Cover

Table of Contents

Titelseite

Inhalt

Ein Mann und eine Magd

Geschichte eines Mordes

KNABEN UND MÖRDER

Zwei Erzählungen

 

HERMANN UNGAR

Copyright © 2013 Reese Verlag, Lothar Reese, Hannover. April 2013

E-Mail: korrektur@a-z.de

Alle Rechte dieser Ausgabe vorbehalten.

ISBN: 978-3-944621-02-9

 

 

REESE JAHRHUNDERT BIBLIOTHEK

BAND 1

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

INHALT

Ein Mann und eine Magd

Geschichte eines Mordes

 

 

 

 

 

 

Ein Mann und eine Magd

 

 

ICH BIN OHNE ELTERN AUFGEWACHSEN. DENN MEIN Vater starb kurz nach meiner Geburt. Er war Rechtsanwalt in der Provinzstadt, in der ich geboren wurde. Ich besitze nichts, was mich an meinen Vater erinnert, außer einem Brief an meine Mutter.

Nach dem Tode meines Vaters, der meiner Mutter sogar ein Stück Geld hinterlassen hatte, verließ meine Mutter, von einer starken Leidenschaft oder von Abenteuerlust getrieben, mit einem Ingenieur die Stadt und ließ mich vollständig mittellos mit einem Dienstmädchen in ihrer Wohnung zurück. Seither habe ich nichts mehr von ihr gehört. Bloß der vorhin erwähnte Brief wurde später von einem Gericht in Kanada als ihre Verlassenschaft meiner Heimatgemeinde übermittelt. Damals war ich sechs Jahre alt.

Es ist klar, oder wenigstens verständlich, daß mich nichts meinen verstorbenen Eltern verbindet. Ich verstehe noch heute nicht, was Liebe zu Eltern ist. Das Organ hierfür ist bei mir nicht vorhanden: ich kann mir nicht vorstellen, was Elternliebe überhaupt bedeutet; sie läßt mich ungerührt bei anderen. Was mir gefehlt hat und wonach ich mich oft gesehnt habe, war ein warmer Mittagstisch oder ein Dach über den Kopf oder ein gutes Bett, aber einen Vater oder eine Mutter habe ich nie vermißt. Wenn ich «elternlos» sage, denke ich an Not und schlechte Kindertage. Sonst drängt sich mir keinerlei Vorstellung bei diesem Worte auf.

Ich war also allein und ohne Mittel von meiner Mutter zurückgelassen. Die Stadt hatte für mich zu sorgen und das tat sie, indem sie mich dem «Siechenhaus», das ein reicher Bürger gestiftet hatte, übergab. In diesem Siechenhaus waren vier Freiplätze für Greise und zwei für Knaben und ich habe als einer dieser Knaben vierzehn Jahre meines Lebens verbracht.

Ich bin ein neuer Anfang gewesen. Ich wuchs heran ohne Tradition. Nichts Bewußtes hat mich der Vergangenheit verbunden. Ich habe nichts von meinem Vater gelernt und leider nichts von ihm geerbt. Dem Leben stand ich ohne vorgefaßte auf gezwungene Meinungen und ohne eingetrichterte Prinzipien gegenüber, in denen andere, wenn ich es mir recht vorstelle, schon durch die Atmosphäre eines Elternhauses aufwachsen. Was neu war, machte mich staunen und lockte mich. Auch der Trieb der Geschlechter zueinander schien mir den im Elternhause Aufwachsenden irgendwie bekannt zu sein allein dadurch, daß sie Mann und Weib miteinander sehen und sich einer Mutter in Liebe verbunden fühlen. Unvorbereitet, selbst ihren Duft nicht ahnend, trafen mich die erwachten Sinne.

Aber ich gehe weit vom Wege ab mit solchen Betrachtungen und sollte der Reihe nach alles erzählen. Wie das Haus aussah, wer es bewohnte und was sich weiter begab. Das Siechenhaus befand sich in einem alten schmutziggrün lackierten Giebelbau mit vielen Fenstern, deren jeder Flügel acht Scheiben hatte. Das ganze Haus machte auf den ersten Blick den Eindruck größter Unregelmäßigkeit. Ich glaube, es ist aus der Verbindung zweier verschiedener Gebäude entstanden. Zur Tür führten zwei ausgetretene Steinstufen und links neben der Tür stand eine Steinbank, wenn man die durch jahrelange Benützung glatt gescheuerte, auf zwei gedrungenen Blöcken ruhende Steinplatte so nennen darf. Auf dieser Steinbank bin ich manchmal gesessen, wenn ich vom Spiel mit Knöpfen und Kugeln müde war.

Auch von innen sah das Siechenhaus nicht freundlicher aus als von außen. Die ausgetretenen steilen Stufen ins erste Stockwerk, die morsche Tür in das Vorhaus, die eine schrille Glocke in Bewegung setzte, die dunklen Flecken in der angegrauten Malerei der Wände, alles das ist nicht dazu angetan, in mir helle Erinnerungen an die Zeit meiner Kindheit zu erwecken. Ich weiß, daß ich nie etwas Fröhliches in diesem Haus erlebt habe. Ich glaube, daß in diesem Haus nie gelacht wurde. Ausgelassen, laut war ich vielleicht mit anderen Kindern, wenn wir in den Winkeln der alten Gasse oder auf dem schmutzigen Platze vor der Schule spielten. Wenn ich aber das Haus betrat, war mein Herz von einem Druck beengt, den ich sogar heute noch, denke ich an das Siechenhaus zurück, in mir spüre.

Vom Vorhaus führte rechts eine Tür zur Wohnung unseres Waisenvaters und links führten einige Treppen zu den Räumen, die wir bewohnten. Nur zwei-, dreimal habe ich einen Blick in die Wohnung unseres Waisenvaters, den wir bei seinem bürgerlichen Namen, Herr Mayer, nannten, geworfen. Dort gab es Tischtücher, Familienbilder, Sofa und gepolsterte Stühle. Mir schienen diese Räume als Spitze irdischen Luxus. Und Herr Mayer als glücklichster Mensch. Heute weiß ich, daß auch er ein armer, auf das Gnadenbrot harter Leute angewiesener Mensch gewesen ist.

Das eigentliche Siechenhaus, dort wo ich wohnte, zerfiel in vier Räume. Der erste, in welchen man geradewegs über die Treppe aus dem Vorhause kam, war verhältnismäßig groß und hatte drei Fenster. In der Mitte stand der lange, mit Wachstuch bespannte Tisch, an dem wir unsere Mahlzeiten einnahmen. An der Wand hing ein großes Bild, das unseren Wohltäter darstellte; dieses Bild fürchtete ich. Ich wagte nicht, es anders als verstohlen anzusehen und gleich wieder wegzublicken. Mir war, als habe der Wohltäter böse Augen. Als kränke es ihn, daß ich hier von seiner Wohltat lebe. Ich machte den Wohltäter ungerechterweise für meine traurige Jugend verantwortlich. Hätte er dieses Haus nicht gestiftet, dachte ich, könnte ich hier nicht sein, sondern wäre wie die anderen Kinder bei den Eltern und hätte zu essen genug und hübsche Kleider und einen Ball zum Spielen. Mein Haß gegen dieses Bild ging so weit, daß ich einmal nachts mich in den Saal, so nannten wir dieses Zimmer, schlich und mit einem großen Tuche das Bild verhängte. Bei Tage, wo ich die Augen des Wohltäters auf mich gerichtet fühlte, hätte ich das nie gewagt. Das Tuch blieb einige Tage hängen. Niemand kümmerte sich darum. Bis es Herrn Mayer auffiel und er es entfernen ließ.

Mit dem Saale waren drei Kammern durch je eine Tür verbunden. Jede Kammer war für zwei Personen bestimmt. An jeder der beiden langen Kammerwände stand ein schmales hölzernes Bett, zwischen den Betten ein kleiner Tisch. Zwei Stühle, einige Haken in den Wänden und eine schwarze Kiste für Wäsche und Kleider, das war die ganze Einrichtung unserer Wohnstätte. Waschen mußten wir uns in einem Trog im Vorzimmer.

Aus den Fenstern unseres Zimmers sah man auf die schmale Gasse hinunter und in die unregelmäßigen Giebel der alten Nachbarhäuser.

Zu der Zeit, als ich im Siechenhaus aufwuchs, waren nicht alle Freiplätze besetzt. Nicht weil man keine Armen gefunden hatte, keine Greise und keine Knaben, die sich darum beworben hätten, sondern seit der Stiftung die Verhältnisse teurer geworden waren und die Zinsen des Vermögens nicht mehr für die volle Zahl der Freiplätze gereicht hätten. So waren mit mir nur drei Greise zugleich im Hause. Ein Platz für einen Greis und einer für einen Knaben blieben unbesetzt.

Daß ich der einzige Knabe war, war nicht von Vorteil für mich. Die besondere Zusammenstellung von Knaben und Greisen zu gemeinsamem Leben ist, wie ich glaube, vom Wohltäter nicht zufällig gewählt worden. Ich glaube vielmehr, er wollte durch die Aufnahme von Knaben mit der Wohltat den praktischen Zweck verbinden, eine billige Arbeitskraft zu bekommen. Ich kann sagen, daß meine Arbeitskraft genügend ausgenützt wurde. Früh morgens mußte ich den Alten und Herrn Mayer wie seiner Frau, die ich fast nie gesehen habe, Kleider und Schuhe putzen, mußte für Stasinka, die Magd, Kohle aus dem Keller holen, Holz zerkleinern, Wasser tragen, zum Kaufmann gehen, bevor ich dann, schon müde, in die Schule ging. So bedauerte ich oft, keinen zweiten Knaben mit mir zu haben, der mir die Hälfte der Lasten abgenommen hätte. Besonders schwer fiel mir die Bedienung der alten Männer. Denn Herr Mayer und seine Frau fühlte ich als Wesen höherer Art. Mayer war zum Herrn über mich gesetzt. Und Stasinka, der Magd, war ich gerne zu Gefallen. Aber die Alten: sie waren doch meinesgleichen! Sie waren nicht mehr als ich! Warum sollte ich ihnen die Schuhe und Kleider putzen und sonst behilflich sein, diesen schmutzigen alten Männern, die ich verachtete?

Da also unser nur vier im Hause waren, stand eine der Kammern leer. In den beiden anderen aber schliefen wir, in einer Jelinek und Klein, in der zweiten der alte Rebinger und ich. Ich sage der alte Rebinger, trotzdem auch Jelinek und Klein alt waren; aber Rebinger war ganz besonders alt. Jede Nacht fürchtete und hoffte ich, er werde sterben. Aber er starb nicht. Als ich das Siechenhaus verließ, war er noch immer am Leben und sah gerade so aus, wie er immer ausgesehen hatte, seit ich mich seiner erinnern konnte.

Mit diesen Menschen, in diesem Hause habe ich die Tage meiner Jugend verbracht, abgesehen von den Stunden in der Schule und den kurzen Weilen, die ich mit anderen Jungen auf der Straße spielte. Ich war kein besonders guter Schüler. Ich war ein armes Kind, noch dazu aus dem Siechenhause. Das sagt gar viel in einer kleinen Stadt, wo die Lehrer mit den Familien der Kinder aus angesehenem Hause verkehren, dort privaten Unterricht erteilen und durch zahlreiche Beziehungen materieller und gesellschaftlicher Natur mit ihnen verknüpft sind. Wenn ich etwas wußte, eine gute Aufgabe brachte, wurde nie wie bei anderen viel Wesen davon gemacht. Wenn ich dagegen, was wohl öfter vorkam, etwas schlecht gemacht hatte, wurde ich gescholten, ja manchmal auch - das wagte der Lehrer nur bei ganz armen Kindern - geschlagen. Dazu kam, daß mir durch das plötzliche Verschwinden meiner Mutter ein Ruf von sittlicher Minderwertigkeit anhaftete und daß selbst meine Mitschüler mich damit neckten, ja daß sie sogar einige verächtliche Verse über mich in Umlauf brachten, die mir bis zu meinem Abschied von der Schule anhafteten. Trotzdem diese Verse dumm und schlecht sind, haben sie mich, so oft ich sie hörte, so schwer gekränkt, daß ich sie mir bis zum heutigen Tage gemerkt habe, obwohl ich manches erlebt habe, was mich schwerer hätte erschüttern müssen und woran ich gleichwohl vergessen habe:

Ich lauf zu meiner Mutter gut,

sie ist ja Blut von meinem Blut.

Habt ihr nicht meine Mutter gesehn?

Ich will zu meiner Mutter gehn!

O denkt euch meinen Schreck,

mein gutes Mütterlein ist plötzlich weg.

Auch die Melodie, nach der dieses Spottgedicht gesungen wurde, klingt mir noch in den Ohren.

In den Pausen zwischen den Lehrstunden zogen meine Mitschüler ihr Frühstück aus der Tasche und ich stand dabei und sah ihnen mit großen Augen zu. Ich gewöhnte mir an, sie um einen Teil ihres Frühstücks zu bitten, und manchmal erhielt ich wirklich auf diese Weise ein Stückchen Butterbrot. Meistens aber bekam ich nichts, sondern wurde ausgelacht.

So war auch die Schule für mich keine angenehme Abwechslung nach Rebinger, Klein und Jelinek. Im Gegenteil, ich ging ungern in die Schule, trotzdem ich auf diese Weise dem Siechenhause auf einige Stunden entrinnen konnte. Fühlte ich doch, daß die drei Alten zu Hause mir gut seien. Sie wußten, wie wichtig ich für sie sei, wie notwendig. Sie hätten sich gehütet, sich’s mit mir zu verderben. Gewiß, sie ekelten mich an, ich verachtete sie, ich haßte sie, ich hätte sie schlagen mögen, wenn ich stark genug gewesen wäre. Aber gerade das machte mich stolz zu Hause. Dort in der Schule verachtete, verhöhnte man mich. Hier im Siechenhause war ich ein notwendiges, wenn nicht bedeutendes Glied der Gesellschaft.

Der einzige von den Alten, dem ich eine gewisse Bewunderung nicht versagen konnte, war Jelinek. Täglich um zehn Uhr vormittags ging Jelinek zum Frühstück ins Wirtshaus. Das kostete, wie er immer gewichtig erklärte, acht Kreuzer. Lange vor zehn machte sich in uns allen eine große Unruhe bemerkbar. Nur Jelinek spielte den Gelassenen. Wir fühlten alle: gleich muß der Augenblick da sein, wo Jelinek, Siechenhäusler wie wir, uns wieder bodenlos demütigen wird, und wir warteten gespannt darauf. Nie haben Rebinger oder Klein, seit sie im Siechenhaus sind, dieses Glück genossen, «gabeln» zu gehen. Gewiß war das Wirtshaus nicht vornehm, in das Jelinek gabeln ging, aber er war dort doch Gast, Herr, Käufer. Jelinek genoß die Augenblicke, bevor er uns verließ, bis zur Neige. Langsam ging er im Saale auf und ab. Klein und Rebinger taten im höchsten Maß unbeteiligt. Aber Rebinger zitterten die Kinnladen vor Wut und der Speichel rann ihm aus dem zahnlosen Mund auf den Rock. Klein bastelte mit einer derartigen Wut an dem Regenschirm, den er gerade reparierte - er war Schirmmacher gewesen und man ließ noch manchmal bei ihm eine kleine Reparatur vornehmen -, daß er fast die Stöcke zerbrach. «Also gehn wir halt», sagte Jelinek dann kurz vor zehn mit einer Ruhe, die ihresgleichen nicht fand, und ging mit langsamen, würdevollen Schritten.

Dann aber entlud sich Rebingers und Kleins Wut. Ich glaube, sie fühlten sich in ihrer Würde verletzt durch Jelineks Gabelfrühstück. Sie begannen Geschichten zu erzählen, sie überboten einander in Schilderungen von Prassereien aus ihrem eigenen Leben, daß Jelineks Wirtshaus, sein Acht-Kreuzer-Essen, die ganze Stadt daneben verblassen mußten.

Jelinek konnte sich’s nämlich leisten. Denn Jelinek machte Geschäfte. Ich stellte mir darunter immer etwas ungemein Geheimnisvolles vor, obzwar Jelineks Geschäfte gewiß höchst arm an Geheimnissen waren. Sie bestanden nämlich darin, daß er alte Flaschen um einige Heller kaufte, indem er von Haus zu Haus nach ihnen fragte, um sie dann mit einem kleinen Gewinn an einen Händler weiter zu verkaufen. Mir kam Jelinek vor wie ein Großkaufmann, dessen Schiffe auf dem Ozean fahren, warenbeladen. Neben ihm war Kleins Tätigkeit, die ich täglich vor mir sah - seine zerbrochenen Schirme -, unbedeutend und armselig.

Jelinek mit dem grauen herabhängenden Schnurrbart, der kreischenden und dabei heiseren, ewig schreienden Stimme war der einzige von meinen Mitbewohnern, vor dem ich etwas Respekt fühlte. Klein war fast blind und seine Augen blickten müde durch eine verbogene Brille. Niemals war er rasiert. Und immer hatte er einen Schirm zwischen die Knie geklemmt, an dem er bastelte. Für Klein konnte ich manchmal Mitleid empfinden, das so weit ging, daß ich ihm einen Gegenstand, nach dem seine Hände suchend tappten, der ihm zu Boden gefallen war oder den er verlegt hatte, stumm zuschob. Seine geduldige Ruhe machte meinen Haß, der selbst vor Jelinek nicht immer Halt machte, wehrlos.

Unerbittlich, unnachsichtig, stumpf war mein Herz gegen Rebinger. Sein Körper, der von den Fingerspitzen bis in die Knie ununterbrochen zitterte, seine roten, wimpernlosen Lider, die triefenden Augen, sein zahnloser Mund, der in fortwährender Bewegung war und aus dessen Winkel ohne Unterbrechung ein dünner Faden Speichel rann, sein fortwährendes stotterndes kopfloses Sprechen, seine ganze menschliche Hilflosigkeit machte mich zu seinem Feind. Ich war ein Kind und an diesen Greis gekettet, der nachts sein Bett beschmutzte und dessen verlöschendes Leben einen Schritt von mir Nacht für Nacht einen Kampf mit dem ihm zusetzenden Tode zu kämpfen schien. War ich geboren als ein böses Kind, daß dieser Alte in seinem Bresten nichts in meiner Seele rühren konnte und daß ich, wie ich glaube, an die Leiden dieses zitternden Körpers, dieser ausgelöschten Seele gekettet zu sein schwerer empfand als der Häftling seinen ewigen Kerker?

Hinter dem Siechenhause befand sich ein kleiner schmutziger Hof, aus welchem Treppen in einen Garten hinaufführten. Es war eine der Merkwürdigkeiten dieses Hauses, daß man kaum aus einem seiner Teile in einen anderen, kaum aus einem Zimmer ins andere gelangen konnte, ohne über Treppen gehen zu müssen. Der Garten war klein. Einige Bäume standen darin, in der Mitte ein alter Nußbaum, unter dem sich eine Holzbank befand. Er grenzte an andere Höfe und Gärten, von denen er durch eine etwa mannshohe baufällige Mauer getrennt war. In einer Ecke, zu der man quer durch den Garten am Nußbaum vorbei gelangte, war ein Brunnen gebohrt, über dem ein Bottich hing; drehte man das Rad, sank der Bottich an einer knarrenden Kette in den Brunnen hinab. Aus diesem Brunnen ward das Wasser, das man im Hause brauchte, geschöpft.

Rebinger pflegte Nachmittag auf der Bank unter dem Nußbaum zu sitzen. Er hielt die Hände auf den rohen Stock gestützt und murmelte vor sich hin. Und wenn Stasinka vorbeiging, in jeder Hand eine Butte, Stasinka, die Magd, den Blick der glanzlosen Augen stumpf vor sich hingerichtet, die starken Füße in Holzpantoffeln, schleppend, nickte er ihr zu. Seine Augen waren auf ihre schweren dicken Brüste gerichtet, die bei jedem Schritt schwappten. Ich drehte für Stasinka das Rad. Und ich sah Rebingers Blicke und Stasinkas Brust und ich fühlte, daß Rebinger etwas wisse, was mir unbekannt sei.

Ohne ein Wort des Dankes ging Stasinka zurück, wie sie gekommen war. Rebinger sah ihr nach, seine eingefallenen Lippen verzogen sich zu einem lüsternen Lachen. Und der Speichel rann ihm auf den schmutzigen Rock.