sketches
peachsmack CC-BY-SA 2.0; Bearbeitung Textmaker

Sketches

Ort der Handlung der hier präsentierten vier Mikro-Komödien ist Wien, wo ich seit den 1980er-Jahren wohne. Das verwendete Idiom ist den hiesigen Gepflogenheiten abgeschaut; für besondere Härtefälle sind Übersetzungen in Form von Fußnoten eingefügt. 

Die Sachen sind allesamt schon einige Jahre alt. Heute würden manche Dialoge merklich anders klingen, denn in den drei Jahrzehnten, in denen Neudeutsch, Deutsch-Deutsch und Gemmabillaismus miteinander um die linguistische Vorherrschaft ringen, hat sich das Urwienerische auf eine vom Aussterben bedrohte Sprachart zurückentwickelt.

Beruhigungshinweis für alle, die mit dem Dialekt Schwierigkeiten haben: Alle übrigen Texte sind mit einer Ausnahme in ordentlichem Schriftdeutsch gehalten. 

110. Weltfrauentag und die Erreichung der Herrenimmunität

Blubbies im Establishment

Von oben ist ein ca. 25-jähriger Mann zu sehen. Er sitzt am Klo, in den Anblick nackter Mädchen in einem Pornoheft versunken, und masturbiert.

Vor der Klosetttüre tritt eine ca. 25-jährige Frau, in ein straightes Businesskostüm gekleidet, etwas verkrampft von einem Fuß auf den anderen.

Anna (genannt Ann): Mach schon, i muaß total dringend. Außerdem hab i's sowieso eilig.

Richard (genannt Ritschi), gedämpft durch die Häusltür: I ... kumm ... eh glei.

Ritschis Gesicht frontal: es macht einen äußerst angespannten Eindruck.

Anns Gesicht frontal: zeigt denselben Ausdruck wie Ritschis.

Der geteilte Bildschirm zeigt Ann und Ritschi diesseits und jenseits der Klosetttüre. Ann zischt plötzlich davon, die Kamera folgt ihr ins Bad, wo sie sich über die Duschkabine hockt und uriniert. Zeitgleich schafft es Ritschi, und beider Gesichtsausdruck wandelt sich in einen der behaglichen, entspannten Zufriedenheit.

Beide: Aaaaah...

Von oben sieht man zuerst zerknülltes Klopapier in der Muschel, das fortgespült wird, dann eine gelbe Flüssigkeit, die aus einer Duschtasse geschwemmt wird.

Die Klotüre, von außen gesehen, öffnet sich und Ritschi kommt heraus. Während des folgenden Dialogs gehen die beiden langsam in die Küche und treffen Vorbereitungen fürs Frühstück: Kaffeekochen, Essen aus dem Kühlschrank holen usw.

Ritschi (mit dem Porno unterm Arm): Schon frei, Ann.

Ann: Schon is gut. Danke, jetzt brauch i's nimmer.

Ritschi: Ist wohl in die Hose gegangen.

Ann: Nein, in die Duschkabine.

Ritschi: Ma, du bist a Schweindl. Und i wollt mi grad brausen(1) gehn.

Ann: Gute Idee, geh di brausen. Von wegen Schweindl! Glaubst i was ned, was du so lang am Klo treibst?

Ritschi: Ich meditiere gegen meine Prüfungsangst.

Ann: Tatsächlich? Du hast heit a Prüfung?

Ritschi: Nicht direkt heute. In vier Wochen. Aber rechtzeitige Vorbereitung ist das Um und Auf. Du weißt ja – Angst lähmt.

Ann: Na und? Sollst du bei der Prüfung vorturnen?

Ritschi: Nein, es geht um die Kommunikation politischer Ideologie in heimischen Printmedien von 1945 bis heute.

Ann: Ist ja hochinteressant! (Mit Blick auf das Pornoheftchen) Die Stellung der Frau ist dir offenbar ein besonderes Anliegen.

Ritschi: Du kennst mich ja: Ich bin für die Gleichberechtigung. Das Problem ist nur, wenn alle dieselbe Stellung einnehmen, passiert überhaupt nichts mehr. Männer und Frauen müssen sich ergänzen, nicht kopieren.

Ann: Na, dann ergänz mal die Milch. Die im Kühlschrank ist zum Schmeißen.

Ritschi: Ich schon wieder. Eigentlich wär der Robert dran.

Ann: Der schlaft noch; is erst um vier in der Früh nach Hause gekommen.

Ritschi: Woher weißt du das denn so genau?

Ann: Jemand hat mal gesagt, Männer und Frauen müssen sich ergänzen ...

Ritschi: Ah, so ist das. Na dann werd' ich den beiden Turteltäubchen halt das Frühstück bringen. Hätten Sie's gerne ans Bett oder darf ich in der Küche servieren?

Ann: Idiot! Der Robert hat mich aufgeweckt und um ein Aspirin angebettelt. Voll im Öl, der Typ. Den Dunst, den der verbreitet hat, hätt' ma als Insektenvertilgungsmittel verwenden können. Jetzt mach schon, i muaß dann los.

Ritschi verlässt die Wohnung in Schlapfen und Jogginganzug. Eine Tür von der Küche geht auf und Robert tritt auf; er trägt eine Unterhose und Socken und sieht reichlich mitgenommen und völlig übernächtigt aus.

Robert: (mit einer Stimme, die an Tom Waits erinnert) Könnt`s ihr ned leiser sein? In mein Kopf streitens grad, obs hämmern oder bohren sollen. Hast no a Aspirin?

Ann: Na, du hast da die letzten drei schon in der Nacht verabreicht. Wie wär's mit einer eiskalten Dusche?

Robert: Wie wärs mit einer Kopfmassage, mein Liebling?

Ann: Deine Gehirnzellen haben anscheinend mehr als üblich gelitten, mein Säufling. Keine Zeit für solche Scherze.

Die Eingangstür geht auf und Ritschi kommt mit der Milch zurück.

Ritschi: Sieh mal an, Totgesagte leben länger.

Er öffnet das Milchpackerl, riecht daran und rümpft die Nase.

Ritschi: Des gibt's ned. Die is a schlecht.

Ann: Lass mich mal. (riecht auch daran, kostet einen Schluck) Die Milch is ganz in Ordnung, der komische Geruch stammt von unserem lieben Mitbewohner.

Robert: Okay, okay, schon kapiert. (verschwindet im Badezimmer)

Ann macht sich in ziemlicher Eile über ein schnelles Frühstück her; Ritschi sieht ihr, gemächlich eine Semmel mit Käse kauend und gelegentlich Kaffee schlürfend, eine Weile zu.

Ritschi: Was treibt di eigentlich so? Kriagst jetzt an Stress auf deine alten Tag?

Ann: I hab an Vorstellungstermin. Werbebranche.

Ritschi: Palmers-Model?

Ann: Wennst meine Höschen seh'n willst, brauchst nur die Wäsche waschen. Ich bewerb mich als Texterin.

Ritschi: Ein Waschdurchgang mit Höschen-rein, macht braune Flecken winzig klein.

Ann: Wer würde dieses Mittel wählen, wenn ihn so blöde Sprüche quälen. Und was hast du so vor den ganzen Tag?

Ritschi: Ich? Wieso fragst du das?

Ann: Weiß ich auch nicht, wo die Antwort doch eh immer die gleiche is. Mitleid wahrscheinlich.

Ritschi: Na danke, du bist echt aufbauend. Geh, schleich di zu dein Termin. I halt da die Daumen, dass dem Establishment verfallst. Irgendwer muaß die Miete ja zahln.

Ann: Bin schon weg.

Ann zieht sich rasch etwas über und die Schuhe an und verlässt die Wohnung. Ritschi kaut weiter an seiner Semmel und murmelt etwas wie "halt sie wohl für was bessers" in das Gebäck. Robert ist im Bad fertig und gesellt sich im Bademantel zu Ritschi. Lässt sich schwer auf einen Sessel am Frühstückstisch niederplumpsen.

Robert: Biiitte, an Kaffee. I packs ned, i hab an Schädel wia a Kraterlandschaft.

Ritschi: (Schenkt ihm einen Kaffee ein) Wo warst denn leicht?

Robert: Eh nur im Stammbeisl. Um Mitternacht fallt dem Wirt'n auf amol ein, er hat Geburtstag. Mehr brauchst ned. Der Tequila ist geflossen und i bin verfolln. Frag mi ned, wia i hamkumman bin. Totalabsturz.

Ritschi: Na, is eh erst der vierte in dem Monat.

Robert: Was solln des jetzt heißen?

Ritschi: Das du am besten Weg nach Kalksburg(2) bist, wennst so weitermachst.

Robert: Oasch!(3) I hab alles unter Kontrolle.

Ritschi: Besonders die Totalabstürze, vermute ich.

Robert: Sag mal, nervt di irgendwas? Du bist voll ätzend.

Ritschi: Die Ann, wennst es wissen willst. Behandelt mich wie einen Vollidioten. Voll im Stress, das Fräulein, wichtige Termine. Sie wird nämlich Werbetexterin. Außerdem hab i heit no nix graucht.

Steht auf und verschwindet kurz in seinem Zimmer. Zurück am Frühstückstisch, breitet er alle nötigen Utensilien aus: lange Papers, Bauschale, Zigaretten, eine halb zerrissene Visitenkarte, Feuerzeug und ein Stück Dope. Beginnt einen Joint zu bauen.

Robert: Du schimpf mi no amol Alkoholiker. Mit dein Zeig bist a ned bessa. I fang wenigstens den Tag ned mit Saufn an.

Ritschi: Dafür heast mit Aspirin auf und ich mit süßen Träumen.

Schnitt. Dieselbe Einstellung, mehr als zwei Stunden später. Ritschi zieht gerade an einem Gerät(4), ein Blick auf den Aschenbecher zeigt zwei weitere typische Stummel. Robert macht einen ersten zaghaften Schluck aus einer Bierflasche. Die Tür geht auf – Ann ist zurück.

Ann: Hey Jungs. Na, schon wieder fleißig bei der Arbeit?

Robert lässt beinahe die Bierflasche fallen, die recht wackelig am Tisch landet. Ritschi bekommt einen Hustenanfall.

Robert: Was machstn du schon wieder da? Gefeuert vor der Einstellung?

Ann: Ganz im Gegenteil – erster Auftrag auf Honorar!

Ritschi: Na, dem musst es ja ordentlich besorgt haben.

Ann: Sicher. Der Personalchef ist zuletzt am Hundehalsband vor mir herumgekrochen und hat darum gefleht, dass ich ihm meine Absätze in den Hintern schieb. Wofür hältst du mich eigentlich, Dauerbedröhnter? Ich hab Textproben hergezeigt und er war voll angetan. Hat gemeint, wir sollten es mal versuchen.

Robert: Und was wird's? Ein Sprücherl für den Blindenverband? Oder sollst die Massen ins Brigittenauer(5) Hallenbad locken?

Ann: (plötzlich etwas zögerlich) Ähh – na, ned so was.

Ritschi: Na was dann? Sag schon. Uns fallt sicher was ein.

Ann: Es geht um Spielzeug.

Robert: Und zwar? Was lasst dir denn auf amol alles so aus der Nasn ziagn?

Ann: Tiviblubbies.

Ritschi und Robert schauen sie groß an, dann einander, dann wieder sie. Gleichzeitig prusten sie los.

Robert: Die gehirnamputierten Kleinkindverblöder? Und was sollst du da machen?

Ann: Sie brauchen einen Liedtext für ein Kinderfest, bei dem es Stoffblubbies zu gewinnen gibt. Ja, lachts nur. Ist immerhin ein Anfang.

Ritschi: (singt) Stinki, Gaga, Tiviblubbie, ooh.

Ann: Frau merkt gleich, du bist Experte. Ich komm darauf zurück. Jetzt mach i mi ans Werk.

Ann geht ab in ihr Zimmer; Robert und Ritschi bleiben sichtlich amüsiert am Küchentisch sitzen.

Ritschi: Die meints richtig ernst. Die Karriere ist nicht aufzuhalten.

Robert: Ja, nach dem Start kanns ja wohl nur mehr aufwärts gehen.

Ritschi: Als Nächstes darf sie dann schon die Tischkarten für den nächsten Firmenempfang verfassen.

Robert: Böse, böse. Aber i sag dir eins – a bissl a Kohle wär nicht schlecht. Mei Brieftaschen besteht nur noch aus Zwiebelleder(6). Wie geht's'n dir damit?

Ritschi: So ähnlich. Seit i nur mehr rauch und nix mehr vercheck(7), bin i chronischer Negerant(8).

Robert: Fangst halt wieder an.

Ritschi: Na, is ma zu riskant. In Zeiten wie diesen häng i mi ungern aus'n Fenster. Die blede G'schicht is nur: I kann eigentlich nix anders als verchecken.

Robert: Dann müss ma das Produkt wechseln. Du bist der Verkäufer, ich schaff die Kundschaft heran. Dope zieht immer noch am besten, nur legal muss halt sein.

Ritschi: I glaub i waß, wo des hinführt ...

Szenenwechsel: Einige Tage später befinden wir uns auf der Donauinsel(9), wo eine Freiluftbühne aufgebaut ist; der kitschig-bunten Farbdekorierung zufolge offensichtlich für Kinder, welche sich denn auch in großer Zahl vor der Bühne versammelt haben. Dahinter stehen einige Erwachsene. Ein clownesk gekleiderter Mann hüpft auf der Bühne herum und gibt ein Lied zum Besten. Der Refrain: Tiviblubbies, gelb und rot, stehn zur Seite in der Not. Tiviblubbies, grün und blau, machen uns ganz superschlau.

Den Kindern scheint das Lied zu gefallen, denn sie krähen den Refrain begeistert mit. Der Gesichtsausdruck der Eltern weist eher ins Schmerzliche. Etwas abseits sieht man Ann, sehr sommerlich-luftig gekleidet, die die Szene mit einer Mischung aus Skepsis und Zufriedenheit betrachtet. Neben ihr steht ein etwas älterer, geschäftsmäßig gekleideter Herr, der Personalchef, der wiederum Ann mit einiger Zufriedenheit betrachtet.

Schnitt. Die Kamera zeigt Robert und Ritschi in einiger Entfernung der obigen Szenerie, die im Hintergrund zu erkennen ist. Ritschi hat einen Bauchladen umgehängt, der schier überquillt mit Süßigkeiten aller Art. Robert kämpft mit dem Gewicht von zwei schweren Kühltaschen. Die beiden nähern sich zielstrebig dem Ort der Tiviblubbie-Verherrlichung.

Dort ist das Lied in der Zwischenzeit verklungen und der Entertainer kündigt die große Verlosung der Stoffblubbies an. Mitten in seine Erkärung des Prozedere mit Freiwilligen, die sich auf der Bühne einem Tiviblubbie-Quiz stellen müssten, ertönt plötzlich eine sehr laute Stimme.

Robert: (im Stile eines Marktschreiers) Kalte Getränke, kalte Getränke. Bier, Cola, Apfelsaft, bald habt ihr wieder neue Kraft.

Ritschi: Süßigkeiten, Süßigkeiten, heute GRATIS Süßigkeiten.

Spätestens mit dem Wort "gratis" haben die beiden die Aufmerksamkeit aller auf sich gezogen. In Großaufnahme sind Anns vor Entsetzen geweitete Augen zu sehen. Kindergeschrei wird laut: "Mama, ich hab so Durst." "Ich will was schlecken(10)." "Darf ich ein Cola?"

Ein erster Erwachsener, offenbar ein Vater, wendet sich an die beiden.

Vater: Was soll das mit den gratis Süßigkeiten? A Schmäh(11), oder?

Robert: Aber nein. Beim Kauf eines Getränkes erhalten Sie eine Süßigkeit Ihrer Wahl gratis dazu.

Vater: Aha. Na gut, ich nehm ein Bier. (ruft) Lotte!

Ein kleines Mädchen eilt herbei.

Vater: Schau, da kannst dir was aussuchen zum Schlecken.

Lotte macht sich mit Begeisterung daran, aus dem süßen Sortiment das Richtige auszuwählen. In kürzester Zeit sind Robert und Ritschi umringt von Eltern und Kindern. Die Getränke gehen weg wie die warmen Semmeln, die Kinder verdrängen sich gegenseitig vom besten Platz vor Ritschis Bauchladen. Im Hintergrund sieht man den Kinder-Entertainer, der verzweifelt versucht, sein Tiviblubbie-Quiz zu veranstalten, aber niemand hört ihm mehr zu. Schwenk auf Ann und den Personalchef.

Personalchef: Eine unglaubliche Frechheit. Was fällt diesen Typen ein? Die machen alles kaputt.

Ann: (die sich ein bisschen schwer tut, das Lachen zu verbeißen) Tatsächlich unerhört. Fehlte nur noch, dass sich der Moderator auch ein Bier holt. Im Übrigen hab ich einen Mordsdurst.

Personalchef: (blickt Ann aufs höchste verwundert an) Wie darf ich das verstehen? Sie wollen doch nicht etwa ...?

Doch Ann lässt den Mann bereits stehen und strebt auf Robert und Ritschi zu. In diesem Moment schmeißt der Clown-Unterhalter auf der Bühne das Mikro hin, greift sich die Stoffblubbies und schmeißt sie wahllos in die Menge; ein Riesengerangel entsteht, das sich nach kurzer Zeit in eine Menge von vielen heulenden und einigen wenigen strahlenden Kindern auflöst. Rufe wie: "Der Bub hat mich g´haut, die Buben sind so blöd." "Mamaaaa!" "Ich hab ein grünes, ich hab ein grünes!" oder einfaches Geplärre werden laut. Einige Kinder haben tatsächlich unbedeutende Kratz- und Schürfwunden ("Blute, blute!").

Dann treffen Ann und der Unterhalter, der in der Zwischenzeit die Bühne verlassen hat, gleichzeitig bei Robert und Ritschi ein.

Ann: (fröhlich) Danke, die Herren. Das wärs dann wohl gewesen mit meinem Job.

Unterhalter: Habt's noch a Bier?

Robert: Aber immer.

Ritschi: War uns ein Vergnügen, Ann. Die Errettung der Wohnungsgenossin vor den Untiefen des Kommerz – eine wahrlich heldenhafte Tat.

Der Personalchef tritt hinzu.

Personalchef: Ann, Sie kennen diese beiden Figuren? Ich bin entsetzt. Sie können sich denken, dass das Konsequenzen haben wird. (An Robert und Rischi gewandt) Und Sie können sich auf etwas gefasst machen; Ihnen steht eine Schadenersatzklage ins Haus.

Ann: Immer mit der Ruhe. Den Tiviblubbie-Job schmeiß ich gerne hin. Und was den Schadenersatz betrifft – schauen Sie doch mal, was diese Stoffteile angerichtet haben. Die Kids sehen aus wie nach einer Schlacht; glauben Sie, das wäre eine gute Schlagzeile: Nach Kampf um Tiviblubbies mehrere Kinder in ärztlicher Behandlung?

Personalchef: (kann sich nicht entscheiden, ob er knallrot anlaufen oder erbleichen soll und ringt zur Sicherheit nach Luft) Sie ... Sie wagen es nicht ...

Ritschi: Sie haben ja gar keine Vorstellung, was unsere Ann so alles wagt, Sie Hundehalsband.

Robert: Da hams a Bier, geht aufs Haus. Und dann ab durch die Mitte. (drückt ihm eine Flasche in die Hand)

Der Personalchef nimmt die Flasche und geht ab. Die drei hocken sich auf die mittlerweile großteils verlassene Wiese, greifen sich die letzten Flaschen aus der Kühltasche, öffnen sie und prosten einander zu.

Ann: Na dann, ihr Vögel. Gemmas wieder von vorne an.

Ritschi: Dei Karriere is sowieso ned aufzuhalten.

Robert: Wir übernehmen auf alle Fälle das Catering-Service.

Ann: Bloß nicht!

Allgemeines Gelächter und Ende.

© 1995


Einige Übersetzungshilfen bzw. Erläuterungen:

(1) duschen

(2) Der Ortsteil des 23. Wiener Gemeindebezirks, in dem das Anton-Proksch-Institut zu finden ist, die größte Suchtklinik Europas.

(3) Arsch

(4) Joint

(5) Stadtteil von Wien

(6) Zum Weinen leer

(7) verkaufen

(8) pleite

(9) In den 1970ern künstlich angelegte, 20 km lange Insel in der Donau, im Grunde ein Wasserschutzprojekt, heute aber vor allem als beliebtes Naherholungsgebiet aus der urbanen Realität Wiens nicht mehr wegzudenken.

(10) naschen

(11) Scherz, hier eher im Sinne von Täuschung

no-bert_hxfer

Das Wahrheiten des No-bert H.

No-bert H×fer war am Ziel: Obwohl er von den bekannt radikalen Linkskatholiken in die Arme einer kleinen religiösen Protestgruppe getrieben worden war, obwohl sich mit Ausnahme einer Orangenpartei (einmal pressen und der gesamte Saft ist draußen) und natürlich seinen eigenen Einbläulingen praktisch die gesam­te medial präsente Öffentlichkeit ge­gen ihn ausgesprochen hatte, hatte sich eine Mehrheit für ihn gefunden. No-bert war Bundesprassident.

Sofort versammelte er seine Getreuen um sich und bläute ihnen ein, dass die Zeit der Zurückhaltung nun­mehr über­standen sei. Gekommen sei die Zeit des Wunderns über das, was möglich ist. „Immer lächeln“ wurde zum Staatsmotto erhoben, die Korn- zur Nationalblume erklärt und die internationalen Beziehungen auf ein vernünftiges Maß einge­schränkt: auf alle, die den Satz „der vom Thron des Familienoberhaupts ge­stoßene Mann sehnt sich unverändert nach einer Partnerin, deren Brutpflegetrieb auferlegte Selbstverwirkli­chungsambitionen überragt“ verstehen und inhaltlich gutheißen.

BÖS, der Bairisch-Österreichische Staatenbund, brachte endlich zusammen, was zusammengehört. Südtirol erhielt eine ständige Vertretung, Vorarlberg wurde vor die Wahl gestellt: Annahme des Bösterreichischen als Amtssprache oder Abschiebung in die Schweiz.

Im sofort in Angriff genommenen neuen amtlichen Regelwerk des Bösterreichischen wurden etliche linguisti­sche Fehler der Vergangenheit behoben. „lügen“ wurde etwa mit den Vermerken „veraltet, nur noch in der Zusammensetzung ,Lü­genpresse‘“ versehen sowie dem Verweis auf den neuen korrekten Begriff „wahrhei­ten“ („Bei der Vorwahl-Behaup­tung, nicht für den Östritt zu sein, wahrheitete No-bert H×fer im Sinne seines Gemeinwesens.“). Fremdländisches wurde ausgemerzt (siehe Östritt statt Öxit, Gemeinhüter statt Polizei, Taktonung statt Musik) oder zumindest rechtsschreibend angepasst (Händi, kuhl, Proweida).

Siegestrunkene Massen zogen über die Ringstraße freiheitlicher Studenten, die neuen rot-weiß-roten Fah­nen mit ein­gefügter Kornblume schwenkend und im Takt der neuen Ordnung skandierend: „Ein Volk, ein BÖS, ein H×fer“.

Abweichler bekamen den ungezügelten Zorn der Einbläulinge zu spüren: Der Begriff „Gründüngung“ eta­blierte sich für eine besonders ekelhafte Form der Bestrafung durch den aufgebrachten Pöbel, bei der Kli­mawandel-Gläubige oder sonstwie des politischen (bzw. Bösterreichisch gemeinverwahrenden) Grün-Seins Verdächtige als Aborte missbraucht wurden. Eine besonders tatkräftige Gemeinheit (Bösterreichisch für eine gemeinverwahrende Ordnungsgruppe) am rechten Gesinnungsrand der Einbläulinge ging Gerüchten zufolge sogar so weit, die grüngedüngten Opfer nach Mög­lichkeit an Ort und Stelle zu verscharren, um ihre frucht­bringende Wirkung zur Gänze zu nutzen.

Dieselbe Gemeinheit stand auch im dringenden Verdacht, für das wiederholte Vorkommnis des „Aderlasses“ verant­wortlich zu sein; damit wurde die häufig tödliche Praxis bezeichnet, „das Rot aus den Roten abzulas­sen“. Als Rote gal­ten alle links von den Einbläulingen, bei denen das Grün nicht überwog; in Zweifelsfällen wurden einfach beide Bestra­fungsmaßnahmen angewendet.

Das offizielle Bösterreich hatte mit derlei Übergriffen selbstver­ständlich nichts zu tun. Obwohl Prassident H×fer sich sofort nach seinem Wahltriumph mittels einiger Änderungen der Verfas­sung mit nahezu uneingeschränkten Machtbefugnissen ausgestattet, seine Amts- auf Lebenszeit verlängert und sich symbolträchtig zur Ein-Prozent-Gesellschaft bekannt hatte, indem er 1 Prozent des BNP als sein Jahressalär als Prassident festlegte – mit einer festgesetzten Untergrenze von 3 Milliarden Euro –, obwohl er es also wirklich nicht mehr nötig hatte, anderen etwas vorzuspielen, distanzierte er sich in einer prassidialen Stellungnahme von den barbarischen Praktiken mit den Worten: „Gerechter Zorn gegen unser Gemeinwesen gefährdendes Abweichlertum ist das eine, doch Gründüngungen und Ader­lässe schädigen unter Umständen, insofern es sich um einheimische Bösterreicher handelt, den gesunden Volkskörper in einer dem großen Ziel der Reinigung un­seres Gemeinwesens abträglichen Weise. Entspre­chenden Gerüchten, dass tatsächlich echtgebürtige, wenn auch ge­sinnungsmäßig abweichende Bösterrei­cher letztgültig zu Schaden kommen, ist auf das Genaueste nachzugehen. Soll­ten die angeblichen Ausüben­den dieser Gewalttaten, für die selbstverständlich die Unschuldsvermutung gilt, tatsächlich die Verantwor­tung übernehmen, werden unverzüglich Umschulungsmaßnahmen in die Wege geleitet werden, mit de­nen die fragliche Gemeinheit wieder zum starken Stamm unseres geliebten Gemeinwesens zurückgebracht wird. So­lange es fremdländische, leicht verzichtbare bzw. unerwünschte Abweichler gibt, gibt es keinen Grund, den Nährboden unserer Volksgemeinschaft zu schwächen. Denn auch wenn der Pfad für Abweichler für im­mer verloren sein mag, be­steht doch immer Hoffnung für ihre Abkömmlinge, durch rechtes Streben, einge­bettet im sicheren Schoß gesinnungs­fester Kreise, zum wahren Bösterreichertum zurückzufinden. Dies sa­gen wir im unerschütterlichen Glauben an die Kraft des reinen Blutes unseres gesunden Volkskörpers. H×fer heilt!“

„H×fer heilt!“, verkündete denn auch die Echopresse und lobte einmal mehr die staatstragende Souveränität ihres Prassidenten. Die dieser auch parteiintern bereits unter Beweis gestellt hatte, indem er innerer Zerris­senheit der Ein­bläulinge von Anfang an einen Riegel vorschob: Er schuf einen neuen Wallfahrtsort, St. Ra­che, und würdigte damit die Bedeutung des zweiten Mannes im Staat, Bundesabkanzler Hetz-Christian Ra­che. Der war zwar durch den prassidialen Machtzuwachs zu einer gemeinverwahrenden Symbolfigur, vulgo Prassionette, geworden, durfte sich dafür aber als graue Eminenz hinter dem Aufstieg des No-bert H×fer im nach ihm benannten Wallfahrtsort jederzeit in den Huldigungen der Pilgerscharen sonnen.

Die kat-hohle Kirche hatte sich schon Jahrzehnte zuvor, in der wirklich guten alten Zeit, nicht erkennbar ge­gen die Ver­einnahmung durch die damaligen Machthaber zur Wehr gesetzt. Mittlerweile war ihr allgemeiner Einfluss geschrumpft; der offene Bruch des Prassidenten mit der zahlenmäßig noch immer größten religi­ösen Gruppe Bösterreichs machte aus dem leckenden Schiff eine Titanic, aus dem Mitgliederschwund einen Sturzbach der Ent-kat-hohlisierung. Kurz ge­sagt: Die einst so mächtige Kirche war in keiner Position, den Einbläulingen ernsthaft etwas entgegensetzen zu kön­nen, selbst wenn sie das gewollt hätte. So wurde Ra­che in nie dagewesenem Eiltempo heiliggesprochen – noch dazu zu Lebzeiten.

Trotz dieses ungeheuerlichen Bruchs mit den Traditionen erfuhr der Rache-Kult einen Aufschwung sonder­gleichen. „Auf Rache schwören“ gehörte bald zum festen Stammtischvokabular in den Gauen Bösterreichs, und parallel zum Staatsgruß „H×fer heilt!“ wurde auch „Rache heilt!“ zum geflügelten Wort. „Unser Bundesno-bert“, wie der Prassident gerne liebevoll genannt wurde, musste sich deshalb aber keine Sorgen machen, sein Bundesabkanzler würde ihm wo­möglich wieder den Rang ablaufen. Der gewiefte Taktierer und Stratege wurde von den Entwicklungen keinesfalls überrascht: Alles verlief entsprechend seinem Plan.

Rache selbst war aus dem Machtspiel genommen, genoss zugleich aber buchstäblich die Verehrung eines Heiligen, was seinem Ego, ganz wie H×fer es vorausgesehen hatte, noch mehr schmeichelte, ja gewaltig zu Kopf stieg – sein Heiligenbildnis zeigt ihn mit blitzsprühenden Augen, nacktem, muskulösem Oberkörper und schmerzhaft weißen Zäh­nen; die Hände ruhen auf den Schädeln von einem Mann und einer Frau, die links und rechts von ihm demütig seine Einbläuungen entgegennehmen, sein mächtiges Haupthaar wird von einem Kokablattkranz gekrönt. Auch wegen derlei Götzenhaftigkeit rieb die kat-hohle Kirche sich weiter auf – Traditionalisten konnten ihr Entsetzen über die Heiligspre­chung eines lebenden Menschen nicht überwin­den, schrieben die Kirchensatzungen doch eindeutig vor, dass Heilige verehrt werden müssen. Was nun dar­auf hinauslief, dass neben der Dreifaltigkeit eine Art lebender Halbgott entstand, dessen direkter Draht zu Gott kirchenseits hochoffiziell bestätigt worden war; theologisch gesehen eine Kontinentalver­schiebung, mit der insbesondere die bisherige Kirchenelite weder mitwollte noch mitkonnte. Eine weitere Spaltung der ganz und gar nicht mehr „universalen“ Religionsgemeinheit schien bald nur noch eine Frage der Zeit. Viele jener Anhän­ger, denen derlei kirchenphilosophische Gedankengänge am Allerwertesten vorbeigingen, strömten derweil dem Ra­che-Kult zu und verwandelten in genauer Befolgung der kat-hohlen Heiligenverehrungsvor­schriften ihre Kirche in eine guruhörige Sekte zurück. Die große Masse tat, was sie schon die Jahrzehnte zu­vor getan hatte, wenn auch nunmehr lawinenartig: Sie trat aus.

Aus H×fers Sicht ein Erfolg auf allen Linien: Rache „zu Tode befördert“, wie er es gerne für sich allein aus­drückte, die Kat-hohlen auf den kürzesten Weg zu ihrer eigenen Vernichtung gebracht und dabei selbst als Teil der Religions-Pro­testgruppe frei von jeder Verantwortung. Die Einbläulingen-Partei war zu einem Kult geworden, H×fer zu dessen Hohe­priester. Endlich konnten die bisher von den politischen, rassischen, ideo­logischen, völkischen, fremdsprachlichen, aus­ländischen, inländischen, intellektuellen, religiösen und sonsti­gen Feinden als Behauptungen, Propaganda oder gar glatte Lügen verunglimpften eingebläuten Wahrheiten im unverfälschten Glanz unbedingter Wahrhaftigkeit erstrahlen. Egal was Rache von sich gab, ob er der De­mokratie an sich die Daseinsberechtigung absprach, nach einem starken Führer schrie, die Schuld an allen Missständen je nach Stimmungslage den Asylanten, Islamisten, Flüchtlingen, Musli­men, Burka-Trägerinnen, Linkslinken, Migranten, Sozialschmarotzern oder Vaterlandsverrätern zuschob, den baldigen Bürgerkrieg her­aufbeschwor, den Untergang des Abendlandes prophezeite – alles wurde von den Eingebläuten aufge­sogen, als gelte es die Milch des Herrn zu trinken. Noch wichtiger: Es wurde nicht hinterfragt, nach Fakten geprüft oder zur Diskussion gestellt, es wurde geglaubt. H×fer stellte hinter den Kulissen sicher, dass Rache sich dabei – Ehre! Treue! – an seinen Plan hielt und nichts verkündete, das diesem zuwiderlief, also seine, H×fers, Stellung untergrub. Das funktionierte weitestgehend reibungslos, da der Bundesabkanzler seine symbolische Position in vollen Zügen ge­noss: Sie entband ihn der Mühen des gemeinverwahrenden Tagesgeschäfts und verhalf ihm zu gottähnlicher Vereh­rung. Welches Interesse sollte er daran haben, zu den Grabenkämpfen der Gewöhnlichen zurückzukehren? Und in den seltenen Fällen, in denen doch einmal der alte Hetz-Christian zum Vorschein kam, andere niedermachend zur eigenen Erhebung anstatt zum Wohle der großen Gemeinheit der Einbläulinge, mit Sätzen um sich schlagend im unablässigen Kampf um die Spitze, setzte H×fer sein huldvollstes Lächeln auf und erklärte den andächtig Lauschenden, wie im ers­ten Moment befremdlich Wirkendes tatsächlich zu verstehen waren. Als Hohepriester der großen Gemeinheit hatte er die Deutungshoheit, sein Wort war nicht bloß Gesetz; es aufzunehmen, anzunehmen, zu verinnerlichen war gelebter Glaube.

Ja, No-bert H×fer war am Ziel. Und lächelte. 

© 2016

Jäger des verlorenen Fahrscheins

„Guten Tag, die Fahrscheine bitte!“ Ein schlichter Satz, doch welche Wirkung: hektisches Suchen in Taschen und Geldbörsen, entspanntes Präsentieren des zerknüllten „Fahrausweises“, Triumph des guten Gewissens, Erbleichen der Sünder, schadenfrohes Grinsen der Mitfahrenden begleitet die Formalitäten nach der erfolgreichen Jagd.

Die Ertappten reagieren auf unterschiedliche Weise: routinierte Schwarzfahr-Profis greifen in die Brusttasche und entnehmen ihr abgezählte 440 Schilling(12) – die reine Freude für jeden Kontrollor. Die Gelegenheitsbenützer zum Nulltarif schwanken zwischen der „Leider-nicht-Reaktion“ im Stile von „Mensch-ärgere-dich-nicht“ und verkrampften Beteuerungen, im Laufe derer zuerst das Kleingeld ausgeht, dann der Entwerter streikt, die Erinnerung versagt und zuletzt der Großvater im Sterben liegt. Krämerseelen machen auf Schadensbegrenzung: „Da nehmen S' zwa Hunderter, und ollas is paletti!“(13)

Herr Wandel, Kontrollor: „Wegen 200 Schilling riskier' i mein Beruf ned, des können S' ma glauben.“ Herr Lefuet, sein Freund und Kollege, eine kettenrauchende, übergewichtige Erscheinung, berichtet von anderen Angeboten: „A Zuhälter kummt aus'n Häfn(14), mir dawischen eam; sagt er: ,I gib euch mei Oide(15) für drei Stund.’ Auf so was lass i mi ned ein – nach de drei Stund steht der auf amol in der Tür, a Messer in da Hand und drei Haberer auf jeder Seit'n.“

Eine der beliebtesten Taktiken der Gratisblitzer: die Flucht nach vorn. „Das Recht, jemanden festzuhalten, wurde uns aberkannt“, bedauert Ing. Deutsch, der Chef der „Schwarzkappler“. „Nachrennen zahlt sich nicht aus – man dreht sich um und hat einen anderen.“

Ganz so ist es freilich nicht, denn: „Zehn Mehrgebühren sind eine gute Tagesleistung.“, wird mir in der Zentrale erklärt. In diesem Tempo erwirtschaften die 70 täglich eingesetzten Beamten 50 bis 60 Prozent der selbstverursachten Kosten. Sie sind übrigens alle in Zivil; original uniformierte „Schwarze“ sind sogenannte Revisoren, die in erster Linie für die „Aufrechterhaltung des Fahrbetriebs“ zuständig sind und Fahrscheinkontrollen nur als gelegentlichen Zeitvertreib betrachten.

Wäre es nicht billiger, Tickets wie deren Kontrolle wegzulassen? „Fahrscheine machen 40 bis 50 Prozent unserer Einnahmen aus“, wendet der „Dienststellenleiter der Betriebsüberwachung“ ein. Außerdem bräche das Chaos aus. Der Vandalismus würde zunehmen. Das freie Personal wäre noch das geringste Problem. Er achte ohnehin auf „größtmögliche Wirtschaftlichkeit des Unternehmens“.

Wie wird man Kontrollor? „Wir waren alle früher Fahrer“, erzählt Herr Wandel, während wir im strahlenden Sonnenschein über den Reumannplatz spazieren. „Aber Sie sehn's eh: bei so an Wetter, womöglich noch auf aner Außenlinie – gibt's was Schöneres?“ Ich enthalte mich der Stimme und frage lieber, wann er von einer Strafe absehen würde. „Wenn aner eh schon schebbert wia a Kluppensackl(16) – was soll i den no kontrollieren?“

Eine andere Möglichkeit erlebe ich wenige Minuten später mit. Ein feister Mann ohne Ticket sieht dem Kontrollor gelangweilt ins Gesicht und knurrt: „Was wüllst, i bin aus Stan.“(17) Herr Wandel wollte nichts mehr.

Ein Abstecher nach Oberlaa bringt Erfolg: Der massige Lefuet stellt eine Südeuropäerin, die aufgeregt ihre Unschuld beteuert. Herr Wandel eilt zu Hilfe: „De wehrt se, de sperrt se. Siecht sie, der is net allan, find's glei an Ausweis und a Geld.“

Inmitten einer Schülerhorde geht's retour. „Schüler san a Weg, den ma se spart“, genießt Lefuet die verdiente (Ver-)Schnaufpause. Die Bim(18) hält. Wir schlendern gut hundert Meter zum 14A, der uns zum Reumannplatz zurückbringt. Zwischen zwei hastigen „Memphis“(19) erzählt Herr Lefuet von zwei Kollegen, die einem Zeitungsverkäufer zu Hilfe kamen. „Vier, fünf Skinheads san den ang'stiegen, aber unsere Leit hab'n das Schlimmste verhindert. Die Polizei is a glei gruaf'n word'n und hat no zwa von de Burschen verhaftet.“ – „Ruhe und Sicherheit ist unser oberstes Gebot“, pflichtet Herr Wandel so viel Diensteifer bei und hebt ein Metallstück auf, das im Einstieg des Autobusses auf dem Boden liegt. „Am Karlsplatz hab'n mir gemeinsam amol an aufg'hob'n, der liegend die Rolltreppen aufeg'for'n is, so blunznfett(20) war der. Oder der Behindertenausflug, wos an vergessen hab'n – der find nimmer ham, wenn mia eam net aufgreifen.“