cover.jpg

 

Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

9.

10.

11.

12.

Glossar

Impressum

PERRY RHODAN – die Serie

 

img1.jpg

 

Nr. 2529

 

Der Weg des Vatrox

 

Der Frequenzfolger und der Liga-Agent – aus Feinden werden Gefährten

 

Frank Borsch

 

img2.jpg

 

Auf der Erde und den zahlreichen Planeten in der Milchstraße, auf denen Menschen leben, schreibt man das Jahr 1463 Neuer Galaktischer Zeitrechnung – das entspricht dem Jahr 5050 christlicher Zeitrechnung. Seit über hundert Jahren herrscht in der Galaxis weitestgehend Frieden: Die Sternenreiche arbeiten daran, eine gemeinsame Zukunft zu schaffen. Die Konflikte der Vergangenheit scheinen verschwunden zu sein.

Vor allem die Liga Freier Terraner (LFT), in der Perry Rhodan das Amt des Terranischen Residenten trägt, hat sich auf Forschung und Wissenschaft konzentriert. Sogenannte Polyport-Höfe stellen eine neue, geheimnisvolle Transport-Technologie zur Verfügung. Gerade als man diese zu entschlüsseln beginnt, greift die Frequenz-Monarchie über die Polyport-Höfe nach der Milchstraße. Zum Glück kann der Angriff aufgehalten werden.

Perry Rhodan folgt einem Hilferuf der Terraner in das in unbekannter Ferne liegende Stardust-System. Dort erhält er eine Botschaft seines alten Mentors ES: Die Superintelligenz scheint akut bedroht. Atlan wiederum begibt sich in die Galaxis Andromeda. Dort will der Arkonide direkt gegen die Frequenz-Monarchie antreten.

In der Milchstraße behält indessen Reginald Bull die Fäden in der Hand. Nachdem es ihm gelang, Frequenzfolger Sinnafoch als Befehlshaber des Feindes in seine Hand zu bekommen, muss er ihm noch die notwendigen Informationen abringen. Dabei hilft DER WEG DES VATROX ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Reginald Bull – Der LFT-Minister spielt ein gefährliches Spiel.

Sinnafoch – Der Frequenzfolger erkennt eine Falle, wenn er sie sieht.

Steelion Hartok – Ein Oxtorner begegnet seinem Tengri Lethos.

Philip – Der Okrill schließt eine neue Freundschaft.

Am Anfang stand das Vamu.

Alles Leben im Universum besitzt Vamu. Es ist, was Leben von Nicht-Leben unterscheidet.

Erlischt das Leben, erlischt das Vamu.

So war es von Anbeginn der Zeit.

Bis wir Vatrox entstanden.

Wir sind auserwählt.

Aus der Kosmogonie der Vatrox

 

 

1.

8. Februar 1463 NGZ

 

»Nervös?«

Eine warme Hand legte sich auf Reginald Bulls nackte Schulter.

»Wie kommst du darauf?«, fragte er, ohne sich umzudrehen.

»Dein Nacken ist so steif, wie ich mir den eines Oxtorners vorstelle, der zu einem Okrill-Weitwurf ansetzt«, sagte Ellin. »Und ...«, sie rückte näher an ihn heran, kuschelte sich mit dem ganzen Körper an ihn, »... und außerdem wäre ich an deiner Stelle nervös.«

Ihre Stimme hatte einen spielerischen Beiklang, wie immer. Bislang hatte Bull nichts gefunden, was Ellin hätte erschüttern können. Aber das würde noch kommen. Sie kannten sich erst seit Wochen.

»Aber du bist nicht an meiner Stelle«, entgegnete er.

»Eben. Aber dafür in nächster Nähe.« Ellin kicherte. Eigentlich unpassend, kindisch, aber Bull empfand es nicht so. Ellin beherrschte die rare Kunst, über die Widrigkeiten des Lebens zu lachen. Manchmal beneidete der Unsterbliche sie darum.

»Und weil das so ist«, sagte sie, »kann ich für dich da sein.«

»Ich weiß es zu schätzen.« Bull nahm ihre Hand und drückte sie.

Er sah hinaus durch das Glassit, das sie vom Vakuum des Weltraums trennte, hinunter auf den Planeten Oxtorne, der sich wenige tausend Kilometer unter dem Schiff drehte.

Der Raum war Teil des Schiffsobservatoriums des Leichten Kreuzers DESERT SUN. Eine unnötige Einrichtung, ein Anachronismus, und Bull als Verteidigungsminister der Liga kämpfte seit Jahren darum, die Aussichtsräume abzuschaffen. Instrumente waren dem menschlichen Auge weit überlegen. Doch Astronomen waren ein eigensinniger Haufen, dickköpfig und streitlustig. Sie hatten durchgesetzt, dass es auf den Schiffen der Liga-Flotte weiterhin einen Raum gab, von dem aus man die Sterne mit dem bloßen Auge sehen konnte.

Bull, seinerseits ein Dickkopf, der sich darauf verstand, das Beste aus einer Niederlage noch herauszuschlagen, hatte den Raum an Bord des Kreuzers kurzerhand für sich und Ellin requiriert. Bull brauchte Abgeschiedenheit, den Blick auf die Sterne, die längst zu seiner eigentlichen Heimat geworden waren. Er durfte in den Tagen, die vor ihm lagen, nicht die Perspektive verlieren.

Zu viel stand auf dem Spiel.

Milliarden von Leben in der Milchstraße und im fernen Stardust-System; das Tor zu fremden Galaxien; und nicht zuletzt die Leben Perry Rhodans, Mondra Diamonds und Icho Tolots. Die Gefährten waren im Polyport-Netz verschollen.

Und er, Bull, Unsterblicher, Verteidigungsminister der Liga Freier Terraner und Rhodans engster Freund, spielte wieder einmal die Rolle des treuen Paladin, der zu Hause nach dem Rechten sah.

Die Rolle war undankbar, unmöglich zu erfüllen und unverzichtbar. Bull hatte beschlossen, dieses Spiel, das ihm seit Jahrtausenden vertraut war, auf eine neue, nie da gewesene Art zu spielen ... und er hatte sich eine Spielfläche ausgesucht, die ihresgleichen in der Milchstraße suchte: Oxtorne.

Ein Planet, der zu seinen Füßen lag. Ein Schein, der trog.

»Was spukt dir durch den Schädel?«, fragte Ellin. Sie setzte sich auf, ging in den Schneidersitz. Bull drehte sich auf den Rücken und behielt beides im Blick: die Schönheit Oxtornes und die seiner makellosen Geliebten. Ellin trug ihr schwarzes Haar kurz, weder auf dem sehnigen Körper einer Athletin noch dem bildhübschen Gesicht zeigte sich eine einzige Falte.

»Na los, alter Mann!« Ellin stupste ihm einen Finger in die Hüfte. »Raus damit! Was lastet auf deiner Seele?«

»Ich ... ich ...«

Ellin schnitt ihm das Wort ab. »Lass mich raten: die letzte Kabinettssitzung?«

Bull nickte.

»Du hast mächtig eingesteckt?«

»Die Kandidatin hat einhundert Punkte«, versuchte sich Bull an einem Scherz. Ellin riet wirklich. Er würde selbst seiner Partnerin niemals Interna verraten.

»Hmmm ...«, machte Ellin. »Sie haben dich für verrückt erklärt, nicht? Die Zeit rennt uns davon. Wir haben mit viel Glück und unter großen Opfern den Polyport-Hof GALILEO im Solsystem gehalten, mit noch mehr Glück und unter noch größeren Opfern das Distribut-Depot ITHAFOR erobert – und es zweimal gegen eine Schlachtflotte der Frequenz-Monarchie verteidigt.«

Bull sagte nichts, gab Ellin damit indirekt recht.

»Ob uns das noch mal gelingt, steht in den Sternen«, fuhr sie fort. »Der nächste Angriff der Frequenz-Monarchie ist nur eine Frage der Zeit. Er kann in diesem Augenblick, in dem wir auf dieser Matratze kuscheln, die wir entgegen aller Bordregularien in das Observatorium geschoben haben, bereits erfolgen. Mit Machtmitteln, denen wir nichts entgegenzusetzen haben.«

»Ja«, stimmte Bull zu. »Aber wir sind nicht ohne Erfolge. Wir haben einen Gefangenen gemacht. Einen wichtigen.«

»Frequenzfolger Sinnafoch, Feldherr der Frequenz-Monarchie. Er hat den Angriff auf GALILEO geführt. Wir haben ihn gefangen genommen, er ist uns entwischt, mit einer Schlachtflotte zurückgekehrt – und im Kampf gefallen.«

»Nachweislich gefallen«, korrigierte Bull. »Sinnafoch ist bei dem Versuch, sich umzubringen und mich dabei mit in den Tod zu nehmen, von Kampfrobotern getötet worden. Trotzdem kehrte er zurück, mit einer weiteren Flotte.«

»Wo wir ihn gefangen und vom Zehennagel bis zu seinem Haarstumpf durchleuchtet haben.«

»Mit einem eindeutigen Ergebnis: Es ist Sinnafoch. Oder ein perfekter Klon.« Oder ein Duplo, fügte Bull in Gedanken hinzu, behielt es aber für sich. Sollte das zutreffen, wären die Implikationen immens gewesen.

Bull setzte sich ebenfalls auf, zog die Knie an den Körper. »Was auch immer, ich hätte keine Tests gebraucht. Er ist Sinnafoch. Ich habe es in dem Moment gespürt, als ich ihm gegenüberstand.«

»Mit anderen Worten: eine herausragende Figur. Vielleicht unser Schlüssel zu den Geheimnissen der Frequenz-Monarchie, von der wir immer noch so gut wie nichts wissen.«

»So ist es.«

»Also müssen wir um jeden Preis herausfinden, was er weiß«, folgerte Ellin.

»Das ist zumindest die Auffassung, die viele Kabinettsangehörige vertreten.«

»Verständlicherweise.«

»Und fälschlicherweise.«

»Wieso?« Ellin lächelte. Sie hatte Bull genau an den Punkt geführt, an den sie ihn hatte bringen wollen. »Es steht für die Menschheit mehr auf dem Spiel, als ich in Worte fassen könnte. Ist in einer solchen Situation nicht alles erlaubt? Mehr noch: Ist es nicht sogar deine Pflicht, ausnahmslos alle Mittel anzuwenden?«

Bull straffte sich. Spielte sie immer noch mit ihm? Oder meinte Ellin es ernst? Seine Geliebte war eine sonnige Natur, die keiner Fliege etwas zuleide tat. Zumindest hatte er das bislang geglaubt.

»Das ist es eben nicht«, sagte er. »Sinnafoch ist ein Schlächter, gewissenlos. Keine Ahnung, was in ihm vorgeht. Nicht viel, schätze ich. Er hat jedenfalls seine Darturka-Soldaten in den Tod gejagt, als handele es sich um seelenlose, jederzeit ersetzbare Maschinen. Ein Leben hat für ihn keine Bedeutung. Uns dagegen bedeutet jedes Leben unendlich viel. Auch seines. Das ist der Unterschied zwischen ihm und uns.«

Ellins Lächeln war plötzlich anerkennend. Das war, was sie hören wollte. Bull, der sich seiner Argumentation versicherte.

»Und außerdem«, sagte Bull, in Fahrt gekommen, »sind wir längst so weit gegangen, wie es vertretbar ist. Wir haben Sinnafoch damals im Solsystem in die Mangel genommen, nachdem er unsere Verhandlungsangebote ausgeschlagen hat. Unsere besten Verhörspezialisten haben sich an ihm versucht. Gucky hat es. Icho Tolot. Perry selbst. Wir haben ihm seinen Mini-Computer aus dem Schädel geschnitten. Es war sinnlos. Wir haben ihn bis heute nicht knacken können. Wir haben nicht die geringste Ahnung, wozu der Computer dient.«

»Ein harter Hund, dieser Sinnafoch«, bemerkte Ellin.

»So könnte man es ausdrücken.« Bull nickte heftig. »Oder noch besser: eine Katze. Sinnafoch geht seinen eigenen Weg, kümmert sich nicht um das, was andere Lebewesen denken oder fühlen. Und er hat wie eine Katze mehrere Leben. Wird ihm die Last zu schwer, findet er einen Weg, sich das Leben zu nehmen ...«

»... und steht zwei Wochen später mit der nächsten Schlachtflotte vor der Tür«, beendete Ellin den Satz.

»So ist es. Und genau deshalb müssen wir ihm anders beikommen.«

Ellin sah auf ihre Uhr. Sie nahm sie nie ab. Es war das erste Mal in 3000 Jahren, dass Bull eine solche Frau untergekommen war.

»Es ist so weit, es dämmert«, sagte Ellin. »Das Schauspiel kann beginnen!«

Sie schnippte mit dem Finger, und ein durchsichtiger Schleier legte sich auf die Glassitfläche. Das Bild verschwamm, als rinne ein dünner Wasserfilm über die Scheibe. Es war ein Holo, das die Stelle des natürlichen Bilds eingenommen hatte.

Die Kamera nahm Fahrt auf. Der Planet schien auf Bull und Ellin zuzuspringen. Nach einigen Sekunden nahm Oxtorne die gesamte Sichtfläche ein. Die Kontinente erhoben sich wie auf einem Reliefbild in Grün, Braun und Grau aus dem kühlen Blau der Meere. Blendend weiße Eiskappen bedeckten die Pole.

Die Kamera sank tiefer.

Oxtorne war eine ursprüngliche Welt, dünn besiedelt. Hier und da existierten Siedlungen, aber sie waren nicht mehr als Inseln in der Wildnis. Wüsten und Dschungel wechselten einander ab, Steppen und Berge, Sümpfe und glitzernde Flächen, die aus Glas gearbeitet schienen.

Ein Gebirge hob sich ihnen scheinbar entgegen. Die Kamera verlangsamte die Fahrt und sank auf ein felsiges Plateau herab.

In wenigen Metern Höhe blieb sie stehen.

Im fahlen Licht der Dämmerung lag ein Wesen auf dem bloßen Fels. Es ähnelte einem Menschen, aber es war so dürr wie ein Skelett, und seine Haut war schwarz.

Frequenzfolger Sinnafoch.

Seine Lider zitterten, dann öffneten sie sich und gaben den Blick auf leuchtend orangefarbene Augen frei.

Reginald Bulls Spiel hatte begonnen.

 

*

Es geschah im Zeitalter der Ersten Hyperdepression.

Wir gediehen auf Vat.

Unsere Heimat erfüllte sich im Lauf der Jahrtausende mit Vamu.

Wir atmeten Vamu. Das Vamu vermehrte sich, verdichtete sich.

Das Vamu gebar schließlich neues, reines Leben. Leben, nicht mehr länger auf die sterbliche Hülle des Körpers angewiesen.

Drei Wesen entstanden.

VATROX-VAMU, VATROX-CUUR und VATROX-DAAG.

Unsere Hüter.

Aus der Kosmogonie der Vatrox

 

 

2.

 

Sinnafoch erwachte.

Ein neuer Tag erwartete ihn. Eine neue Welt – und ein neues Leben?

Der Frequenzfolger lag auf dem Rücken. Steine drückten ihn zwischen den Schultern, entlang des Leibs. Sie waren scharf, und zugleich war ihm, als läge eine schützende Decke zwischen ihm und den Kanten, nähme ihnen die Spitze, mache den Schmerz erträglich.

Doch was kümmerte ihn Schmerz? Schmerz war ein Teil seiner Existenz, jeder Existenz. Die Tatsache, dass er fühlte, sagte ihm, dass er lebte.

Und der Schmerz sagte ihm noch etwas: Er war nicht wiedergeboren.

Er fand sich nicht auf Hibernation-6 wieder, in einem neuen Körper, einer perfekten Kopie der Hülle, die er hinter sich gelassen hatte. Auf Hibernation-6 gab es keinen Schmerz. Dort gab es keine scharfen Kanten, an denen ein wertvoller Frequenzfolger sich hätte stören oder gar schneiden können. Stattdessen gab es dort einen persönlichen Diener, der sich um all seine Belange kümmerte, den Vertreter der Frequenz-Monarchie, die darauf drängte, dass der Frequenzfolger in kürzester Zeit wieder zu Kräften kam, physisch wie geistig, um erneut für die Monarchie ins Feld zu ziehen.

Sinnafoch war froh, nicht auf Hibernation-6 zu sein.

Der Frequenzfolger wollte sich aufrichten. Es gelang ihm nicht. Er war zu schwach, selbst dazu den Kopf zu heben. Als wäre er eben wiedergeboren worden, was nicht zutreffen konnte. Was war los mit ihm?

Steh auf!, sagte eine Stimme in seinen Gedanken, die nicht ihm selbst gehörte. Gefahr! Steh auf!

Die Stimme war vertraut. Sie glich einem Flüstern, schien aus weiter Ferne zu kommen. Sinnafoch kannte die Stimme. Sie gehörte der Induktivzelle, dem mahnenden Begleiter, den ihm die Frequenz-Monarchie mit auf den Weg gegeben hatte. Ein Stück Vertrautheit.

Sinnafoch sollte froh sein, die Zelle bei sich zu wissen. Er war es nicht.

Der Frequenzfolger sah in den Himmel. Der Morgen dämmerte. Die Luft war kalt. Mit jedem Hauch, den er ausstieß, stob eine Wolke kondensierender Feuchtigkeit in den Himmel, wurde rasch davongetragen von dem Wind, der beinahe ein Sturm war.

Die letzten Sterne der Nacht glitzerten. Sinnafoch sah sie klar, als trenne ihn nicht die Atmosphäre dieser Welt von ihnen, als habe jemand die Schärfe in seiner Wahrnehmung hochgeregelt.

Die Sterne ... ja, er kam von den Sternen. Aber woher? Lange Minuten blickte er forschend in den Himmel. Schließlich glaubte er zwischen den glitzernden Punkten am Himmel neue Lichter zu sehen. Es waren eine Art Lichter ... Schlachtlichter. Funkelnde Edelsteine aus Formenergie. Eine Flotte von Kampfraumern. Und er, Sinnafoch, hatte sie befehligt, sie in den Kampf geführt.

Wozu? Gegen wen?

ITHAFOR, flüsterte die Zelle. Das Distributionsdepot. Die Monarchie muss es in seinen Besitz bringen. Kein Preis ist zu hoch.

Die Zelle sagte die Wahrheit. Sinnafoch spürte es. Kein Preis ist zu hoch. Ja. Die Monarchie musste siegen. Aber da war noch mehr. Das Gefühl brannte in seinem Magen, in seinen Gedanken, er konnte es allerdings nicht in Worte fassen.

Sinnafoch sah Schatten am Himmel seiner Gedanken. Darturka, die sich brüllend in den Kampf warfen. Sie stürmten gegen Reihen von zweibeinigen Wesen an, die wie Zwerge neben den Klonsoldaten wirkten. Dann: ein Raum auf ITHAFOR, zur provisorischen Gefängniszelle umgewandelt. Eines dieser Wesen – ein Mensch, erinnerte er sich. Der Mensch streckte ihm die hässliche, haarige Hand entgegen. Sinnafoch wurde schwarz vor Augen, als er sah, was der Mensch in der Hand ...

Von der Seite sprang ihn ein Schemen an.

Renn!, schrie seine Zelle. Vergeblich. Er vermochte es nicht.

Ein schwerer Körper prallte gegen ihn, drückte ihn zu Boden. Der Frequenzfolger zählte acht Beine, dann blickte er in die Schnauze des Tiers. Facettenaugen glitzerten in den Farben des Regenbogens, musterten ihn kalt. Dann öffnete das Tier die Schnauze, entblößte Reißzähne – und eine Zunge schoss Sinnafoch entgegen. Warm und feucht strich sie über sein Gesicht, wie ein Schwamm, der von einer muskulösen Hand geführt wurde.

Sinnafoch stöhnte auf, schnappte nach Luft und verschluckte den Speichel des Tiers. Er schmeckte widerlich bitter und brannte auf dem Zahnfleisch und im Gaumen des Frequenzfolgers.

Er bäumte sich auf. Es gelang ihm, die Hände zu heben. Das Tier kümmerte es nicht. Seine Zunge strich schneller, härter über Sinnafochs Gesicht. Speichel rann ihm in den Mund, in den Rachen, ließ den Frequenzfolger keuchen, drohte ihn zu ersticken.

Die Zelle schrie in seinen Gedanken auf, als handele es sich um ihr Leben, das auf dem Spiel stand. Sinnafoch drehte den Kopf weg, versuchte, den ganzen Körper wegzudrehen, Arme und Hände schützend vor das Gesicht zu halten, als eine Stimme rief:

»Lass gut sein, Philip! Du erschreckst ihn.«

 

*

 

Abrupt zog das Tier die Zunge ein, verharrte einen Augenblick zirpend über dem Frequenzfolger, dann schnellte es mit einem meterhohen Satz davon.

Sinnafoch bäumte sich hustend auf. Er erbrach den Speichel. Sein Blick trübte sich. Die klaren Sterne wurden zu Schemen. Als sich die Wahrnehmung des Frequenzfolgers wieder normalisierte, bot sich ihm ein neuer Anblick: der Kopf eines Menschen, der sich über ihn beugte.

»Entschuldige bitte«, sagte der Mensch. »Philip vergisst seine Manieren, wenn er jemanden mag ...«

Sinnafoch hörte die Stimme doppelt. Einmal rau und unangenehm kehlig, in der Sprache, die die Menschen »Interkosmo« nannten, ein zweites Mal im sanften Rhythmus, dessen sich die Vatrox bedienten.

Ein Translator übersetzte für ihn.

»Hab keine Angst«, sagte der Mensch. »Du bist auf dem Weg. Dem Weg zur spirituellen Wiedergeburt, den uns Deshwan Jankoff vorgezeichnet hat.«

Sinnafoch verstand jedes der Worte, die der Mensch sagte, dennoch ergaben sie keinen Sinn. Dies war keine Hibernationswelt. Es konnte hier keine Wiedergeburt geben. Der Mensch redete Unsinn.

Glaub ihm nicht!, warnte die Zelle.

Die Warnung war überflüssig. Menschen waren Feinde. Sie stellten sich gegen die Frequenz-Monarchie.

Der Feind beugte sich über ihn, der hilflos war. Der Mensch hatte ein abgerichtetes Raubtier an seiner Seite.

Sie hatten ihn gefangen.

Gefangen!, wiederholte die Zelle. Du weißt, was das heißt!

»Wer bist du?«

Sinnafoch wollte nicht sterben. Nicht schon wieder. Der Frequenzfolger würde vom Tod wiederauferstehen, aber jeder Tod blieb ein Tod, ein Sturz in das Nichts.

»Steelion Hartok. Und dein Name?«