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Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

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Glossar

Impressum

PERRY RHODAN – die Serie

 

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Nr. 2530

 

Der Oxtorner und die Mehandor

 

Auf einem Raumfrachter der Springer – der Frequenzfolger trickst und kämpft

 

Frank Borsch

 

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Auf der Erde und den zahlreichen Planeten in der Milchstraße, auf denen Menschen leben, schreibt man das Jahr 1463 Neuer Galaktischer Zeitrechnung – das entspricht dem Jahr 5050 christlicher Zeitrechnung. Seit über hundert Jahren herrscht in der Galaxis weitestgehend Frieden: Die Sternenreiche arbeiten daran, eine gemeinsame Zukunft zu schaffen. Die Konflikte der Vergangenheit scheinen verschwunden zu sein.

Vor allem die Liga Freier Terraner (LFT), in der Perry Rhodan das Amt des Terranischen Residenten trägt, hat sich auf Forschung und Wissenschaft konzentriert. Sogenannte Polyport-Höfe stellen eine neue, geheimnisvolle Transport-Technologie zur Verfügung. Gerade als man diese zu entschlüsseln beginnt, greift die Frequenz-Monarchie über die Polyport-Höfe nach der Milchstraße. Zum Glück kann der Angriff aufgehalten werden.

Perry Rhodan folgt einem Hilferuf der Terraner in das in unbekannter Ferne liegende Stardust-System. Dort erhält er eine Botschaft seines alten Mentors ES: Die Superintelligenz scheint akut bedroht. Atlan wiederum begibt sich in die Galaxis Andromeda. Dort will der Arkonide direkt gegen die Frequenz-Monarchie antreten.

In der Milchstraße behält indessen Reginald Bull die Fäden in der Hand. Nachdem es ihm gelang, Frequenzfolger Sinnafoch als Befehlshaber des Feindes in seine Hand zu bekommen, gelingt diesem die Flucht – und zum Zünglein an der Waage werden DER OXTORNER UND DIE MEHANDOR ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Reginald Bull – Der LFT-Minister setzt alles daran, Sinnafoch zu stellen.

Sinnafoch – Der Frequenzfolger fühlt sich dank seiner Verbündeten sicher.

Steelion Hartok – Der Oxtorner zweifelt an seinem neuen Leitbild.

Philip – Der Okrill entscheidet sich.

Kithara – Die missgebildete Mehandor berät ihren Vater bei allen Entscheidungen.

Vandur – Der Patriarch der Uhlmin-Sippe spürt sein Ende kommen.

1.

 

Vandurs Tage als Patriarch waren gezählt.

Er spürte es.

Ihn hielt dieselbe Aufregung, dieselbe Fahrigkeit, dieselbe Ungewissheit gefangen wie vor einhundertzwanzig Jahren, als er seinen Vater aus dem Amt gejagt hatte.

Nur, dass er damals der Jäger gewesen war, nicht die hilflose Beute.

In jenen Tagen hatte er Triumph verspürt, buchstäblich nach den Sternen gegriffen. Er war jung gewesen und stark. Er hatte nichts von den Niederlagen und Prüfungen geahnt, die das Leben für jeden bereithielt. Nichts war unmöglich erschienen, nichts und niemand hatte ihn aufhalten können.

Gegenwärtig erfüllten den Patriarchen nur noch Verbitterung und Leere.

Vandur ertrug es nicht länger. Er sah den Respekt der Sippenangehörigen aus Blicken und Gesten schwinden, glaubte immer öfter in ihren Augen die Frage zu erblicken, wie lange er noch durchhalten würde. Ob er nicht längst ein elender alter Mann war, der sich an die glorreiche Vergangenheit klammerte, während mit jedem Tag die Kraft zusehends seine knochigen Finger verließ. Ein alter Mann, nicht würdig, die Sippe der Uhlmin anzuführen.

Der Patriarch legte den Raumanzug an, der ihn ein Leben lang begleitet hatte. Er roch nach seinem Schweiß, dem Schweiß der Sippe. Dann ging er nach draußen, in die Leere des Weltraums. Vielleicht würde sie die Leere in seinem Inneren vertreiben. Oder wenn das nicht, wenigstens die Angst vor dem unweigerlichen Ende.

Das Außenschott glitt zur Seite, gab den Blick auf das All frei. Sterne standen in der Schwärze, unzählige leuchtende Punkte. Und zwischen ihnen hing antriebslos die UHLM im Raum und wartete darauf, dass sich für sie eine Gelegenheit ergab, zumindest einen Teil ihrer Fracht gewinnbringend zu verkaufen. Vandur war klar, dass sie bald kommen musste, wollte er darauf hoffen, wenigstens für einige weitere Wochen Patriarch der Sippe zu sein. In den Labors des Schiffes gab es zwar immer etwas zu tun, weil die Substanzen, auf denen der Wohlstand der Sippe ruhte, neu zu mischen waren. Doch es handelte sich um Routinearbeit, nicht ausfüllend. Sie ließ mehr als genug Zeit für junge Heißsporne, auf den Gedanken zu kommen, man könnte seinerseits nach den Sternen greifen.

»Zentrale!«, sagte Vandur in das Funkgerät seines Anzugs.

»Ja?«, meldete sich Kithara sofort. Sie war seine einzige Tochter, ein flinkes und gewissenhaftes Mädchen. Folgsam.

Wenn es jemanden an Bord der UHLM gab, auf den er sich verlassen konnte, war es Kithara. Hätte das Schicksal es besser mit ihm gemeint, Kithara hätte sogar ...

Er schob den Gedanken weg. Die Dinge waren, wie sie waren.

»Ich beginne meinen Kontrollgang«, sagte Vandur. »Ich ...«, er brach den begonnenen Satz ab. »Abschluss neun Uhr dreißig Bordzeit.« Gewissenhaft, ja. Das traf auch auf ihn selbst zu. Bis zum bitteren Ende.

»Bestätige: Abschluss Kontrollgang neun Uhr dreißig«, kam die Antwort.

Kitharas Stimme war wie immer. Piepsig – ihr fehlte der Resonanzkörper – und freundlich, dabei ganz auf die Sache konzentriert. Glaubte sie ihm etwa? Eigentlich war Kithara zu klug dazu.

Zugegeben, ein Kontrollgang war nicht die schlechteste Ausrede, auf die Vandur hätte verfallen können. Die UHLM war ein empfindliches Konstrukt, eine schrullige alte Dame, die sich im Lauf der Jahrhunderte immer weiter gestreckt hatte. Es war unter den Mehandor üblich, die Gewinne der Sippe in neue Schiffe zu stecken, ihre Zahl zu mehren. Die Patriarchen der Uhlmin-Sippe hatten einen anderen Weg gewählt: Sie hatten es als ihre vorrangigste Pflicht angesehen, das einzige Schiff der Sippe zu erweitern.

Vandur folgte dieser Tradition getreulich. Es war ihm gelungen, beinahe 300 Meter zur Länge der UHLM hinzuzufügen. Damit reihte er sich als einer der erfolgreicheren Patriarchen in die Galerie seiner Ahnen ein. Und – wären ihm nur noch ein oder zwei weitere Jahre vergönnt – er mochte zum erfolgreichsten Patriarchen überhaupt aufsteigen, es im Ansehen mit dem Urvater der Sippe aufnehmen.

Damals, vor einhundertzwanzig Jahren, hatte ihn der Gedanke elektrisiert, hatte er nächtelang nicht geschlafen, während er sich zusammen mit seinem Zwillingsbruder Kampur ausmalte, wie sie Geschichte schrieben. Mittlerweile bedeutete er ihm nichts mehr.

Vandur betrat den Steg, der die gesamte Länge des Schiffs säumte. Die UHLM war eine Walze und folgte damit dem klassischen Design von Mehandor-Raumern.

Auf den ersten Blick zumindest.

Die UHLM war kein gewöhnlicher Frachter. Sie war riesig – ihre Länge erreichte beinahe 2800 Meter –, und besah man das Schiff aus der Ferne, erinnerte es an das Skelett einer Schlange. Innerhalb des festgefügten Rückgrats lebte und arbeitete die Sippe. Aus diesem Rückgrat wuchsen wie Rippen Halterungen für jene Tanks, deren Inhalt die Existenz der Sippe sicherte.

Entlang des Rückgrats verlief ein unübersehbares Gewirr von Leitungen: die Verbindungen zwischen den Tanks und Labors. Die Leitungen waren gewachsen wie die Wurzeln eines uralten Baums, lagen in mehreren Schichten an.

Auf dem Gewirr war der Steg festgemacht. Vandur ging los. Er hatte den Mikrogravitator des Anzugs abgeschaltet, um die Leichtigkeit der Null-Gravo-Umgebung zu spüren. Lediglich die Magnetstiefel hielten den Patriarchen an dem Schiff fest, verhinderten, dass der nächste Schritt ihn unwiderruflich ins All schleuderte.

Vandur schritt langsam voran, musterte aufmerksam die Leitungsstränge auf der Suche nach Schäden. Lecks kamen die Sippe teuer zu stehen. Nicht nur, dass sie dadurch wertvolle Fracht verloren, oft gefährdeten die Substanzen das Schiff selbst. Von Zeit zu Zeit hielt er an, beugte sich über eine Leitung und betastete sie mit seinen behandschuhten Fingern. Er loggte sich in die Terminals ein, die in regelmäßigen Abständen angebracht waren und bei denen es sich um zusätzliche, autarke Kontrollsysteme handelte.

Der alte Patriarch überprüfte die Messwerte und gab sie in die Zentrale durch.

Was er tat, war überflüssig. Die Terminals meldeten die Messwerte in Echtzeit der Hauptpositronik. Aber die Kontrollen gaben ihm etwas zu tun, flößten ihm das Gefühl ein, dies wäre nur ein gewöhnlicher Gang.

Zudem konnte Vandur nicht anders. Die fanatische Hingabe ans Detail war, was seine Sippe hatte überleben lassen. Die Fracht, die die UHLM beförderte, verzieh keine Nachlässigkeiten.

Auf halbem Weg machte Vandur halt. Schweiß stand ihm auf der Stirn, verklebte ihm den langen Bart.

Er war verbraucht. Ein Patriarch alterte rasch. Vielleicht hatten die Jungen recht. Es war an der Zeit abzutreten, Platz zu machen.

Zu seinen Füßen wölbte sich eine der Wohneinheiten wie eine Blase aus dem Rumpf des Schiffs. Es gab vierzehn von ihnen, für jede Untersippe eine. Zusammen ergaben sie einen eigenen kleinen Kosmos, in dem die Seinen lebten und starben, liebten und hassten, hofften und resignierten.

Es war der Kosmos, in dem Vandur sein gesamtes Leben verbracht hatte, der ihm die Welt bedeutete.

Vandur hatte sich seinen Platz in diesem Kosmos erkämpft. Er hatte den eigenen Vater von der Spitze der Sippe weggefegt, den eigenen Bruder – der Seelengefährte, mit dem zusammen er ein neues Zeitalter in der Geschichte der Sippe hatte einläuten wollen – hatte er verjagt, hinaus in die unendliche, kalte Leere.

Vandur setzte seinen Weg fort.

Sein Vater ... Er war gut zu ihm gewesen. Uhlmin hatte ihn weder umgebracht noch ihn von Bord gewiesen. Er hatte für sein Mitleid teuer bezahlt. Es hatte ihm den Ruf der Schwäche eingehandelt. Vandur hatte demonstrativ Härte an anderer Stelle zeigen müssen, um die Scharte auszuwetzen.

Vielleicht war er deshalb auch so unduldsam gegenüber seinem Bruder gewesen. Hätte er nur ein wenig mehr Selbstsicherheit besessen, der Streit zwischen ihm und Kampur hätte nicht eskalieren müssen. Sie hätten ihre Träume leben können, anstatt sie zu zerstören.

Was hatte es letztlich eingebracht? Sein Vater war nach dem Sturz ein Schatten seiner selbst gewesen. Der einst stolze, Furcht einflößende Mann war in sich zusammengefallen, innerhalb von Stunden zum Greis geworden. Die Sippe hatte ausgiebig die Gelegenheit genutzt, mit dem Wehrlosen alte Rechnungen zu begleichen. Es hatte unzählige davon gegeben. Ein guter Patriarch musste seine Sippe vor den Kopf stoßen, und Vandurs Vater war ein guter Herrscher gewesen. Vandur hatte viel von ihm gelernt.

Einige Wochen nach dem Sturz hatte man den alten Mann erhängt in einem Lagerraum gefunden. Ob er sich das Leben genommen hatte oder man ihn umgebracht hatte, war nie geklärt worden. Es war auch unwichtig. Der alte Mann war würdelos gestorben. Das allein zählte.

Auch in dieser Hinsicht hatte Vandur von seinem Vater gelernt. Der Mehandor hatte sich geschworen, in Würde zu gehen.

Der alte Patriarch hatte das Ende des Schiffs erreicht. Der Steg ragte über den Rumpf der UHLM hinaus in die Unendlichkeit. Vandur selbst hatte diesen Brauch eingeführt: ein Symbol dafür, dass dies nicht das Ende war, dass es immer weiterging.

Vandur blieb an der Kante des Stegs stehen und blickte in die Unendlichkeit. Der Steg schien ihm wie eine Planke, ein Sprungbrett.

Er dachte an Kampur, den er in diese Unendlichkeit gejagt hatte. Lebte sein Bruder? Welchen Weg war sein Leben gegangen? Hatte er vielleicht dort draußen Erfüllung gefunden? Vandur hatte im Lauf der Jahre bei Aufenthalten auf Planeten immer wieder nach Kampurs Verbleib nachgeforscht, aber ohne Erfolg. Der Bruder musste tot sein. Was sonst? Ein Mehandor gehörte unter die Seinen. Dort draußen gab es niemanden, der etwas auf ihn gab.

Vandur würde bald keinen Platz mehr unter den Seinen haben.

Er sollte gehen, solange er die Freiheit besaß, es aus freien Stücken zu tun.

Er wäre nicht der erste alternde Patriarch, der diesen Weg gewählt hätte. Es würde seinem Ansehen nicht schaden. Im Gegenteil. In der Sippengeschichte würde man sich mit Achtung an ihn erinnern. Vandur, der 287 Meter Länge zum Schiff hinzugefügt hatte. Das würde Bestand haben, solange die Sippe Bestand hatte. Es war alles, was ein Mehandor vom Leben erwarten durfte.

Ein Schritt genügte.

Er musste lediglich die Magnetstiefel desaktivieren, sich abstoßen und ...

Das Funkgerät summte.

»Vater?«, fragte Kithara.

»Du weißt genau, dass ich auf Kontrollgängen nicht gestört werden will!« Die Entgegnung des Patriarchen war nicht so wütend, wie sie klang. Er gab viel auf Kithara. Sie würde ihn niemals ohne Grund belästigen. Und er war froh, dass er den Schritt nicht machen musste.

Vandur mochte keine Aussichten besitzen, aber dennoch wollte er leben. Er würde nicht aufgeben. Noch nicht.

»Was ist?«

»Komm bitte sofort in die Zentrale! Wir empfangen einen Notruf.«

»Ich bin gleich da«, beschied ihr der alte Patriarch und wandte sich von der Unendlichkeit ab.

2.

 

Sinnafoch begegnete den Mehandor mit der einen Waffe, gegen die es keine Verteidigung gab: Aufrichtigkeit.

»Wer seid ihr?«, fragte der Patriarch, als Steelion Hartok, der Okrill Philip und Sinnafoch ihr wrackes Boot verließen. Ein nach Schimmel stinkender Hangar, der stählerne Boden von unzähligen Frachten zerkratzt, die Wände mit Generationen von Graffiti bekritzelt, erwartete sie – und ein halbes Dutzend bärtige Mehandor, die ihre Strahler auf sie gerichtet hielten. Die Abstrahlfelder der Waffen flimmerten.

»Pilger«, antwortete Sinnafoch. Er sagte es mit einer Gelassenheit, als nähme er die Strahler nicht wahr, als könnten sie ihm nichts anhaben. »Wir sind Suchende.«

»Ja?« Der Patriarch strich sich über den langen roten Bart. Er fiel bis über die Hüften und hätte wohl den Boden berührt, wäre nicht der Gürtel gewesen, in den ihn der Mehandor untergehakt hatte. Er war füllig, selbst für einen Mehandor, die zur Stämmigkeit neigten. Ein bulliger Mann, der aus der Form gegangen war.

»Was sucht ihr?«

»Was alle Lebewesen im Universum suchen: Erfüllung. Den Frieden der Seele.« Sinnafoch hatte sein Interkosmo in den Tagen, in denen sie mit der wracken Space-Jet im All getrieben waren, mit Hartoks Hilfe perfektioniert. Er sprach es ohne wahrnehmbaren Akzent.

Es waren bloße Worte, ein Nichts im Angesicht von Waffengewalt. Doch der Schein trog. Sinnafoch verkündete Wahrheiten. Und die Wahrheit, stand man ihr gegenüber, war eine Gewalt, der ein Mensch nichts entgegenzusetzen hatte. Steelion Hartok hatte es am eigenen Leib erfahren. Erst war die Wahrheit Deshwan Jankoffs über ihn gekommen, hatte seinen Lebensweg herumgeworfen. Dann hatte das Schicksal ihn mit dem Vatrox zusammengeführt. Und nun folgte er dem Weg des Vatrox.

Sinnafoch war die Wahrheit.

Auch der Patriarch spürte es. Steelion Hartok las aus den Augen des Mehandor. Er war ein alter Mann, aber er stand kerzengerade. Dennoch, da war eine Müdigkeit, die dem Oxtorner, der über ein außergewöhnliches Einfühlungsvermögen verfügte, nicht verborgen blieb. Der Patriarch blickte auf ein langes Leben zurück. Er hatte gewiss viel erlebt, vieles getan, was er bereute, viele Irrwege lagen hinter ihm.

Die Erfahrung musste den Patriarchen misstrauisch gemacht haben, vielleicht sogar bitter. Aber sie hatte ihn auch gelehrt aufzuhorchen, wenn es etwas zu Horchen gab.

»Frieden sagt ihr.« Der Patriarch zeigte auf die Space-Jet, mit der Hartok, Sinnafoch und Philip von Oxtorne geflohen und der Liga-Flotte entkommen waren. Eine Kante des Diskus' fehlte, war wie mit einem riesigen Messer abgeschnitten. Der Stahl war entlang der messerscharfen Kante geschwärzt. »Wie kommt es dann, dass euer Boot so aussieht, als hätte der Strahl eines Impulsgeschützes es gestreift? Und wieso habt ihr euren Notruf lediglich über lichtschnellen Normalfunk abgestrahlt?«

»Sucher sind nicht immer willkommen«, antwortete Sinnafoch. »Im Gegenteil. Sie stellen infrage, was die träge Mehrheit für Realität hält; die unzähligen kleinen Lügen und Ausflüchte, die dieses Konstrukt davon abhalten, in sich zusammenzufallen. Wer daran rührt, wird gehasst.«

»Ihr werdet also verfolgt?«

»Ja.«

»Von wem?«

»Von anderen, die sich ebenfalls Pilger nennen. Wir sind die Jünger Deshwan Jankoffs, eines weisen Mannes von Oxtorne. Wochenlang sind wir auf seinen Spuren gewandelt, haben unsägliche Strapazen auf uns genommen. Doch am Ende unseres Zugs erwarteten uns nicht Frieden und Erfüllung, sondern Streit und Tod. Wir beschlossen zu fliehen. Wie ihr seht, gelang es uns mit knapper Not. Acht Tage lang trieben wir im Raum, warteten wir auf eine Chance. Wir wussten, dass das Universum uns früher oder später Wesen schicken würde, die guten Herzens sind. Schließlich erfassten unsere Orter euer Schiff.«

Der kritische Moment war gekommen. Würden die Mehandor ihnen glauben?

Steelion Hartok musterte die Galaktischen Händler. Der alte Patriarch schwieg, als denke er über das nach, was Sinnafoch gesagt hatte. Seiner Miene war nicht anzusehen, ob er dem Vatrox glaubte.

Anders dagegen die Männer, die ihn flankierten. Sie waren jung und ungeduldig und musterten verächtlich das Treibgut, das eine Laune des Schicksals ihrem Schiff zugespült hatte. Sie waren nicht reif für die Wahrheiten, die Sinnafoch verkündete. Am liebsten hätten sie die Schiffbrüchigen wieder in die Jet getrieben und ausgesetzt. Oder die Jet behalten, um ihren Schrottwert einzustreichen, und sich der lästigen Schiffbrüchigen mit einer Strahlersalve entledigt.

Hartok streckte langsam – er wollte keine Missverständnisse heraufbeschwören – den Arm aus und kraulte Philip am Nacken. Die Geste schien unschuldig. Ein Herrchen streichelte sein Haustier. Doch sie war ein Zeichen. Philip und Hartok würden über die Mehandor herfallen, sollte der Patriarch sich gegen ihre Aufnahme entscheiden. Der Oxtorner und sein Okrill waren Geschöpfe einer Höllenwelt, deren Reflexe jener gewöhnlicher Wesen weit überlegen waren. Sie konnten es mit den Mehandor aufnehmen.

»Ihre Geschichte ist stimmig, Vater«, sagte plötzlich eine Stimme von der Seite. Sie war hoch und piepsig.

Hartok wandte überrascht den Kopf. Er hatte niemand den Hangar betreten hören.

Was auch niemand getan hatte.

Die Mehandor, die sich an die Seite ihres Vaters gesellte, schwebte von Antigravfeldern gehalten. Sie war ein merkwürdiges Wesen. Ihr Körper, der schlaff wie eine Puppe in den Feldern hing, war der eines Kleinkinds. Ihr Kopf war der einer Erwachsenen. Und dazu der einer außergewöhnlich schönen Frau. Sie war haarlos wie der Oxtorner.

Die Mehandor faszinierte Hartok augenblicklich. Er war von jeher neugierig auf das Fremde gewesen – und nichts war fremder, als die ungewöhnliche Variation von Vertrautem.

Er fragte sich, was für ein Mensch die Mehandor war, wozu sie ihre Deformation gemacht hatte.