Heike Bosch
Philipp Braun

Let the Games beGay

Bewegende Momente bei Sportereignissen der besonderen Art

Impressum

Let the Games beGay

Deutsche Erstausgabe

Copyright© 2012 Gatzanis Verlag (Gatzanis GmbH), Stuttgart, Germany www.gatzanis.com

Herausgeber::

LSVD (Lesben- und Schwulenverband in Deutschland), Philipp Braun, Köln (www.lsvd.de)

Autoren:

Alan J. Anderson, Rita Béres-Déak, Andrea Bräuning, Rodney Croome, Ulrike Folkerts, Nora Goedhart & Kathleen Peters, Ansgar Grage, Christine Gundlach, Hilary Johnson, Bettina Keil, Sebastian Kühnen, Susanne Kundt & Claudia Thomas, Ulrike Lunacek, Ulrike Lösch, Johnny Manzon-Santos, Sascha C. Falk Mrotzek, Juan Carlos Paniagua Soto, Claudia Peiser, Carlos Perera, Andy Quan, Till O. Scheurle, Andreas Stiene, Stanislav Dimitrov Tanchev, Mark Tewksbury, Osie van der Merwe, Isabel Varell, Michaela von der Hoeh, Tanja Walther, Hartley Williams, Robert Wintemute

Interview mit Jimmy Somerville: Andrea Bräuning

Lektorat und Übersetzung:

Heike Bosch, Heilbronn

Gestaltung:

Christine Meves, Berlin

Cover-Foto:

ZEFA, Galvezo

ISBN:

978 - 3 - 932855 - 47 - 4

Alle Rechte vorbehalten, auch die der fotomechanischen und elektronischen Wiedergabe sowie der Übersetzung, auch einzelner Teile.

Information unter:

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Einfach nur: eine unter vielen

Name

Ulrike Folkerts

Geburtsjahr

1961

Stadt

Berlin

Land

Deutschland

Team

Vorspiel Berlin

Disziplin(en)

Schwimmen

Medaille(n)

Silber 4 x 50 m Damenstaffel

Bronze 4 x 100 m

Freistil-Staffel Mixed

Ich bin meiner Mutter wirklich dankbar. Es war eine weise Entscheidung, mich im zarten Alter von neun Jahren in einen Schwimmverein zu stecken. Heute profitiere ich davon. Ich schwimme gerne. Und das Beste: auch noch ganz gut für mein Alter. Beides sind natürlich gute Voraussetzungen, in Sydney bei den Gay Games VI mitzumachen - und das zum zweiten Mal.

Vom Sportlichen mal abgesehen: Es fasziniert mich einfach das Phänomen, dass man über eine Sportveranstaltung wie diese so viele Menschen aus so vielen verschiedenen Ländern unter dem einen gemeinsamen Nenner, Homosexualität, zusammen bekommt.

Es tut sooo gut, zu spüren: hey, es gibt „gay people“ überall auf der Welt – und zwar viele. Und wir sind stolz und glücklich, dass wir so sind, wie wir sind. Dieses Gefühl ist unbeschreiblich schön und voller Kraft. Für mich ganz persönlich spielt es natürlich auch eine große Rolle, bei den Gay Games einfach eine von vielen zu sein. Nicht mehr die Promi-Schauspielerin aus dem deutschen Fernsehen. In Sydney kannte mich erst einmal niemand, und ich habe diese Tatsache ehrlich sehr genossen. Die deutschen SportlerInnen haben mir auf sehr freundliche Weise zu verstehen gegeben: Sie finden es toll, mich als „öffentliche“ Person an dieser Olympiade zu erleben, weil ich mich so auch öffentlich als Lesbe zeige.

Wenn das der einen oder dem anderen Mut macht, wunderbar. Das würde mich unglaublich glücklich machen.

Mir war sofort klar, dass ich bei den Gay Games in Sydney mitmischen möchte. Ich kannte Sydney und Umgebung bereits und bin von der Stadt und seinen Bewohnern wirklich sehr angetan. Eine Stadt am Meer. Perfekt – bei dieser Kombination war es sofort um mich geschehen. Und dann noch Sommer im November. Genial. Schließlich on top: diese absolut unvergleichliche, wirklich gut organisierte Sportveranstaltung. Was will frau da noch mehr?

Einzig und allein wirklich negativ aufgefallen ist mir bei den Gay Games die Überzahl der Amerikaner. Das waren auffällig viele. Bei einer Gesamtzahl von 15 000 SportlerInnen, waren gut und gerne 4 500 aus den USA.

Warum ich das erwähne? Weil es mir zu denken gegeben hat, als ich erfahren habe, dass die Veranstalter speziell die Zielgruppe „amerikanischer schwuler Mann zwischen 30 und 40 Jahren“ im Visier hatten, als sie für die Gay Games warben. Weil der das meiste Geld haben soll und innerhalb kürzester Zeit bereit sei, es vor Ort, also in Sydney, auch auf den Kopf zu hauen. Nicht so, sagen die Marketingplaner, die durchschnittliche Europäerin oder der Europäer. Die würden eher lange planen, Preise vergleichen, einfach sparsamer und weniger konsumfreudig an solch eine weite Reise rangehen. Aha. Auch so etwas lehren uns die Gay Games.

Ich sehe die Gefahr, dass der Kommerz bei den Gay Games zu stark den Ton angibt. Also richtig Geld damit zu machen. Was natürlich nicht überrascht, aber doch schade ist: Die Grundidee geht dabei verloren – nämlich ein Ereignis dieser Größenordnung alle vier Jahre mit den unterschiedlichsten Menschen aus möglichst vielen verschiedenen Nationen auszurichten.

Eine andere Sache, die mich die ganze Zeit beschäftigt hat: Warum gibt es einen so großen Männerüberschuss bei den Gay Games? Weil zu wenig Frauen Sport treiben? Oder liegt es vielleicht am Geld? Haben die cleveren Marketingstrategen Recht, verdienen Frauen – Lesben – weniger und können sich deshalb eine solche Reise nicht leisten? Eins steht fest: Ich würde mir wünschen, dass mehr Frauen in Montréal dabei sein können.

Also, worauf wartet ihr noch? Rein in die Turnschuhe oder den Badeanzug oder oder oder – alles ist möglich. Dabei sein ist alles!

Und was dieses Dabeisein auslösen kann, ist mir bei der Eröffnungsfeier zu den Spielen klar geworden. Das war für mich einer der bewegendsten Momente in Sydney. Als all die SportlerInnen in dieses riesige Stadion einliefen. Zu sehen, wie viele tatsächlich gekommen waren. Sich bewusst zu machen, wie viele verschiedene Nationen den weiten Weg nicht gescheut haben und hier zusammen kommen. Da ist aber auch die Erinnerung an das Team aus China: genau zwei Frauen waren gekommen – sehr mutig, wie ich finde. So unendlich viele bewegende Bilder, glänzende Augen, gute Laune, unbändige Freude, dabei sein zu können und so ein Teil des Ganzen zu sein. Und dann diese unendliche Kraft zu spüren: Ja, wir sind viele und es gibt uns überall auf der Welt!

Für mich sind es diese tausend kleinen wunderschönen Momente während der Spiele und auch das Gefühl von Stolz, Zusammenhalt und das Erleben dieser unbändigen Lebensfreude, die mir eines sagen: Du musst in Montréal wieder dabei sein. Deshalb werde ich weiter trainieren und möchte weiter Frauen dazu ermuntern, beim nächsten Mal – den Outgames in Montréal – selbst mit von der Partie zu sein. Frauen, Mädels: Wo seid ihr?! Worauf wartet ihr noch?

Also: Danke Mama, dass du mich damals ins kalte Wasser geworfen hast.