes Lochmuster ziert und einem T-Shirt, dass durch meine Malerei als Benetton-Werbung durchgehen könnte. Alle Farben dieser Welt.

Schnell in frische Jeans, etwas Make-up ins Gesicht, eine Spange ins Haar. Das muss genügen, und schon läutet die Türklingel.

„Herzchen! Wie wunderbar du aussiehst!“, und schon krallt sie sich an mich und schleckt mir links und rechts über das Gesicht.

So eine falsche Kröte! Glaubt die, ich habe keinen Spiegel! Was ist da wunderbar? Dunkle Augenringe von zu wenig Schlaf, eine Frisur wie ein Kehrbesen und die Wimperntusche überall, nur nicht dort, wo sie hingehört.

„Du aber auch, meine Liebe“, begrüße ich sie und werfe mein bezauberndstes Lächeln auf mein Gesicht. Was die kann, kann ich schon lang.

Oh mein Gott! Was ist die fett geworden! Aber ich verkneife mir das natürlich, schnappe meine Handtasche und sause zur Tür raus. Wenn die länger in meinem Haus bleibt, ist der Kühlschrank lehrgefressen.

Oberflächlich, wie die ist, bemerkt sie weder meinen kritischen Blick auf ihre Figur, noch die Panik vor der Plünderung meiner Vorräte. Sie plappert einfach weiter. Vielleicht ist es ganz gut, wenn ich eine Stunde so eine leichte Kost an Unterhaltung habe, da muss ich nicht denken, das entspannt mein überlastetes Gehirn sicher.

„Weißt, ich brauch dich mit. Ich muss mir einfach heute was Neues zum Anziehen kaufen und brauche deine Beratung. Es ist schlimm, ich habe einfach nichts anzuziehen!“, sind einige der Worte, die mich erreichen.

Na also „Nichts“ würde ich nicht behaupten, mit dem, was in ihrem Kleiderschrank hängt, könnte man sämtliche Humana-Sammelkästen der Stadt füllen.

Schon hat sie mich in ihr Auto geschupft und los geht’s. Na das wird was werden, aber wenigstens muss ich nicht viel nachdenken beim Antworten. Hin und wieder Nicken, oder „Ja“ reicht vollkommen. Zu mehr habe ich sowieso keine Chance. Vielleicht hätte ich Ohropax mitnehmen sollen?

Irgendetwas muss ich ihr angetan haben, denn sie weiß ganz genau, dass ich Menschenmassen hasse. Natürlich zerrt sie mich in eine Shopping-Mall, die vollgestopft ist mit drängelnden Leuten, schreienden Kleinkindern, telefonierenden Ungusteln und sonstigen Belastungen.

Ohne Rücksicht nimmt sie mich an der Hand und schleift mich da durch. Mir wird schlecht, ich will da raus.

Keine Chance.

Endlich hat sie ihren Lieblingsladen gefunden. Erleichtert seufze ich auf. Ein edler Laden. Na Geld hat sie ja genug. Und das Schönste ist ... hier gibt es ein Sofa neben den Umkleidekabinen. Erschöpft, von Bild und Ton, lasse ich mich sofort darauf nieder. Aber die Ruhe währt nicht lange, nach drei Minuten schwebt die liebe Freundin an und wirft einen Berg Kleidungsstücke neben mich.

„Geh, schau mal, was da hübsch ist, ich probier mal ein paar Jeans“.

Uff ... da ist ja ein Teil grauenhafter als der andere!

Genau ein Stück bleibt über, ein T-Shirt, alles andere würde ich nicht mal als Putzfetzen verwenden.

„Kommst mal!“, dringt ihre schrille Stimme an mein Ohr. Also auf zur Umkleidekabine.

Aber der Anblick, der sich mir hier bietet, der entlohnt mich für ihr Dauergequassel. In der Kabine liegt die Freundin am Boden. Der Schweiß steht auf ihrer Stirn. Sie versucht verzweifelt eine Jeans zuzubekommen. Sie hat in der einen Hand eine Zange und in der anderen eine Drahtschlinge. Irgendwie weiß ich jetzt nicht, was die will.

„Komm, nimm mal die Zange“, sagt sie. Dann zieht sie die eine Seite des Drahtes durch das Knopfloch und die Schlinge um den Knopf.

„Zieh an dem Draht! Geh schon, ein bissl kräftiger, diese sch... Hose MUSS zugehen!“

Sie ist völlig aufgelöst, aber die Hose auch bald und ich, ich kann einfach nicht mehr. Unkontrolliert fang ich zu kichern an und durch ihren bösen Blick wird das schlimmer. Ich sinke zu Boden und kugel mich vor Lachen. Richtige Bauchkrämpfe bekomme ich. Aber ich kann einfach nicht aufhören. Zu komisch schaut das aus.

„Warum nimmst nicht einfach deine Größe...!“, stoße ich zwischen dem Gekicher heraus. „Die ist ja viel zu klein!“

„Weil ... weil...“, stottert sie.

„Weil ... was?!“, kicher ich weiter.

„Ich in die kleine Hose passen will!“

Ich kann nicht anders, ich krabble auf allen Vieren aus der Kabine. Was zu viel ist, ist zu viel. Mit einem letzten Anflug von freundschaftlichem Denken, hol ich ihr eine Hose, die zwei Größe größer ist und werfe sie ihr in die Kabine.

„Na, das zieh ich nicht an, das schaut ja aus wie ein Zelt!“, ruft sie aus.

Jetzt reicht es endgültig.

„Wennst wie ein Elefant ausschaust, dann kannst nicht in eine Jeans für Gazellen passen! Schau dich mal an, wobei es mich schon wundert, wie du so viel in dich hinein futtern kannst, wenn du dauernd quatscht!“

Kein Wort kommt mehr aus ihr. Mit großen Kulleraugen sieht sie mich an. Dann verlässt sie raschen Schrittes den Laden und zerrt mich hinterher. Hinein in die nächste Konditorei, wo sie gleich zwei große Tortenstücke ordert.

 

Nun, unserer Freundschaft hat der Ausflug nicht geschadet, aber sicherheitshalber habe ich einen eigenen Klingelton zu ihrer Telefonnummer gespeichert. So kann ich mir die herzerfrischenden Einkaufstouren doch hin und wieder ersparen.

2. Eine Geschichte des Glaubens - oder, der Glaube an die Geschichte

 

Rot, Gelb, Schwarz, Weiß, Christen, Muslime, Hinduisten, Zeugen Jehovas ... das alles sind Aufhänger, an denen die Menschen ihre Unzufriedenheit über ihr eigenes Leben hängen. Es sind Bezeichnungen für das »Andere«. Und alles, was anders ist, macht den Mitbewohnern unseres Erdballes Angst.

Doch ist es wirklich das Andere, das uns ängstigt? Ist es nicht eher die eigene Mutlosigkeit, Feigheit und Toleranzlosigkeit, die zu grauenhaften Taten bewegt?

Wir, die Menschen, bevölkern seit Jahrtausenden diesen Planeten. Je nachdem, wo wir hineingeboren wurden, haben wir uns angepasst und entwickelt. Aber wir haben vergessen, dass unter den optischen Unterschieden immer genau dasselbe steckt. Nämlich das Leben.

Diese ganze Rassismus-Sache, dieser Hass auf Anderes, diese sinnlosen Kriege - um Nichts - das ist unnötig. So menschenverachtend.

Warum soll die Familie in der Nebenwohnung nicht für den, den wir als Gott bezeichnen, einen anderen Namen verwenden? Warum stört es uns, wenn die Hautfarbe des Klassenkollegen unserer Kinder anders ist?

Warum müssen Menschen sterben, nur damit ein Fremder, der irgendwo in einem Palast sitzt, wieder ein Strichlein auf die Liste der gefallenen »Feinde« setzen kann?

Warum müssen Menschen töten, die nicht töten wollen? Die nur zu ihren Liebsten möchten und in Frieden leben.

Wohl nur, weil wir selbst seit vielen Jahrhunderten darauf achten, dass dieser Hass aufrecht bleibt.

Das Beispiel Amerika. Ein Land, dem nachgesagt wird, dass es das Land der unbegrenzten Möglichkeiten ist. Dort ist Rassismus noch immer ein starkes Thema. Begonnen mit dem Bürgerkrieg, weitergeführt mit Hautfarbentrennung und Diskriminierung. Geschürt und verbreitet durch den Ku-Klux-Klan (der übrigens an einem »Heiligen Abend« gegründet wurde). Inzwischen weltweit vertreten und angeblich »geheim«, haben die angeblichen Ritter Millionen Menschenleben an ihren blutigen Fingern. Aufdecker und Gegner wurden ermordet (Martin Luther King, J. F. Kennedy, ect). Alles doch nur ein Spiel, damit die eigene angebliche Macht, nicht weniger wird. Doch sind wir Europäer besser? Nein. Jeder »Schwarze« wird zum Drogendealer gestempelt, jeder Islamist zum Terroristen oder religiösen Fanatiker. Jeder Christ zum Kinderschänder.

Aber eigentlich liegt das Übel in uns selbst.

Wie oft haben wir schon gesagt: »Chinesen servieren uns Hunde zum Essen«, »Mein Nachbar ist Dealer, der ist Schwarz«, »Der Israeli hat genug Geld, die sind ja alle reich« ... usw. ... Die Liste ist lang. Zu lang.

Aber haben wir schon einmal überlegt, dass wir das auch sein lassen könnten? Dass wir nur an den Menschen unter der Hautfarbe oder hinter der Religion denken?

Wie viele geschriebene und gedachte Worte werden auch diese hier eher im Nirvana verpuffen. Vielleicht ein leises Nicken beim Leser verursache und dann vergessen werden. Aber das ist mir ziemlich egal, weil ich es einfach sagen will. Auch wenn es nichts verändert - oder vielleicht doch?

 


3 Diskussion der Schutzengel des Planeten Erde

 

Zweifelnd sitze ich vor dem Fenster, eine Tasse Kaffee in den Händen, und blicke in den mit Reif bedeckten Garten. Das Tageslicht liegt noch versteckt hinter dem Dunkel der vergangenen Nacht. Schwer wiegen meine Gedanken in mir und erlauben keine Befreiung. Wieder kommen sie, diese angeblichen Festtage, diese elenden und betrüblichen Stunden. Die falschen Gesichter der Pseudoglücklichen, die von allen Plakatwänden grinsen. Zwar hat noch nicht einmal die Vorweihnachtszeit begonnen, doch überall wird man mit bereits mit gut ausgeklügelten Werbeslogans zum Geschenkekauf genötigt. Die Menschen sollen mit schlechtem Gewissen behaftet werden, wenn sie keine teuren und ausgefallenen Geschenke für die Lieben kaufen. Und wenn sie keine Lieben haben, dann können sie sich ja selbst beschenken.

Während ich da so sitze und vor mich hin denke, kommt mein Kollege an und hockt sich im Schneidersitz auf den blattlosen Apfelbaum.

»Immer denkst du! Ich sehe dir das an! Was passt dir denn jetzt schon wieder nicht!«, pflaumt er mich sofort an.

»Ach, die Menschen! Sie werden so manipuliert und merken es nicht.«

»Tja, aber eben auch von Menschen, warum hast du damit ein Problem?«

»Weil ich das nicht verstehen kann. Denn eigentlich sind sie doch etwas Gemeinsames. Sie sind dazu bestimmt, auf ihre Erde zu achten und sie zu pflegen. Als Belohnung dafür dürfen sie hier leben. Sie sind der gigantische Versuch des Universums, aber leider auch der Missratenste.«

Meines Kollegen Gesichtsausdruck wurde ernster und er nickt zustimmend.

»Ja, da hast du wohl recht. Es gibt kaum Zusammenhalt hier und sie achten nicht auf das, was ihnen gegeben wurde.«

»Weißt du«, antwortete ich ihm, »manchmal bin ich sehr traurig, dass ich mich zu diesem Auftrag freiwillig meldete. Ich dachte, dass die Menschen eine friedliche Gattung sind. Immerhin haben sie auch Gefühle, Liebe und Respekt eingepflanzt bekommen, aber sie verwenden diese Dinge kaum.«

»Ach, nimm es nicht so schwer, es ist einfach so, dass sie vor lauter Gier und Stolz keine Zeit mehr für schöne Dinge haben. Lieber überlegen sie, wie sie sich gegenseitig schaden können.«