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Inhalt

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Gertrude Jekyll: Die Teegesellschaft der Katzen

Georg Weerth: Wer weiß, wovon Katzen träumen?

Mary E. Wilkins Freeman: Die Katze und der Fremde

Julia Bachstein: Der Tannenbaum

Detlef Bluhm: Weihnachten. Eine Warnung

Frankfurter Bethmännchen

Silvia Tennenbaum: Weihnachtsmarkt

Friedrich Daniel Ernst Schleiermacher: Besuch einer Christmette

Rainer Maria Rilke: Mitsou

Monica Huchel: Schneeschock

Alexander Woollcott: Das Festmahl

Englisches Volksmärchen: Der alte Tom

Brigitte Jeremias: Kamerad Pusch

Bachstein / Bluhm: Die Exzentrikerin Edith Sitwell

Magnus Lichtwer: Die Katzen und der Hausherr

Jerome K. Jerome: Thomas Henry

Heinrich Seidel: Eine Weihnachtsgeschichte

Felix Riemkasten: Ali im Winter

Joseph Roth: Weihnachten in Cochinchina

Marie von Ebner-Eschenbach: Das Weihnachtsfest war nahe

James Henry Leigh Hunt: Die Katze beim Kamin

Charles Baudelaire: Die Uhr

Charles G. D. Roberts: Wie eine Katze Robinson Crusoe spielte

Klabund: Weihnacht

Nachweise

Dank

Über das Buch

Impressum

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Gertrude Jekyll

Die Teegesellschaft der Katzen

Letzten Dezember hatte ich Besuch von meiner jüngsten Nichte, die gerade neun Jahre alt war. Um ihr eine kleine Freude zu machen, bevor sie wieder nach Hause fuhr, schlug ich vor, eine Teegesellschaft für die Katzen zu geben. Sie war von der Idee ganz entzückt, und wir setzten uns, um ernsthaft darüber zu sprechen.

Wir hatten keine Zeit zu verlieren, denn die Party sollte schon am nächsten Nachmittag stattfinden. Als Erstes überlegten wir die Einzelheiten der Speisekarte und nach einigem Abwägen kamen wir zu dem Schluss, dass die Basis des Ganzen Fisch sein sollte. Deshalb bestellten wir ein paar frische Heringe, die gekocht und bereitgehalten wurden.

Unterdessen hatte meine kleine Kameradin vorgeschlagen, dass wir Einladungskarten verschicken sollten und dass sie diese selbst schreiben wolle. Ich fragte sie, ob sie sich das wirklich zutraute, und als sie mir versicherte, dass sie das könnte, machte ich keine weiteren Vorschläge und wartete ab, was dabei herauskam. Nachdem sie ein paar Reste von Schreibpapier gefunden hatte, schrieb sie die Einladungen, anschließend gingen wir gemeinsam nach unten und überreichten sie den Katzen, die in angemessener Weise ihre Zustimmung schnurrten. Da winterliches Wetter herrschte, waren alle im Haus.

Am nächsten Tag bereiteten wir früh am Nachmittag das Fest vor. Die Gesellschaft bestand aus vier erwachsenen Katzen und zwei kleinen, so dass wir vier große Teller und zwei kleine nacheinander füllten; als Erstes legten wir für jeden ein ordentliches Stück Fisch quer über den Teller und ebenfalls quer darüber, so dass es die Form eines Kreuzes bekam, einen Streifen Milchreis. Das ergab vier Winkel, die wir mit dicker Sahne füllten und mit kleinen Butterbällchen dekorierten – einem großen in der Mitte und zwei kleinere in den Ecken. Fisch und Sahne hatten wir noch in Reserve, für den Fall, dass wir rasch nachfüllen mussten, wenn die Teller sich leerten.

In die Mitte des Esszimmers stellten wir einen kleinen, eher niedrigen, runden Tisch, und für die großen Katzen vier Stühle drum herum. Als die Zeit der Einladung näher rückte, fragten wir uns, wie die Gäste sich wohl verhalten würden. Nach unserer Vorstellung sollten sie sich auf die Stühle setzen, mit den vorderen Pfoten auf der Tischdecke; Blumen wollten wir keine, um den Tisch nicht zu überfüllen, da den kleinen Katzen erlaubt wurde, auf dem Tisch Platz zu nehmen.

Als es endlich so weit war, war die Aufregung groß. Fünf Erwachsene waren ebenso brennend neugierig wie das kleine Mädchen. Die Miezen wurden gebracht und auf ihre Stühle gesetzt, während man Chloe und Brindle, die Kätzchen, vor ihren Tellern auf den Tisch setzte. Zu unserer großen Freude fanden alle sich sofort in ihre Rolle ein; allein Maggie zögerte einen Moment, vermutlich meinte sie, dass die Tischmanieren es nicht vorsahen, dass man die Pfoten auf die Tischdecke setzte. Aber das war schnell überwunden und alle machten sich ans Werk, als ob sie täglich an Teegesellschaften teilnahmen und wussten, dass gute Manieren erwartet wurden.

Es war wundervoll, die Freude meiner kleinen Nichte mit anzusehen. Ich hatte erwartet, dass sie vor lauter Freude herumrennen und -kreischen würde, aber sie stand ganz leise mit halb erhobenen Händen, den Mund ein wenig geöffnet, und genoss mit großen Augen unbeweglich das Bild, als ob sie fürchtete, es könne bei der kleinsten Bewegung verschwinden. Unterdessen hatten sich unsere kleinen Gäste unverzüglich über ihre Portionen hergemacht. Pinkieboy, der älteste und schwerste, war zuerst fertig, und nachdem er seinen Teller sorgfältig ausgeleckt hatte, leckte er sich ausgiebig das Schnäuzchen, schaute um sich und verkündete: »Das war sehr gut, und wenn es geht, hätte ich gern noch ein wenig mehr, insbesondere von dem Fisch und der Sahne.«

Als die Katzen aufgegessen hatten, setzte ein gewaltiges Geschnurre ein, Pfoten und Gesicht wurden gewaschen, bevor sie von ihren Stühlen sprangen und sich in alle Richtungen zerstreuten, auf der Suche nach einem behaglichen Plätzchen, wie Katzen es nach einem ausreichendem Mahl zu tun pflegen.

Wir alle fanden, dass unsere kleine Teegesellschaft ein glänzender Erfolg war, und überlegten sogar, der Morning Post darüber einen Artikel anzubieten.

Georg Weerth

Wer weiß, wovon Katzen träumen?

Sorglos, als wüssten sie, dass niemand ihren Gesang unterbrechen würde, durchjubeln die Spatzen diese reizende Wildnis.

Das Einzige, was die heiteren Meetings der gefiederten Gesellen bisweilen unterbricht und den ganzen Konvent im Nu auseinanderjagt, ist die große rotbraune Angorakatze, die langjährige Bewohnerin des Schlosses, die alle Ecken und Winkel des Gebäudes und des Gartens kennt und sich gewissermaßen als Statthalterin des Besitztums betrachtet, wenn die Herrschaft verreist, in der Stadt weilt. Schlummernd kauert sie auf der Schwelle der Gartentüre, in Traum und Gedanken versunken. Alles ist still. – Da beginnt das Vogelkonzert: die Amsel ruft, es zwitschert der Stieglitz, der Buchfinke schreit, und es lärmen die Spatzen. Sie erwacht, sie rümpft die Nase, die langen Spürhaare bewegen sich dreimal und viermal, ein unbehagliches Knurren und Murren dringt durch die halbgeöffnete zierliche Schnauze, und unheimlich blinzeln die grünen Augen durch die schützenden Wimpern. Es ist hart, so im besten Träumen gestört zu werden – in Träumen, wer weiß worin, in Träumen, wer weiß worüber –, wo man sich vielleicht für eine verwunschene Prinzessin hielt, für eine reiche Äbtissin, für eine himmlische Unschuld – und ach! und wo man dann doch zuletzt nur eine alte Katze ist. Aber wer weiß, wovon die Katzen träumen? Genug, unsre Angorakatze erwacht. Sacht und behutsam gleiten die zwei schneeweißen reinlichen Vorderpfoten aus dem warmen Pelze, erst kaum bemerkbar, allmählich deutlicher, schimmernd in ihrer ganzen krallengeschmückten Schönheit, und stemmen sich endlich fest und sicher auf den Boden. Die Hinterpfoten, weniger glänzend und mehr braungestreift und gesprenkelt, folgen sofort dem Beispiel der beiden vordern, schieben die blanken Tatzen vorsichtig unter die Rundung des glatten Leibes, jetzt das Holz der Schwelle kräftiger packend und den ganzen Körper emporhebend, mit dem buckligen Rückgrat, mit dem wedelnden Schweif und dem drohenden Haupte, das sich stolz in den Nacken wirft, die Augen wild funkeln lässt und noch einmal weit aufgähnend seine rosenrote Höhle zeigt und die Reihen blitzender, scharfgeschliffener Zähne.

Ein Satz, und sie verschwindet im Gebüsch. Lebhaft unterhalten sich indes in den Zweigen des großen Oleanders die Vögel von ihren wichtigsten Angelegenheiten. Ein Zeisig schreit, als wäre er außer sich; wahrscheinlich jammert er über ein Mitglied seiner Familie, das sich aus Versehen in den Schlingen fing, die eigentlich für viel bessere, große Vögel gelegt waren, für Amseln und Tauben etwa. Eine sonst sehr sanfte Lachtaube kichert daher laut auf und freut sich nicht wenig, dass sie durch die Intervention des Zeisigs gerettet worden ist. Über diese Schadenfreude entzürnen sich aber die andern, so dass bald vor allem Klagen, Lachen und Schelten niemand den andern mehr verstehen kann und ein alter Spatz, halb vor Wut erstickt, den heiligen Schwur tut, nimmer in so unmoralischer Gesellschaft die Rednerbühne wieder zu besteigen.

Da hat sich die Katze an den Fuß des Baumes geschlichen. Zum Sprunge sich rüstend, setzt sie sich auf die Hinterbeine, peitscht mit dem Schwanz den Boden, und, den Blick nur nach oben gerichtet, zerstört sie, die Fürchterliche, in einem Nu die künstlichen Bauten eines redlichen, arbeitsamen Ameisenvolks, indem sie die eben noch so glücklichen Bürger rechts und links aus den Wohnungen geißelt. Da ist sie fertig. Zischend und sprudelnd fliegt sie am Stamm des Baumes hinan und – husch! verschwinden die Vögel.

Alles wieder still.

So geht es im Garten her. Hat die Katze ihren Streifzug beendet, da kehrt sie ruhig zurück in den Hof des Schlosses, innerlich lachend über die dummen Vögel, welche sich noch immer vor ihr fürchten, sie, die so leicht sind und so lustig beschwingt, dass sie sicher die Lüfte durchjubeln können, wenn eine arme Katze an den lieben, trockenen Boden gefesselt ist mit den lieben vier zierlichen Beinen.

Mary E. Wilkins Freeman

Die Katze und der Fremde

Die Kälte im dunklen Haus war genauso tödlich wie im düsteren Wald, wenn auch nicht ganz so schneidend. Wäre der Katze nicht vorherbestimmt gewesen, dass sie ein dickes Fell haben sollte, so hätte sie vermutlich Dankbarkeit gespürt, es gerade jetzt zu besitzen. Es war so dick, wie ein Pelz nur dick sein kann, dazu schmutzig grau, mit etwas Weiß an Brust und Füßen.