Epub cover


AUSRADIERT

Martin S. Burkhardt

Impressum


Deutsche Erstausgabe
Copyright Gesamtausgabe © 2015 LUZIFER-Verlag
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Cover: Mark Freier
Lektorat: Heike Müller

ISBN E-Book: 978-3-95835-111-0

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Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Kapitel 8

Die gesamte Nacht hatte Moritz auf dem Sofa verbracht. Ihm war speiübel, als er gegen Mittag mit dröhnenden Kopfschmerzen erwachte. Blinzelnd starrte er an die trostlose, weiße Decke. Ihm war kalt und er wagte kaum, sich zu bewegen. Er hätte gestern Abend doch die Finger von der Kornflasche lassen sollen. Quälend langsam erhob er sich vom Sofa. Um ihn herum drehte sich nicht nur alles, sämtliche seiner Knochen fühlten sich zu allem Überfluss auch noch so an, als wären sie über Nacht mehrmals verstaucht und verrenkt worden. Dieses verdammte Sofa war nicht zum Schlafen konstruiert. Ihm hätte klar sein müssen, dass er wie gerädert aufwachen würde. In der Küche öffnete Moritz den rot gestrichenen Vorratsschrank, griff nach einer Packung Butterkekse und nahm schnaufend auf dem Hocker platz. Die Kekspackung war noch verschlossen. Es kostete ihm einige Mühe, die Plastikhülle und anschließend die Pappfolie aufzureißen. Gefühlte Stunden später lagen die Backwerke endlich frei zugänglich vor ihm. Genau das richtige Katerfrühstück! Während er den ersten Butterkeks in der Mitte durchbrach und eine Hälfte vorsichtig im Mund verschwinden ließ, fiel sein Blick auf das Foto am Kühlschrank. Sie sahen beide so furchtbar glücklich auf dem Bild aus. Plötzlich überkam ihn die Erinnerung an den Geruch ihres Körpers, als er Amy dort am Strand den sanften Kuss gegeben hatte …
  Ihre Haut war durch den ständigen Wind etwas trocken geworden und fühlte sich ein wenig rau an. Trotzdem duftete sie betörend nach einer Mischung aus ihrem Lieblingsparfüm und frischer Seeluft …
  Er brach den nächsten Keks entzwei und lächelte vor sich hin. Was würde er dafür geben, mit seinem Mund noch einmal so nah an ihr Gesicht zu kommen, wie damals. Plötzlich spannten sich seine Schultern und sein Sitz wurde kerzengerade. Ihm kam eine hervorragende Idee. Amy hatte den heutigen Tag noch frei. Das war schon lange so geplant gewesen. Ursprünglich hatten sie vorgehabt, den ganzen Tag gemeinsam zu verbringen. Sie wollten relaxen und Sachen anstellen, die man eben so anstellt, wenn man sich eine Weile nicht gesehen hat. Wie konnte die Welt nur so aus den Fugen geraten? Er schob sich die letzten Kekse in den Mund und stand auf. Trotz allem würde Amy heute noch einmal Besuch von ihm bekommen. Diesmal würde er sich nicht so einfach abspeisen lassen. Sein Plan war, Amy mit Erinnerungsstücken aus ihrer gemeinsamen Zeit zu konfrontieren. Wie sie darauf wohl reagieren würde? Jedenfalls konnte sie dann nicht mehr so tun, als würde sie ihn kaum kennen.
  Voller Elan verließ er die Küche. Sein Kopf hämmerte, aber das kümmerte ihn nicht weiter. Amy war es wert, dass man um sie kämpfte. Und er war bereit, den Kampf heute noch einmal aufzunehmen. Im Schlafzimmer fiel sein Blick einen Augenblick lang sehnsüchtig auf das unberührte Bett. Darunter lag eine blaue Sporttasche. Er öffnete sie und schüttelte den Inhalt über dem Bett aus. Eine halb volle Flasche Shampoo, zwei Handtücher und eine Packung Papiertaschentücher landeten auf der Matratze. Aus dem Wohnzimmerschrank legte er die Fotoalben der letzten drei Jahre in die Tasche. Dann fiel ihm noch etwas ein. Er hatte zu seinem letzten Geburtstag von Amy etwas ganz Besonderes bekommen. Sie hatte ihm eine Collage gebastelt. Auf einer dicken, roten Pappe klebten Fotos, von ihr mit lustigen Sprüchen kommentiert. Daneben hatte sie jede Menge andere persönliche Sachen beigefügt. Da waren die Eintrittskarten ihres ersten gemeinsamen Musicalbesuches, die Flugtickets ihres ersten gemeinsamen Urlaubes und diverse Bahnfahrkarten. Auch einen ihrer Slips hatte sie an die Collage geheftet. Ein edler Holzrahmen umfasste das Kunstwerk. Er stand einen Augenblick vor dem Geschenk, das im Schlafzimmer, direkt über dem Kopfende seines Bettes hing, und lächelte vor sich hin. Amy hatte sich unglaublich viel Mühe gegeben. Daran musste sie sich doch einfach noch erinnern. Vorsichtig wollte er den Rahmen von der Wand nehmen, aber irgendetwas hakte. Er rüttelte daran und zog ihn fest zu sich, jedoch ohne Erfolg. Es war, als wäre der Rahmen nicht nur mit einer einzelnen Schraube, sondern mit einer ganzen Anzahl davon an der Wand befestigt worden. Schulterzuckend ließ Moritz von der Collage ab. Er wollte das Geschenk um keinen Preis der Welt zerstören. Aber das machte nichts. Die Fotoalben sollten als Beweis vollkommen ausreichen.

***

Diesmal musste er mehrmals klingeln, bevor die Tür geöffnet wurde. Amy trug das T-Shirt, welches sie zusammen in einem Shop auf Fuerteventura gekauft hatten. Es war strahlend gelb und besaß einen weiten und tiefen Ausschnitt. Moritz erinnerte sich, dass Amy es zunächst überhaupt nicht hatte haben wollen. Moritz hatte alle seine Überredungskünste aufbieten müssen, um sie doch noch zum Kauf zu bewegen. Und jetzt stand sie in diesem Wahnsinnsteil an der Tür und schaute ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an.
  »Ja?«, fragte sie kurz aber freundlich.
  Einen Moment war ihm nicht klar, was er sagen sollte. Er schnappte einmal nach Luft und atmete hektisch wieder aus.
  »Ich wollte mich für gestern entschuldigen«, stellte er dann mit brüchiger Stimme fest.
  Amy kräuselte die Stirn.
  »Gestern? Was soll denn gestern gewesen sein?«, fragte sie. Wieder hatte er das Gefühl, sein Herz würde einen Schlag lang Pause machen. Sie erinnert sich nicht mehr!, schoss es ihm durch den Kopf.
  »Wir hatten Streit«, sagte er gedehnt.
  »Wir beide?« Jetzt grinste sie. »Aber ich kenne dich doch überhaupt nicht. Und mit fremden Personen streite ich mich ziemlich selten.«
  Moritz verzog den Mund. Am liebsten wäre er jetzt mit wehenden Fahnen geflüchtet. Aber es war wichtig, das jetzt durchzuziehen. Er musste Amy mit ihrer gemeinsamen Vergangenheit konfrontieren.
  »Aber wir kennen uns gut«, widersprach er, öffnete dabei seine Sporttasche und holte eines der Fotoalben heraus. »Schau, lauter Bilder von uns beiden.«
  Amy nahm das Album lächelnd entgegen und schlug es auf. Als sie auf die ersten Bilder schaute, erstarrte ihr Grinsen jedoch augenblicklich. Sie blätterte hastig vor und zurück.
  »Das ist doch nicht zu fassen«, sagte sie dann ungläubig. »Du hast mir nachspioniert. Das sind ja alles Bilder von mir.«
  »Von uns«, verbesserte Moritz.
  »Ach ja, du Komiker?« Sie hielt ihm das aufgeschlagene Album vor die Nase und ein kalter Schauer lief ihm über den Rücken. Auf keinem der Fotos konnte man ihn sehen.

Kapitel 9

Amy hatte ihm das Album vor die Füße gepfeffert und die Wohnungstür zugeschlagen. Daraufhin war er dann ein wenig lauter geworden. Mit den Fäusten hatte er das Holz der Tür bearbeitet und dabei gerufen, dass er ihren ganzen Körper kennen würde. Als Beispiel hatte er ihren Intimschmuck genannt, den Amy am Anfang ihrer Beziehung noch getragen hatte. Moritz konnte sich noch gut an die silbernen Ringe erinnern, die Amy stets gedrückt hatten, wenn sie sich auf einen Stuhl setzte. Auch ihren Leberfleck unterhalb der rechten Brust hatte er erwähnt. Etwas später kam die Polizei. Moritz konnte zunächst nicht glauben, dass Amy dahinter steckte, aber der Beamte, der ihm in einem kleinen Büro gegenübersaß, machte unmissverständlich deutlich, dass Amy Anzeige erstattet hatte und deswegen nun seine Personalien aufgenommen werden müssten.
  Und damit fing der Ärger erst richtig an.

***

Unruhig schaute Moritz um sich.
  Die Polizistin, die ihn in den Keller begleitet hatte, sagte, dass es hier unten lediglich Ausnüchterungszellen gäbe. Daher die offene Front mit den dicken Eisengittern, ganz so, wie man sich eine Gefängniszelle in einem klassischen Western vorstellte. Moritz ging auf die Gitterstäbe zu und umklammerte das kalte Eisen.
  Er konnte es noch immer nicht fassen.
  Nachdem er seinen Ausweis abgegeben hatte, verschwand der Beamte in einem Nebenraum, nur um einige Minuten später mit Verstärkung wieder zurückzukommen. Die Polizisten erklärten ihm, dass sein Ausweis im Grunde genommen gar nicht existieren dürfte. Jeder Ausweis besaß eine eindeutige Kennziffer, aber Moritzˈ Nummer war in keinem System der Welt verzeichnet. Kurzerhand sperrte man ihn ein.
  Kopfschüttelnd legte er sich wieder auf die Pritsche. Die Beamten wollten zurückkommen, sobald sich die Sache geklärt hatte. Aber das war nun auch schon viele Stunden her. Kurze Zeit später schreckte er in die Höhe und lauschte auf die aufgeregten Stimmen, die vom Flur aus zu ihm herüber drangen. Neugierig blinzelte er durch die Gitterstäbe. Ein torkelnder Mann wurde von zwei Polizisten in eine der gegenüberliegenden Zellen geleitet. Er sah fein aus. Sein schwarzer Anzug glänzte und eine ordentlich gebundene Krawatte baumelte an seinem Kragen. Was ihm wohl widerfahren war, dass er sich dermaßen die Kante gegeben hatte? Als die Polizisten die Zelle hinter ihm abschlossen, begann der Mann ärgerlich zu lallen, allerdings ohne auch nur ein verständliches Wort über die Lippen zu bringen. Kurz darauf fing der Schnösel an, in seiner Zelle zu randalieren. Immer wieder bearbeiteten seine Füße und Fäuste die wenigen Einrichtungsgegenstände. Jetzt wusste Moritz auch, warum die Zellen so spartanisch eingerichtet, und Waschbecken und Klo mit einer dicken Ummantelung aus Stahl eingefasst waren. Plötzlich hörte er weitere Schritte auf dem Flur. Ein zweiter Mann wurde zu den Zellen geführt. Auch dieses Exemplar konnte kaum noch richtig gehen. Der Typ sah schmuddelig aus, seine Kleider waren zerfetzt. Eindeutig ein Stadtstreicher. Bevor die Beamten ihn in die Zelle schubsen konnten, kotzte er mitten auf den Flurboden. Ein übel riechender Gestank breitete sich unversehens aus. Während einer der Polizisten die Zellentür verschloss, holte der andere eine Rolle Küchenpapier aus einem Schrank und wischte das Erbrochene routiniert weg. Solche Unfälle passierten hier unten wohl häufiger. Schnell wurde es wieder ruhig. Die Beamten waren verschwunden. Der Randalierer hatte sich anscheinend mit seiner Situation abgefunden. Moritz hörte ihn nur hin und wieder seufzen. Auch der Penner schien bereits tief und fest zu schlafen. Soweit es Moritz erkennen konnte, hatte er sich auf dem Zellenboden eingerollt. Moritz ging zum Wasserhahn und nahm einen ausgiebigen Schluck. Verdursten würde er hier wenigstens nicht.
  »Wasser statt Bier«, stellte er fest und legte sich wieder auf seine Pritsche. »Ist ja auch viel gesünder.«

***

Die Nacht ging nur langsam vorbei. Moritz hatte während des Tages zuviel gedöst und geschlafen. Jetzt lag er mit weit geöffneten Augen auf seiner Pritsche und lauschte den Geräuschen seines Umfeldes. Der Randalierer hatte vor einer Stunde angefangen, lauthals zu schnarchen und er sägte so vehement, dass es einem schon nach kurzer Zeit fürchterlich auf die Nerven gehen konnte. War das der Grund, warum der Kerl sich so hatte zulaufen lassen? War seine Frau abgehauen, weil sie den Krach im ehelichen Bett nicht mehr aushielt? Von dem anderen Typen war nichts zu hören. Er hatte sich nicht mehr bewegt, seit er auf dem Zellenboden eingeschlafen war. Stadtstreicher sollten ja über einen tiefen Schlaf verfügen. Wenigstens gab er keinerlei Laute von sich. Polizisten ließen sich hier unten nicht mehr blicken. War die Wache nachts überhaupt besetzt? Moritz hatte den Eindruck, dass er und seine eingeschlossenen Leidensgenossen die einzigen Menschen weit und breit waren. Seine Gedanken wanderten zu seiner Arbeit. Er rief sich eine der zahlreichen Redaktionssitzungen ins Gedächtnis und sah Jochen, der vor einem Flipchart stand und lauter Kreise auf das Papier malte. Er schaute in Saschas gehetztes Gesicht. Dann wanderte sein Blick zu Amy. Wenn sie an den Sitzungen teilnahm, saß sie ihm fast immer gegenüber. »Damit du mich anschauen kannst, wenn es mal langweilig wird«, hatte sie ihm nach einem der ersten Meetings verraten, kurz, nachdem sie ein Paar geworden waren. Sie mochte es, von ihm angeschaut zu werden. Oft trug sie ärmellose Shirts, damit er einen ungehinderten Blick auf ihre Tattoos werfen konnte. Sie wusste, wie ihn das antörnte.
  Ärgerlich schlug Moritz gegen die karge Zellenwand. Er wollte nicht an Amy denken. Es tat weh. Es war unheimlich. Das Knallen einer Tür holte ihn aus seinen Überlegungen. Da kam doch tatsächlich jemand die Treppe herunter. Moritz schaute auf seine Armbanduhr. Es war sechs Uhr am Morgen. Diese unsägliche Nacht lag beinahe hinter ihm. Mit einem Satz sprang er auf. Sein Rücken protestierte heftig, es fühlte sich an, als wäre jeder einzelne Wirbel verrutscht. Nur mit Mühe gelang es ihm, sich aufrecht hinzustellen. Auch seine Muskeln fühlten sich steif und verspannt an. Die Pritsche eignete sich sogar noch weniger zum Schlafen als sein altes Sofa. Der Penner wusste schon, was gut war. Falls es noch eine zweite Nacht in dieser Zelle geben sollte, würde er die auch auf dem Fußboden verbringen.
  Welche grausigen Gedanken überkamen ihn da nur? Es würde ganz sicherlich keine weitere Nacht in dieser Zelle geben. Die Tür, die in den Keller führte, knallte noch einmal. Dann herrschte wieder Stille. Kam jetzt doch niemand zu ihnen? Moritz schüttelte den Kopf und schaute in die anderen Zellen. Der Mann im Anzug war wieder bei klarem Verstand. Seine Hände umklammerten die Stäbe und er starrte ein Loch in den Flurboden. Nebenan wurde ein Wasserhahn aufgedreht. Der Penner stand mit dem Rücken zu ihm vor dem Waschbecken. Er hatte sein schmutziges Hemd ausgezogen und wusch sich. Seine Haare waren bereits nass und auch sein breiter Oberkörper glänzte feucht. Mit den Händen rubbelte er sich über den Bauch und spritze dabei mit jeder Menge Wasser. Moritz lächelte. Sehr reinlich, der Mann. Vielleicht einer der wenigen Möglichkeiten für ihn, sich mal einigermaßen gründlich sauber zu machen. Nur schade, dass es in den Zellen weder Handtücher noch Waschlappen gab. Der Stadtstreicher schmatzte genüsslich und drehte sich zufrieden um. Er warf einen abschätzenden Blick auf den Flur, dann entspannten sich seine Züge und er lächelte zufrieden. Moritz schaute in sein Gesicht. Der schwarze Oberlippenbart strahlte ihm entgegen. Der Mann kam ihm bekannt vor. Wo hatte er ihn zuletzt gesehen? Im gleichen Moment hob auch der Penner seinen Blick und schaute ihm direkt in die Augen. Sein Gesichtsausdruck veränderte sich schlagartig. Sein fröhliches Grinsen erstarrte und sein rechtes Auge begann zu zucken. Er fing an zu stöhnen und zeigte mit zittrigen Fingern auf Moritz.
  »Du auch!«, schrie er mit ungeheurer Lautstärke.
  Sofort fiel Moritz der Tunnel zur U-Bahn ein. Dort hatte er diesen komischen Vogel zuletzt gesehen.
  »Du auch! Du auch«, kreischte der Bettler und seine Stimme schnappte jedes Mal fast über.
  Moritz fuhr sich durch die Haare. Warum flippte der Typ stets aus, wenn er ihn sah? Der Mann im Anzug beugte sich interessiert vor und versuchte einen Blick auf den Schreihals zu erhaschen. Da seine Zelle jedoch direkt neben der des Bettlers lag, konnte er nichts erkennen.
  »Was hat der Stinker?«, fragte er an Moritz gewandt.
  Moritz zuckte mit den Achseln. Der Penner hatte angefangen, mit den Fäusten gegen die Gitterstäbe zu hauen. Dabei gab er jaulende Geräusche von sich, als wäre er ein räudiger Hund. Endlich wurde die Tür zum Keller aufgemacht. Zwei Polizisten rannten den Flur entlang und schauten den Wüterich einen Moment lang stirnrunzelnd an.
  »Was ist mit dir?«, fragte einer von ihnen behutsam.
  Anstatt zu antworten, hüpfte der Mann auf und ab, als würden seine Füße über ein imaginäres Seil springen. Dabei ließ er Moritz nicht eine Sekunde aus den Augen.
  »Wir müssen da rein«, sagte der andere Beamte unbehaglich und schob den Gürtel seiner Hose zurecht. Während sein Kollege aufschloss, hechtete der Polizist in die Zelle und drückte den Bettler unsanft auf die Knie. Es fiel ihm schwer, da der Hitzkopf ihm körperlich weit überlegen war. »Ganz ruhig. Wir bringen dich jetzt wieder nach Hause in deinen Tunnel«, sagte der Polizist beschwichtigend, während er den Arm des Mannes nach hinten drehte. Als der Bettler auf den Flur geführt wurde, sah Moritz seinen hochroten Kopf.
  »Du auch! Du auch«, flüsterte er immer wieder und starrte ihn dabei mit seinen großen, leuchtend blauen Augen durchdringend an. »Das gibt es nicht. Verdammt noch mal, du auch!« Dann wurde er von den Uniformierten die Treppe hinauf geführt.

***

Moritz schüttelte irritiert den Kopf. Was meinte der Kerl nur? Langsam wurde ihm schwindelig. Er brauchte jetzt dringend etwas zu essen. Sein leerer Magen machte die ganze Situation nur noch unerträglicher. Schwerfällig ließ er sich auf die Pritsche fallen, schloss die Augen und versuchte, nicht drauf zu achten, dass sein Kopf sich anfühlte, als würde er Karussell fahren.
  Er musste tatsächlich eingenickt sein, denn als er das nächste Mal auf seine Uhr schaute, war es schon kurz nach neun. Ein Wirbel knackte. Sein Rücken schien nun endgültig kaputtgegangen zu sein. Moritz schaute in den Flur hinaus. Die Türen der gegenüberliegenden Zellen waren geöffnet, auch der Mann im Anzug war mittlerweile anscheinend wieder entlassen worden. Und er? Was war mit ihm? Hatte man ihn nicht wecken wollen, weil er so selig schlief? So langsam war das alles nicht mehr witzig. Moritz begann, gegen die Gitter zu schlagen, erst leise, dann immer lauter. Niemand reagierte. Nachdem Moritz eine halbe Stunde lang Krach gemacht hatte, setzte er sich entnervt auf seine Pritsche. Sein Gaumen fühlte sich durch das ganze Gebrülle rau und wund an. Er sprang hoch und drehte den Hahn des Waschbeckens auf. Das flüssige Nass rann seine Kehle hinunter. Wie gut, dass es wenigstens fließendes Wasser gab. Seine Hände fuhren über die kratzenden Wangen. Warum behandelte man ihn wie einen Schwerverbrecher in Isolationshaft?

***

Die Mittagszeit verstrich, ebenso der halbe Nachmittag. Durfte man ihn überhaupt dermaßen lange in eine Zelle sperren? Dazu noch ohne Verpflegung? Plötzlich wurde eine Tür geöffnet. Eilige Schritte waren zu hören. Endlich! Mehrere Leute schienen direkt auf seine Zelle zuzugehen. Die Tür wurde aufgeschlossen. Moritz setzte sich aufrecht auf seine Pritsche. Noch während er überlegte, ob er den Beleidigten spielen und sich nicht rühren sollte, schoben sich drei Schatten in die Zelle. Eine junge Frau mit langen, blonden Haaren wurde von zwei Beamten flankiert. Sie trug einen leichten Sommermantel. Darunter konnte Moritz einen schwarzen Minirock und eine dunkelrote Korsage erkennen. Die Polizisten gaben ihr einen sanften Schubs.
  »Die Leute aus der Mozart Straße möchten nicht, dass ihre Gegend zum Straßenstrich wird«, sagte einer der Beamten. »Hier kannst du darüber nachdenken, ob du zukünftig nicht lieber woanders stehen willst.«
  Die Frau brummte nur und stakste mit ihren hochhackigen Schuhen weiter in die Zelle hinein. Dann sah sie Moritz und begann zu lachen.
  »Oh, ein Spielgefährte«, rief sie mit erstaunlich tiefer Stimme. »Wie aufmerksam.«
  Die Beamten folgten ihrem Blick und schauten Moritz verwundert an.
  »Wieso ist diese Zelle besetzt?«, fragte einer von ihnen mit gekräuselter Stirn.
  »Weiß nicht«, sagte der andere und überflog dabei einen schwarzen Ringhefter. »Laut dem Belegungsplan sollte die Zelle frei sein.«
  »Vielleicht hat sich einer der Kollegen in der Nummer geirrt?«
  »Nein. Wir hatten in der Nacht nur zwei Gäste. Den randalierenden Unternehmensberater und einen Obdachlosen. Und die sind längst schon wieder entlassen.«
  Sein Kollege kam auf Moritz zu. »Was haben Sie hier zu suchen?«, fragte er streng.
  Moritz schüttelte ungläubig den Kopf. Organisatorisch schien in dieser Dienststelle absolutes Chaos zu herrschen.
  »Ihre Kollegen haben mich gestern eingebuchtet«, antwortete er.
  Die Polizisten schauten ihn mit großen Augen an. Dann warf der eine einen weiteren prüfenden Blick in den Hefter.
  »Gestern hat niemand einen Eintrag gemacht«, stellte er fest, während er zwischen mehreren Seiten hin- und herblätterte. »Kommen Sie mal mit.«
  Moritz wurde auf den Flur geführt. Die Beamten verschlossen die Zellentür von außen. Die Pritsche knarrte, als sich die Bordsteinschwalbe darauf setzte. Moritz warf einen Blick durch die Gitterstäbe.
  »Schlafe lieber auf dem Boden. Das ist gemütlicher«, rief er ihr erschöpft zu.
  Anstatt zu antworten, knurrte sie nur bedrohlich.
  Als sie die Treppen hinaufstiegen, protestierte sein ganzer Körper. Jede Bewegung schien einen anderen seiner vielen Muskeln zu quälen. Ein junger Mann, kaum älter als Anfang 20, saß hinter einem Schreibtisch und haute auf seine Tastatur. Er beherrschte tatsächlich das Zehnfingersystem. Ein großes Namensschild in der Mitte des Tisches wies ihn als K. Ahlers aus. Moritz blieb in der Mitte des Raumes stehen.
  »Was sind Sie denn für ein Komiker?«, fragte der Beamte ernst.
  »Wie bitte?« Moritz setzte sich und faltete die Hände über seinem Bauch zusammen. »Ich verstehe nicht.«
  Ahlers rückte seine eckige Brille zurecht. Er drückte verschiedene Male auf seine Maus und wandte sich dann von seinem Bildschirm ab.
  »Wie haben Sie es angestellt, in die Zelle zu kommen? Sind Sie einfach hinein gehuscht, als die Kollegen mit einem der Besoffenen beschäftigt waren?« Er beugte sich über den Tisch und fixierte Moritz mit zusammengekniffenen Augen. »Ist das jetzt der neue Kick? Sich einfach mal in eine Zelle zu begeben und warten was passiert?«
  Moritz blickte über den Schreibtisch. Er hätte für nichts garantieren können, wenn sein Blick irgendwo etwas Essbares entdeckt hätte. Aber leider schien Ahlers seine Vorräte sicher versteckt zu haben. Nicht mal ein Becher stand auf dem Tisch. Moritz zwang sich, in die Augen seines Gegenübers zu sehen.
  »Ihre Kollegen haben mich eingesperrt«, sagte er mit monotoner Stimme.
  Ahlers schüttelte seinen Kopf.
  »Nein, haben sie nicht«, sagte er entschieden.
  »Dann fragen Sie sie doch«, gab Moritz gereizt zurück. Ihm war flau. Wenn der Typ nicht aufpasste, würde er ihn gleich mit Haut und Haaren verspeisen.
  »Wir hatten heute Morgen schon eine Lagebesprechung. Wenn die Kollegen jemanden eingesperrt hätten, wüsste ich davon. Jeder Gast, der bei uns über Nacht bleibt, wird erfasst. Sowohl elektronisch, als auch handschriftlich.« Ahlers nahm den Ringhefter in die Hand, in dem schon der Polizist in der Zelle geblättert hatte. »Kein Eintrag. Weder im Computer noch in diesem Buch. Die Zelle, in der wir Sie fanden, war nicht belegt.« Er machte eine Pause und schaute einen Moment aus dem Fenster. »Wie heißen Sie überhaupt?«
  »Moritz Heber. Meinen Ausweis kann ich ihnen aber leider nicht zeigen. Der ist gefälscht. Das hatten auch ihre Kollegen erkannt und ihn einkassiert.«
  Ahlers stützte seinen Kopf auf die Hände und stöhnte.
  »Meine Güte. Sie sind vielleicht durch ’n Wind. Aber Sie haben Glück.« Er öffnete eine Schublade, holte ein kleines Büchlein hervor, nahm seinen Kugelschreiber und schrieb etwas auf ein Papier. Dann streckte er sich nach einem Stempel, der ganz am Rand des Schreibtisches auf einer Plastikhalterung hing, und drückte ihn behutsam auf den Zettel. Er trennte die Seite ab und reichte sie über den Tisch. »Nehmen Sie.«
  »Was ist das?«
  »Ihr Weg aus der Krise«, sagte Ahlers ernst.
  Während Moritz auf den Zettel starrte, stand der Polizeibeamte auf. »Es läuft zurzeit ein Projekt. Wird gefördert von der Stadt.«
  »Gutschein für eine psychologische Beratung«, las Moritz laut vor.
  »Genau. Es kommt oft vor, dass wir bei unserer Polizeiarbeit auf durchgekna… auf verwirrte Personen treffen. Da gibt es beispielsweise Sprayer, die die ganze Stadt mit ihren Kürzeln überziehen und dabei unter einem krankhaften Drang stehen. Oder Prostituierte, die, geprägt durch ihre Erlebnisse, nicht mehr in der Lage sind, einen vollständigen Satz zu sprechen. Oder Leute, die zwanghaft irgendwelche kranke Dinge machen.« Er musterte Moritz eindringlich. »Etwa, unbemerkt in eine Zelle schleichen. Für alle solche verwirrten Seelen bieten wir eine professionelle Betreuung an. Natürlich auf freiwilliger Basis.« Er legte das Büchlein zurück in die Schublade. »Leider nehmen die meisten Leute dieses Gespräch nie in Anspruch. Daher halte ich von diesem Projekt auch nicht viel. Die meisten Kranken wissen nämlich nicht, dass sie krank sind. Dennoch, wenn ich schon die Möglichkeit habe, solche Gutscheine auszustellen, mache ich es auch. Tun Sie sich einen Gefallen und gehen Sie einfach mal hin.«
  Moritz faltete den Gutschein in der Mitte und steckte ihn in seine Jeans. Er widerstand nur mit Anstrengung dem Versuch, sich den Zettel in den Mund zu schieben. Vielleicht schmeckte Papier ganz gut, wenn man vor Hunger fast umkam? Aber dann hätte ihn der Polizist wahrscheinlich endgültig für übergeschnappt erklärt. Ahlers drehte sich zur Seite, starrte wieder auf seinen Bildschirm und legte seine Hand auf die Maus. »Und nun machen Sie, dass Sie verschwinden.« Moritz beugte sich vor.
  »Wie bitte? Ich darf gehen? Einfach so?«
  Ahlers kräuselte seine Stirn.
  »Sie haben recht. Das ist mir zu gefährlich.« Er drückte einen Knopf. Sekunden später kam ein uniformierter Beamter in das Zimmer. »Geleiten Sie den Herrn bitte auf die Straße und passen Sie auf, dass der Clown nicht in die falsche Richtung abbiegt und sich wieder in einer unserer Zellen versteckt.«

Kapitel 10

Fassungslos irrte Moritz durch die Straßen. Jetzt war es also so weit. Man hielt ihn für verrückt. Das Schlimme war, dass er ohne zu zögern zugestimmt hätte. Bei ihm schienen sich wirklich mehrere Schrauben gelockert zu haben. Er wich zwei finster dreinblickenden Jugendlichen aus und war froh, sie nicht berührt zu haben. So was konnte schnell unangenehm werden. Wahrscheinlich warteten die Spinner mit gezückten Messern in ihren Taschen nur darauf, dass sie jemand blöd anmachten. Und ein harmloses Anrempeln war ohne Zweifel eine blöde Anmache. Leise kichernd bog er in eine Seitenstraße ab. Schlimm, wenn man auf einmal paranoid wurde und überall Feinde sah. Du bist schon einmal in eine Nebenstraße abgebogen und angegriffen worden. Was war das für ein Ding?, plärrte eine nervöse Stimme in seinem Kopf. Moritz wollte sie nicht hören. Er wollte nicht darüber nachdenken, was er da in der Nähe seiner Wohnung gesehen hatte.
  Sein Blick streifte die unbekannten Hausfassaden. Dann fiel ihm seine Tasche wieder ein. All die wertvollen Fotoerinnerungen an Amy waren darin. Er wollte sie unbedingt wiederhaben! Zögernd blieb er stehen. Andererseits widerstrebte es ihm, zurück in die Wache zu gehen. Nicht, dass dort alles wieder von vorne anfinge und sie ihn erneut in eine Zelle sperrten. Ein würziger Duft wehte ihm entgegen. Es roch nach Imbiss. Schlagartig meldete sich sein Bauch mit so einer Vehemenz zu Wort, dass sich irgendwo in Höhe der Magengegend alles Mögliche zusammenzog. Dann sah er an einem der Häuser den roten Schriftzug Döner Paradies. Hinter einer schmutzigen Glasscheibe drehte sich ein saftig aussehender Fleischspieß. Moritz' Gaumen füllte sich mit Speichel, während er die Münzen in seinem Portemonnaie zählte. Viel war es nicht, aber für eine Portion würde es noch reichen.
  Der letzte Bissen Brot wanderte in seinen Mund. Hatte es ihm jemals so gut geschmeckt? Nun fehlte nur etwas zu trinken. Zu Hause wartete kühles Bier auf ihn, und zwar schon seit gestern. Sollte er mit der U-Bahn gleich zu seiner Wohnung fahren, oder erst seinen Wagen abholen? Moritz verspürte nicht die geringste Lust, einen Umweg zu Amys Wohnung zu machen. Und gefährlich war es außerdem. Vielleicht würde er aus einer Laune heraus bei ihr klingeln und alles ginge wieder von vorne los. Nein, er brauchte sein Auto vorerst sowieso nicht. Der Türke hinter dem Tresen erklärte ihm den Weg zur nächsten U-Bahn-Haltestelle und Moritz machte sich auf den Weg.

***

Wie gut es tat, endlich die abgestandene Luft seines Treppenhauses einatmen zu können. Bevor Moritz den Fuß auf die erste Stufe setzen konnte, hörte er von oben schnelle Schritte. Tobias kam ihm entgegen, klatschte in die Hände und begann zu lachen.
  »Hey, wo hast du denn so lange gesteckt?«
  Moritz verzog das Gesicht. Tobias klang wie seine Mutter.
  »Viel um die Ohren«, sagte er erschöpft und zwang sich zu einem Lächeln, während sein Blick auf Tobias‘ Seidenhemd fiel. Diesmal trug sein Nachbar ein ganz besonders scheußliches Exemplar - hellblau, mit Rüschenkragen. Es sah furchtbar schwuchtelig aus. Bei Gelegenheit musste er ein ernstes Wort mit seinem neuen Bekannten sprechen. So konnte das mit seiner Garderobe ja nicht weitergehen.
  »Du siehst schon wieder arg mitgenommen aus«, stellte Tobias besorgt fest. »Wie wäre es, wenn wir beide jetzt ordentlich einen bechern gehen? Ich lade dich ein.«
  Moritz dachte nach. Warum eigentlich nicht? Etwas Gesellschaft würde ihm jetzt sicher gut tun. Auch wenn diese Gesellschaft ein furchtbar hässliches Kleidungsstück trug. Außerdem wurde er eingeladen. Als Neuarbeitsloser durfte man solche Geschenke nicht mehr ablehnen. Ab jetzt musste jeder Cent zweimal umgedreht werden. Außerdem hatte er noch immer wahnsinnigen Durst.
  Sie gingen in die kleine Kneipe am Ende der Straße. Hier war man noch weitgehend unter sich. Die ganzen Szenetypen aus den umliegenden Stadtteilen bevorzugten Gaststätten mit trendigerem Ambiente. In diesem Schuppen gab es nur wacklige Holztische und zwei Sorten Bier. Sie setzten sich an einen Tisch am Fenster. Während der Wirt Tobias die Hand gab, beachtete er Moritz überhaupt nicht. Moritz hätte schwören können, dass der Wirt ihn früher stets begrüßt hatte. Aber das passte ja zu seiner augenblicklichen Situation. Alle Menschen um ihn herum schienen plötzlich einen kleinen Dachschaden zu haben.
  »Du schaust so ernst«, stellte Tobias fest. Er nahm zwei Bierdeckel und stellte sie gegeneinander.
  »Die letzten Tage waren der reinste Horror. Mir passieren vielleicht abgedrehte Dinge.«
  »Willst du darüber reden?«
  Moritz schüttelte den Kopf. Alles, was er Tobias hätte erzählen können, klang dermaßen verrückt, dass er selbst Schwierigkeiten hatte, es zu glauben. Wieder war er dankbar dafür, dass sein Nachbar nicht nachhakte. Sie tranken schweigend ihr erstes Bier aus. Als der Wirt die nächsten Gläser auf den Tisch stellte, freute sich Tobias gerade darüber, dass seine Wohnung jetzt größtenteils eingerichtet war.
  »Ich hasse es, auf Baustellen leben zu müssen«, sagte er.
  Moritz kippte die letzten Tropfen des dritten Bieres in seine Kehle und schaute Tobias auf die Uhr. »Nun sitzen wir schon so lange hier. Jetzt können wir eigentlich auch Abendessen.«
  Sie orderten zweimal das Tagesgericht. Mit großen Augen blickte Moritz auf das hausgemachte Gulasch mit dem Brokkoli und den Kartoffeln. Sofort spürte er, wie sein Bauch unruhig wurde. Den Döner hatte sein Körper wahrscheinlich längst schon verarbeitet. Auch Tobias schien an diesem Tag noch nichts Ordentliches gegessen zu haben.
  Sie schmausten mit großem Appetit. Zum ersten Mal an diesem Tag fühlte Moritz sich einigermaßen zufrieden. Anschließend schlenderten sie die Straße entlang und Moritz spürte das reichhaltige Essen, das sich in seinem Magen langsam mit den Unmengen von Bier vermischte.
  »Wir können uns doch noch eine DVD bei mir anschauen«, schlug Tobias vor, als er seine Wohnungstür aufschloss. Moritz lehnte dankend ab. Er wollte jetzt einfach seine Ruhe haben. Doch schon auf den letzten Stufen bis zu seiner Wohnungstür drängten sich die Geschehnisse wieder in sein Bewusstsein. Dann tauchte Amys Bild vor ihm auf. Für eine Sekunde sah er sie neben der Haustür stehen. Sie zwinkerte ihm schelmisch zu und strich dabei mit den Händen verführerisch langsam durch ihre langen Haare. Fahrig fummelte Moritz den Schlüssel hervor. Vielleicht würden sich angenehmere Gedanken einstellen, wenn er sich auf sein Sofa lümmeln, den Fernseher anstellen und noch ein paar Flaschen Bier trinken würde. Er steckte seinen Schlüssel ins Schloss und wollte ihn herumdrehen, doch es ging nicht. Ungeduldig zog er mit der linken Hand an dem Türgriff, während seine Rechte noch einmal den Schlüssel zu drehen versuchte. Manchmal klemmte das verdammte Ding einfach. Aber er hatte keinen Erfolg. Mit zusammengekniffenen Augen fixierte Moritz das Schloss. Der Schlüssel steckte ja überhaupt nicht richtig drin, sondern lugte fast zur Hälfte aus dem Zylinder heraus. Mit sanfter Gewalt und behutsamen Rüttelbewegungen versuchte er, das kleine, fiese Ding tiefer hineinzustoßen. Aber es ging nicht. Da war irgendein Widerstand. Hatte ihm etwa so ein dämlicher Scherzkeks ein Kaugummi oder sonst etwas ins Schloss gesteckt? Moritz ging mühsam in die Knie, zog den Schlüssel wieder heraus und fuhr mit den Fingern den Zylinder ab. Da war nichts; keinerlei verräterischen Spuren zu erkennen. Das Schloss war in einem einwandfreien Zustand. Nur leider schien, aus welchem Grund auch immer, der Schlüssel nicht mehr hineinzupassen.
  »Das kann doch nicht wahr sein«, rief Moritz ärgerlich ins leere Treppenhaus. War nicht schon genug passiert? Seine Hände ballten sich zu Fäusten. Konnte das Bier schuld sein? Eineinhalb Liter auf fast leerem Magen waren eben nicht so einfach wegzustecken. Konzentriert atmete er aus, während seine Finger den Schlüssel so geschmeidig wie möglich in die Schließvorrichtung steckten. Wieder stieß das Metall nach der Hälfte des Weges irgendwo gegen.
  »Verdammter Mist«, keuchte er wütend. Jetzt half wohl nur noch rohe Gewalt. Moritz rüttelte wild an der Tür, während seine Hände mit aller Kraft versuchten, den Schlüssel nach links zu drehen. Plötzlich gab es einen knackenden Laut. Mit einmal wurde der Schlüssel in seiner Hand federleicht. War die biestige Vorrichtung endlich besiegt? Doch die Tür ging noch immer nicht auf. Es dauerte eine Weile, bis er auf die Idee kam, sich seinen Schlüssel näher anzusehen. Das blöde Ding war fast komplett abgebrochen. Der gesamte Bart steckte in seinem Türschloss und ließ sich nicht mehr bewegen, geschweige denn herausziehen.
  »Das kann doch nicht wahr sein.« Seine Fäusten bearbeiteten die Wand des Treppenhauses. Am liebsten hätte er laut aufgeschrien. Was sollte er jetzt tun? Vielleicht zu Tobias gehen, und von dort einen Schlossnotdienst anrufen? Aber welchen Sinn hätte das gehabt? Die würden dann 50 Euro oder mehr dafür nehmen, dass sie das Schloss sowieso kaputtmachten. Das ging auch günstiger. Die Türen des Mietshauses waren zwar gut in Schuss, aber auch schon ziemlich alt. Mit ein bisschen Gewalt sollte er sich schon Zutritt in seine Wohnung verschaffen können.
  Moritz ging einige Schritte zurück, drehte sich zur Seite, während er Anlauf nahm, und rammte die Tür mit seiner Schulter. Es quietschte gefährlich, aber das Schloss hielt. Also noch einmal. Seine Füße sprangen vom Boden ab, als wollten sie über ein breites Hindernis springen. Sein Körper prallte mit Wucht gegen die Wohnungstür. Etwas splitterte. Dann flog die Tür auf. Moritz versuchte, sich irgendwo festzuhalten, doch durch den Schwung seiner Bewegung stürzte er auf den abgenutzten Teppich seiner Diele. Er hörte, wie die Wohnungstür laut knallend gegen die Wand stieß. Schwer atmend setzte er sich auf und schaute hinter sich. Geschafft. Ihm war es tatsächlich gelungen, seine Tür aufzubrechen. Die Heftigkeit des Aufschlags hatte eine tiefe Kerbe im Rahmen hinterlassen. Wie es aussah, musste neben dem Schloss auch der gesamte Türrahmen erneuert werden. Ein wenig benommen kam er auf die Beine. Egal. Wichtig war nur, dass seine Wohnung ihn zurückhatte. Für eine Sekunde überkam ihn ein unangenehmes Gefühl. Vielleicht waren ihm die Biere in der Kneipe doch schlechter bekommen, als gedacht. Immerhin hatte er in der Zelle länger als 24 Stunden nichts Reichhaltigeres als Wasser zu sich genommen. Womöglich war sein Verstand zu angeduselt, um die richtige Wohnungstür zu finden? Vielleicht war er ein Stockwerk zu weit gegangen und stand jetzt in der Diele seines oberen Nachbarn? Damit gäbe es auch eine plausible Erklärung für den nicht passenden Schlüssel. Moritz stellte sich aufrecht hin und horchte auf Geräusche. Aber in dieser Wohnung befand sich niemand. Dann fiel sein Blick auf den Garderobenständer aus Holz mit Metallapplikationen aus dem Versandkatalog. Seine schwarze Lederjacke mit dem gefütterten Kragen hing unordentlich daran auf einem Plastikbügel. Ihm fiel ein Stein vom Herzen. Es handelte sich um seine eigene dunkle Diele. Wie gut, dass am Rahmen noch eine massive Kette aus Metall angebracht war, mit der die Tür gesichert werden konnte. Er steckte den Zylinder der Kette in die Vorrichtung an der Tür und nickte zufrieden. So würde es gehen. Die Kette hielt die Tür zwar nicht komplett geschlossen, aber mit dem kleinen Spalt, der sich zwischen Treppenhaus und Wohnung abzeichnete, konnte man leben. Er warf einen Seitenblick ins Wohnzimmer. Es war dunkel geworden, die Straßenlaterne warf lange Schatten auf alle Gegenstände. Es erstaunte ihn kaum, dass das Urlaubsbild, das keck und Platz einnehmend an der Kühlschranktür prangte, nicht mehr so wie früher aussah. Bleich gewaschen grinste Amy in die Kamera. Sie lag mutterseelenallein am Strand. Bloß keinen Gedanken mehr daran verschwenden, jedenfalls nicht innerhalb der nächsten halben Stunde. Er holte das Bier, fischte einen Flaschenöffner aus der Schublade und machte sich auf den Weg ins Wohnzimmer.
  Ein merkwürdiger Laut ließ ihn aufhorchen. Aus dem Wohnzimmer kam ein tiefes Summen. An dieses Geräusch konnte er sich nur allzu gut erinnern. Schlagartig fühlte er sich wieder in den schmalen Durchgang zum Hinterhof zurückversetzt. Mit klopfendem Herzen blickte Moritz um die Ecke. Vor dem Wohnzimmertisch war etwas. Eine neblige Wolke hatte sich mitten im Raum gebildet. Lange Scherenhände ragten bereits daraus hervor.
  Moritz reagierte blitzschnell.
  Diesmal hatte er keine Lust darauf zu warten, bis sich das monströse Geschöpf vollkommen materialisiert hatte. Er ließ die Bierflaschen fallen, machte auf dem Absatz kehrt und rannte durch die Diele. Nur Augenblicke später erfüllten scheinwerferartige Lichtkegel den Raum. Das Wesen musste sich unendlich schnell aus seiner Dunstglocke geschält haben und nun direkt hinter ihm sein. Dann kribbelte ihm der Rücken. Aber was noch schlimmer war, auch sein Kopf fühlte sich an, als würde jemand mit einem Flammenwerfer auf seine Haare zielen. Obwohl … das war nicht ganz richtig. Nicht seine Haare befanden sich in Gefahr, jeden Moment Feuer zu fangen, sondern etwas tief in seinem Schädel. Für eine schreckliche Sekunde überkam ihn Gewissheit, dass sein Gehirn kurz vor dem Schmelzen stand. Der glühende Fahrradlenker tauchte vor seinen geistigen Augen auf. Dann zerbarst die Garderobe direkt vor ihm. Das Holz splitterte und zerfiel in Tausende kleine Teile. Seine Lederjacke landete mit einem heiseren Klatschen auf dem Boden. Auch wenn die Wohnungstür nur noch fünf oder sechs Schritte entfernt lag, bis dahin würde er es nicht schaffen. Geistesgegenwärtig verlagerte Moritz sein Gewicht nach links und rannte in das Schlafzimmer. Er knallte die Tür ins Schloss und sah sich hektisch um. Das Schlafzimmerfenster zeigte auf den gepflasterten Hof hinaus. Er konnte unmöglich aus dem 4. Stock hinunterspringen. Moritz ging zum Bett und griff nach der Decke. Vielleicht würden die Daunen den mörderischen Blicken des Wesens eine Weile Paroli bieten können. Zufällig schaute er auf die Collage und plötzlich stockten seine Bewegungen.
  Moritz stöhne leise, während er nah an das Kunstwerk heranging. Ungläubig betrachtete er die Fotos. Es war wie bei den Alben: Auf keinem der gemeinsamen Bilder gab es ihn mehr. Aber auch die Eintrittskarten und Bahnfahrkarten waren nicht mehr dieselben. Es hing nur noch eine einzige Musicalkarte unter dem Glasrahmen. Der Bahnbeleg war ursprünglich auf ihre beiden Namen ausgestellt worden. Jetzt gab es darauf nur noch Amys Namen mit einer Einzelsitzkarte. Die Tür flog auf und die Klinke grub sich tief in die Raufasertapete. Moritz wirbelte herum. Wieso hatte er sich ablenken lassen? Die Decke lag noch immer auf dem Bett, zwei unendlich lange Schritte entfernt. Das Wesen blickte zunächst in Richtung Fenster, ehe der Lichtstrahl die Collage traf. Moritz ließ sich auf den Boden fallen. Der Rahmen über ihm bebte, und dann zersplitterte das Glas. Es gab einen ohrenbetäubenden Knall, als das Kunstwerk von der Wand flog und neben ihm auf dem Boden landete. Wimmernd robbte Moritz zum Bett. Vielleicht sollte er darunter Schutz suchen? Als seine Hand gerade nach der Daunendecke greifen wollte, war das Geschöpf direkt über ihm. Der Schlund des Wesens öffnete sich und ein bestialischer Gestank erfüllte das Zimmer. Mit einem Ruck zog Moritz das Laken über den Kopf. Sofort ließ der Druck in seinem Gehirn ein wenig nach. Dann wurde das Summen schlagartig leiser. Rauch stieg ihm in die Nase und er musste husten. Es kam ihm vor, als würde es zwischen seinem Gesicht und der Bettdecke brennen. Panisch riss er sie herunter. Das gesamte Schlafzimmer war nebelverhangen. Er konnte kaum zwei Schritte weit sehen. Aber das grelle Leuchten war verschwunden. Krabbelnd arbeitete sich Moritz auf die Tür zu. Und dann begann der Nebel wegzustoben, als hätte jemand unvermittelt eine gewaltige Klimaanlage eingeschaltet. Der Rauch überholte ihn und wehte in den Flur hinaus. Als Moritz aus dem Schlafzimmer herausspähte, sah er die Gestalt. Der Nebel hüllte sie bereits fast vollständig ein. Nur die schillernden Augen waren noch zu erkennen. Das Summen wurde lauter. Die Wolke schwebte zur Haustür, als würde sie etwas im Treppenhaus magisch anziehen. Sie wehte durch den Spalt. Dann herrschte Ruhe.

***

Moritz setzte sich auf die Knie und japste laut. Der herbe Geruch des ausgelaufenen Bieres lag in der Luft.
  Was war das für ein Ding?
  Mühsam erhob er sich. Das Schlafzimmer lag wieder so verlassen vor ihm, wie sich das gehörte. Die Erscheinung war weg, ebenso wie dieses penetrante, tiefe Summen. Die Wohnungstür drängte sich in sein Blickfeld. Die Kette war intakt. Moritz ging hinüber und spähte durch die kleine Lücke in das verwaiste Treppenhaus. Dieses Ding war größer als er gewesen. Wie konnte es da einfach durch den Türspalt entkommen? Unten auf der Straße hupte ein Auto. Womöglich hatte er doch zu viel getrunken? Vielleicht hatte ihm sein Verstand einen Streich gespielt? Er begann, zu zittern. Nein, es war alles so realistisch gewesen. Seine Hände tasteten nach der Beleuchtung in der Diele. Eigentlich mochte er es, im Dunkeln in seiner Wohnung herumzuspazieren. Aber nach diesem grausigen Vorfall konnte etwas Licht sicherlich nicht schaden. Noch immer bebte sein gesamter Körper. Ein heißes Bad wäre jetzt das Richtige. Aber vorher musste er die Unordnung beseitigen. Um die alte Garderobe war es nicht schade. Er schaufelte so viele Holzstücke wie möglich auf das Kehrblech und warf alles, ohne mit der Wimper zu zucken, weg. Mit der Collage war es viel schwerer. Sein liebstes Erinnerungsstück an Amy. Zerbrochen, wie seine Liebe. Keines der Artefakte war intakt geblieben, Fotos und Karten bis zur Unkenntlichkeit zerstört. Traurig entsorgte er die Bruchstücke seines Lebens in den Mülleimer.

Kapitel 11

Hungrig wachte Moritz auf. Die Nacht hätte erholsamer sein können, wenn er nicht ständig auf die Toilette hätte rennen müssen. Während des Badens gestern Abend war eindeutig zu viel Bier geflossen. Aber das war ja auf den Schrecken auch kein Wunder. Irgendwie musste er dieses kalte Gefühl der Angst betäuben, das ihn langsam aber beständig in den Klammergriff nahm. Er schlug die Decke zurück und stellte den rechten Fuß auf den Boden. Abergläubisch konnte man ihn nicht nennen, aber dennoch achtete er stets darauf, nicht mit dem linken Bein zuerst aus dem Bett zu steigen. Sein Blick wanderte vom Flur ins Wohnzimmer. Wie friedlich alles aussah. Die Sonne schien auf Sofa und Tisch und zeigte gnadenlos auf, dass es mal wieder Zeit zum Staubwischen war. Nichts deutete mehr auf die Erscheinung hin, die sich hier manifestiert hatte, wenn man einmal von dem zerbrochenen Inventar absah. In der Küche gähnte ihn ein leerer Brotkorb an. Ob eine Schale Cornflakes für den ersten Hunger reichen würde? Bei diesem Gedanken protestierte sein Magen. Etwas Handfesteres sollte es schon sein. Zum Glück war die nächste Bäckerei nicht weit. Moritz nahm sich ein frisches T-Shirt, griff in sein Portemonnaie und öffnete die Kette an der Haustür. Seine Hände strichen über den gesplitterten Holzrahmen, um den er sich auch noch kümmern musste. Aber nicht sofort. Jetzt gab es wichtigere Dinge.

***

Doch als Moritz auf dem Flur stand, wurde das Problem schlagartig wieder akut. Wie sollte er die Tür von außen schließen? An die Kette im Inneren kam er nicht heran. War es möglich, sie einen Augenblick lang einfach angelehnt zu lassen? Die Bäckerei war nur eine Querstraße weit entfernt. In wenigen Minuten war er wieder zurück, da würde schon niemand seine Wohnung ausrauben.
  Die frische Morgenluft war eine Wohltat für seine Lungen. Kurz vor der Bäckerei zückte Moritz die Geldbörse, klappte sie auf und schaute mit zusammengekniffenen Augen hinein. Es befanden sich gerade noch acht Cent darin. »Ach ja. Der Rest ging für den Döner drauf«, stellte er halblaut fest. Seine Finger zogen die EC-Karte heraus.
  Die Filiale der Sparkasse war ganz in der Nähe. Als Moritz die Karte in den Geldautomaten steckte, knurrte sein Magen in einer ungeheuren Lautstärke. Eine Frau, die sich gerade einen Kontoauszug ausdrucken ließ, musterte ihn grimmig. Er wartete auf die Eingabemöglichkeit des Betrages und klopfte mit den Fingern gegen das Gerät. Der Automat machte eine Reihe undefinierbarer Geräusche. Dann war für einen Moment Ruhe, ehe das Gesurre von Neuem anfing. Wie lange dauerte denn das? Er verlagerte sein Gewicht unruhig auf den anderen Fuß. Schließlich flimmerte eine Meldung über das Display. Karte wurde einbehalten.Bitte melden Sie sich an unserem Schalter. Das konnte doch nicht wahr sein. Durch die verschlossenen Glastüren blickte er ins Innere der Filiale. Die Sparkasse machte erst in einer halben Stunde auf. Unmöglich, so lange zu warten. Bis dahin hätte sich sein Körper höchstwahrscheinlich von innen verzehrt. Unschlüssig ging Moritz zurück auf den Bürgersteig. Er wollte doch nur ein paar Brötchen kaufen, verdammt. Flogen irgendwo in seiner Wohnung noch Münzen oder Geldscheine herum? Hinter ihm ertönte ein fröhliches Lachen.
  »Hast du etwa dein ganzes Geld versoffen?«, fragte Tobias gut gelaunt und grinste wie ein Honigkuchenpferd.
  »Schlimmer. Meine Karte wurde einbehalten.«
  »Wieso das denn?«
  »Ich weiß es nicht.«
  »Warst du in den Miesen?«
  »Nein. Ich habe mehr als Tausend Euro auf dem Konto.«
  Tobias presste die Lippen aneinander. »Vielleicht wurde der Magnetstreifen deiner Karte beschädigt. Das passiert öfter, als man denkt. Ein kleiner Ratsch und schon ist das Ding wertlos.«
  Moritz zuckte mit den Schultern.
  »Irgend so was wird es sein«, sagte er schlapp.
  Tobias zögerte einen Moment. Dann zeigte er die Straße hinauf.
  »Da vorne kann man herrlich frühstücken. Wenn du noch nichts gegessen hast, würde ich dich gerne einladen.«
  Moritz nickte dankbar. Konnte sein Nachbar Gedanken lesen?
  »Gute Idee.«

***