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Leben mit Morbus Basedow

Dr. med. Leveke Brakebusch
Prof. Dr. med. Armin Heufelder

Leben
mit Morbus Basedow

Ein Ratgeber

7., überarbeitete Auflage

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W. Zuckschwerdt Verlag
München

Hinweis:
Aufgrund der ständig wachsenden medizinischen Erkenntnisse bei der Behandlung des Morbus Basedow muss darauf hingewiesen werden, dass die im Buch enthaltenen Angaben zu Dosierungen von Medikamenten und Behandlungsstrategien dem medizinischen Wissensstand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Buches entsprechen. Es ist üblich, dass sich Behandlungsformen mit dem medizinischen Kenntnisstand ändern. Die Erklärungen und Hinweise im Buch ersetzen nicht den Arztbesuch. Jeder Basedow-Patient sollte die für ihn infrage kommende Therapie mit einem auf Morbus Basedow spezialisierten Arzt absprechen. Für Dosierungsangaben oder Unverträglichkeiten von Medikamenten kann keine Gewähr übernommen werden.

Die Autoren:  
Dr. med. Leveke Brakebusch www.morbusbasedow.de
Prof. Dr. med. Armin Heufelder Am Kosttor 1, 80331 München, www.prof-heufelder.de
Umschlagbild: E. Sommerfeld  

Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek

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Alle Rechte, insbesondere das Recht zur Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert werden.

© 2014 by W. Zuckschwerdt Verlag GmbH, Industriestraße 1, D-82110 Germering/München.

ISBN 978-3-86371-733

Inhalt

AEinleitung

Diagnose: „Morbus Basedow“

Was bedeutet Morbus Basedow?

Wie lange ist Morbus Basedow bekannt?

Vorkommen und Häufigkeit des Morbus Basedow

Lage der Schilddrüse

Wie groß ist die normale Schilddrüse?

Wie wird Morbus Basedow festgestellt?

Die Ultraschalluntersuchung

Die Szintigrafie

Augenbeteiligung beim Morbus Basedow

Ist Morbus Basedow heilbar?

BTipps zum Leben mit Morbus Basedow

Woran erkenne ich eine Schilddrüsenüberfunktion?

Woran erkenne ich eine Schilddrüsenunterfunktion?

Was ist eine Struma?

Was ist ein Endokrinologe?

Wann sollte ein Schilddrüsenspezialist aufgesucht werden?

Worauf sollte ich beim Arztbesuch achten?

Wann kann sich der Hormonbedarf ändern?

Darf ich Medikamente zur Anregung des Immunsystems einnehmen?

Darf ich Blut spenden?

Wie oft soll ich zum Augenarzt gehen?

Welche Untersuchungen sollte der Augenarzt durchführen?

Gibt es eine „Basedow-Diät“?

Wie ist es mit der Verträglichkeit von Alkohol, Zigaretten und Kaffee?

Darf ich in die Sauna gehen?

Darf ich Sport treiben?

Wohin in den Urlaub?

Krankengymnastik und Massage

Morbus Basedow und die Familie

Morbus Basedow und Partnerschaft

Krankschreibung

Rente

Schwerbehinderung

CSymptome

Symptome der Überfunktion

–  Welche Beschwerden können auftreten?

Symptome der Hormonvergiftung (thyreotoxische Krise)

–  Welche Beschwerden können auftreten?

Symptome der Immunerkrankung

–  Welche Beschwerden können auftreten?

Symptome der Unterfunktion

–  Welche Beschwerden können auftreten?

Symptome der Augenerkrankung

–  Welche Zeichen und Beschwerden können auftreten?

Symptome anderer Autoimmunkrankheiten

–  Diabetes und Morbus Basedow

–  Rheuma und Morbus Basedow

Vitamin-B12-Mangel

Vitamin-D-Mangel

Ferritinmangel

Wichtig: Selbst die Symptome erkennen

DTherapie

Medikamentöse Therapie

–  Ziel der medikamentösen Therapie

–  Welche schilddrüsenhemmenden Medikamente gibt es?

–  Für wen ist die medikamentöse Therapie geeignet?

–  Für wen ist die medikamentöse Therapie nicht geeignet?

–  Nebenwirkungen der medikamentösen Therapie

–  Medikamentöse Therapie in der Schwangerschaft

Radiojodbehandlung

–  Ziel der Radiojodbehandlung

–  Wie läuft die Behandlung ab?

–  Was passiert bei der Radiojodbehandlung?

–  Wie wirkt sich die Radiojodbehandlung auf die Größe der Schilddrüse aus?

–  Wann tritt die Wirkung der Radiojodbehandlung ein? ….

–  Was muss bei zusätzlicher Augenerkrankung beachtet werden?

–  Für wen ist die Radiojodbehandlung geeignet?

–  Für wen ist die Radiojodbehandlung nicht geeignet?

–  Nebenwirkungen der Radiojodbehandlung

–  Risiken der Radiojodbehandlung

–  Wie oft kann eine Radiojodbehandlung durchgeführt werden?

Operation

–  Ziel der Operation

–  Welche Operationsmethoden gibt es bei Morbus Basedow?

–  Nahezu vollständige Operation

–  Vollständige Operation

–  Operationsrisiken

–  Für wen ist die operative Therapie geeignet?

–  Für wen ist die operative Therapie nicht geeignet?

–  Kann man restliches Schilddrüsengewebe nach einer Operation nachweisen?

Andere Therapiemöglichkeiten

–  Gibt es eine Heilung ohne Therapie?

–  Gibt es eine Therapie mit „natürlichen“ Medikamenten?

Was ist ein Rezidiv?

EUrsachen des Morbus Basedow

Genetische Faktoren

–  Was spricht für eine genetische Ursache?

–  Vererbe ich die Krankheit an meine Kinder?

–  Wie hoch ist das Erkrankungsrisiko bei Geschwistern? …

–  Medizinische Hintergründe

Infektionen mit Viren oder Bakterien

–  Welche Viren können Morbus Basedow auslösen?

–  Welche Bakterien können Morbus Basedow auslösen? .

–  Kann ich mich vor solchen Infektionen schützen?

–  Medizinische Hintergründe

Umweltfaktoren

–  Welche Umweltfaktoren können die Erkrankung auslösen?

–  Medizinische Hintergründe

Psyche

–  Medizinische Hintergründe

Hormone

–  Medizinische Hintergründe

FAntikörper

Was sind Antikörper?

Was bedeutet autoimmun?

Was ist eine Immunthyreopathie?

Welche Antikörper gibt es beim Morbus Basedow?

TRAK (TSH-Rezeptor-Antikörper)

–  Medizinische Hintergründe

TPO-Antikörper

–  Medizinische Hintergründe

Tg-Antikörper

–  Medizinische Hintergründe

Gibt es noch andere Antikörper?

Wie oft sollte man die Antikörperspiegel kontrollieren?

Antikörper und Schwangerschaft

GHormone

Schilddrüsenhormone und hormoneller Regelkreis

T3 und T4

–  Medizinische Hintergründe

–  Tipp für den Hormonersatz

–  Normalwerte des T3

–  Normalwerte des T4

TRH

TSH

–  Normalwerte des TSH

–  Was bedeuten niedrige TSH-Werte?

–  Was bedeuten zu hohe TSH-Werte?

Wie oft sollten die Schilddrüsenhormone bestimmt werden?

Calcitonin

Parathormon

–  Normalwerte

Hormonersatz

Welche Dosis muss ich einnehmen?

Welche Medikamente gibt es?

Natürliche Schilddrüsenhormone

Wie nehme ich Schilddrüsenhormone ein?

Woran merke ich, ob die Einstellung der Hormondosierung ausreichend ist?

Worauf muss ich achten, wenn ich zusätzliche Medikamente einnehme?

Welche Einstellung ist günstig bei zusätzlicher Augenerkrankung?

HSexualhormone und Schilddrüsenhormone

Weibliche Hormone und Schilddrüsenhormone

Wie äußern sich Störungen der weiblichen Hormone?

Ist eine Behandlung notwendig?

Welche Behandlung ist erforderlich, wenn kein Kinderwunsch besteht?

Welche Behandlung ist erforderlich, wenn Kinderwunsch besteht?

Wie lange sollte eine Behandlung durchgeführt werden?

Welche Behandlung ist in den Wechseljahren erforderlich?

Männliche Hormone und Schilddrüsenhormone

IMorbus Basedow und Schwangerschaft

Was muss ich beachten, wenn ich eine Schwangerschaft plane?

Welche Blutwerte sind in der Schwangerschaft wichtig?

–  T3, T4, TSH

–  Antikörper

Wie wirkt sich die Krankheit auf das Kind aus?

Verschlechterung während der Schwangerschaft?

Welche Medikamente darf ich in der Schwangerschaft einnehmen?

–  Schilddrüsenhormone

–  Schilddrüsenhemmende Medikamente

–  Jod

Ist die Krankheit erblich?

Morbus Basedow und Zyklusstörungen der Frau

JAugenerkrankung

Wie viele Basedow-Kranke entwickeln eine endokrine Orbitopathie?

Welche Beschwerden können auftreten?

Welche Untersuchungen sollte der Augenarzt durchführen?

Welche Ursachen hat die endokrine Orbitopathie?

–  Medizinische Hintergründe

Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?

–  Kortison

–  Bestrahlung

–  Immunglobuline

–  Plasmapherese und Immunadsorption

–  Methotrexat

–  Biologicals

–  Rituximab

–  Antioxidanzien

–  Operation

–  Was kann ich selbst gegen die endokrine Orbitopathie tun?

–  Behandlungstipp

KPsyche und Morbus Basedow

Psyche als Krankheitsauslöser

–  Stressfaktoren, die den Morbus Basedow auslösen können

Psyche und Hormone

Psyche und Krankheitserleben

Psyche und Augenerkrankung

Psyche und Haarausfall

Psyche und Schilddrüsenoperationsnarbe

Psyche und Psychopharmaka

Psyche und

–  Krankheitsverständnis bei Freunden und in der Familie

–  Krankheitsverständnis der behandelnden Ärzte

Was kann ich meiner Psyche Gutes tun?

LBerichte von Betroffenen

MWeitere Informationen, Selbsthilfegruppen

Informationen zu Schilddrüsenerkrankungen

Informationen zu zusätzlichen Erkrankungen

Selbsthilfegruppen

Informationen zu Selbsthilfeorganisationen

Bücher

Pharma-Informationsservice

Vorwort

1999 wurde bei mir Morbus Basedow festgestellt. Als Fachärztin für Frauenheilkunde wusste ich wenig über Ursachen, Symptome oder Therapie der Krankheit, obwohl ich durch Studium und 7 Jahre Berufserfahrung über ein breit gefächertes allgemeines medizinisches Wissen zu verfügen glaubte. Auch die medizinische Fachliteratur konnte meine zahlreichen Fragen nur unzulänglich beantworten.

Aufgrund der Symptome des Morbus Basedow und einer weiteren rheumatischen Autoimmunkrankheit konnte ich meinen Beruf als Ärztin im Krankenhaus nicht mehr ausüben. Ich begann, alle verfügbaren Informationen über den Morbus Basedow zu sammeln. Meine Odyssee von Arzt zu Arzt, vor und nach der Diagnosestellung, und die Erfahrungen anderer Betroffener führten zu der Idee, ein Handbuch für Basedow-Kranke zu schreiben. Dieses Buch soll durch viele praktische Informationen Basedow-Kranken das Leben mit der Krankheit erleichtern.

Bei einem Vortrag in einer Schilddrüsen-Selbsthilfegruppe beschrieb ein Schilddrüsenspezialist vor einer Gruppe von Basedow-Erkrankten seine Sicht mit den Worten: „Das Schlimmste am Morbus Basedow sind die anstrengenden Patienten.“ Aus seinem Blickwinkel mag das richtig sein, schließlich kann keine sichere Heilung der Krankheit in Aussicht gestellt werden. Diese Situation kränkt den Arzt, der ja mit dem Wunsch zu heilen angetreten ist, und ängstigt den Erkrankten, der nicht nur unter den Symptomen leidet, sondern auch in seiner Lebensplanung verunsichert wird.

Der Basedow-Kranke ist einer Fülle von verschiedenen Symptomen durch die Erkrankung des Immunsystems ausgesetzt, die seine Stimmungslage beeinflussen. Oft ist der von seinen Hormonen angestachelte Patient leicht reizbar oder sogar aggressiv. Häufig sieht sich dieser Kranke einem Arzt gegenüber, der die zahlreichen Symptome des Morbus Basedow nicht kennt, der für die Beschwerden des Patienten keine Zeit erübrigen kann und dem es schlimmstenfalls auch an Einfühlungsvermögen in die schwierige Situation des Kranken mangelt. So ergibt sich ein ungünstiges Arzt-Patient-Verhältnis.

Nicht der Erkrankte ist schwierig, sondern die Krankheit ist schwierig.

Viele Patienten werden nach der Therapie wieder ganz gesund, auch wenn die Störung der Immunabwehr nicht grundsätzlich geheilt werden kann. Einige Patienten leiden aber auch nach Einleitung einer Therapie unter zahlreichen, schubweise auftretenden Beschwerden. Auch nach Normalisierung des Schilddrüsenstoffwechsels können diese im weiteren Krankheitsverlauf den Patienten und auch den Arzt beunruhigen.

Für die Betroffenen ist es nicht leicht, mit den Beschwerden und gesundheitlichen Störungen zu leben. Der Basedow-Patient benötigt einen Arzt, der ihn sowohl medizinisch als auch menschlich unterstützen und begleiten kann.

Mit den negativen Arzterfahrungen von Basedow-Patienten lassen sich mühelos Bücher füllen, und dies nicht nur, weil Basedow-Patienten leicht in Wut geraten. Morbus Basedow ist eine schwierige Krankheit. Nahezu jeder Basedow-Kranke kommt einmal an den Punkt, an dem der behandelnde Arzt die von ihm geklagten Beschwerden nicht glaubt. Der vom Arzt geäußerte Satz „das kann nicht sein“ belastet das Arzt-Patient-Verhältnis oder beendet es nicht selten.

Das in Zusammenarbeit mit Herrn Professor A. Heufelder entstandene Buch soll Erkrankten und Ärzten helfen, ihr Wissen über die Krankheit zu erweitern. Die allzu oft vorhandene Kluft zwischen Arzt und Patient soll dabei überbrückt werden, um gemeinsam gegen die Probleme der autoimmunen Schilddrüsenkrankheit vorzugehen.

Für die vielen guten Ratschläge und die Ermutigung von anderen Betroffenen bin ich sehr dankbar.

Ich danke meiner Familie und meinen Freunden für ihre ausdauernde Unterstützung. Ganz besonders danke ich meinem lieben Mann, der mich bei Krankheitsrückfällen immer wieder aufgebaut hat und ohne dessen Hilfe ich dieses Buch nicht hätte schreiben können.

Leveke Brakebusch

Vorwort

Der Morbus Basedow und die damit verbundene Augenerkrankung, die endokrine Orbitopathie, zählen zu den schwierigsten, facettenreichsten und dabei immer wieder faszinierenden Krankheitsbildern der Inneren Medizin. Die Betreuung und Beratung von Patienten mit diesem Beschwerdebild stellt für den behandelnden Arzt einerseits ein Privileg, andererseits aber auch eine enorme Herausforderung dar, denn er arbeitet genau an der Schnittstelle zwischen verschiedenen Fachgebieten. Genaue Kenntnisse in der Inneren Medizin, der Endokrinologie, der Augenheilkunde, der Immunologie und der Psychoneuroimmunologie sind gefordert, wenn das komplexe Beschwerde- und Manifestationsmuster in der nötigen Tiefe erfasst werden soll.

So wichtig der fachübergreifende Betreuungs- und Behandlungsansatz auch ist, so schwierig ist es dabei, ein kompetentes, erfahrenes und engagiertes Team aus Spezialisten verschiedener Fachdisziplinen zusammenzuführen, um die bestmögliche Beratung und Entscheidungsfindung bei den vielfältigen klinischen Problemen dieses Krankheitsbildes zu gewährleisten. Wie ausgeprägt der Mangel an kompetenten Anlaufstellen für Basedow-Patienten auch heute immer noch ist, zeigen die oft sehr langwierigen und verschlungenen Irrwege vieler Betroffener. Bis heute müssen Patienten mit Morbus Basedow nicht selten lange Leidenswege durchlaufen und sich mit vielen, teils auch widersprüchlichen Meinungen und Empfehlungen abfinden, bevor sie schließlich zum Ziel kommen. Leider vergeht dabei oft wertvolle Zeit, die inbesondere bei einem ungebremsten Fortschreiten der endokrinen Orbitopathie kaum noch aufzuholen ist.

Mein wissenschaftliches und klinisches Interesse an autoimmunen Schilddrüsenerkrankungen, speziell dem Morbus Basedow und der endokrinen Orbitopathie, wurde vor über 15 Jahren eher zufällig geweckt. Seitdem hat mich die Faszination dieses Themas nie wieder losgelassen. Auch wenn sich an der Behandlung des Morbus Basedow in den letzten 20 Jahren augenscheinlich wenig verändert hat, die Erkenntnisse über die Ursachen, das Feingefühl für die optimale Behandlung und die Möglichkeiten der Prävention haben rasant zugenommen. Und interessante Neuigkeiten zum Thema Morbus Basedow aus den Forschungslabors und Kliniken weltweit quellen fast täglich aus den Fachjournalen, den Kongressbänden und dem Internet.

Meine Freude war groß, als Frau Dr. Brakebusch mich vor einiger Zeit auf ihre intensive Beschäftigung mit dem Thema Morbus Basedow aufmerksam machte und mich zur Mitarbeit an einer Internet-Informationsbörse und an dem nun vorliegenden Ratgeber motivierte. Aus dem Informationsnotstand zum Morbus Basedow geboren entwickelte sich im Laufe der Zeit ein respektables kleines Handbuch, das sich – anders als Fachbücher und Übersichtsartikel – mit den vielen größeren und kleineren Problemen unserer Patienten im täglichen Umgang mit dem Morbus Basedow befasst. Natürlich liefert der Ratgeber auch alles Wissenswerte über den aktuellen Kenntnisstand zum Morbus Basedow. Wenngleich wir uns um eine ausgewogene, möglichst objektive Darstellung bemüht haben, sind persönliche Erfahrung und Erlebnisse aus der Betreuung von über 1500 Patienten mit Morbus Basedow eingeflossen.

Nach dem sehr positiven Echo auf die Internet-Seiten zum Morbus Basedow (www.morbusbasedow.de) bleibt nun der Wunsch, der vorliegende Ratgeber möge allen betroffenen Lesern und ihren Angehörigen das Leben mit dem Morbus Basedow erleichtern und beim Verstehen der Krankheit sowie bei der Therapieabwägung Hilfestellung bieten.

Armin E. Heufelder

A

Einleitung

 

Diagnose: „Morbus Basedow“

Die Diagnose „Morbus Basedow“ führt beim Betroffenen zu zahlreichen Fragen. Eine Patientin schildert ihre ersten Eindrücke:

Bericht 1: Ich kann es noch gar nicht glauben …

Bei mir ist in der letzten Woche Morbus Basedow diagnostiziert worden. Irgendwie kann ich noch gar nicht glauben, dass ich krank sein soll. Ich hatte folgende Symptome: schneller Puls, Schwindel, Schweißausbrüche. Was dazu kommt, ist ein dicker Kloß im Hals und ab und an leichte Halsschmerzen. Ich empfinde dies im Moment als besonders unangenehm. Diese Symptome sind von einem Tag auf den anderen da gewesen. Ich bin mir relativ sicher, dass ich vorher nie etwas derartiges hatte. Ich weiß noch genau, dass ich Montag vor drei Wochen plötzlich in Schweiß ausbrach, nachdem ich einen lächerlichen PC ein Stockwerk hochgetragen hatte.

Ich bekomme jetzt Carbimazol und habe viel Angst vor den möglichen Nebenwirkungen. Was ist denn nun? Werden meine Halsbeschwerden durch die Behandlung verschwinden oder muss ich von nun an damit leben? Ich mache mir auch Sorgen um meine Augen …

Unter der Diagnose „Morbus Basedow“ kann sich der Betroffene im ersten Moment nicht viel vorstellen. Was ist das für eine Krankheit?

Morbus Basedow ist eine Autoimmunerkrankung

Morbus Basedow ist eine Autoimmunerkrankung. „Autoimmun“ bedeutet, dass der Körper sich durch eine falsche Reaktion des Immunsystems versehentlich selbst bekämpft. Morbus Basedow ist also verursacht durch einen Fehler im Immunsystem.

Handelt es sich bei der Erkrankung um eine Schilddrüsenüberfunktion? Morbus Basedow ist eine Krankheit, die den ganzen Körper betrifft und sich charakteristischerweise zunächst durch eine übermäßige Hormonproduktion der Schilddrüse bemerkbar macht.

Schilddrüsenhemmende Medikamente können in den meisten Fällen eine vollständige oder vorübergehende Heilung erreichen. Mit einem erneuten Auftreten des Morbus Basedow müssen Sie aber auch nach einer anfänglichen Heilung durch Medikamente ein Leben lang rechnen. Es ist deshalb wichtig, dass Sie bei jedem erneuten Arztbesuch über Ihre Krankheit berichten, auch wenn keine Beschwerden mehr bestehen. Der Schweregrad und der Verlauf der Erkrankung können sehr unterschiedlich sein. Dieses Buch soll einen Überblick über bekannte Symptome des Morbus Basedow und zusätzlich auftretende Autoimmunkrankheiten geben. Häufig gibt es bei der Erkrankung milde Verläufe. Es müssen also nicht alle Symptome des Morbus Basedow auftreten. Zusätzliche Autoimmunkrankheiten werden nur bei einem Teil der Betroffenen gefunden. Sie müssen nicht damit rechnen, jedes mögliche Symptom und jede der beschriebenen zusätzlichen Autoimmunkrankheiten zu bekommen. Andererseits sollen die möglichen Symptome auch nicht beschönigt werden. Es ist meist leichter, sich mit einer Krankheit auseinanderzusetzen, deren Symptome und Probleme bekannt sind, als durch immer neue unerklärliche Beschwerden verunsichert zu werden.

Was bedeutet Morbus Basedow?

Das Wort „Morbus“ ist lateinisch und bedeutet „Krankheit“. „Basedow“ steht für den Erstbeschreiber der Krankheit im deutschsprachigen Raum, den Merseburger Arzt Carl Adolph von Basedow.

Im englischsprachigen Raum wird die Krankheit nach dem irischen Arzt Robert James Graves „Graves’ Disease“ genannt, der unabhängig von Carl Adolph von Basedow die charakteristischen Symptome der Krankheit beschrieb.

Eine andere medizinische Bezeichnung für den Morbus Basedow ist „Immunhyperthyreose“. „Hyperthyreose“ bedeutet Schilddrüsenüberfunktion.

Wie lange ist Morbus Basedow bekannt?

Carl Adolf von Basedow beschrieb bereits 1840 die später nach ihm benannte Krankheit.

1840 beschrieb Carl Adolph von Basedow mit sehr großer Genauigkeit die später nach ihm benannte Krankheit. Basedow lebte zu dieser Zeit als praktischer Arzt und Chirurg in Merseburg. Die kennzeichnenden Merkmale der von Basedow sogenannten „Glotzaugen-Kachexie“ (Kachexie = Auszehrung) werden in der Medizin bis heute als „Merseburger Trias“ bezeichnet. Die Merseburger Trias umfasst die hervortretenden Augen, die vergrößerte Schilddrüse und den beschleunigten Herzschlag. Als Ursache vermutete Carl Adolph von Basedow eine fehlerhafte Mischung des Blutes. Seine Beobachtungen zur Glotzaugen-Kachexie machte er bei insgesamt nur sechs Patienten. Es gelang ihm dabei, den großen Komplex der Krankheitserscheinungen beim Morbus Basedow detailliert zu beschreiben. Im Gegensatz zu der heute noch bei vielen Ärzten irrtümlich vorherrschenden Meinung, es handele sich beim Morbus Basedow lediglich um eine Schilddrüsenüberfunktion, hatte Carl Adolph von Basedow die Krankheit und ihre Auswirkungen auf zahlreiche Organe bereits in ihrer Gesamtheit erkannt. Die erste Beschreibung eines Morbus Basedow stammt aus Persien im Jahre 900 v. Chr.

Vorkommen und Häufigkeit des Morbus Basedow

Frauen erkranken häufiger als Männer. Auf sieben bis neun erkrankte Frauen kommt ein erkrankter Mann. Die Krankheitshäufigkeit in der Bevölkerung insgesamt beträgt je nach Untersuchung etwa 1 bis 6%. Genaue Angaben über die Krankheitshäufigkeit gibt es für Deutschland jedoch nicht. In einigen Familien kommt Morbus Basedow gehäuft vor.

In Phasen der hormonellen Umstellung wie der Pubertät, nach einer Schwangerschaft und in den Wechseljahren kommt die Erkrankung häufiger zum Ausbruch. Ein Drittel der Betroffenen ist jünger als 35 Jahre. Auch Kinder können erkranken. Die Erkrankung ist im Kindesalter allerdings selten.

Schweregrad und Verlauf der Erkrankung können sehr unterschiedlich sein. Schilddrüsenhemmende Medikamente erreichen in vielen Fällen eine vollständige oder vorübergehende Heilung. Mit einem erneuten Auftreten des Morbus Basedow muss jedoch ein Leben lang gerechnet werden.

Bekannte Menschen, die an Morbus Basedow erkrankten, sind z. B. der Altbundeskanzler Helmut Schmidt, der Schlagersänger Heino sowie der ehemalige Präsident der Vereinigten Staaten George Bush Senior und seine Frau Barbara. Die Sportlerin Gail Devers erkrankte schwer an Morbus Basedow und gewann anschließend die Goldmedaille. Wenig bekannt ist, dass auch die Dichterin Annette von Droste-Hülshoff an einem Morbus Basedow litt.

Lage der Schilddrüse

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Abbildung 1:
Lage der Schilddrüse

1 Schilddrüse
2 Schildknorpel
3 Luftröhre mit Ringknorpeln
4 Hauptschlagader
5 Venen
6 Unterer Kehlkopf
7 Schlüsselbein

Die Schilddrüse wird medizinisch als „Glandula thyreoidea“ bezeichnet. Sie liegt als kleines schmetterlingsförmiges Organ vor der Luftröhre. Der obere Rand grenzt an den Schildknorpel des Kehlkopfes. Bei einigen Menschen ist der Schildknorpel als „Adamsapfel“ gut zu sehen.