Cover

Table of Contents

»Ein Rennen gegen die Zeit«

Was bisher geschah

Prolog, 1984

Barrington Cove, Gegenwart,

In den Katakomben unter Barrington Cove,

Im alten Leuchtturm

Eine Entzugsklinik weit entfernt

Barrington Cove,

Die Praxis von Doktor Silverman,

Eine Entzugsklinik weit entfernt,

Barrington Cove,

Pinehearst College,

Vor dem Haus der Familie King,

Eine Entzugsklinik weit entfernt,

Barrington Cove, im geheimen Raum,

Kurz zuvor eine Entzugsklinik weit entfernt

Barrington Cove, im BUCHstaben Laden,

In der Entzugsklinik,

Barrington Cove,

Kurz zuvor

In der Villa der Familie Holt

In den Favelas

In der Nähe des Collister-Hauses

Im Haus von Barbara Gladstone, kurz zuvor

Epilog I – Ich erzähle dir eine Geschichte

Epilog II – 1984

Vorschau

Nachwort

Impressum


Ein MORDs-Team

Band 10

»Ein Rennen gegen die Zeit«


von Andreas Suchanek

 

 

 

Was bisher geschah

 

1984: Die fünf Jugendlichen Harrison, Marietta, Jamie, Shannon und Billy brechen in ihre Highschool ein, um die Prüfungsfragen eines landesweiten Tests zu stehlen, der am nächsten Tag stattfinden soll. Der Einbruch gerät zur Katastrophe. Harrison, der in der Aula Wache hält, beobachtet einen Unbekannten, der mit einem Super-8-Film das Gebäude verlässt. Gleichzeitig werden Shannon und Jamie, die sich von der Gruppe getrennt haben, in einem Putzraum eingeschlossen. Während Jamie dort einen klaustrophobischen Anfall erleidet, kann Shannon durch das Lüftungsrohr fliehen und die Tür wieder öffnen.

Als Billy das Vorzimmer des Direktorats verlässt, weil er etwas zu hören glaubt, bleibt Marietta alleine zurück. Da tritt ein Unbekannter aus dem Schatten. Er schlägt den Jungen bewusstlos und tötet Marietta King. Ein Mord, der in die Geschichte des kleinen Städtchens Barrington Cove eingeht und nie aufgeklärt werden kann.

Gegenwart: Mason, Olivia, Randy und Danielle finden im Verlauf eines gefährlichen Abenteuers unter dem Haus des verstorbenen Schriftstellers Billy Tarnowski einen geheimen Raum. In ihm sammelte er Unterlagen zum Fall der 1984 ermordeten Schülerin Marietta King, in den auch der Vater von Mason (Jamie) und die Mutter von Danielle (Shannon) verwickelt waren. Gemeinsam wollen die Freunde den Mordfall aufklären.

In der Folge schlittern die Vier in ein turbulentes Abenteuer nach dem anderen. Dies gipfelt in einer Geiselnahme am Gründungstag der Stadt und einer im Sockel der Vitrine mit der Gründungsurkunde verborgenen Bombe.

Die Freunde und ihre Angehörigen geraten in lebensbedrohliche Situationen, können jedoch gerettet werden. Danielle wird von Chemikalien im Gesicht getroffen und erblindet vorübergehend, Jamie wird schwer verletzt und fällt ins Koma, die Folgen für Alice – die Tochter von Marietta King – sind noch ungewiss.

Olivia kann aufatmen, da ihr Freund Chris seine Schusswunde überlebt.

Um der Familie – und seinem alten Freund Jamie – Beistand zu leisten, kehrt Harrison nach Barrington Cove zurück. Damit sind die überlebenden 84er erstmals wieder vereint.

Doch durch die zahlreichen Fälle und Ermittlungen rund um Marietta King wird auch der Graf auf die vier Freunde aufmerksam. Er beschließt, das MORDs-Team zu trennen. Mason erhält einen Platz in der College-Basketball-Mannschaft, Randy einen Job im Computerlabor, Olivia die Chance auf ein großes Preisausschreiben, und Danielle kann mit einer berühmten Dressurreiterin arbeiten. Doch am Ende erkennen die vier, dass sie hinters Licht geführt wurden.

Beim verlassenen Zirkusrummel auf Angel Island kommt es zum Showdown, als der Mörder erneut zuschlägt. Marek, der im Jahre 1984 mit Marietta zusammen war und kurz darauf verschwand, stirbt, als er vom brennenden Riesenrad fällt. Das wahre Ziel des Mörders ist jedoch Olivia. Sie hat scheinbar ein Foto gemacht, das ihn entlarven kann. In einer halsbrecherischen Flucht entkommt sie.

Das MORDs-Team will alles daran setzen, den Unbekannten zu entlarven und den Fall Marietta King endlich aufzuklären.

Das weiß jedoch auch der Mörder.

Und so beginnt ein Rennen gegen die Zeit.

Prolog, 1984

 

Der Wind fegte durch die Gassen von Barrington Cove. Der Spätsommer hielt sich beharrlich, brachte jedoch zahlreiche Wärmegewitter mit. Er konnte es riechen. Spannung lag in der Luft, weit entfernt schoben sich Wolken heran. Der Mond war mittlerweile verdeckt, doch immerhin spendete der flackernde Schein der Straßenlaternen ausreichend Licht.

Harold umschloss den Griff seiner Tasche fester. Der Wind zerrte an seiner Kleidung. Die Sommerjacke flatterte. In der Ferne zuckte ein Blitz. Das Donnergrollen folgte erst Minuten darauf. Das Gewitter war noch weit entfernt.

Glücklicherweise war zu dieser späten Stunde und mit dem aufziehenden Unwetter niemand mehr unterwegs. Nur ab und an ein Hundebesitzer, der sein bazillenverseuchtes Fellknäuel ausführte; meist mit hektischen Blicken gen Himmel.

Harold war immer etwas unruhig, wenn er zu einer solchen Uhrzeit geweckt wurde. In der Regel handelte es sich dann um eine delikate Angelegenheit, die mit einem Höchstmaß an Diskretion gehandhabt werden musste.

Das Bild der Häuser ringsum veränderte sich. Wo zuvor einfache Bauten emporgeragt hatten, folgten Grünstreifen, dann Villen. Das hier war die noblere Gegend von Barrington Cove. Geradlinig steuerte er sein Ziel an.

Als er in den Hof trat, wurde die Tür aufgerissen. Eine ältere, elegant gekleidete Dame winkte ihn ungeduldig herbei. »Da sind Sie ja endlich.«

»Was ist passiert?«, fragte er nur. Höflichkeitsfloskeln waren meist überflüssig. Mochte die High Society noch so sehr auf gute Manieren und Regeln pochen – und dafür bewunderte er sie ja so sehr –, dominierte in solchen Situationen meist Pragmatismus.

»Mein Sohn. Er hat sich verletzt.«

Harold folgte ihr ins Wohnzimmer der weiträumigen, edel eingerichteten Villa. In der Tür blieb er wie vom Donner gerührt stehen.

Vor ihm am Boden lag der Sohn der Familie. Unter seinem Rücken breitete sich eine immer größer werdende Blutlache aus. Harold sah auf den ersten Blick, dass keine Hauptschlagader verletzt war, sonst wäre der Stammhalter längst tot gewesen. Doch ein länglicher, spitz zulaufender Gegenstand musste sich tief in seinen Rücken gebohrt haben.

»Doktor«, rief der Herr des Hauses nun, der neben seinem Sohn kniete. »Doktor Silverman!«

Harold zuckte zusammen. Er nickte kurz, besann sich dann auf seinen Job und begann mit der Arbeit. Es war eine ziemliche Sauerei. Eine verdammt blutige Sauerei. Doch kurz vor dem Morgengrauen konnte er sich zurücklehnen und beiden Elternteilen verkünden, dass er ihrem Sohn das Leben gerettet hatte.

Er war stolz.

Und die Eltern bedankten sich überschwänglich – mit Worten, Geld und zukünftiger Unterstützung seiner Praxis.

Erst am folgenden Mittag sah er die Nachrichten. In der Nacht war es zu einem grauenvollen Mord in der Highschool gekommen. Die ganze Stadt war außer sich. Doch er stellte keine Verbindung zu seinem Patienten her. Warum sollte er auch?

Ohne es zu ahnen, hatte Doktor Harold Silverman das Leben des Mörders von Marietta King gerettet.

Dreißig Jahre später sollte er diese Tat bitter bereuen.

Barrington Cove, Gegenwart,

Ein Donnerstagmittag

 

Jamie Collister lehnte sich aufstöhnend in seinen Sitz zurück. Das Auto war über ein Schlagloch gefahren. Martha warf ihm einen entschuldigenden Blick zu, obwohl sie natürlich nichts für den Zustand der Straßen konnte. Er lächelte ihr beruhigend zu.

Es war ein surreales Gefühl. Seit er aus dem Koma erwacht war, versuchte er, die Realität um sich herum zu greifen. Doch irgendwie fühlte sich alles seltsam unwirklich an. Die Explosion in den Katakomben hatte sein Bewusstsein ausgelöscht. Als er vor zwei Wochen im Barrington Cove Hospital aufgewacht war, hatten die Neuigkeiten ihn mit voller Wucht erwischt.

Harrison und Martha hatten ihm schonend beigebracht, was geschehen war. Die Highschool – ein Trümmerfeld. Lucian und Sachsen –tot, Letzteres hatte er bereits vermutet. Lady van Straten – in Wahrheit Merilyn van Straten, die vor vielen Jahren mit ihrer Schwester die Plätze getauscht hatte.

Nachdem er endlich mit Harrison alleine im Zimmer gewesen war, hatte dieser ihm außerdem berichtet, dass der Graf Mason, Olivia, Randy und Danielle ins Visier genommen hatte – bisher allerdings mit fairen Mitteln kämpfte. Über einen Trojaner, den Jamie kurz vor dem Gründungstag auf Masons Smartphone eingeschleust hatte, hatte Harrison erfahren, dass die vier Freunde sich in Billys altem Haus eingenistet hatten, das Jamie nach dem Tod des Freundes geerbt hatte.

Und sie ermittelten im Fall Marietta.

Jamie seufzte.

»Alles in Ordnung?«, fragte Martha.

»Klar. Ich habe euch nur vermisst.« Er hauchte ihr einen Kuss auf die Wange.

Prompt kamen Würgegeräusche von der Rückbank. Jamie verdrehte die Augen. »Willst du uns etwas mitteilen, mein Sohn?«

Mason grinste. »Nope. Die Übelkeit kam ganz plötzlich.«

Er schüttelte den Kopf. Als Mason zum ersten Mal ins Krankenhaus gekommen war, war er ein Häufchen Elend gewesen. Dass sein Gesicht schrammenübersät war und einen deftigen Bluterguss aufwies, trug nicht dazu bei, Jamies Laune zu bessern. Mittlerweile hatte er allerdings realisiert, dass er seinen Sohn nicht von den Ermittlungen abhalten konnte. Mason besaß einen eigenen starken Willen. Was ihn jedoch beunruhigte, war die Gefahr, in die er sich permanent willentlich zu stürzen schien. Als lege er es darauf an, verletzt zu werden.

Hätte er einen Zeitpunkt festmachen müssen, an dem das begonnen hatte, er würde sofort die Entführung von Danielle und Shannon nennen. Was war dort draußen auf dem Meer geschehen, das Mason so sehr verändert hatte?

Nachdem sie am Krankenbett ein wenig geplaudert hatten und klar geworden war, dass Jamie seinem Sohn keinen Vorwurf machte, waren dessen typische Frechheiten zurückgekehrt.

Normalität tat in dem Fall allerdings gut.

»Na, dann sollten wir gegen deine Übelkeit etwas machen«, sagte Jamie. »Ich würde sagen, erst mal kein Fernsehen mehr für dich. Und was das Skateboardfahren angeht, das könnte es auch schlimmer machen. Und wo wir dabei sind …«

»Jaaa«, grummelte sein Sohn. »Ist angekommen.«

»Es ist so schön, dass du wieder da bist«, sagte seine Frau.

Sie grinsten sich an.

»Pfff«, kam es von der Rückbank.

Martha stoppte das Auto. Sie unter der linken, Mason unter der rechten Schulter stützend, wackelte er ins Haus. Die Wunden waren verheilt, aber so eine geprellte Rippe, Hämatome und die Nachwirkungen einer gequetschten Lunge, das war kein Spaß.

»Ich bin dann mal weg«, sagte Mason. Schon hielt er sein Skateboard in der Hand (woher hatte er das gerade geholt?) und flitzte zur Tür.

»Wohin gehst du denn?«, fragte Jamie noch.

»Randy.«

Die Eingangstür fiel ins Schloss.

»Ich mache dir was zu essen«, sagte Martha.

»Danke. Der Krankenhausfraß war scheußlich.«

Sie verschwand in der Küche und rumorte dort. Schritte erklangen, Harrison betrat das Wohnzimmer. Er sank in den alten Sessel, direkt gegenüber. Zwischen ihnen stand ein Tisch aus Kirschholz, zur Rechten eine lange Couch mit hoher Lehne. Dahinter gaben breite Fenster den Blick auf den Weg frei, der zum Haus führte. Die Astgabeln der Bäume waren mit goldgelben Blättern bedeckt. Bald würden es nur noch Gerippe sein. Der Winter kam.

»Gibt es etwas Neues?«, fragte Jamie leise.

Harrison schüttelte den Kopf. »Seit der Sache auf Angel Island ist alles ruhig. Die Presse hat dem Steinbeck-Jungen ein paar Mal aufgelauert, weil er es war, der am Riesenrad hing. Diese Anna Mulnow von Channel 5 ist sogar mal mit ihrem Ausschnitt auf ihn losgegangen. Vermutlich wollte sie ihn damit bezirzen.«

Jamie lachte herzlich auf. »Da wird sie bei Randy kein Glück haben.« Sofort wurde er wieder ernst. »Der arme Marek. Wenn wir damals gewusst hätten, dass er in diesem Verlies sitzt. Dreißig Jahre!«

»Wundert dich denn bei den Dynastien noch irgendwas? Wie oft sind wir auf die Kollateralschäden ihrer Pläne gestoßen?«

Jamie winkte ab. »Sag mir lieber, wie es dir geht. Du siehst so aus, wie ich mich fühle.«

Harrison schmunzelte, verzog aber kurz darauf das Gesicht vor Schmerzen. »Die Schläger des Grafen haben mir aufgelauert, als ich Billys Haus verlassen habe. Wollte mich mal kurz im geheimen Raum umsehen. Stell dir vor, da steht jetzt ein Computer. Und ein Teil der alten Akten ist digitalisiert worden. Zumindest liegt ein Stapel neben ’nem Scanner.«

»Randy.«

Harrison nickte. »Es gibt auch ein Fotolabor.«

»Olivia.«

»Nicht zu vergessen: neue Sitzbezüge.«

»Danielle. Ich glaube zumindest kaum, dass Mason seine Liebe für Bezüge entdeckt hat.«

Harrison lachte auf. »Zu ihm gehören vermutlich die fünf Skateboards, die dort stehen.«

»Ernsthaft, wenn du eins wegnimmst, treibt er fünf neue auf. Hat der Graf irgendwas im Haus gemacht?«

»Scheinbar hat er so weit nicht gedacht«, erwiderte der Freund. »Oder zumindest Thompkins nicht. Aber selbst, wenn der Graf stillhält – der Mörder wird es nicht tun. Die vier sind ihm dichter auf den Fersen, als wir es je waren.«

»Sowas habe ich schon befürchtet. Dann müssen wir uns beeilen. Diese Sache kann nur noch auf zwei Arten enden: Entweder wir kriegen das Schwein endlich, oder …«

»Oder er kriegt uns und die Kids.«

Allein der Gedanke daran, dass ein Feind, dessen Identität sie nicht kannten, im Dunkeln darauf lauerte, dass sie einen Fehler begingen, machte ihn rasend vor Wut.

»Irgendwelche Ideen?«, fragte Harrison.

Jamie nickte. »Wir benötigen Ressourcen und einen schlauen Kopf. Unsere sind ja ramponiert. Was hältst du von einem kleinen Ausflug? Es gibt da eine Entzugsklinik, die ich mir mal ansehen wollte.«

»Shannon?«

»Shannon.«

Als Martha zurückkehrte, aß er mit Appetit die Sandwiches, die sie gemacht hatte. Dann brachte er ihr schonend bei, dass Harrison und er einen kleinen Ausflug machen würden.

 

 

 

 

 

I

 

Die DNA

 

 

 

 

 

In den Katakomben unter Barrington Cove,

Ein Donnerstagmittag

 

»Sandwiches«, sagte Mason.

»Wie bitte?« Cat schwenkte ihre Lampe und starrte ihn fragend von der Seite an. Mit der gerunzelten Stirn sah sie irgendwie süß aus.

Die Anführerin der Katakomben-Kids und Meisterdiebin in Personalunion trug einfache Jeans, eine Steppjacke und eine schwarze Mütze aus Wollstoff. Hier unten war es überraschend kalt. Selbst Mason trug eine Lederjacke über seinem Hoodie und hatte anstelle seiner üblichen Sneaker feste Wanderschuhe angezogen.

»Meine Mum macht meinem Dad bestimmt gerade Genesungssandwiches«, erklärte er versonnen. »Die bekomme ich auch immer, wenn ich krank bin. Ich könnte jetzt zu Hause sitzen und ein paar davon essen.«

Cat schnaubte. Sie zwickte ihn in die Seite. »Es ist ein Wunder, dass du noch Muskeln hast. Wie kann man nur so viel in sich hineinstopfen?«

Sie grub ihre Finger in die Lederjacke. Plötzlich wurde er abrupt nach vorne gezogen. Ihre weichen Lippen berührten seine, dann spürte er ihre Zunge. Für einen Moment vergaß Mason all seine Probleme. Die Jagd nach dem Mörder, sein kaputter Ruf als Drogenjunge von Barrington Cove, die Gier, die sich in ihm regte, wenn er auf das stürmische Meer schaute; wenn er eins mit den Wellen werden wollte, mit den Gewalten von Sturm und der puren Energie der Natur.

Aufkeuchend ließ Cat von ihm ab. »Du kannst gut küssen.«

Er wurde rot. »Da… da… also, ja. Du auch.«

Sie wandte sich ab und ging weiter. In den Händen hielt sie noch immer die Lampe. »Da vorne beginnt der Pfad, der von der zerstörten alten Highschool zur neuen … auch zerstörten Highschool führt.«

Sie schalteten gleichzeitig die Taschenlampen ab und knipsten die Schwarzlichtlampen an. Gleichzeitig zogen sie die Sprühflaschen aus dem Gürtel. »Also dann, wenn hier unten nach dreißig Jahren noch irgendwo Blutreste sind, finden wir sie. Einfach Luminol versprühen und mit der Schwarzlichtlampe absuchen.«

Mason rief sich ins Gedächtnis was Danielle dazu gesagt hatte. Man versprühte Luminol und Wasserstoffperoxid auf Gegenständen. Aktivierte man dann Schwarzlicht, reagierten die beiden Stoffe miteinander – allerdings nur, wenn auch ein Katalysator vorhanden war. In dem Fall: menschliches Blut. Die entsprechende Stelle leuchtete dann bläulich.

Eine Stunde später war Mason nicht mehr so optimistisch.

Immer wieder trat er mit dem Fuß in ein verborgenes Loch, meist waren die voller Wasser. Zweimal stolperte er über einen Stalagmiten. Glücklicherweise teilte er das Schicksal von Mariettas Mörder nicht.

Bei der Verfolgungsjagd in der Geisterbahn auf Angel Island hatten er und Olivia den nackten Oberkörper des Mannes zu Gesicht bekommen, nachdem dieser in einen Sarg gekracht war und sich wieder aufrappelte. Eine hässliche Narbe entstellte eine Stelle des Rückens. Cat wusste von ihrem Vorgänger als Anführer der Diebe, dass der Mörder 1984 durch den Tunnel geflohen war und sich dort verletzt hatte.

»Wie machst du das?«, fragte er.

»Was?«

»Du tänzelst ja richtig um jedes Hindernis herum.« Prompt stand er wieder in einem Wasserloch. »Ach, verdammt!«

»Das hier unten ist eben meine Welt«, sagte sie, mit einer Spur Bitterkeit in der Stimme. »Die da oben wollten mich nie.«

Sie tat ihm leid.

Als er sich endlich einen Satz zurechtgelegt hatte, der tröstend war, aber nicht zu mitleidig und sowohl ihr Aussehen als auch ihren Intellekt lobte, rief Cat: »Da!«

Beinahe hätte Mason die Schwarzlichtlampe fallen lassen. »Was habt ihr alle immer mit eurem Erschrecken!« Sein Blick wanderte zu dem Stalagmiten, auf den sie deutete. »Oh.«

Im Licht der Lampen zeichneten sich kleine weiße Sprenkel ab. Cat zog ein Reagenzglas aus ihrer Gürteltasche. Sorgfältig kratzte sie die Reste hinein. Am Ende verschloss sie es wieder.

Mason konnte den Blick nicht von der Tasche wenden, nachdem das Laborgefäß darin verstaut war. »Wahnsinn. Wir haben Blut vom Mörder.«

Cat nickte stolz. Dann wurde sie ernst. »Aber freu dich nicht zu früh. Wenn der Kerl nicht irgendwann in den Jahren nach dem Mord etwas angestellt hat, wodurch seine DNA in der Datenbank gespeichert wurde, bringt das hier nichts.«

»Ich weiß. Wir benötigen das Referenzmaterial.«

Cats rechte Braue wanderte in die Höhe. »Das Wort hast du doch gegoogelt.«

Mason verschränkte trotzig die Arme. »Hab ich nicht.« Deutlich leiser ergänzte er. »Lexikon.«

Sie lachten beide.

Und küssten sich innig.

 

*

 

Im alten Leuchtturm

(Die Redaktion der »Freie Stimme Barrington Cove«)

 

»Ihr kommt so weit klar?«, fragte Sonja.

Die sonst energiegeladene Reporterin wirkte müde. Tiefe Augenränder prägten ihr Gesicht, sie blickte trüb in die Runde.

»Natürlich«, erwiderte Danielle. »Geh dich ausschlafen.«

Die Inhaberin und einzige Reporterin der Freie Stimme Barrington Cove nickte. Dann verließ sie die gemütlichen Redaktionsräume im alten Leuchtturm.