Geraldine Friedrich (Hrsg.)

Reisen mit Kindern: Von Bauernhof bis Bali

 

Inhaltsverzeichnis

 

Schwanger in Südafrika

Interview mit Dr. Kobbe (Kinderarzt und Tropenmediziner): Fernreise mit Kleinkind

Mit Kleinkindern durch Afrika

Interview: Marokko-Rundreise mit Oldtimer

Biete Hamburg, suche Basel!

Haustausch mit Fremden

Ferien auf dem Bauernhof

Mit dem Esel durch Südfrankreich

Camping in Nordnorwegen

Glamour Camping in Frankreich

Gruppenreise mit Kind auf Galapagos

Cluburlaub in Tunesien

Familienurlaub in New York

Museumsbesuch mit Kindern

Mit Kindern in Bali unterwegs

Tauchen mit und ohne Behinderung

Kinderfreundliches Japan

Mit dem Hausboot durch Irland

Winterwellness mit Kleinkind

Gipfelstürmerin mit Buggy

Skizwerge in Norwegen

Skikurs mit Kleinkind

Die Autoren des Buches

 

Edition Reiseratte, www.edition-reiseratte.de


Vorwort

 

Warum braucht es so ein Buch überhaupt? Ist Reisen mit Kind so viel anders als ohne? Die Antwort: Ja, ganz sicher. Ohne Kind können Erwachsene ihren Urlaub zu 100 Prozent selbstbestimmt verbringen. Mit Kind nicht. Oder anders formuliert: Schul-, Kindergarten- und Krippenferien sind Ferien für die Kinder und die Angestellten der jeweiligen Institutionen – nicht jedoch für die Eltern. Verreisen mit Kindern bedeutet im Gegensatz zu früher auch sehr viel Zeit für Alltagsarbeiten und Kinderbedürfnisse einzuplanen.

Dieses Buch ist für Eltern, die noch nicht wissen, wie sie ihren nächsten Urlaub verbringen möchten, aber gerne von dem Erfahrungsschatz anderer profitieren wollen. Es ist für Eltern, die sich von den unerschöpflichen Möglichkeiten inspirieren lassen wollen. Und es ist vor allem für Eltern, die eine realistische und ehrliche Darstellung der jeweiligen Reise schätzen. Daher stellt dieses Buch sehr verschiedene Reiseformen vor – und zwar mit ihren Licht- und Schattenseiten. Manch einer der Autoren würde die Reise im Nachhinein anders angehen. Allen, die etwas gewagt haben, ist aber eines gemeinsam: Sie sind glücklich darüber, dass sie es – oft entgegen Bedenkenträger aus Familien- und Freundeskreis – einfach gemacht haben.

Mir persönlich ist es ein besonderes Anliegen ein breites Kaleidoskop an Urlaubsformen mit Kind wertfrei vorzustellen. Ob Cluburlaub mit Kinderbetreuung, Ferien auf dem Bauernhof, Wohnungstausch, mit dem Wohnmobil durch Skandinavien, Glamour Camping, Städtetrip nach New York oder eine individuell organisierte Rucksacktour in Asien, ob Schul- oder Kleinkind, alleinerziehend oder als Paar – vieles ist möglich. Die Frage ist: was wollen die Eltern, was gefällt den Kindern und wie lassen sich beide Bedürfnisse in einer begrenzten Zeit unter einen Hut bringen? Eine ebenfalls wichtige Frage ist die des persönlichen Reisebudgets: Was kann und will ich mir für meine Reise leisten? Auch aus diesem Grund habe ich – soweit sinnvoll und möglich – unsere Autoren und Interviewpartner gebeten, realistische Angaben zu ihren Gesamtausgaben für die bereits unternommene Reise zu nennen. Diese Kosten lassen sich selbstverständlich nicht eins zu eins auf andere Familien übertragen, geben aber eine erste Orientierung.

Oft habe ich den Satz gelesen, dass auf Reisen die Interessen des Kinds im Mittelpunkt stehen müssen. Das stimmt meiner Ansicht nach für bestimmte Aspekte wie Sicherheit und Gesundheit. Doch auch Eltern verdienen es in ihren Ferien auf ihre Kosten zu kommen. Sei es, dass sie dank Kinderbetreuung ein Museum besuchen können oder einfach für wenige Stunden ihre Ruhe haben. Es gibt kein richtig oder falsch, aber einiges, was sich Eltern ersparen können. Dieses Buch möchte anhand von Berichten, Reportagen und Interviews Eltern bei der Wahl ihres Urlaubs beraten.

 

Inzlingen, Februar 2013, Geraldine Friedrich

Bevor das Abenteuer Kind beginnt:

Schwanger nach Südafrika

von Geraldine Friedrich

Urlaubsform: Individualreise mit Mietwagen

Beteiligte: Michael (43), Geraldine (38), Tim (23. Woche)

Dauer: 18 Tage

Reisedistanz: 14.000 Kilometer per Flugzeug, 2.000 Kilometer mit Mietwagen

Reiseverkehrsmittel: Zug, Flugzeug, Mietwagen

Stationen: Port Elizabeth, Plettenberg Bay (3 Tage), Graaff Reinet (3 Tage), Rhodes (4 Tage), Addo Elephant Park (2 Tage), Wild Coast (5 Tage), Grahamstown (1 Tag), Port Elizabeth, die Unterkünfte haben wir überwiegend vorgebucht

Kosten: Dank extrem günstiger Flüge und einem günstigen Wechselkurs zirka 3.500 Euro für zwei Personen inklusive allem.

 

Drei Elefanten stehen am Wegrand im Addo Elephant Park, einem am Ostkap gelegenen Nationalpark in Südafrika. Mama, Papa, Kind - die kleine Elefantenfamilie gibt uns schon einmal einen kleinen Vorgeschmack auf unser künftiges Leben. Mein Mann und ich hatten uns entschlossen die Vorzüge einer Fernreise ein letztes Mal vor der Ankunft unseres Sohnes zu genießen.

Zeitlich lag unsere Reise im letzten Teil des optimalen Zeitfensters, in der eine Schwangere größere Reisen unternehmen sollte. Bei Abflug befand ich mich in meiner 23. Schwangerschaftswoche, beim Rückflug war es die 25. Im Flugzeug bekam ich einen Platz über einer Bodenluke und konnte meine Beine ausstrecken. Als schwangere 1,85-Meter-Frau war diese Vorzugsbehandlung doppelt willkommen.

Schwanger nach Südafrika – geht das? Nun ja, ich geben offen zu: Meine Mutter war nicht begeistert, eine erst kürzlich darnieder gekommene Freundin meinte damals „Afrika sei ihr zu unhygienisch“ – allerdings ohne je dort gewesen zu sein. Auch meine Frauenärztin legte mir ans Herz auf Ernährung und Hygiene zu achten, reagierte aber ansonsten lässig: „Klar, können Sie nach Südafrika fliegen.“ Sie bestätigte – ungefragt – auf Englisch meine Flugtauglichkeit und verschrieb mir zwei Thrombosespritzen, die ich mir kurz vor Abflug auf der Flughafentoilette in den Oberschenkel jagte.

Um die Antwort vorweg zu nehmen: Ja. Südafrika – geht – auch – schwanger. Unsere Reise führt uns in 18 Tagen mit Mietwagen entlang der Ostkapküste, ein bisschen Gardenroute, eine Prise Karoowüste, ein Ausflug in die Drakensberge und über die Wild Coast wieder zurück zum Flughafen Port Elizabeth. Nachdem ich bereits in Plettenberg Bay zu Beginn unseres Urlaubs eine kleine Treppe hinab fiel, dagegen den Rundweg im Nationalpark Robberg Island und eine Wanderung an der Wildcoast ohne Probleme meisterte, nachdem unser Auto inmitten der menschenleeren Tsitsikamma-Berge (es hätte auch der Bayerische Wald sein können) Bremsflüssigkeit verlor, um zurück in der südafrikanischen Zivilisation von einem unglaublich netten KfZ-Mechaniker gesagt zu bekommen, dass es sich lediglich um kondensiertes Wasser aus der Klimaanlage handelte, nachdem ich in Graaff-Reinet zum ersten Mal in meinem Leben im Hormonrausch Shops mit Kinderbekleidung plünderte, die mein Sohn immer noch trägt, kann ich heute wohl zu Recht behaupten: Die Gefahren lauern im Alltag und in Shopping Malls. Beides gibt es auch zuhause.

Einig waren wir uns bereits bei der Planung, dass wir uns Malariaprophylaxe als auch Malaria als „Mitbringsel“ ersparen wollten. Deswegen bewegten wir uns ausschließlich außerhalb des Malariagebiets. Damit fiel der Krüger National Park zwar flach, der lag aber sowieso nicht auf unserer Route, zudem hatten wir beide den größten Nationalpark Südafrikas schon unabhängig voneinander bereist. Unsere Wahl fiel daher auf den Addo Elephant Park. Bis auf wenige Meter kommen Besucher dort per Auto an Elefanten und Büffel heran. Aussteigen ist verboten, da es lebensgefährlich ist und die Tiere stört. Der „Addo“, wie er auch genannt wird, ist ein Tierpark mit geteerten Straßen und Erfolgsgarantie. Er eignet sich daher nicht nur für Schwangere, sondern vor allem auch für Familien mit Kindern. Wer mag, kann vor Ort Safaris in den dafür typischen Geländefahrzeugen buchen. Mit dem eigenen Mietwagen konnten wir den Park aber ebenfalls wunderbar von sieben Uhr morgens bis sieben Uhr abends erkunden. Lediglich Offroad-Strecken und Nachtfahrten waren mit dem eigenen Fahrzeug nicht möglich.

Die vom Nationalpark und damit von der öffentlichen Hand betriebenen Chalets des Rest Camps befinden sich sehr nah beim Haupteingang. Sie sind sauber, reichen bequem für eine Familie mit zwei Kindern und ermöglichen eine der wichtigsten südafrikanischen Nationalsportarten: „Braai“ (= Grillen). Die privaten Unterkunftsmöglichkeiten, die gerne mit ihrer Nähe zum Park werben, erfordern oftmals eine zusätzliche Anfahrt und sind meist teurer. Ein weiteres Plus: Der zum Chalet gehörende Garten grenzt an den Zaun des Parks. In der Dämmerung kann man so ganz bequem vom Liegestuhl aus fressende Kudus beobachten, eine afrikanische Antilopenart. Allerdings hört man dafür nachts auch mal die Schreie der Tiere, die gefressen werden. Nach zwei Tagen und vier Safaris haben wir 17 von 33 möglichen Tierarten auf der Liste abgehakt. Neben Elefanten und Büffeln haben wir auch Hyänen, jede Menge Warzenschweine und sogar einen Luchs beobachten können.

 

www.dein-suedafrika.de

www.southafrica.net

www.sanparks.org

 

Zwei Reisetage und etwa 400 Kilometer nach dem Addo Elephant Park, davon die letzten 60 auf ungeteerten Pisten, erreichen wir bei strömendem Regen Rhodes, einen kleinen, abgeschiedenen Ort in den Ostkap-Drakensbergen. Die in einem Reiseführer für ihre „entspannte Atmosphäre“ gelobte Unterkunft „Walkerabouts Inn“ (www.walkerbouts.co.za) entpuppt sich tatsächlich als gemütliches Gästehaus mit guter Küche und einem wunderschönen Garten, in dem die Gäste zum Sonnenbaden willkommen sind. Eigentümer Dave Walker, ein Mann in den Sechzigern mit weißem Rauschebart, ist gut informiert und vermittelt auf Wunsch Guides für verschiedenste Aktivitäten. Zum Beispiel lassen sich in der Gegend alte Felsenmalereien der San erkunden. Da sich viele davon auf privatem Gelände befinden, ist ein Besuch nur nach vorheriger telefonischer Anfrage möglich. Wir entscheiden uns für Fliegenfischen und buchen für 75 Euro für einen Tag einen Führer samt Ausrüstung. Unser Ausflug führt uns von Rhodes, 1821 Meter über dem Meeresspiegel, zu Gewässern in 2500 Metern Höhe. Die Beute besteht aus einer großen und einer kleinen Forelle, die wir beide wieder frei lassen. Auf der Tour durch die Drakensberge passieren wir Südafrikas einzigen Skiort Tiffindell. Tiffindell liegt nur 16 Kilometer von der Enklave Lesotho entfernt, einem von Südafrika unabhängigen Königreich. Die Straßen sind an einigen Passagen je nach Wetterlage nur noch mit Vierradantrieb zu bewältigen. Auf Ausflügen trifft man in dieser Region selten auf andere Menschen und falls doch, wird immer nett gegrüßt. Steht ein Auto am Straßenrand, hält ein passierender Fahrer stets an und fragt, ob alles in Ordnung ist, denn der Pannendienst ist weit, weit weg.

Unsere Reise führt uns weiter über die N2 durch die Transkei bis nach Idutywa, von dort führt eine Abzweigung über Willowvale nach Qora Mouth an die Wild Coast. An der „wilden Küste“ erwartet Reisende nicht nur eine wenig verbaute, leicht hügelige Küstenlandschaft mit einsamen Traumstränden am Indischen Ozean, sondern auch die Chance, ein Stück ursprüngliches Südafrika abseits der beliebten Garden Route zu erleben. Die in der Transkei lebende Bevölkerung gehört fast ausschließlich dem Volk der Xhosa an und lebt in sogenannten „Rondavels“ - Rundhütten in traditioneller afrikanischer Bauweise. Viele weiße Südafrikaner meiden die arme und ausschließlich von schwarzen Südafrikanern bewohnte Region, auch weil sie Angst vor der dort herrschenden Kriminalität haben. Das Bantuvolk der Xhosa begegnet Reisenden immer wieder in Erzählungen über das „große Rinderschlachten“: In den 1850er Jahren opferten die Xhosa aufgrund einer Prophezeiung den größten Teil ihres Viehbestandes und vernichteten ihr Korn. Dies führte zu einer Hungerkatastrophe, im Laufe derer mehrere zehntausend Xhosa-Angehörige starben.

 


Der Tipp der Reiseratte:

Unterkünfte im Voraus buchen! Mithilfe von Reiseführern und Internet kann man entspannt auswählen und man verschwendet keine wertvolle Urlaubszeit mit Unterkunftssuche, die in fremden Ländern ja auch mal stressig geraten kann.

 

In Qora Mouth finden wir eine landschaftlich abwechslungsreiche und menschenleere Küste vor. Wenn überhaupt, teilen wir uns die kilometerlangen Sandbänke mit friedlichen Kühen, denn sie suchen die Nähe der salzigen Gischt, um weniger von Ungeziefer geplagt zu werden. Spaziergänge entlang der Küste, entweder von Qora Mouth in Richtung Mazeppa Bay oder nach Norden in Richtung des Dwesa Nature Reserve, bergen nicht nur die Chance auf sehr schöne Muschelfunde, sondern ermöglichen je nach Gezeiten auch ein spontanes Bad in von Felsen geformten Naturbassins. Auf dem Weg vom „Kob Inn“, einem direkt am Meer gelegenen, etwas abgewohnten Familienhotel, in Richtung Süden, versuchen wir die seicht aussehende Flussmündung des Qora River zu Fuss zu durchqueren – sehr zum Amüsement einiger Xhosa-Frauen auf der anderen Flussseite. Nach kurzer Zeit geben wir unseren Durchquerungsversuch auf und lassen uns per Boot für zwei Rand pro Person auf die andere Seite bringen. Die Xhosa-Frauen sind immer noch da. Sie sammeln offenbar den am Strand kaum vorhandenen Müll ein. Wir wandern mit ihnen einen Trampelpfad an der Küste entlang, können uns aber leider nicht gut unterhalten, da sie kein Englisch sprechen und wir kein Xhosa.

Die Transkei ist nicht nur landschaftlich und kulturell ursprünglich geblieben, sondern auch in Bezug auf ihre Straßen: Abseits der N2 führen nur kleine Straßen, teilweise Schotterpisten, ans Meer. Eine Küstenstraße existiert an der Wild Coast nicht. Doch wahrscheinlich verdankt die zum ehemaligen Homeland „Transkei“ gehörende Küste auch diesen schlechten Straßen ihre Abgeschiedenheit.

Wir haben viel gebadet, in diesem Februar bevor Tim zur Welt kam und natürlich habe ich mir einen Sonnenbrand geholt, genaugenommen zwei – auf jedem Schienbein einen. Anfängerfehler, schließlich ist im Februar Spätsommer in Südafrika und die Sonneneinstrahlung ist generell intensiver als bei uns, da das Land näher am Äquator liegt.

„Wann kommt Ihr Baby?“ fragt mich eine Verkäuferin im Supermarkt. „Im Juni“ antworte ich. „Ah, im Winter“ lächelt die Verkäuferin. Alles in allem kamen wir glücklich, zufrieden und sehr schwanger in den europäischen Frühling zurück.

 

Fischen
Xhosa

Schwanger in Südafrika: Begegnung mit Xhosa-Frauen an der Wild Coast, Fliegenfischen in den Drakensbergen geht auch mit Bäuchlein. Bilder: Geraldine Friedrich

 

Vorteile dieser Reiseform:

Nachteile dieser Reiseform:

Das würde ich beim nächsten Mal anders machen: Nichts

Der ultimative Reisetipp für Südafrika: Der Blick auf die Bloukrans Brücke an der N2 zwischen Plettenberg Bay und Tsitsikamma National Park - dort springen mutige Bungeespringer 200 Meter in die Tiefe, Schwangere dürfen immerhin zuschauen.

Fazit: Schwanger in die Ferne schweifen funktioniert gut, wenn werdende Mütter das empfohlene Zeitfenster einhalten und Regionen mit gefährlichen Krankheiten wie Malaria und Gelbfieber meiden.


Der Tipp der Reiseratte:

Ein günstiger Zeitpunkt für eine Reise ist für fitte Schwangere die 14. bis 24. Woche. Davor entwickelt sich das Gehirn des Ungeborenen und die Höhenstrahlung eines Langstreckenflugs könnten dem Baby schaden. Außerdem legt sich bis dahin die durch die Hormonumstellung ausgelöste morgendliche Schwangerschaftsübelkeit. Nach der 24. Woche wiederum wird das Reisen beschwerlich durch die Gewichtszunahme und das Bäuchlein, damit steigt auch das Unfallrisiko. Ab der 28. Woche gilt das Fliegen als kritisch. Je nach Airline müssen Schwangere ein Attest vorlegen, damit sie an Bord dürfen. Nach der 34. Woche dürfen sie nicht mehr fliegen. Hintergrund: Die Airlines wollen Geburten an Bord vermeiden.